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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Unzulässige Namensnennung bei Verdachtsberichterstattung durch Krawallblogger

Dieses Wochenende machte ein Verfahren des NDR-Justiziars gegen einen GEZ-Kritiker die Runde, der nunmehr das Ende der Meinungs- und Pressefreiheit ausruft. Der Betreffende, der durchweg mit dem Kompliment „Journalist“ bedacht wird, wehrte sich dagegen, dass ihm der Justiziar des NDR verbieten lassen wollte, dessen Namen in seiner Berichterstattung zu verwenden.

Die meisten mir bekannten Websites beließen es bei dieser leider etwas vorschnellen wie ärgerlicherweise lückenhaften Sachverhaltsdarstellung. Man hatte dem Kritiker nämlich nicht etwa seine Berichterstattung als solche verboten, sondern lediglich die Nennung eines bestimmten Namens.

Und auch das nicht von ungefähr: Der NDR-Justiziar hatte nicht etwa Anstoß an Kritik lediglich an seiner Arbeit genommen, sondern hatte einen weit gewichtigeren Anlass, gegen den Kritiker vorzugehen, der in den Websites überwiegend unterschlagen wurde. So hatte der NDR-Mann nach Jahren des Tolerierens beantragt, dem Kritiker zu verbieten,

b) über die vom Beklagten gegen den Kläger im Juni 2008 erstattete Anzeige wegen des Verdachts der Urkundenunterdrückung bzw. Beihilfe und Anstiftung hierzu sowie das anschließende Ermittlungsverfahren zu berichten und/oder Schriftstücke aus diesem Verfahren zu veröffentlichen und/oder in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe erneut zu verbreiten.

Der Kritiker hatte nämlich nicht nur über seinen Fall berichtet, sondern auch über seine These, der NDR-Mann habe Dokumente verschwinden lassen oder hierzu angestiftet.

Nun mag der Kritiker recht haben, oder auch nicht. Er soll sich auch ruhig eine Meinung erlauben. Nur: Wäre dieser Kritiker wirklich Journalist (was man bei einer unstrukturiert chaotischen Website mit Augenkrebs-förderndem „90er Jahre Design“ wie dieser hier vorsichtig bezweifeln darf), dann hätte er wissen müssen, dass die Rechtsprechung für die Verdachtsberichterstattung bzgl. des Vorwurfs von Straftaten anspruchsvolle Regeln aufgestellt hat.

Der Grund für diese Auflagen liegt darin, dass für einen Unverurteilten die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung gilt. Grundsätzlich hat niemand das Recht zum Rufmord. Medienmacht beinhaltet auch ein Minimum an Medienverantwortung.

Solange die Schuld nicht feststeht bzw. der Betreffende nicht aufgrund Interesse der Öffentlichkeit Medienaufmerksamkeit ertragen muss, hat er – und auch seine Familie, die mit seinem angeblichen Handeln identifiziert wird – grundsätzlich Anspruch, in Ruhe gelassen zu werden.

Wer über angebliche Straftaten öffentlich berichten will, ohne den Ausgang eines Strafverfahrens abzuwarten, muss

  1. gewichtige Anhaltspunkte aufbieten, die einen hinreichenden Verdacht begründen. Bloße Verdächtigungen, Argwohn oder Verschwörungstheorien reichen nicht aus. Auch die Stellung einer Anzeige macht einen bloßen Verdacht nicht stärker. Selbst ein bloßes Ermittlungsverfahren muss nicht notwendig ausreichen, denn dieses wird nur aufgrund eines Anfangsverdachts eingeleitet und besagt genau gar nichts.
  2. den Namen des Verdächtigen anonymisieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verdacht keine Straftat von erheblicher Bedeutung betrifft.

Wie die Erfahrung mit dem presserechtsfeindlichen Landgericht Hamburg lehrt, reichen nicht einmal Ermittlungsverfahren gegen praktisch überführte Wirtschaftsverbrecher aus, die in großem Stile Aktienkurse zu manipulieren pflegen. Die Rechtspraxis des Landgerichts Hamburg begünstigt einen Missbrauch des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zulasten der Meinungs-, Presse-, Kunst – und Wissenschaftsfreiheit und pervertiert damit Persönlichkeitsrecht. Manche Kenner der Hamburger Verhältnisse gelangen daher zu der überzogenen Schlussfolgerung, im Interesse der Meinungsfreiheit lieber ganz auf Persönlichkeitsrechte zu verzichten.

Grundsätzlich sind Persönlichkeitsrechte aber durchaus eine wichtige Sache.

Der GEZ-Kritiker allerdings wäre mit einiger Sicherheit auch an jedem anderen Gericht gescheitert. Seine Verdächtigungen sind mir zwar nicht im Detail bekannt, da sie gelöscht sind und archive.org nur eine begrenzte Orientierung ermöglicht. Aber wenn der Kritiker den NDR-Mann der Urkundenunterdrückung verdächtigt, muss er schon mehr bringen als

Doch erstmal der Reihe nach:

Am 25. Februar war ich beim Gericht und habe meine Akte vom NDR eingesehen. Was fehlte, war das Corpus delicti, also die eigentliche (Zwangs-)Anmeldung. Noch nicht einmal eine einfache Telefonnotiz war enthalten. Ich kann daraus nur zwei mögliche Alternativen schlussfolgern:

1. Entweder es wurde hier ein belastender Verwaltungsakt „einfach so“ nach mittelalterlicher Gutsherrenart in Gang gesetzt oder
2. Ein (unbekannter) Mitarbeiter des NDR hat mutmaßlich eine strafbare Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen.

Das ist ein Schuss ins Blaue. Mehr nicht. Eine bloße Vermutung rechtfertigt noch keinen Rufmord. Selbst, wenn der Kritiker seinen bloßen Verdacht äußern möchte, dann muss er hierzu nicht den Namen des Verdächtigten nennen.

Wer sich „Journalist“ nennen lässt, sollte über solche Minimalkenntnisse verfügen. Der Kritiker kann seinen Kampf gegen die GEZ genauso gut auch ohne Namensnennung seines erkorenen Gegners führen. Daran geht die Meinungsfreiheit nicht zugrunde.

Eine völlig andere Frage ist, ob die Prozesstaktik der Anwältin des Kritikers besonders überzeugend war. Da der Kritiker sich offenbar zu mehr Unterlassung verpflichtet hat, als die vom NDR-Mann beantragte Anonymisierung, kann man da so seine Zweifel haben.

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3 Comments

  1. Kanzlei Hoenig Info » Blog Archive » Die GEZ, das Internet und die “Zensur”

    […] Update: Eine weitere – lesenswerte – Kommentierung dieses “Eklats” findet sich beim/im Rechtsanwalt Markus Kompa – Blog zum Medienrecht. […]

    #1 Pingback vom 04. Januar 2010 um 13:06

  2. Twitter Trackbacks for Unzulässige Namensnennung bei Verdachtsberichterstattung durch Krawallblogger » Rechtsanwalt Markus Kompa - [kanzleikompa.de] on Topsy.com

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    #2 Pingback vom 04. Januar 2010 um 16:29

  3. R o l l o s S ü p p c h e n

    „Die meisten mir bekannten Websites beließen es bei dieser leider etwas vorsch…“…

    Die meisten mir bekannten Websites beließen es bei dieser leider etwas vorschnellen wie ärgerlicherweise lückenhaften Sachverhaltsdarstellung. Man hatte dem Kritiker nämlich nicht etwa seine Berichterstattung als solche verboten, sondern lediglich …

    #3 Trackback vom 23. Januar 2010 um 15:57

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