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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


20. November 2009

Enthüllungsbuch über weltlichen Geistlichen wird zensiert

In dem hier bereits angesprochenen Fall eines sündhaften Hirten hatte der Antragsteller mehr als 70 Passagen angegriffen.

Wie die Badische Zeitung nunmehr mitteilt, hat das Landgericht Freiburg Ravensburg inzwischen per einstweiliger Verfügung untersagt, personenbezogene Daten, den Priester betreffend, aus der Verfahrensakte des Landgerichts Freiburg zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen. Darüber hinaus wird verboten, vier Behauptungen des schreibenden Opfers in dem Buch zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.

Der Ton der Wikipedanten

Neulich hatte ich in Teil 4 meiner spleenigen Soap über mein tragikomisches Abenteuer mit meinem Freund Phi im Wikipedia-Biotop die Figur des Marcus Cyron eingeführt und diesen mit einer fiktiven Figur aus Douglas Adams Hichthiker’s Guide to the Galaxy verglichen. Bei dieser Figur handelt es sich um ein Wesen, dass es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, jedes Wesen in der Galaxis genau einmal zu beleidigen und seit Ewigkeiten hierzu in seinem Raumschiff durch die Galaxis kurvt.

Bereits vor einigen Wochen war mir Cyron wieder aufgefallen und daher ein paar Zeilen wert gewesen.

Heute nun lieferte er den ersten Kommentar zu einem in der SZ-Schaltzentrale ausgetragenen Streitgespräch zwischen dem die deutsche Wikipedia-Community kritisierenden Blogger Felix von Leitner und dem so furchbar sympathischen Wikimedia-Geschäftsführer, dessen Namen ich gerade vergessen habe. Und was tut Marcus Cyron als erstes? Er beginnt sein – wie immer stets ausgesprochen sachlich gehaltenes – Posting so:

„Herr von Leitner, sie sind wie ein störrischer Esel.“

Das war für seine Verhältnisse übrigens noch ganz höflich. ;-)

Schlagwörter:
19. November 2009

Privatleben eines Politikers

Zu den Klassikern persönlichkeitsrechtsrelevanter Fälle zählt das nicht öffentlich gemachte Privatleben. Zu einem aktuellen Fall hat die Süddeutsche einen Kommentar veröffentlicht, den ich kurz ergänzen möchte.

Es gab – jedenfalls in der Bonner Republik – unter allen großen Verlagen etc. die Absprache, dass bei Politikern nicht über Seitensprünge und artverwandte „G’schichtn“ berichtet wurde. Selbstverständlich gab es das, die Presse wusste häufig, wer fremd geht, die Politiker mussten sich nicht einmal wirklich verstecken. Es ist damals nie etwas darüber geschrieben worden. Beim damaligen Bundeskanzler Willy Brandt vielleicht, da gab es gewisse Andeutungen, die aber erst im Windschatten der Guillaume-Affäre deutlicher wurden (so genau weiß ich es nicht, war ja vor meiner Zeit). Die Frauengeschichten, die man von einem damals zum Halbgott verklärten bayrischen Ministerpräsidenten so hört, gingen nicht in Druck. Bei Kohl hat man manchmal Andeutungen über die rasante Karriere seiner Sekretärin gelesen, aber im Großen und Ganzen hatte man Politikern ihre Ruhe gelassen.

Es mag Fälle geben, wo das Privatleben insoweit tatsächlich eine Relevanz aufweist, etwa bei bewusst inszenierten Saubermänner mit Doppelmoral, die ggf. politisch Dinge fordern, die mit ihrem privaten Gebaren in Widerspruch stehen.

Wirklichen Nachrichtenwert haben Seitensprünge nicht. Sie werden von Politikern aller Couleur praktiziert. Politiker sind nun einmal von Berufs wegen Opportunisten. So what?

Seit ich vor etlichen Jahren angefangen habe, Medien und die Verteilung und Bewertung von Information durch Gatekeeper genauer zu verfolgen, habe ich keinen Zweifel daran, dass der Entschluss über Schweigen oder Veröffentlichen von Privatissima aus politischen Erwägungen erfolgt. Meistens ist es gar nicht einmal der eigentliche politische Gegner, der ja nur eine Person gegen dessen Stellvertreter eintauschen würde, vielmehr sitzen die Büchsenspanner häufig in der eigenen Partei.

Zum aktuellen Fall habe ich mir über den politischen Nutznießer noch keine Meinung gebildet. Aber auf die Redaktion des Magazins, welche diese überflüssige Kolportage gebilligt hat, sehe ich schon länger mit Sorge. Ich kenne im Medienbetrieb viele Journalisten, welche sich das Mem „Das ehemalige Nachrichtenmagazin“ zumindest privat zu eigen gemacht haben.

Lässiges Impressum

Die Leute von Seat-1 haben ein cooles Impressum:

(…)
Haftungsausschluss und andere Floskeln

Da wir uns die Inhalte verlinkter Seiten zu eigen machen, vermeiden wir es, zum Landgericht Hamburg zu verlinken.

Wir haben keinen Einfluss auf die Inhalte verlinkter Seiten, distanzieren uns aber dennoch nicht. Vielmehr finden wir sie so toll, dass wir ausdrücklich zu deren Besuch aufrufen.

Auf dieser Internetpräsenz vorkommende bestehende oder zukünftige Markennamen sind das Eigentum der jeweiligen Markeninhaber, es sei denn die Marke wurde nicht erteilt, gelöscht oder als nichtig erklärt.

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Seat-1 Software GmbH haftet für keinerlei Schäden aus der Nutzung des Systems, ausgenommen für die von ihr oder einem ihrer Erfüllungsgehilfen grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachten.

Im Geschäftsverkehr mit Kaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder bei öffentlich-rechtlichem Unternehmen ist der Gerichtsstand Coburg.

Im Falle von Namensrecht-/Domainstreitigkeiten, Textaussagen- u. Inhalte bzw. Abmahnungen gegen geltendes Wettbewerbsrecht bzw. Fernabsatzgesetz bitten wir Sie, zur Vermeidung unnötiger Rechtsstreite und Kosten, uns bereits im Vorfeld zu kontaktieren. Die Kostennote einer anwaltlichen Abmahnung ohne vorhergehende Kontaktaufnahme wird im Sinne der Schadensminderungspflicht als unbegründet zurückgewiesen. Unberechtigte Abmahnungen und / oder Unterlassungserklärungen werden direkt mit einer negativen Feststellungsklage oder schlimmerem beantwortet.

Zu Nebenwirkungen und Risiken lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

Mobilfunkpreise können abweichen.

Füllhöhe technisch bedingt.

Dieses Impressum wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.

Rechnungsdatum entspricht Lieferdatum.

Kann Spuren von Erdnüssen und anderen Nüssen oder überhaupt von allem möglichen enthalten.

bla fasel
bla fasel
bla fasel
bla fasel

Fitze, fatze, Hühnerkacke.

Falls irgendein Zauberspruch vergessen wurde, einfach dazudenken.

Dieses Impressum darf frei genutzt, kopiert, veröffentlicht, rezitiert, verfilmt werden.

Erinnert mich ein bisschen an das Impressum, dass ich vor Jahren mal Finanzparasiten.de verpasst hatte:

Verantwortlichkeit für Links

Als fortgeschrittener Internetnutzer ist Ihnen bekannt, dass wir auf verlinkte Seiten keinen Einfluss haben. Für verlinkte Inhalte übernehmen wir keine Haftung und machen uns auch keine der dortigen Äußerungen zueigen. Benutzen Sie bitte Ihren Verstand!

(…)

Abmahnungen

Ihre Abmahnung richten Sie bitte ausschließlich schriftlich an:

Finanzparasiten.de
c/o Kanzlei Kompa
Mariental-Str. 58
48149 Münster.

Finanzparasiten.de ist aufgeschlossen für kostenlose PR-Chancen wie Ihre Abmahnung, Ihre Klage oder Ihre Verleumdung. Da die Website medienrechtlich überprüft wurde sehen wir das ganz gelassen. Ggf. würden wir unter einer anderen Domain weitermachen, notfalls auf einem sicheren Server in Burkina Faso, in der Mongolei, … Auch da werden wir über Google gefunden werden. Aber machen Sie mal ruhig.

Und dann gab es irgendwann einmal den unglücklichen Kollegen, der u.a. durch Internetausdruck dieses Impressums in der Pressekammer Hamburg Stimmung gegen Finanzparasiten.de machen wollte und damit die gewünschte PR ins Rollen gebracht hat.

So richtig böse war dann aber das Impressum des berühmten anonymen Watchblogs:

Verantwortlichkeit für Links

Was das Landgericht Hamburg am 11.Mai 1998 entschieden hat, interessiert uns nicht. Dieses Angebot richtet sich ausschließlich an deutschsprachige und englischsprachige Bewohner der USA.

Strategisch unkluge Verfassungsbeschwerde gegen Verbot von Nennung des geänderten Namens

Das Landgericht Hamburg hatte der Frankfurter Rundschau verboten, über die geplante Namensänderung einer wegen Terrorismus verurteilten Person zu berichten. Bereits der Plan ohne Nennung des Namens ist der Hamburger Pressekammer zu viel der Pressefreiheit.

Die FR wendet sich nun mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das gerichtliche Verbot. Und wie nicht anders zu erwarten springt ihr der Chefreaktionär der Springerpresse pflichtschuldig bei.

Mag das Verbot, über den Plan zur Namensänderung auch mal wieder überzogen sein, so stimme ich den Hamburger insoweit zu, als dass es keinen journalistisch seriösen Grund gibt, den neuen Namen rauszuposaunen. Zudem wäre das strategisch sehr ungeschickt: Zur Zeit klagen alle möglichen Knackis – meistens vertreten von einer ganz bestimmten Kanzlei – gegen Nennung ihres Namens, unter dem sie verurteilt wurden. Man will ja bei der Resozialisierung keinen schlechten Ruf durch die Tagespresse bekommen. Wenn diese in Hamburg erfolgreiche Rechtsprechung in den Instanzen hält, bedeutet dies, dass die ganzen Archive nachträglich anonymisiert werden müssten.

Nun könnte man aber Terroristen, Mördern und inhaftierten Rechtsanwälten, die Wert auf Diskretion legen, nahelegen, dann gefälligst ihren Namen zu ändern, anstatt den Chronisten das Leben schwer zu machen. Diese Leute sind es ja ohnehin häufig gewohnt, unter Tarnnamen zu leben. Eine obligatorische Namensänderung ist schon deshalb vernünftig, weil man im Zeitalter des internationalen Phänomens Internet keinen einmal bekannt gegebenen Namen wieder wirksam aus der Welt schaffen kann. Eine Umbenennung kann aber nur funktionieren, wenn die Presse usw. dann die Anonymität des neuen Namens respektiert.

Ich sehe auch kein ernsthaftes Bedürfnis, den Namen von entlassenen Straftätern preis zu geben. Die haben laut Gericht ihre Strafe abgesessen, sie stellen laut Sozialprognose keine Gefahr mehr dar und es ist nicht Aufgabe der Presse, solche Leute nach Jahrzehnten an den Pranger zu stellen. Strafe ist Sache des Staates. Man kann über diese Leute unter dem alten Namen berichten, das reicht für soliden Journalismus völlig aus.

Was der BILD-Kolumnist Nicolaus Fest jedoch schwadroniert, entbehrt jeden Kommentars und wäre ihm ein guter Anlass, sich selber einen neuen Namen zuzulegen.

Peinlicher Presserat

Es schmerzt, wenn man Kai Diekmann recht geben muss …

Aber der Deutsche Presserat scheint tatsächlich nicht ganz auf Zack zu sein.

Haider-Jörg ./. BILD

Während die deutschen Gerichte glauben, sie könnten ausländischen Zeitungen die Berichterstattung verbieten, klappt das wohl auch umgekehrt. So hat das Landgericht Graz der deutschen BILD-Zeitung Berichterstattung über Privat- und Intimsphäre eines Politikers verboten. Klägerin war die Witwe. Die Begründung ist kaum politically correct. No comment.

Grenzüberschreitende Prozesse mit „Kundschaft“ in Österreich machen nicht wirklich Spaß, da alleine die Zustellung einer einstweiligen Verfügungen etliche Monate dauert. Hat man eine eV an einem deutschen Gericht erstritten, muss man diese wieder dem Gericht zurücksenden mit dem Antrag, die eV an ein Österreicher Gericht zu senden, das dann irgendwann einmal zustellt. Kürzlich kam hier eine eV wieder (über den Umweg des deutschen Gerichts) zurück, die Anfang des Jahres erlassen worden war. Nun war der Empfänger in Österreich leider unbekannt verzogen. Nervt.

Kollege E. ./. BILD

Wie unser Blogger-Kollege Kai Diekmann vermeldet, gab es bereits wieder Post von Kollege E. Hier hat Rechtsanwalt E. dem guten Mann einen Satz verboten. Und nun patzt Diekmann gegen Kollege E. und wirft ihm wie ein peinlicher Wikipedant altklug seiner Vertipper vor. Wie arm ist das denn? Wenn ich eilig Schriftsätze raushaue, geht es um Zeit und Inhalt. Schriftsätze sind technische Werke, die Ansprüche durchsetzen sollen, keine Kunstwerke. Und das tun sie bei Kollege E. überdurchschnittlich erfolgreich.

Und wenn man eine Zeitung macht, die so viele inhaltliche Fehler produziert, dass sie seit Jahren Deutschlands bekanntestes Watchblog speist, dann sollte man bei solchen Lappalien, dann hat man es nun wirklich nicht nötig. Inzwischen gibt es übrigens von Seiten der TAZ ein Diekmann-Watchblog!

18. November 2009

Pressefreiheitsplastik

Inzwischen dokumentiert ein Hausblog der TAZ zur Frage des seltsamen BILDs nun weitere Ausschnitte der eindrucksvollen Plastik zur Pressefreiheit, welche mit nackten Tatsachen provoziert. Auch ein gewisser Herr Diekmann, der sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt professionell die Lufthoheit über die Diskussion sicherte, legte nach. Er bleibt bei seiner „Darstellung“, es handele sich bei dem abgebildeten Protagonisten um einen bekannten Berliner Anwalt – der ironischerweise nicht einmal im angezogenen Zustand abgebildet werden möchte. Die Branche wartet nun gespannt, ob, wie und wie elegant der Kollege auf diesen Affront reagieren wird.

Aus fachlicher Sicht sei noch nachgetragen, dass die in der Totalansicht zu erkennende Skulptur kopulierender Tiere juristisch nicht ganz ohne ist. So hatte es einmal entsprechende Schweinchen mit dem Gesicht von Franz-Joseph Strauß gegeben, die als Verstoß gegen die Menschenwürde verboten wurden.

Und weil es so schön passt: Auch ein anderer Berliner Anwalt, der sowohl zur BILD-Zeitung als auch zum oben genannten Anwalt ein sehr angespanntes Verhältnis pflegt, hatte kürzlich für einen Kollegen gegen einen bekannten Justiz-Blogger verloren. So waren bei der Gerichts-Berichterstattung des Hobby-Juristen über den vertretenen Rechtsanwalt aus unerklärlichen Gründen (bekleidete) Schweinchen auf der Homepage aufgetaucht, die offenbar als störend empfunden wurden. Eine gewisse optische Ähnlichkeit des als zweiten genannten Berliner Kollegen mit Herrn Diekmann (Frisur, Brille, Alter) kann man auch nicht ganz abstreiten. Ob der sich gegen die Plastik der TAZ wehren wird, falls er sich in dem Bildnis wiedererkennt? Hiermit distanziere ich mich vorsichtshalber von allen verlinkten Websites, Eindrücken und Assoziationen!

BGH weist absurde Hamburger Zurechnung von Interviewäußerungen zurück

Auf den sechsten Senat des Bundesgerichtshofs ist Verlass:

Der vom hanseatischen Oberlandesgericht bestätigten Rechtsauffassung der Pressekammer des Landgerichts Hamburg, die einer Zeitung Recherchepflichten für von Interviewpartnern teilweise irrtümlich gemachten Behauptungen aufstellt, wurde eine klare Absage erteilt.

Die Verbreitung der Äußerungen war zulässig. Es handelt sich um eine nicht gegen den Kläger persönlich gerichtete Meinungsäußerung mit einem wahren Tatsachenkern. Die Aussage „Heute wird offen gelogen“ richtet sich gegen die Berichterstattung im Magazin „Focus“, für die der Kläger als Chefredakteur verantwortlich war. Sie gibt die dem Beweis nicht zugängliche Meinung des Interviewten über die mangelnde Wahrheitsliebe in den Medien wieder. Durch das von ihm angeführte Beispiel des Interviews Markworts mit Ernst Jünger, das Markwort jedenfalls nicht selbst geführt hat, wird der Kläger zwar in seinem Persönlichkeitsrecht tangiert, doch überwiegt das von Roger Willemsen verfolgte Interesse der Öffentlichkeit an der Wahrheit und Seriosität der Medienarbeit. Der Persönlichkeitsschutz des Klägers hat mithin hinter dem Recht der Beklagten auf Presse- und Meinungsfreiheit zurückzutreten.

Diese Ansage dürfte auch ein wichtiges Signal zur Zurechnung von Äußerungen in User Generated Content darstellen (Forenhaftung, Wikihaftung).

Hier mein Glosse zur damaligen kolossalen Hamburger Fehlentscheidung. Die scheint mir Richter Buske übrigens zuzurechnen. Er zieht es vor, nicht mehr mit mir zu sprechen. Das muss er aber auch gar nicht, wenn ich ihn interviewen will … ;-)

Update: Hier mein ausführlicherer Kommentar auf Telepolis.

Update: BILDblog mit einem Beispiel für die Angst vor der Interviewhaftung. (Via Telemedicus.)