FAZ-Journalisten fanden es witzig, einen eingenickten Kulturjournalisten während der Frankfurter Buchmesse zu fotografieren und den Ulk auch noch zu verbreiten. Soweit, so unsensibel. In die „Titanik“ hätte sich solch ein Streich gut gemacht, aber der Leserschaft der FAZ gegenüber will man sich eher nicht auf diese Weise präsentiert wissen.
Das Landgericht Frankfurt hatte sich also mit der kontrovers diskutierten Frage von Privatheit im öffentlichen Raum zu befassen. So darf über private Sachverhalte, die an öffentlichen Plätzen stattfindet dann nicht berichtet werden, wenn sich der Betreffende privat wähnt. Trifft sich etwa eine Königstochter mit ihrem Liebsten in einem Restaurant und setzt sich hierbei nicht ins Rampenlicht, sondern wählt stattdessen einen eher abseits gelegenen Platz, dann gilt ihr Aufenthalt dort als privat, ohne dass spanische Wände aufgestellt werden müssen.
Will man dennoch über entsprechende Geschehnisse berichten, dann muss ein Interesse der Öffentlichkeit begründet werden. Hält etwa ein Prinz bei der Autofahrt seinen fürstlichen, nur mit einer Socke bekleideten Fuß aus dem Fenster, dann beurteilen die Gerichte ein legitimes Berichtsinteresse unterschiedlich. Besucht eine gekrönte Mutti ihre hochwohlgeborenen Kindlein bei einem öffentlichen Reitturnier, dann besteht kein schützenswertes Interesse der Öffentlichkeit an Berichterstattung, nur weil die Dame selbst eine Person der Zeitgeschichte ist. Eine Ministerin, die nach ihrem Rücktritt in der Fußgängerzone einkaufen geht, scheint jedoch Bildberichterstattung hinnehmen zu müssen.
Vorliegend nun hatte sich ein Journalist, der selbst früher bei der Frankfurter Buchmesse offenbar eine leitende Funktion ausgeübt hatte und diese in gewisser Hinsicht repräsentierte, in einer in der Branche „beliebten Hotelbar“ eine Auszeit genommen, wahrscheinlich war er sogar unfreiwillig eingenickt. In Hotelbars verhalten sich Leute typischerweise privat, konsumieren gemeinsam mit Unbekannten Alkohol usw. Während sich sehr prominente Menschen auch in solchen Situationen keine Blöße geben dürfen, ein Bundeskanzler etwa am Rande einer Veranstaltung nicht einmal ein Bier bestellen kann, ohne von Stefan Raab gleich zur Schnappsdrossel stilisiert zu werden, darf ein ehemaliger Mitorganisator, der zur aktuellen Buchmesse nur noch den Bezug eines Journalisten hat, durchaus erwarten, dass man seine Privatsphäre respektiert. Ein ernsthaftes Berichtsinteresse an einem solchen privaten Sachverhalt, der direkt nichts mit dem Thema „Buchmesse“ zu tun hat, wird man kaum begründen können. Auch eine bloße satirische Aufhängung eines als solchen ernsthaften Beitrags dürfte schwerlich genügen, um einen Eingriff in das Recht am eigenen Bild dieses unglücklichen Journalisten begründen zu können. (Anders wäre dies im politischen Meinungskampf.)
Wenn sich die FAZ dennoch über das Persönlichkeitsrecht hinwegsetzt und sogar den Kollegen der eigenen Zunft blamiert, dann ist es völlig in Ordnung, wenn der Spaß ein bisschen was kosten darf. Da ist der Verlag mit der ausgeurteilten Geldentschädigung von 5.000,- Euro eigentlich noch ganz gut bedient.