Zu den mit Abstand sympathischsten Personen während meiner Referendarsausbildung gehörte der Verwaltungsjurist und damalige Bürgermeister der westfälischen Kleinstadt Telgte, hier um die Ecke im Münsterland. Der Mann war zwar auf dem Ticket der CDU gesegelt, aber parteilos. Bevor er in die aktive Politik gegangen war, hatte er wohl eher idealistische Vorstellungen. Im Stadtrat aber traf er vor allem auf Selbstoptimierer, etwa Notare, die wissen wollten, wo demnächst Bauland entstehe, usw.
Telgte verfügt über so schöne Dinge wie eine wundertätige Madonnenstatue, ein Weihnachtskrippenmuseum, ein wesentlich interessanteres Kornbrennereimuseum sowie die möglicherweise bundesweit höchste Dichte an Gitarren-Schülern (niemand weiß so genau, warum). Und seit Sonntag schreibt man da auch Wahlgeschichte: Wie der WDR bereits am Wahlabend (oder war es gestern früh?) berichtete, hat man in Telgte vor der Auszählung über 500 Wahlzettel von Briefwählern geschreddert! Warum?
Ein städtischer Mitarbeiter hatte am Samstag im Rathaus leere Wahlurnen für den Abtransport der Briefwahlunterlagen in die Wahllokale reinigen sollen. In einem der Behälter befanden sich die Umschläge. In dem Glauben, es handele sich um alte Unterlagen, hat er sie in den Reißwolf gesteckt.
Quelle: Westfälische Nachrichten
Dies ist besonders pikant, da nach derzeitigem Wahlergebnis der ohne Gegenkandidat angetretene Bewerber gerade einmal 50,5% geschafft hat, was die Briefwähler wohl hätten ändern können. Eine Neuwahl zeichnet sich ab.
Wir halten fest: In Telgte werden Briefgeheimnis, Wahlgeheimnis und Datenschutz hochgehalten – wenn auch nicht immer zum geeigneten Zeitpunkt …