Wenn Mächtige kritisiert werden, dann werden die schnell mal mächtig sauer – und freuen sich, wenn die ihnen gewogene Presse dem Überbringer schlechter Nachrichten Glaubwürdig abspricht. Aber seriöse Presse mag es natürlich nicht, wenn man widerum ihr die Unabhängigkeit streitig macht.
Verdachtsberichterstattung ist gefährlich
So geschah es, dass ein für seine Unabhängigkeit bekanntes Blatt dem rechtspolitischen Sprecher einer bürgerlich nicht so recht gelittenen Partei „selektiven Umgang mit Akten“ beim Thema „Sachsensumpf“ nachsagte. Als eine andere Zeitung die Vermutung andeutete, dass es um die Unabhängigkeit der seriösen Zeitung vielleicht doch nicht zum Besten bestellt sein könne, war das schon wieder zuviel für die freiere Presse.
Für einen gestandenen Journalisten aus Schrot und Korn gibt es in solchen Fällen nur eine Devise: Eine Pilgerreise nach Hamburg zu Richter Buskes lustiger Pressekammer, wo der Ehre genüge getan werde.
Mein sehr geschätzter Hamburger Kollege Herr Dr. Mann, der zu recht die Stolpe-Entscheidung bitterlich beklagt, gehört zu den profundesten Künstlern in der Auslegung von Texten, die Richter Buske zu verbieten pflegt.
Per einstweiliger Verfügung verbot Buske,
1. durch die Formulierung
„Bereits seit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses des Landtages im Sommer ist die von CDU und SPD gebildete sächsische Landesregierung bemüht, die Arbeit des Gremiums und seines Vorsitzenden Bartl zu behindern, obwohl der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) am 5. Juni dieses Jahres selbst erklärt hatte, dass die Organisierte Kriminalität (OK) ‚mit den für sie typischen Mitteln zurückschlagen´ werde, ´weil wir das Netzwerk zerstören wollen‘. (…) Mittlerweile drängt sich der Eindruck auf, er habe mit seinen damaligen Äußerungen von politischen Entscheidungsträgern in Sachsen und ihnen freundlich gesonnenen Journalisten gesprochen.
(…) Denn am Donnerstag wurde bekannt, dass Rainer Burger, Dresdner Korrespondent der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), einen seiner Artikel, den die Zeitung am 28. September veröffentlichte, bereits tags zuvor an den Dresdner Staatsanwalt Christian Avenarius sandte. Darin holte Burger zum großen Schlag gegen Bartl und Külowaus (…)“
den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe seinen am 28. September 2007 in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ veröffentlichten Beitrag auf Veranlassung redaktionsfremder Dritter verfasst und/oder auf Veranlassung Dritter an den Dresdner Staatsanwalt Christian Avenarius übersandt;
Ferner verbot die um das Persönlichkeitsrecht Burgers besorgte Kammer,
zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
„Der Kurs (sc. der FAZ) lautet offenbar, die Milbradt-CDU wieder publizistisch zu stabilisieren. In Verfolgung dessen Order, den Untersuchungsausschuss zu bekämpfen, wann und wo immer es geht, ist Herr Burger (FAZ-Korrespondent in Dresden – d. Red.) bereit, jenseits aller journalistischen Anstands-regeln zu agieren. Ich meine schon beweisen zu können, dass er dabei gezielt ‚gefüttert‘ wird“….
Pressefreiheit in der Pressekammer
Die Kammer meinte, es würde der Eindruck erweckt, der Kläger habe den darin erwähnten Artikel auf Veranlassung redaktionsfremder Dritter verfasst. Außerdem gäbe es eine Verknüpfung mit dem Begriff „Organisierte Kriminalität“ – eine „Schmähung“, die Richter Buske besonders gerne verbietet, was wenige besser wissen als meine Wenigkeit.
Selbst für das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg war der gefährliche Eingriff in die Pressefreiheit diesmal zu dick aufgetragen:
Eindruck oder nicht?
Der erste verbotene angebliche Eindruck werde nicht erweckt. Die Sätze seien daher nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern als zulässige Meinungsäußerungen einzuordnen. Es handele sich um ein „missglücktes Wortspiel“, das fehlinterpretiert worden sei.
Die Äußerung, dass eine Zeitung einen bestimmten Kurs steuere, enthält die Beurteilung, in welche politische Richtung die redaktionellen Beiträge zielen. Es handelt sich um eine Äußerung, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt wird und deshalb als Meinungsäußerung zu qualifizieren ist.
Normalerweise muss man sich erst nach Karlsruhe begeben, um derartiges feststellen zu lassen. Diesmal reichte es über die Straße vom Sievekingplatz 1 zum Sievekingplatz 2.
„Ich meine“ ist Tatsachenbehauptung, keine Meinungsäußerung
Der Satz „Ich meine schon beweisen zu können, dass er dabei gezielt ‚gefüttert‘ wird.“ wurde mit dem Landgericht als Tatsachenbehauptung eingeordnet. Erneut wurde dem weit verbreiteten Missverständnis, eine Meinung über Tatsachen sei von der Meinungsfreiheit geschützt, eine Absage erteilt, denn solch eine Meinung darf man halt nur äußern, wenn man sogenannte „Anknüpfungstatsachen“ hat und beweisen kann.
Hier wurde der Satz deshalb erlaubt, da prozessual von dessen Wahrheit auszugehen sei. Denn dem Kollegen Dr. Mann war es nicht gelungen, rechtzeitig ausreichend vorzutragen.
Déjà vue: Genauso war es mir vor zwei Jahren an gleicher Stelle ergangen, wo Herr Kollege Dr. Mann mein „neues Vorbringen“ bei einer Verteidigung gegen die Worte „Organisierte Kriminalität“ rügte. Kopf hoch, Herr Kollege, wir haben ja alle mal Pech, oder?