Die BILD-Zeitung hat sich entschieden, die auch hier besprochene einstweilige Verfügung bzgl. der Inhaftierung einer Popsängerin zu ignorieren. BILD-Chefredaktuer Kai Diekmann kommentiert persönlich:
„Wenn schwere Straftaten Privatsphäre sind, kann die Presse über nichts mehr berichten. Dann kann man die Pressefreiheit auch gleich abschaffen.“
„Manchmal fragt man sich, wer in Berlin alles Richter werden darf.“
Das vom Sängerin-Anwalt nun garantiert noch heute beantragte Ordnungsgeld kann BILD aus der Portokasse zahlen. Außerdem kann sich Diekmann als Kämpfer für die Pressefreiheit aufspielen und mächtig PR-Gewinn aus der Sache schlagen. Und die Pop-Prinzessin, der ein strafrechtlich nicht unerheblicher Vorwurf gemacht wird, darf sich in der Opferrolle positionieren.
Angesichts der selbstbewussten Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft und des Axel Springer-Verlages, die beide standhaft bleiben, darf man gespannt sein, ob Richter Maucks einstweilige Verfügung Bestand haben wird. Ggf. könnte der Fall dazu beitragen, die Öffentlichkeit für die oft pauschale Übergewichtung der Persönlichkeitsrechte im Bezug zum Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit zu sensibilisieren, wie sie von der Fachwelt vor allem bei den als besonders scharf geltenden Landgerichten in Hamburg und Berlin kritisiert wird. Schade, dass hierfür ein Sachverhalt des Boulevards herhalten muss, denn die eigentliche Problematik liegt eher im politischen und wirtschaftlichen Bereich, wo zensiert wird, was irgendwie zu zensieren ist.
Ungewöhnlich für die Pesse kritisiert die Süddeutsche Zeitung die Mitteilungsfreudigkeit der Staatsanwaltschaft, referiert jedoch ausgewogen die Problematik entsprechender Öffentlichkeitsarbeit.
Strafrechtlich lesenswert zum Haftgrund der „Wiederholungsgefahr“ ist der Kommentar des Kollegen Nebgen: Wenn alle Welt weiß, dass die Sängerin ansteckend ist, kann eigentlich kaum jemand aus dem Umfeld ohne Kenntnis hiervon gefährdet werden. Wenn die gute Frau also aus dem Knast will, dann hat ihr die BILD-Zeitung womöglich sogar einen Gefallen getan. Dann aber sollten der Medienrechtler zurückgepfiffen und der Strafverteidiger aktiver werden.
Der wurde inzwischen sogar so aktiv, dass die Netzzeitung von einem erfolgten Besuch „am Donnerstagnachmittag“ berichtet – und zwar heute um 12.40 Uhr – also vor dem Ereignis … Offenbar haben die Hellseher in der Redaktion …
Update:
Wie BILDblog berichtet, haben auch andere Zeitungen, die nicht zum Springer-Verlag gehören, die (inwzischen bundesweit bekannte) Meldung aus ihrem Online-Angebot genommen.
BILDblog äußert sich (naturgemäß) ausschließlich contra Berichterstattung, bringt jedoch die Argumente von Kai Diekmann – und die sind nicht ganz von der Hand zu weisen, mag man Dieckmann und die BILD mögen oder auch nicht.
Dass sich das BILDblog dem Anti-BILD-Anwalt kritiklos („Das [Die] Zeitung hat kein Recht dazu.“) anschließt, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass der Kollege auch den BILDblogger vertritt. Im vorliegenden Fall jedenfalls machen es sich die Medienblogger mit der schwarz-weiß-Malerei wohl etwas sehr einfach.
UPDATE zum Update:
Wie mich BILDblogger Stefan Niggemeier freundlicherweise hat wissen lassen, habe ich ihn unzutreffend interpretiert. „Die Zeitung hat kein Recht dazu.“ war nicht als eigene Wertung, sondern als Hinweis auf den entgegenstehenden Richterspruch aufzufassen.
Die BILDblogger legen Wert auf die Tatsache, dass sie den Richterspruch nicht bewertet haben. Lesenswert sind insbesondere Niggemeiers Ausführungen in seinem eigenen Medien-Blog zum Ganzen.