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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


21. Februar 2011

„Die Sünderin“ wird 60

Die Süddeutsche Zeitung erinnert an die vor 60 Jahren beim Filmstart von „Die Sünderin“ einsetzenden Werbekampagne der Katholischen Kirche.

Die schärfsten Worte fand der Regensburger Erzbischof Michael Buchberger. Er sprach von einem „Vorgeschmack auf einen bolschewistischen Angriff, der die christliche Grundordnung zerstören“ wolle. (…)
Die Regensburger Feuerwehr, so überliefert es die Lokalpresse, habe sich geweigert, auf die Bürger zu spritzen – daraufhin habe die Polizei die Spritze beschlagnahmt. Vor dem bischöflichen Palais äußerten Demonstranten massive Beschimpfungen gegen die Geistlichkeit, außerdem beschädigten sie das Gebäude.

Ich werde bei Gelegenheit mal einen Sachverständigen fragen, ob er solche „bolschewistischen Angriffe“ kennt. Was die Diözese Regensburg betrifft, so hat man ja bei Kirchens dort mit der Sexualität ganz andere Probleme … Ohne Bolschewismus

22. Januar 2011

Schweigt DER SPIEGEL über „Schweigeabkommen“?

Niemand auf der Welt verfügt über mehr Erfahrung mit Zensur als die Katholische Kirche. Besonders in der Dösese Regensburg scheint man sich mehr um lästernde Worte als um lüsternde Prediger zu sorgen.

Nun hat das Landgericht Hamburg dem SPIEGEL erstinstanzlich verboten, von angeblichen „Schweigeverträgen“ zu schreiben: So ist dem Nachrichtenmagazin verboten,

die Berichterstattung in der bisherigen Form nicht weiter verbreiten. Der Grund hierfür liegt darin, dass nicht fest steht, ob die Vorwürfe tatsächlich zutreffen. Derjenige, der Behauptungen aufstellt, die geeignet sind, einen anderen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, muss im Streitfall die Richtigkeit seiner Behauptung beweisen. Dieser Nachweis ist den Beklagten nicht gelungen.

weiß der Pressetext des Landgerichts Hamburg, wie in Regensburg Digital wiedergibt.

Erfolglos blieb die Klage, soweit sie sich gegen die in der Berichterstattung enthaltene Äußerung richtete, die Familie habe eine “Schweigevereinbarung” unterzeichnet. Bei dieser Formulierung handelt es sich um eine zulässige Bewertung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Ein Bezug zwischen der Schweigeabrede und der Schmerzensgeldzahlung wird durch die verwendete Formulierung nicht hergestellt.

26. Mai 2010

Tim Cole darf Frank Schirrmacher nicht mehr schmähen

Der Publizist Tim Cole, „Wanderprediger des deutschen Internets“, darf nicht mehr gegen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher pöbeln. Auch die Kanzlei, welche derzeit im Angriff die Diözese Regensburg vertritt, konnte in der Abwehr nicht helfen.

In der Sache ging es um einen indirekten Nazi-Vergleich, den Schirrmacher als schmähend empfand. Cole hingegen ging es um die Darstellung der Methode Schirrmachers, doch das Landgericht Hamburg (Internetkammer) sah einen Angriff in der Person und erkannte auf Schmähkritik.

Schmähkritik ist eine beleidigende Meinungsäußerung, bei der es dem Äußernden in erster Linie um die Herabsetzung der Person geht, die sachliche Auseinandersetzung in den Hintergrund tritt.

Damit die Internetkammer Hamburg zu diesem Ergebnis kam, relativierte sie – ganz nach Hamburger Brauch – den Kontext und machte aus Coles grenzwertiger, aber durchaus analysierender Meinungsäußerung eine Schmähkritik, die das Persönlichkeitsrecht Schirrmachers verletze, was schwerer wiege als der Eingriff in die Meinungsfreiheit.

Man kann ja durchaus geteilter Auffassung zu Nazivergleichen und Hypotehesen sein, aber gerade einem politischen Publizisten wie Schirrmacher stünde eine Auseinandersetzung in der Presse besser zu Gesicht als im Gerichtssaal. Gerade Schirrmacher sollte ein dickes Fell zuzumuten sein, hatte er doch 2002 Martin Walser in ähnlicher Weise geschmäht, dessen Buch sogar vor Erscheinen reZENSIERT.

Die Aussicht, dass man in Karlsruhe Coles Äußerung noch als zulässig im Sinne der Meinungsfreiheit ansehen würde, halte ich für gegeben. Die Aussicht, dass Leute wie FAZenmacher Schirrmacher der Pressefreiheit Ehre machen, hingegen nicht.

5. Mai 2010

Niggemeier soll auf den Index


Heute morgen noch hatte ich folgende Weisheiten im Blog von Stefan Niggemeier hinterlassen:

Ich vertrete gerade jemanden, der wahrheitsgemäß über eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg berichtete, die gegen eine Bloggerin erlassen wurde.

Die Bloggerin erweckte zuvor nach Meinung der Richter durch Äußerungen einen angeblich unwahren Eindruck. Mein Mandant hat die ihr verbotenen Äußerungen nicht einmal wiederholt, sondern nur den insoweit verkürzten Unterlassungstenor mit dem angeblichen Eindruck.
Zusätzlich berichtete mein Mandant jedoch, ihm lägen schriftliche Aussagen von Zeugen vor, welche den verbotenen Eindruck bestätigen.

Mein Mandant hat nichts Unwahres geschrieben, auch nicht, ob er den Zeugen mehr glaubt und was diese genau sagen. Er hatte auch nicht einmal gesagt, dass er das zutreffend berichtete Gerichtsverbot für falsch hielte (und wenn, wäre es sein gutes Recht auf Meinungsfreiheit).

Trotzdem hat das Landgericht Hamburg auch meinem Mandanten gegenüber eine einstweilige Unterlassungsverfügung erlassen, weil seine unbestritten wahre Berichterstattung den Eindruck erwecke, den man der Bloggerin verboten hatte. Der Mandant hat dann sogar einen höheren Streitwert aufgebrummt bekommen!

Der größte Witz: In der mündlichen Verhandlung konnte jedermann die Zeugen sehen und hören, welche den verbotenen Eindruck bestätigten. Eigentlich müsste sich jetzt das LG Hamburg selbst verurteilen, denn nun ist es das LG Hamburg, das den verbotenen Eindruck erweckt … ;-)

Und:

Lieber Herr Kollege M.,

Ihre Einlassung „Warum bitte, soll bei einer schädlichen Falschbehauptung immer das „Opfer” die Belastung tragen müssen und der „Täter” kein Risiko?” halte ich für Polemik, da Sie es als Anwalt der medienrechtlich bekannten Kanzlei Schalast&Partner besser wissen.
Selbstverständlich muss man sich gegen Verleumdung und üble Nachrede zur Wehr setzen können.
1.
Doch in Hamburg werden durch die „Stolpe-Rechtsprechung” und „Eindrucks-Rechtsprechung” regelmäßig Behauptungen untersagt, die man nie aufgestellt hat. Damit lassen sich viele (prinzipiell zulässige) Meinungsäußerungen in (leicht zu verbietende) Tatsachenbehauptungen umdeuten.
2.
Aufgrund der Beweislastumkehr im Äußerungsrechtsrecht müssen Blogger, die einen Verdacht äußern, diesen beweisen, als ob sie die Mittel der Staatsanwaltschaft hätten, während sich der Abmahner entspannt zurücklehnen darf. So können kritische Presse und Bloggerei nicht funktionieren. Demokratie und kultureller Fortschritt leben von Kritik.
3.
Das seitens Karlsruhe vehement von Hamburg eingeforderte Korrektiv „Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht zur Meinungsfreiheit” wird praktisch gar nicht praktiziert.
4.
Aufgrund der Eigenheiten des Eilverfahrens werden Blogger mit einstweiligen Verfügungen geradezu überfallen und unter erheblichen Kostendruck gesetzt.
5.
Es gibt kein überzeugendes Argument dafür, dass sich zwei Parteien aus Bayern nach Hamburg bemühen müssen, nur weil man zufällig auch da einen Internetanschluss hat. Das Landgericht Regensburg beschäftigt zweifellos gestandene Juristen, denen fähige Anwälte notfalls unter die Arme greifen können.
6.
Es ist eine logische Reaktion, dass gegängelte Blogger in Anonymität und/oder ins Ausland ausweichen. Damit haben Sie bzw. Ihre Kanzlei Schalast & Partner ja auch schon vergleichbare Erfahrungen gemacht: http://www.wipo.int/amc/en/dom…..-0987.html

Ungleich sinnvoller wäre es daher, mit Bloggern auf Augenhöhe zu reden und die Angelegenheiten auf dem kleinen Dienstweg zu regeln, wo dies möglich ist.

Nun hat sich der Blogger-Kollege Niggemeier nicht nur von der Volks-Bibel streuenden BILD-Zeitung Abmahnungen eingefangen, sondern auch vom Regensburger Oberdomspatz, der sich in der Berichterstattung über seine Abmahnungen nicht so recht gefallen mag. Realsatire pur!

17. April 2010

Bischöflicher Verschwörungstheoretiker kassiert eV

Der Regensburger Oberdomspatz Bischof Gerhard Ludwig Müller ließ folgenden unheiligen Spruch vom Stapel:

“Unsere Justizministerin gehört zur Humanistischen Union, sozusagen zur Freimaurerei”

Nun kann man zwar von der Schnarri eine Menge beleidigender Dinge sagen, etwa dass sie in der FDP sei und so weiter, aber das mit dem Freimauern (übrigens hervorgegangen aus den Dombauhandwerkern) ist wohl eher Mumpitz. Aber von Mumpitz leben Religionsunternehmen nun einmal.

Doch der Geistliche meinte, es sei eine geistreiche Idee, von den Schweinepriestern in den eigenen Stuhlreihen abzulenken:

“Für diesen Verein stellt die Pädophilie eine normale Realität dar. Sie wollen die Pädophilie entkriminalisieren.”

Das fanden die Humanistische Union und das Landgericht Berlin dann doch ein bisschen zu viel der Narren Religionsfreiheit und legten ihren Bann über den Frevel.

Wie der katholische Dampfplauderer Mathias Matussek dem SPIEGEL Schande macht, das lese ein jeder Gottesfürchtiger selbst im verlinkten Beitrag nach. Jede weitere Zeile darüber wäre eine zu viel.

14. März 2009

Streisand-Effekt und Prozesskosten-Keule

Ein wunderschönes Beispiel für den Streisand-Effekt bot dieser Tage der Rechtsstreit zwischen dem Rüstungsproduzenten Diehl und dem Regensburger Journalisten Stefan Aigner vor dem Landgericht München.

Der hatte ein bestimmtes Mordprodukt Qualitätsindustriegut zur Stützung der Außenwirtschaft als „Streubomben“ bezeichnet:

Der Anwalt des Rüstungskonzerns war angesichts der großen, überwiegend kritischen Aufmerksamkeit, die Diehls Klage gegen Aigner in den Medien gefunden hatte, darum bemüht, den Imageschaden für seinen Arbeitgeber zu begrenzen. Diehl übernahm die gesamten Verfahrenskosten, die sich auf 15.000 bis 20.000 Euro belaufen. Aigner muss lediglich Kosten in Höhe von rund 1.600 Euro tragen, die im Zusammenhang mit der einstweiligen Verfügung gegen ihn entstanden sind.

Zitiert nach TAZ.

Abgrenzung Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung

Wie fast immer ging es um die Abgrenzung, was als Tatsachenbehauptung, was als Meinungsäußerung (subjektive Wertung) anzusehen ist, diesmal an der Frage, was als Streumunition anzusehen ist:

Der Richter erklärte, die Aussage, Diehl produziere Streumunition – beziehungsweise „bei der von Diehl hergestellten ,Smart 155′ handele es sich um Streumunition“ -, sei weiterhin zulässig, solange dabei zwischen der „Smart 155“ und anderen Typen von Streumunition differenziert werde. Oder wenn diese Aussage eindeutig als Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung formuliert werde.

Zitiert nach TAZ.

Es wäre hochinteressant, zu erfahren, wie sich dieser Münchner Richter denn die „eindeutige“ Formulierung vorstellt. Beim Landgericht Hamburg etwa erfolgt die Einordung einer Äußerung mit Tatsachenkern (und welche sinnvolle Meinungsäußerung kommt schon ohne Tatsachenelemente aus) nur alle Jubeljahr mal als zulässige Meinungsäußerung. Ein Beispiel:

„Die XY-Firma darf man wohl zur „Organisierten Kriminalität“ rechnen.“

Es folgen Ausführungen über die Ermittlungsverfahren gegen die Firmenspitze wegen Bilanzfälschung, Insidergeschäfte und Links auf Pressemeldungen über plumpe Scheingeschäfte usw., deren Bekanntwerden Anlegern Verluste von über 90% einbrachten, wobei viele auf Pump spekuliert und sich damit ruiniert hatten. Das Bild wurde von einer mysteriösen Abhöraffäre zur Vorbereitung einer feindlichen Übernahme, einem Sexskandal und Hausdurchsuchungen abgerundet.

Obwohl diese Äußerung im Rahmen einer Glosse fiel und auf der Website, wo sie fiel, weitere satirische Elemente auf den Meinungscharakter hinwies, sah sie Richter Buske als Tatsachenbehauptung und als Schmähkritik an. Wo, zum Henke, soll denn die Trennlinie zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung gezogen werden? Ich meine: An der Stadtgrenze vom Stadtstadt Hamburg. (Lieber Herr Buske, das soll nur meine Meinung sein, denn wir wissen beide, das dank des fliegenden Gerichtsstand Hamburg überall ist.)

Kostenkeule

Nachdem für den Journalisten Stefan Aigner nun der Rechtsstreit im sogenannten Hauptsacheverfahren vorbei ist, bleibt er auf den Kosten des Verfahrens betreffend der einstweiligen Verfügung sitzen. Die sind aufgrund der im Medienrecht regelmäßig abartig hohen Streitwerte grundsätzlich keine Peanuts. Je nachdem, wie standhaft man sich gegen einen Maulkorb wehrt, steigen die Kosten:

  • Kosten für den Beschluss auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (fallen für den Inanspruchgenommenen sofort an).
  • Kosten für ein Widerspruchsverfahren gegen den Beschluss, gegen den man sich aufgrund der eingeschränkten Verteidigungsmittel nur schwer wehren kann (keine Beweiserhebung, Lügen des gegnerischen Anwalts sind ausreichend), das mit einem Urteil endet.
  • Kosten für ein Berufungsverfahren gegen ein solches Widersspruchsurteil, das lediglich das Widerspruchsurteil überprüft, aber kein neues Vorbringen oder eine Beweisaufnahme zulässt.

Da sich solche Widerspruchs- und Berufungsverfahren über Jahre hinziehen können, ist es eine Farce, hier noch von „einstweiligem Rechtsschutz“ zu sprechen. Manche spezialisierten Rechtsanwälte setzen die prozessualen Möglichkeiten der einstweiligen geschickt wie skrupellos ein, wobei der Kostendruck auf den Gegner, der nicht weiß, wie ihm geschieht, strategisch als Waffe zur Einschüchterung instrumentalisiert wird.

Das Gemeine an der Sache ist: Die Kosten, die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens verschütt gehen, sind endgültig verloren. Und zwar auch dann, wenn man den Gegner zur Erhebung der Hauptsacheklage auffordert und dann gewinnt oder sich im Wege des Vergleichs einigt.

Clevere Advokaten wissen: Hat man ein Gericht erst einmal zum Erlass einer einstweiligen Verfügung bewegt (und das geht mit dreisten Lücken, vollmundigen anwaltlichen oder eidesstattlichen Versicherungen und „Telefonieren mit dem Richter“), dann bleibt es auch tendenziell bei dieser Entscheidung. Wer möchte sich schon gerne einen Fehler eingestehen? In Hamburg etwa, wo man besonders fix mit einstweiligen Verfügungen im Medienrecht ist, wird nur im Ausnahmefall mal eine einstweilige Verfügung aufgehoben.

Prozesstaktik

Manche Praktiker ziehen daher den prozesswirtschaftlichen Schluss: Zähneknirschend die einstweilige Verfügung als solche nicht anzugreifen, den hiermit verbundenen finanziellen Verlust zu akzeptieren und zur Klage in der Hauptsache aufzufordern, wo man sich dann mit Beweisaufnahmen gegen die Zensurwünsche des Klägers wehren kann.

Wie Aigner hat man jedoch im Äußerungsrecht durch die Aufmerksamkeit, die mit solchen Prozessen hergestellt werden kann, eine gewisse Genugtuung. Für die ca. 1.600,- Euro, welche Aigner dem Gegner überweisen musste, hätte er in seiner Tageszeitung in Regensburg vielleicht eine Anzeige schalten können. So aber haben etliche Zeitungen und Blogs überregional über seinen Fall und die Problematik von Streubomben und spziell der SMART 155 berichtet. Das Geld ist gut angelegt, wie ich meine.

Nachtrag:

Gute Nachricht für deutsche Rüstungshersteller: Obama hat gerade den Export von Streubomben drastisch eingeschränkt. Deutschland ist im Exportgeschäft weltweit übrigens auf Platz 3.