29. Mai 2014
Vor ein paar Jahren wurde mir zugetragen, was Geheimdienste so alles mit Handys anstellen könnten. Das klang damals alles ein bisschen nach Verschwörungstheorie. Experten bestätigten mir aber, dass sie keine Zweifel daran hätten, dass damals etliche Markenhandys serienmäßig mit einer heimlich eingebauten Backdoor ausgestattet waren. Es soll sogar möglich sein, dass man mit Eingabe einer bestimmten Telefonnummer innerhalb einer Funkzelle von jedem Handy aus entsprechende Handys abhören könnte, ebenso über das Mikrofon in der Umgebung geführte Gespräche. Da ich das nicht nachprüfen konnte, habe ich nicht darüber geschrieben.
NBC-Journalist Brian Williams befragte nun Edward Snowden, inwiefern etwa der russische Geheimdienst in sein iPhone eindringen könnte, etwa während des Besuchs der Winter-Olympiade in Sotschi. Snowden bestätigte, dass der Zugang zum angreifenden Telefonnetz ausreiche, um im selben Moment das Gerät zu „ownen“, also zu hacken und zu kontrollieren. Gut aufgestellte Geheimdienste wie die von Russland, China oder eben der USA könnten die Geräte sogar selbst anschalten. Ist ein Gerät erst einmal unter Kontrolle, kann der Angreifer selbstverständlich besuchte Websites nachvollziehen, Passwörter auslesen, Terminkalender ansehen …
Während früher die Geheimdienste das Problem hatten, ihre Wanzen über längere Zeiträume mit Strom zu versorgen, sind wir so hilfsbereit und laden unsere Smartphones regelmäßig auf. Und wir bezahlen auch noch selber für unsere mobile Überwachungswanze, die uns bis in die Schlafzimmer überwacht.
Ich kenne etliche Internetaktivisten, die aus Prinzip keine Handys benutzen. Das Minimum aber ist ein Aufklerber über der neuigierigen Kamera. In etlichen Ministerien müssen Handys am Eingang abgegeben werden. Selbst das Entfernen von Akkus wird nicht als ausreichend betrachtet.
Apropos: Liebe NSA, der aktuelle Akku meines Samsung macht es nicht mehr lange. Es wäre doch nur fair von euch, wenn ihr euch an den Kosten für einen neuen beteiligt. ;)
28. Mai 2014
Das ZDF zeigte gestern den ersten Teil einer eingängigen Doku über den NSA-Skandal. Nachdem Generalbundesanwalt Runge – taktisch geschickt nach der EU-Wahl -nun bekannt gegeben hat, dass er nicht einmal Ermittlungen anstellen werde, fällt es selbst gestandenen Juristen schwer, die Contenance zu bewahren. Der Kollege Udo Vetter, den sonst wirklich nichts, aus der Ruhe bringt, benutzt sogar Kraftausdrücke. Ich selbst habe mich auf Telepolis in die Satire geflüchtet und sarkastisch eine Legalisierung des Rechtsbruchs angekündigt, die leider näher an der Realität ist, als einem lieb sein kann.
Letztes Jahr hatten Udo Vetter und ich in Berlin über die mögliche Kontrolle von Geheimdiensten in einem parlamentarischen Untersuchungsausausschuss gesprochen, den es nun inzwischen gibt. Gerne hätte wir dabei kompromisslos mitgewirkt. Der Kollege Prof. Härting greift heute am Bundesverwaltungsgericht die Mitteilungsfreudigkeit des BND an – ein spannender Test, ob die politischen Blockaden durch rechtsstaatliche Verfahren gebrochen werden können.
Inzwischen hat das ZDF berichtet, dass die enge Kooperation des BND mit der NSA seit 1974 besteht und beruft sich hierzu auf Informationen aus dem Nachlass von Ex-BND-Vizepräsident Dieter Blötz. Als das Material von Blötz vor Jahren aufgetaucht war, hatten die angefragten Journalisten abgewinkt. So diente es schließlich dem BND-Forscher Erich Schmidt-Eenboom als Fundgrube für seine Bücher, die ihm seinerseits die Überwachung durch den neugierigen Dienst einbrachte. Heute sendet das ZDF um 22.45 Uhr die Fortsetzung.

admin •

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21. Mai 2014
Wer sich ein realistisches Bild zur Mentalität der US-Geheimdienste machen möchte, sollte unbedingt dieses aktuelle Interview mit William Binney in der taz lesen.
Money Quote:
„Ich würde keiner einzigen Botschaft trauen.“
„Sie würden wahrscheinlich versuchen, ihn zu entführen. Das haben sie immer wieder gemacht – egal in welchem Land.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob sie das stört. Unsere Arroganz ist derzeit so unglaublich groß. Wir töten wahllos Menschen mit Drohnen.“
„Wie soll man einem notorischen Lügner vertrauen?“
„Ihnen gehört das Netz.“
„Mit unserem [von Binney Anfang der 1990er Jahre vorgeschlagenen] System wäre Snowden sofort aufgeflogen. Im Moment, in dem er die erste Datei heruntergeladen hat.“
Binney war technischer Direktor der NSA, gilt als einer der besten Codeknacker der Welt und wurde Whistleblower aus Empörung darüber, dass der Geheimdienst die gegen die Sowjetunion entwickelten Instrumente gegen die eigenen Leute einsetzte. Hier ein aktuelles Portrait des ZDF.
Meine morgentliche Maximal-Dosis an US-amerikanischem Kulturkreis wurde heute durch die Nachricht erreicht, dass Facebook einen Acoount wegen diesem Foto hier suspendiert hat.
Ob das mit TTIP wohl wirklich eine so gute Idee ist …?

admin •

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14. Mai 2014
In einem aktuellen ZAPP-Beitrag geht es um eine Journalistin, die aufgrund einer Telefonüberwachung eines Islamisten die Aufmerksamkeit von Ermittlungsbehörden erfuhr und als Zeugin gewonnen werden sollte. Der NDR spricht von „Eingriff in die Pressefreiheit“.
Betrachten wir einmal getrennt die Telefonüberwachung, die versuchte Gewinnung als Zeugin sowie die Frage der Verwertbarkeit als Beweismittel vor Gericht.
Telefonüberwachung
Der Telefonverkehr eines bekannten Islam-Konvertiten, der Straftaten und Anstiftung zu solchen im In- und Ausland verdächtigt wird, wurde überwacht. Im Gegensatz zur anlasslosen Massenüberwachung haben wir es hier mit einer Person zu tun, die aufgrund von Brandstiftung und religiös motivierter Gewaltbereitschaft eine Gefahr darstellt. Die Anstiftung zu Gewalttaten im Ausland dürfte erfahrungsgemäß durch Telekommunikation geschehen. Daher ist es nachvollziehbar, dass die Polizei da ein Auge und ein Ohr auf diese Person hat und die Möglichkeiten des § 101a StPO nutzt. Die Polizei ist zur Gefahrenabwehr gesetzlich verpflichtet.
Wenn die Journalistin nicht völlig weltfremd ist, wird sie daher mit einer Telefonüberwachung einer solchen Person wohl auch rechnen müssen. Und selbstverständlich werden Anrufe bei überwachten Personen auch in den Akten protokolliert. Laut NDR soll bereits das ein „offenkundiger Verstoß gegen die Pressefreiheit“ sein. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des § 101a StPO, bei der sich auch Journalisten gegen Abhören wehrten und den Schutz entsprechender Kommunikation wie Rechtsanwälte forderten, blieb allerdings 2011 erfolglos. Ein Gesetz, das bereits das Anfertigen von Akten aussetzt, nur weil ein Anrufer ein journalistisches Interesse hat, gibt es erst recht nicht, denn man muss ja erst einmal bewerten, ob es überhaupt Kommunikation zur Wahrnehmung journalistischer Interessen ist. (Eine andere Frage ist, ob das dann vor Gericht als Beweismaterial verwertbar wäre, siehe unten.)
Wenn also professionelle Journalisten gewisse Personen am Telefon befragen, sollten sie sich im klaren sein, dass sie ggf. die Befragung für Behörden leisten. Auch der Islamist wird vermutlich nicht so naiv sein, am Telefon gewisse Dinge zu sagen. Dafür, dass man die Journalistin gezielt überwacht hätte, liegen keine Anhaltspunkte vor.
Ansprache der Journalistin als Zeugin
Die Ermittler nutzten ihre Kenntnis vom Kontakt mit der Zielperson, um die Journalistin als mögliche Zeugin anzusprechen und luden diese vor. Auch das ist eher trivial. Journalisten gehören allerdings zu den in § 53 StPO privilegierten Berufsgeheimnisträgern und dürfen daher bei Bezug zu redaktionellen Tätigkeit die Zeugenaussage verweigern. Anders als bei den anderen berufsbezogenen Zeugnisverweigerungsrechten gibt es für Journalisten allerdings gewisse Einschränkungen, vgl. § 53 Abs. 1 am Ende StPO sowie Abs. 2, Satz 2f.
Ob aber ein Journalist von seinem Zeugnisverweigerungsrecht auch Gebrauch machen möchte, können die Ermittler nicht im Voraus wissen. Also werden sie wohl fragen müssen, ob er aussagebereit ist, was regelmäßig in Form einer Zeugenvorladung geschieht.
Verwertbarkeit vor Gericht
Allerdings berichtet die Journalistin, dass sie vor der Zeugenvorladung von den Behörden auch „informell angesprochen“ worden sei. Was man ihr genau angetragen hat, etwa eine Bitte um Aushorchen, berichtet sie leider nicht. Die Ansprache von Journalisten durch Sicherheitsbehörden ist verfassungsrechtlich heikel, und da wäre es für die Beamten schon sinnvoll gewesen, von Anfang an die Form zu wahren. Gewisse Aussagen dürfen nämlich erst nach einer ordnungsgemäßen Zeugenbelehrung verwertet werden.
Sofern durch eine Telefonüberwachung das Zeugnisverweigerungsrecht eines Journalisten unterlaufen wird, wäre auch das grundsätzlich nicht verwertbar. Die triviale Bitte um ein Interview enthält allerdings ohnehin nichts, was irgendwie relevant wäre, so dass sich die Frage in einem Prozess nicht stellen wird.
8. Mai 2014
Am 163. Verhandlungstag des Luxemburger Bombenleger-Prozesses über die geheimnisvolle Bombenserie zwischen 1984 und 1986 wurde gestern der vormalige Direktor des Luxemburger Gheimdienstes SREL, Marco Mille, vernommen. Mille hatte aufgrund des Buchs von Dr. Daniele Ganser über Stay Behind „NATO-Geheimarmeen in Europa“ (vulgo „Gladio“) nach einer möglichen Verbindung des vom SREL koordinierten Luxemburger Stay-Behind-Netzwerks „Le Plan“ zu den Anschlägen gesucht. Die allerdings waren in erster Linie für das Nachrichtenwesen und Ausschleusungen ausgebildet, nicht aber für Kampfeinsätze.
Nachdem Mille aus Gründen des Staatsschutzes vergeblich den Ausschluss der Öffentlichkeit gefordert hatte, legte er schließlich seine These offen. Mille vermutet, dass hinter den Bombenlegern ein gut organisierte Gruppe stehe, die unter Protektion des Nationalhelden und Armeeministers Emile Krieps gestanden habe. Tatsächlich würde ein solches Unternehmen denkbar gut zu Krieps Biographie passen: Krieps hatte im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis den Widerstand aufgebaut, in Großbritannien eine Ausbildung zum Geheimagent absolviert und war offenbar 1946 in einen drohenden Militärputsch gegen die Luxemburger Regierung verwickelt.
Nach einer Karriere beim Militär wechselte Krieps 1968 in die Politik und fungierte zwischen 1974 und 1984 als Verteidigungsminister. Wie das Luxemburger Wort berichtet, soll Krieps später versucht haben, die politische Kontrolle über den Sicherheitsapparat mit allen Mitteln zu festigen. Mille vermutet, dass Krieps eine paramilitärische Struktur aufbaute, die er selbst dem 1960 gegründeten zivilen Geheimdienst SREL verheimlichte, um im Falle eine eines Angriffs wie schon gegen die Nazis einen Partisanenkrieg führen zu können.
Auffällig ist, das die offensichtlich mit Insiderwissen durchgeführte Attentatsserie 1984 begann, nachdem Krieps infolge einer Wahlniederlage keine politische Kontrolle mehr auf den Sicherheitsapparat ausüben konnte. Gleichzeitig hatte auch der offenbar von ihm protegierte Elitepolizist Ben Geiben, der eine Antiterroreinheit im Stil der GSG9 aufgebaut hatte, überraschend seinen Hut genommen. Geiben gilt vielen als die ausfühende Hand der Anschläge. Durch diese wurde die Politik gezwungen, in den Sicherheitsapparat zu investieren, was Krieps zweifellos gefallen haben dürfte. Alles in allem bislang nur eine Verschwörungstehorie, allerdings aus der Feder eines Profis.
Der Prozess, der Luxemburg umkrempelt, ist das Spätwerk des Strafverteidigers Dr. Gaston Vogel, der schon seit langem in Luxemburg mit der Monarchie, der Kirche, dem Staat und vor allem aber den USA abrechnet.
8. Februar 2014
Bei Verdachtsberichterstattung erliegen Journalisten häufig der Versuchung, sich für eine Partei zu entscheiden, wobei die Argumente nicht notwendig sachliche sind. Insbesondere in Fällen von Kindesmissbrauch will kein Autor Gefahr laufen, ein tatsächliches Opfer auch noch zum Lügner zu stempeln. Gerade in solchen Fällen aber, in denen ein möglicherweise zu Unrecht Verdächtigter seine Unschuld häufig nicht beweisen kann, wären professionelle Kommentatoren gut beraten, vorverurteilende Berichterstatung zu vermeiden. Auch der Deutsche Pessecodex verlangt das.
Derlei Handwerk scheint die taz-Autorin Christina Nord noch lernen zu müssen. Schon die Überschrift „Nichts sehen, nichts sagen“ und die Dachzeile, in der von einer „Verkommenheit Hollywoods“ die Rede ist, beziehen klar die dann doch etwas unkritische Position. Dabei gesteht die „Expertin“ selbst ein, dass Aussage gegen Aussage stehe, urteilt aber:
„Angesichts des Detailreichtums von Dylan Farrows Erinnerung scheint es wahrscheinlicher, dass er lügt.“
Ähm. Nein. Bei unbeteiligten Zeugen kann Detailreichtum tatsächlich ein Indiz für Glaubwürdigkeit sein. Zeugenaussagen bewertet man jedoch auch hinsichtlich einer sogenannten „Belastungstendenz“. Hier nämlich haben wir es nicht mit einer bloßen Zeugin zu tun, sondern mit einer angeblich Geschädigten, die ganz klar im Lager von Mia Farrow steht, die Allen seit über 20 Jahren hasst.
Bereits damals kam ein Gericht zum Schluss, dass an den Anschuldigungen wohl nichts dran sei. Allen wurde 1993 insbesondere durch die Nanny entlastet, die aussagte, an dem fraglichen Tag die Adoptivtochter keine fünf Minuten aus den Augen gelassen zu haben. Und dass Farrow sie anstiften wollte, Allen in Misskredit zu bringen. Insbesondere widersprach sie Details (!), die Farrow zu dem Zwischenfall behauptet hatte.
Jeder, der einmal gewisse Zeit in einem Gerichtssaal zugebracht hat, weiß, dass Zeugen häufig lügen. In vielen Fällen merkt man es sofort, manche Menschen allerdings können lügen wie gedruckt. Ein Indiz für solche Lügen ist übrigens Detailreichtum …
Die taz-Kommentatorin schließt:
Wenn man daraus überhaupt einen Schluss ziehen möchte, dann vielleicht den, die eigene Fähigkeit zur Empathie besser auszubilden.
Eine Alternative zur offenbar noch nicht hinreichend ausgebildeten Empathie wäre eine gründliche Recherche. Hilfreich dabei wäre etwa dieser sehr ausführliche Beitrag eines Woody Allen-Biographen.
Hier die aktuelle Darstellung von Woody Allen.
11. November 2013
Als ich heute am Oberlandesgericht Hamm vor dem Sitzungssaal eintraf, hielten bereits zehn Sicherheitsbeamte die Parteien auf Abstand. Der Beklagte, ein Bischof einer Freikirche, war offenbar im Gerichtsgebäude etwas forsch auf meine Mandantschaft zugegangen. Vor ein paar Jahren hatte er es im Streit um irdische Güter in Münster sogar auf die Titelseite geschafft, weil es Verletzte gegeben hatte. In Anwesenheit von fünf sehr wachsamen Uniformierten ging also nun die Zeugeneinvernahme vonstatten, auch in der Pause hielt man die Parteien auf Sicherheitsabstand.
Meine Mandantschaft interessierte sich dafür, wo das Geld aus der Gemeindekasse abgeblieben war. Nachdem der Bischof selbst kein Einkommen hat, dafür aber Maßanzüge und eine schicke Uhr, hatten wir eine Theorie. Dass seine Frau mit ihrem Krankenschwestergehalt den familieneigenen Hummer 2 finanziert hätte, erscheint auch etwas ungewöhnlich. Wie es im Badezimmer dieses Bischofs aussieht, wissen wir nicht – vermutlich aber die Zeugen.
Der Bischof erschien vor Gericht immer mit einer Entourage, die am ersten Verhandlungstag massiv gestört hatte. Am zweiten Verhandlungstag wies ich den Richter darauf hin, dass das doch sicher wertvolle Zeugen seien, die besser auf dem Flur warten mögen. Und dann war Ruhe … ;) Gehört wurden die damals natürlich nicht. Nach drei Prozesstagen und Bibelworten des Bischofs hatte dieser verloren und war in Berufung gegangen.
Beim jüngsten Gerichtstag nun lief es nach dem temperamentvollen Auftakt friedlich ab. Die Fußballmannschaft an Zeugen, die sich nun für den Bischof verwandten, hatte sich am Vortag in dessen Haus getroffen – nur zum Gottesdienst, versteht sich. Meine Nachfragen über Dauer, Anwesenheit von Zeugen usw. wurden widersprüchlich beantwortet. Das mit dem achten Gebot sollte man vielleicht noch einmal predigen.
6. November 2013
Elmar Theveßen, Geheimdienstexperte und stellvertretender Chefredaktuer des ZDF, hatte mich dieses Jahr eigentlich positiv beeindruckt. So war er diesen Sommer für seine sehenswerte Doku „World Wide War“ über Prism & Co eigens zu uns zur OHM in die Niederlande gereist. In Talkshows machte er zur NSA eine kompetente Figur.
Doch seit heute Abend hat Theveßen mit einer provokanten Aufforderung an Snowden Kritik auf sich gezogen. So erkennt er ihm Nobelpreis ab, verweigert ihm Asyl und verlangt vor allem, Snowden möge nicht mehr scheibchenweise leaken, sondern alle Dokumente ins Netz stellen und fertig.
Die Forderung Theveßens, alles auf einmal ins Internet zu stellen, erinnert jedoch genau an den Fehler, den WikiLeaks seinerzeit gemacht hatte. Das undosierte Leaken hatte zwei fatale Effekte:
1. Etliche wichtige Geschichten wurden im Windschatten „beerdigt“. Die Medien berichteten ausgiebig über die Boulevardstorys, wie sich die US-Diplomaten über die internationalen Politiker lustig machten.
2. Weil alle Medien plötzlich alle Daten hatte, machte es für Medien keinen Sinn, in eine vertiefte Recherche zu einzelnen Themen zu investieren. Denn wenn man es nicht exklusiv hat, muss man damit rechnen, dass ein Mitbewerber mit der Story einen Tag vorher rauskommt, also Zeit und Geld in den Sand setzt.
Hätte Snowden die Dokumente im Juni alles auf einmal platzen lassen, wäre das Thema nach einem Monat durch gewesen, und wir würden uns heute über andere Tagespolitik unterhalten. So ähnlich hatten es sich ja auch Pofalla & Co. vorgestellt, die ja schon den Skandal für beendet erklärt hatten.
Es gäbe übrigens noch jemanden, der alles auf den Tisch legen könnte: Die NSA. Daher wäre es doch ungleich cooler, die Aufforderung nicht an den mutigen Whistleblower, sondern an die NSA zu richten.
Was aber übel aufstößt, ist der negative Spin, den Theveßen gegen die Person von Snowden dreht. Das Timing ist insoweit erstaunlich, als dass sich diese Woche auch die BILD-Zeitung für die NSA positionierte und auf der Klaviatur des Terrorismus spielte. Das ist für einen öffentlich-rechtlichen Journalisten keine angemessene Gesellschaft.
By the way: Auf den unfassbar platten BILD-Artikel hatte ich mit dieser sarkastischen Parodie geantwortet.

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21:26 •
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1. November 2013
Im März 2002 verließ Linksanwalt Hans Christian Ströbele, in der rot-olivgrünen Fischer-Fraktion längst isoliert, demonstrativ das Reichstagsgebäude. Er schätzte den Menschen, dem da die Berliner Parlamentarier hündisch huldigten, zutreffend ein: George W. Bush, der im Auftrag seiner ultrakonservativen Freunde Angriffskriege auf die Ölfelder im Nahen Osten schmackhaft machte. Blut für Öl.
„Jemandem, der einen Krieg nach dem anderen führt und den nächsten ankündigt und sich in jeder Weise gegen die Umwelt versündigt, dem kann ich doch nicht zujubeln im Deutschen Bundestag“
Als die Grünen sich für ihre Jobs in der Energiewirtschaft usw. empfahlen, die sie heute bekleiden, war es Ströbele, der sich noch hörbar für eine sinnvolle Drogenpolitik einsetzte und sich auf Hanf-Demos sehen ließ.
Während die Bundesregierung eine Vorladung des Zeugen Snowden mit Pseudoargumenten wie „keine ladungsfähige Adresse“ vermeiden möchte, redete Ströbele von Anfang an Tacheles und machte gestern Nägel mit Köpfen.
Wir haben einen Politiker im Bundestag! An dieser Stelle übrigens nachträglich herzlichen Glückwunsch zum erneuten Direktmandat.
Ich verneige mich tief.
10. Oktober 2013
Vor zwei Monaten hatte ich das Vergnügen, auf dem europäischen Hackertreffen OHM 2013 in den Niederlanden die Geheimdienst-Whistleblower Ray McGovern (CIA), Coleen Rowley (FBI), Thomas Drake (NSA), Jesselyn Radack (State Dempartment) und Annie Machon (MI5) zu erleben und interessante Gespräche zu führen. Der CIA-Mann beeindruckte mich damit, dass er Sebastian Haffner las. Die Whistleblower nutzten die Gelegenheit, um Edward Snowden ihren größten Respekt zu zollen und forderten die Hacker auf, der Gesellschaft wieder zu Bürgerrechten zu verhelfen.
Diese Woche reisten die US-amerikanischen Whistleblower nach Russland, um Snowden den Sam Adams Award zu überreichen. Gut zu hören, dass es ihm offenbar gut geht, auch seelisch. Keiner der Whistleblower, die ich kenne, hat den Dank erfahren, den ihnen die Gesellschaft meiner Meinung nach schuldet, insbesondere nicht finanziell. Drake etwa, vormals Professor für Informatik in Diensten der NSA, hält sich mit einem Job in einem Apple-Shop über Wasser. Wir benötigen dringend Strukturen, um Whistleblowing attraktiv zu machen. Die Tatsache, dass es der letzte Bundestag nicht geschafft hat, sich auf ein Hinweisgeberschutzgesetz zu verständigen, ist eine Schande. Schade, dass die Medienvertreter insoweit keinen nennenswerten Druck gemacht haben.
Das Thema lässt sich leider nicht so einfach auf dem Boulevard platzieren wie ein etwas zu weltlicher Geistlicher, obwohl es dramatisch wichtiger wäre.
UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser schwaches Abschneiden verantwortlich. Das hatte ich in meinem ersten Beitrag klargestellt. http://www.kanzleikompa.de/2013/10/09/seemannsgarn-gallionsfiguren-und-mehr-frauen-hauptstadtjournalisten-unter-piraten/