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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


3. November 2013

Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt

Gestern habe ich zum zweiten Mal dieses Jahr im Kinosessel jene Geschichte gesehen, bei der ich 2009/10 Zaungast war: WikiLeaks.

Im Vorfeld hatte die Hackerszene befürchtet, es werde ein Anti-WikiLeaks-Propagandafilm, da er auf zwei Büchern von Personen basiert, mit denen Assange gebrochen hatte. Der Chaos Computer Club in Berlin, gewissermaßen ein Geburtshelfer von WikiLeaks, verweigerte eine Drehgenehmigung, und auch das CCC-Logo wurde beim am Originalschauplatz der damaligen CCC-Kongresse gedrehten Film verfremdet. Die Assanginistas störten sich an der fiktionalen Bearbeitung und vermissten etliche ihnen wichtige Aspekte. Die deutschen Filmkritiker wetteiferten wie üblich, wem denn der intellektuellste Verriss gelingen würde und lobten vor allem die darstellerische Leistung des Assange-Darstellers Benedict Cumberbatch.

Meiner Meinung nach war es genau umgekehrt.

Die Autoren hatten entschieden, den Film aus der selektiven Perspektive von Daniel Schmitt/Domscheit-Berg zu zeigen. In den hieraus destillierten 128 Minuten brachten sie denkbar viel Stoff und Kolorit unter. Viele Personen kamen zu Wort, das Wesentliche wurde durchaus gebracht (wobei ich das Geschachere mit den SPIEGEL-Leuten etwas vermisst habe). Entgegen meinen Erwartungen blieb der von Spielberg produzierte Film ausgesprochen unamerikanisch und ging mit der Geschichte von WikiLeaks durchaus fair um.

Nicht einverstanden bin ich allerdings mit der karikaturhaften Darstellung von Assange. Entgegen einer bei Schauspiellaien verbreiteten Vorstellung ist die Darstellung eines Verrückten keine so große Herausforderung. Ungleich anspruchsvoller ist es, einen schwierigen Charakter überzeugend als Menschen zu spielen. Das gelang Cumberbatch eigentlich nur in der letzten Szene, in der er sich offenbar Assanges Worten über den im Vorfeld kritisierten Film bediente und erstmals das schalkhafte an Assange erkennen ließ. Ich selbst bin Assange nur sehr kurz begegnet, aber das in den Medien verfügbare Material reicht aus, um zu beurteilen, dass er trotz aller charakterlichen Untiefen kein Zombie ist, wie er im Film von Anfang an dargestellt wurde. Diese plumpe Einseitigkeit beraubt die im Original durchaus charismatische Figur jeglicher Spannung.

Und genau da hat es der Spielfilm, der nicht in Programmkinos, sondern in Popcornkinos lief, dramaturgisch vergeigt. Der Spielfilm hätte in der ersten Hälfte eine Kommödie sein müssen, eine Art Lausbubengeschichte zweier Nerds, die mit einem Minimum an Aufwand und Esprit Diktaturen und die verbliebene Supermacht USA ins Wanken brachten. Tatsächlich hatten die beiden eine Menge Streiche unternommen und zusammen jede Menge Spaß gehabt. Wenn man sich die Präsentation auf dem 26C3 ansieht, kann man Assange wohl kaum einen intellektuellen Humor absprechen. Die Drehbuchautoren hätten einfach nur zugreifen müssen, allein in Daniels Buch sind etliche komische Szenen beschrieben, der NASA-Hack war irre witzig, oder etwa die unfreiwillig komische E-Mail-Korrespondenz mit dem hilflosen BND-Chef Ernst Uhrlau. Wäre die Freundschaft zwischen den beiden Hackern nicht von Anfang an als kaputt dargestellt worden, dann wäre der Übergang in die Phase des Bruchs deutlich spannender verlaufen, der Film wäre insgesamt unterhaltsamer geworden. Etwa die Doku „We Steal Secrets“ zum gleichen Thema hat durchaus sehr witzige Momente.

Der Film „Inside WikiLekas – Die fünfte Gewalt“ ist deutlich besser, als er besprochen wurde, und ich empfehle jedem dringend, ihn sich anzusehen. Auch, wenn die Person des Assange nicht überzeugend ausgearbeitet wurde, so haben die Autoren doch auf etliche Aspekte verzichtet, mit denen sich Assange selbst in Misskredit brachte. Der Film erzählt die Geschichte aus der Sicht von Daniel mit einigen dramaturgischen Verdichtungen, und das ist durchaus gelungen. Vielleicht bekommen wir ja eines Tages ein Assange-BioPic, das eine andere Perspektive bietet.

Schmunzeln musste ich bei einer von Moritz Bleibtreu gespielten Figur, die einen genialen Hacker im WikiLeaks-Umfeld namens „Markus“ verkörperte, der das berühmte Submissiontool programmierte. Also ich war’s ganz sicher nicht … ;)

1. November 2013

Unser Mann im Bundestag

 

Im März 2002 verließ Linksanwalt Hans Christian Ströbele, in der rot-olivgrünen Fischer-Fraktion längst isoliert, demonstrativ das Reichstagsgebäude. Er schätzte den Menschen, dem da die Berliner Parlamentarier hündisch huldigten, zutreffend ein: George W. Bush, der im Auftrag seiner ultrakonservativen Freunde Angriffskriege auf die Ölfelder im Nahen Osten schmackhaft machte. Blut für Öl.

„Jemandem, der einen Krieg nach dem anderen führt und den nächsten ankündigt und sich in jeder Weise gegen die Umwelt versündigt, dem kann ich doch nicht zujubeln im Deutschen Bundestag“

Als die Grünen sich für ihre Jobs in der Energiewirtschaft usw. empfahlen, die sie heute bekleiden, war es Ströbele, der sich noch hörbar für eine sinnvolle Drogenpolitik einsetzte und sich auf Hanf-Demos sehen ließ.

Während die Bundesregierung eine Vorladung des Zeugen Snowden mit Pseudoargumenten wie „keine ladungsfähige Adresse“ vermeiden möchte, redete Ströbele von Anfang an Tacheles und machte gestern Nägel mit Köpfen.

Wir haben einen Politiker im Bundestag! An dieser Stelle übrigens nachträglich herzlichen Glückwunsch zum erneuten Direktmandat.

Ich verneige mich tief.

29. Oktober 2013

USA werden Kulturnation

Mit Riesenschritten nähern sich die Vereinigten Staaten von Amerika dem an, was man als kultiviert bezeichnen darf. Bereits 1976 verfügte Präsident Ford die Executive Order 11905, die es fortan der CIA untersagte, ausländische Staatschefs zu töten. Nunmehr diskutiert man in Washington, auch auf das Ausspähen wenigstens befreundeter Staatschefs zu verzichten. Das ist doch schon mal was!

Auch auf militärischer Ebene werden die USA immer humaner: Warf man (aus fiktiven Gründen) auf die Reisfelder in Vietnam noch Bombenteppiche und begann (aus fiktiven Gründen) vor einem Jahrzehnt auf den Ölfeldern des Irak einen Krieg, der über eine halbe Million Menschen das Leben kostete, so können heute dank NSA-Informationen Terrorverdächtige gezielt von Drohnen aus liquidiert werden. Warum sollten sich die Menschenfreunde aus Washington dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag unterwerfen?

Doch es gilt noch ein paar Hürden zu meistern. So ist es im Mutterland der Meinungsfreiheit Folteropfern offenbar verboten, über ihre Folterungen zu berichten. Denn Derartiges sei ja geheim! Ob da wohl die Todesstrafe drauf steht? Aber Schwamm drüber: Immerhin kriegen die Nordamerikaner ja jetzt ein Gesundheitssystem. Wo gibt es so etwas schon seit über einem halben Jahrhundert? Richtig, auf Kuba. Selbst in Vietnam ist die durchschnittliche Lebenserwartung ein Jahr höher als in den USA. Falls da nicht wer demokratisierende Bomben schmeißt oder die Lebensmittel verfastfooded.

16. Oktober 2013

NSA-Video

(via Süddeutsche Blog)

Außerdem hier ein starkes Video von 2007:

(via InsideX)

12. Oktober 2013

#Beitzergate – Lesekompetenz in 140 Zeichen

Gestern konnte in einem soziologisch eindrucksvollen Moment getestet werden, wie es um die Lesekompetenz und Streitkultur von „Die Piraten(TM)“ steht. Etliche Twitteristen hatten einen anderen Text über Frau Beitzers Variante von Journalismus gelesen, als ich ihn geschrieben hatte.

Im Text hatte ich praktisch nur Argumente FÜR Feminismus gebracht. Ich vertrete nicht einmal die Meinung, dass die Quote grundsätzlich das falsche Instrument sei. Sehr wohl allerdings bin ich der Meinung – und das habe ich auch deutlich so geschrieben – dass beide Meinungen vertretbar sind. Und dass professionelle JournalistInnen respektieren sollten, wenn jemand nicht ihre Ideologie teilt. Zudem habe ich etlichen Piratinnen ausdrücklich meinen Respekt gezollt.

Dennoch habe ich in den Augen einiger LeserInnen einen „antifeministischen Text“ geschrieben. Das verrät mehr über die Perspektive der LeserIn, als über den Text.

Zum Mitschreiben: Ich habe nichts gegen intelligenten Feminismus. Im Gegenteil. Bei der Piratinnenkon hat Nicole von Horst eine entwaffnend starke Keynote gehalten, und ich hätte mir gewünscht, dass es den TeilnehmerInnen gelungen wäre, das Niveau zu halten. Wie nicht anders zu erwarten, legte die Presse den Focus auf die voraussehbaren Peinlichkeiten, die im Vorfeld, am Rande dieser Veranstaltung und danach passiert sind. Leider.

Jemand, der gerne Gegnerlisten auf Twitter führt, hat mich gestern auf eine Liste „rechts“ gesetzt. Als ich mich letzten Monat mit der NPD angelegt hatte, haben die mich zwar tagelang belästigt, aber soweit mir bekannt ist, hat mich von denen kein Blockwart auf eine öffentliche Liste gesetzt.

Der Sprachwissenschaftler(!) Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch war sich nicht zu schade, mir auf Twitter Äußerungen in den Mund zu legen, die ich so nicht gemacht hatte, um mich in Misskredit zu bringen. Mit einem ähnlichen Trick hatte neulich eine große Boulevardzeitung aus dem „Veggieday“ der Grünen ein angebliches Fleischverbot gemacht – die meines Erachtens erfolgreichste Manipulation dieses Wahlkampfs.

Positiv darf ich anmerken, dass mir beim gestrigen Shitstorm offenbar nur eine Person den Tod wünschte.

Mir wurde auch unterstellt, ich wolle der Presse vorschreiben, was sie zu schreiben hat. Im Gegenteil bin ich doch eigentlich als Aktivist für Pressefreiheit bekannt …

In meiner Eigenschaft als damaliger Bundestagskandidat bin ich während der Snwoden-Enthüllungen zu Piratenveranstaltungen durch die halbe Republik gereist – geschrieben wurde darüber so gut wie nichts. Die Pressemitteilungen, an denen ich mitwirkte, wurden gerade einmal vom „Neuen Deutschland“ aufgegriffen. Für Journalisten, die bisweilen aus unseren Tweets Headlines stricken, hatte ich ein NRW-Kandidatenblog eingerichtet, damit jeder vom Schreibtisch aus lesen konnte, wer wir sind und was wir wollen. Soweit mir bekannt, wurde nicht eine einzige Silbe übernommen. Frustrierend, aber als 2%-Partei hat man eben nichts zu melden.

Es ist Sache der Presse, was und wie sie berichten will. Wenn aber eine Journalistin zwei Jahre lang ständig Genderthemen haben will, obwohl wir uns mit anderen Dingen beschäftigen, und dann in ihrem Resümee den Eindruck erweckt, wir wären Sexisten und offen nach rechts, dann ist das nicht mehr nur schwacher Journalismus, sondern irgendwas ganz anderes. Wenn eine Redaktion da über zwei Jahre lang nicht eingreift, dann ist das eben kritikwürdig.

Gestern haben auf Twitter etliche Leute bewiesen, dass sie mit längeren Texten offenbar überfordert sind, vor allem dann, wenn – wie es gestern jemand formulierte – ein Pro-Feminist sich einen Millimeter zu weit von der Linie wegbewegt.

Wir waren mal eine Partei gegen Zensur und für Toleranz. Inzwischen haben wir auf Twitter reaktionäre Politkommissare und ideologische Blockwarte, die einzig die eigene Meinung gelten lassen und zur Durchsetzung zu unappetitlichen Mitteln greifen. Schade eigentlich.

11. Oktober 2013

Sven Krohlas ist von uns gegangen

Liebe Internet-Trauergemeinde (TM),

wir gedenken heute dem Piraten Sven Krohlas.

Sven war ein Pirat der ersten Tage. Der Informatiker wusste 2006 nicht mehr, welcher Partei er noch guten Gewissens seine Stimme geben konnte. Schon damals lehnte er die immer weiter ausartenden Überwachung ab, engagierte sich für die Förderung freier Software und kämpfte gegen Softwarepatente – Themen, die keine andere Partei besetzte.

Sven machte so etwas verrücktes wie die Mitgliedschaft in einer Minipartei, die vielleicht nie, vielleicht in einem Jahrzehnt das erste Landesparlament entern würde. Er nahm es in Kauf, für so eine Partei belächelt zu werden, die der Karriere eher hinderlich als förderlich war; die Engagement nicht vergütete, sondern mit Shitstorms strafte.

Sven war bereit, sich in Fußgängerzonen bespucken zu lassen, als Zensursula das Internet diskreditierte, um es zu zensieren. Wenn man ihn rief, war er da. Die Partei, für die sich Sven engagierte, hat viel Wichtiges bewirkt. Sie hat 2009 die Internetsperren gelöscht, sie hat ACTA zumindest im ersten Level besiegt, und sie hat in der deutschen Parteienlandschaft für Aufsehen gesorgt, und sei es auch nur das Einfordern von Partizipation und Transparenz.

Ich selbst wurde auf Sven das erste Mal aufmerksam, als er zu Beginn der Snowden-Enthüllungen äußerte, er wolle die NSA brennen sehen, was seinen Weg in die Medien fand. War ich im ersten Moment ob der assoziierten Billigung von Straftaten irritiert, so merkte ich erst im zweiten Moment seiner Brillanz: Als einer der ganz, ganz wenigen hatte es Sven geschafft, in diesem wenig ruhmreichen Wahlkampf die Filterbubble zu verlassen und außerhalb seiner Twitter-Timeline zu kommunizieren, dass wir Piraten etwas gegen Überwachungsstaaten haben. Und hatten wir uns nicht alle diese Woche gefreut, dass im Datenklo in Utah wegen Stromschwankungen die Platinen abrauchen?

Sven hatte immer alles gegeben. Als Basispirat, bei der Programmentwicklung, beim Aufbau von Stammtischen, als Landtagskandidat, als Politischer Geschäftsführer des Landesverbandes und dann als Bundestagskandidat. Jüngst trug man ihm eine Kandidatur zum Bundesvorstand an. Doch Sven wurde schon länger von Zweifeln geplagt. Seine Freunde wussten es schon lange, dass er dem Projekt keine Chance mehr gab. Wie das Orchester auf der Titanic, das spielte, bis das Wasser kam, hat er seine Rolle tapfer bis zum Schluss gespielt.

Nach sieben Jahren Mitgliedschaft hat er uns heute verlassen.

CC-by Bastian Paeper, Blattgrün Fotografie, http://www.blatt-gruen.de
10. Oktober 2013

Geheimdienst-Whistleblower besuchen Snowden

Vor zwei Monaten hatte ich das Vergnügen, auf dem europäischen Hackertreffen OHM 2013 in den Niederlanden die Geheimdienst-Whistleblower Ray McGovern (CIA), Coleen Rowley (FBI), Thomas Drake (NSA), Jesselyn Radack (State Dempartment) und Annie Machon (MI5) zu erleben und interessante Gespräche zu führen. Der CIA-Mann beeindruckte mich damit, dass er Sebastian Haffner las. Die Whistleblower nutzten die Gelegenheit, um Edward Snowden ihren größten Respekt zu zollen und forderten die Hacker auf, der Gesellschaft wieder zu Bürgerrechten zu verhelfen.

Diese Woche reisten die US-amerikanischen Whistleblower nach Russland, um Snowden den Sam Adams Award zu überreichen. Gut zu hören, dass es ihm offenbar gut geht, auch seelisch. Keiner der Whistleblower, die ich kenne, hat den Dank erfahren, den ihnen die Gesellschaft meiner Meinung nach schuldet, insbesondere nicht finanziell. Drake etwa, vormals Professor für Informatik in Diensten der NSA, hält sich mit einem Job in einem Apple-Shop über Wasser. Wir benötigen dringend Strukturen, um Whistleblowing attraktiv zu machen. Die Tatsache, dass es der letzte Bundestag nicht geschafft hat, sich auf ein Hinweisgeberschutzgesetz zu verständigen, ist eine Schande. Schade, dass die Medienvertreter insoweit keinen nennenswerten Druck gemacht haben.

Das Thema lässt sich leider nicht so einfach auf dem Boulevard platzieren wie ein etwas zu weltlicher Geistlicher, obwohl es dramatisch wichtiger wäre.

UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser schwaches Abschneiden verantwortlich. Das hatte ich in meinem ersten Beitrag klargestellt. http://www.kanzleikompa.de/2013/10/09/seemannsgarn-gallionsfiguren-und-mehr-frauen-hauptstadtjournalisten-unter-piraten/

22. September 2013

Piratenpartei legt um 0,2 % zu – eine Million Wähler

Die Piratenpartei hat sich im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 um 0,2 % gesteigert, wobei aufgrund der höheren Wahlbeteiligung der Stimmenzuwachs noch höher liegt. Insgesamt haben uns eine Million Menschen ihr wertvollstes demokratisches Recht anvertraut. (UPDATE: 958.507.)

Am heutigen Wahlabend ärgern sich vermutlich alle anderen Parteien, dass ihnen genau die 2,2 % der Stimmen fehlen. FDP und dieses alberne Gebilde hätten gerne 0,2 % davon abgehabt. Die Grünen und die Linkspartei liegen nunmehr gleichauf – beide wären jeweils mit unseren Stimmen zweistellig, was insbesondere bei der Linkspartei die v0n der SPD versagte Autorität hätte erhöhen können. Zwischen den Blöcken CDU/CSU und rot-rot-schwarz fehlen diese von uns gekaperten 2,2 % schmerzlich, die übrigens beinahe ein Zehntel der Volkspartei SPD ausmachen.

Wie schon 2009 fragen sich die Wahlstrategen, wie sie ihre Prozente von uns wieder zurück kriegen. Und wie schon beim Zensursula-Gesetz und bei ACTA werden die sich Gedanken machen müssen, wie man uns die Themen wieder entzieht. Nicht ganz zufällig etwa beeilte man sich letzten Freitag, dass Anti-Abzock-Gesetz endlich durch den Bundesrat zu bringen, welches das Kostenrisiko von uns so verhassten Filesharing-Abmahnungen deutlich reduziert. Wir waren insoweit mächtiger als die Lobbyisten der Musikindustrie, denen die rot-schwarze Koalition gefällig gewesen war.

Ob wir im Bundestag sitzen, oder ob wir sie von außen da kneifen, wo es sie am meisten weh tut, nämlich bei ihrem Machtanspruch, ist zweitrangig: Wir werden den Lebensraum Internet auch weiterhin verteidigen. Die 2,2 % Stimmen waren es wert.

Zu begrüßen ist ferner, dass es weder der FDP, noch den Deutschtümlern gelungen ist, mit massiven finanziellen Mitteln die 5%-Hürde zu knacken. Insbesondere bei der FDP haben die Leute sich von der dreistesten Kampagne nicht beeindrucken lassen, die ich je in einem Wahlkampf gesehen habe.

Der Partei Die PARTEI gratuliere ich zu 0,2 % der Wählerstimmen, was ebenfalls eine Steigerung um 0,2 % ausmacht. Auch die hätte die FDP gut brauchen können … ;)

16. September 2013

Piraten: Jetzt erst recht!

Manche glauben, wir Piraten machen das Ganze hier, weil wir in den Bundestag wollen.

Leute, wir SIND doch schon im Bundestag!

2009 hatten SPD und CDU für das Zugangserschwerungsgesetz und damit für die Einführung einer Zensurinfrastruktur gestimmt, die laut SPD auch auf politische Inhalte ausgedehnt werden sollte.

Wir haben die Parteien da gekniffen, wo es sie am meisten weh tut: Wir hatten ihnen 2% ihrer Wählerstimmen abgenommen. Das Signal wurde verstanden, das Zensursulagesetz liegt nun auf dem Müllhaufen der Geschichte.

In Ländern wie Russland haben wir heute ein Zensurnetz. Auch in den USA kann man von etlichen Rechnern unerwünschte Websites wie WikiLeaks nicht aufrufen. In europäischen Ländern gibt es „Three Strikes“.

Als 2010 der Bundesrat aus dem Internet ein Kindernet mit Öffnungszeiten (Jugendmedienstaatsvertragsänderungsgesetz) machen wollte, war es NRW, das sich plötzlich dem Blödsinn verweigerte. Der rot-grünen Minderheitsregierung hatten zur stabilen Mehrheit die 2% gefehlt, die wir ihnen bei der Landtagswahl 2010 genommen hatten, und sie wollten die langfristig wieder zurück. (Ist 2012 dann ein bisschen anders gekommen …)

Wir sind bereits in Europa wirksam: So hatten die Lobbyisten in den Hinterzimmern der EU eine S****** namens ACTA ausgekaspert. Bei Minustemperaturen sind wir 2012 gehüpft – und ACTA ist gefallen.

Als wir 2012 in drei Landtage eingezogen sind, obwohl uns die Verwerter-Lobby und vereinzelte politische Gegner mit Dreck beworfen hatten, haben die anderen Partei eingesehen, dass sie sich mit dem Internet jedenfalls zu Zwecken des Wahlkampfs befassen müssen. Das haben sie inzwischen – mit beachtlichen finanziellen Ressourcen, die wir nicht haben – nachgeholt.

Im aktuellen Bundestagswahlkampf sind die Verwertungsrechtslobbyisten unter dem Radar geblieben, weil wir ihre Lügen bereits 2012 deklassiert hatten. Auch, wenn die Medien seit einem Jahr die Piraten auf den Boulevard reduzieren, hat die Fraktion der NRW-Piraten etliche Erfolge vorzuweisen.

Wir haben schon heute viel bewirkt und insbesondere den Transparenzgedanken in der Politik etabliert. (Bayern müssen wir allerdings ausklammern, da sich ein Land, das sich Amigo-Politiker bieten lässt, klar als „failed state“ zu erkennen gibt.) Wir haben die Parteien vor uns hergetrieben. Die wissen genau, dass es uns gibt und mussten sich mit unserer Existenz arrangieren. Jede einzelne Stimme für die Piraten ist ein Signal nach Berlin, das die Abgeordneten daran erinnert, dass sie die Wähler vertreten, und nicht die Lobbyisten. Ob diese Signale über oder unter 5% liegen, ist zweitrangig.

6. September 2013

„Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“

https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=o7XrAZFCrao

Für heute hatte ich eigentlich wenigstens von der ZEIT erwartet, dass sie auf den 50. Jahrestag eines ihrer wichtigsten – und erstaunlich aktuellen – Artikels hinweist. Damals hatte die ZEIT mit ihren Enthüllungen die Abhöraffäre in Gang und den Innenminister Hermann Höcherl in Bedrängnis gebracht. Der wiegelte ab wie Pofalla:

„Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“

Einen Tag vor der „Freiheit statt Angst“-Demo hätte ein Hinweis auf diesen Enthüllungsartikel gut gepasst.

Alles muss man selber machen.