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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


21. Mai 2014

Ehemaliger technischer NSA-Direktor zur Situation von Snowden

Wer sich ein realistisches Bild zur Mentalität der US-Geheimdienste machen möchte, sollte unbedingt dieses aktuelle Interview mit William Binney in der taz lesen.

Money Quote:

„Ich würde keiner einzigen Botschaft trauen.“

„Sie würden wahrscheinlich versuchen, ihn zu entführen. Das haben sie immer wieder gemacht – egal in welchem Land.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob sie das stört. Unsere Arroganz ist derzeit so unglaublich groß. Wir töten wahllos Menschen mit Drohnen.“

„Wie soll man einem notorischen Lügner vertrauen?“

„Ihnen gehört das Netz.“

„Mit unserem [von Binney Anfang der 1990er Jahre vorgeschlagenen] System wäre Snowden sofort aufgeflogen. Im Moment, in dem er die erste Datei heruntergeladen hat.“

Binney war technischer Direktor der NSA, gilt als einer der besten Codeknacker der Welt und wurde Whistleblower aus Empörung darüber, dass der Geheimdienst die gegen die Sowjetunion entwickelten Instrumente gegen die eigenen Leute einsetzte. Hier ein aktuelles Portrait des ZDF.

Meine morgentliche Maximal-Dosis an US-amerikanischem Kulturkreis wurde heute durch die Nachricht erreicht, dass Facebook einen Acoount wegen diesem Foto hier suspendiert hat.

Ob das mit TTIP wohl wirklich eine so gute Idee ist …?

12. Mai 2014

SPIEGEL-Presse ganz unten

 

1985 kritisierte Günter Wallraff in seinem Buch „Ganz unten“ die Arbeits- und Hygienebedingungen bei McDonald’s, die er als „Türke Ali“ recherchierte. Es dürfte in den 1980er Jahren niemanden gegeben haben, der dem Image des Fast-Food-Anbieters mehr und nachhaltiger zugesetzt hat als eben Günter Wallraff. Seine Recherchen haben ein Bewußtsein für diese Arbeitswelt geschaffen und vermutlich einiges gebessert.

Und jetzt wirbt gerade eine Postille, die seit einem Jahrzehnt bei vielen nur noch das „ehemalige Nachrichtenmagazin“ heißt, sogar in Radiospots mit der Verschwörungstheorie, Suggestivfrage, knallhartem Qualitätsjournalismus, ob Wallraffs „dubiose“ Geldzahlungen von McDonald’s in einem Zusammenhang mit einer Reportage über einen offensichtlich unzuverlässigen Lizenznehmer von Burger King stehe.

Die Vorstellung, Wallraff ließe sich zur Anschwärzung der Konkurrenz kaufen, ist so absurd, dass man sich wirklich fragen muss, ob man bei der SPIEGEL-Presse nicht einmal mehr plausible Schmutzkampagnen hinbekommt. Sehr peinlich.

7. Mai 2014

Verspiegelte SPIEGEL-Affäre

 

Der Regisseur Roland Suso Richter ist dafür bekannt, Stoffe deutscher Gerichte dramaturgisch gekonnt, historisch aber mitunter sehr frei und bisweilen ärgerlich falsch zu verfilmen. Die gerade in der ARD gelaufene SPIEGEL-Affäre (hier ins Netz befreit) ist leider keine Ausnahme. Franziska Augstein hat dazu bereits das Wesentliche richtiggestellt.

Sehr schade ist, dass der Film nicht aus der Perspektive und Welt der 50er/60er Jahre erzählt wird. Denn in Wirklichkeit war die SPIEGEL-Affäre eine Art Flügelkampf im konservativen Lager. Die FDP, der Rudolf Augstein angehörte, war damals eher ein Sammelbecken für sehr national Gesinnte. Auch Augstein selbst war keineswegs die im Film dargestellt Lichtgestalt, wie man bei Otto Köhler nachlesen kann. Wie im Film kurz erwähnt wird, arbeiteten im SPIEGEL sogar höchst fragwürdige SS-Leute.

Im Film wird kurz ein vorgeblich punktueller Kontakt der SPIEGEL-Redaktion zum BND dargestellt, der wohl irgendwo in Pullach hause. Tatsächlich war der geschäftsführende Redakteur Hans Detlev Becker mit dem stellvertretenden BND-Chef, der in Hamburg residierte, eng befreundet und wurde sogar als dessen Nachfolger vorgeschlagen. Die damalige BND-Nähe des SPIEGEL dürfte auch einer der Gründe gewesen sein, dass Strauß eine Intrige von dessen Dienstherrn Adenauer witterte, um den ungeliebten Kronprinz aus Bayern als unfähigen Verteidigungsminister zu domestizieren.

Irreführend ist die im Film suggerierte Annahme, Strauß wär atomkriegsfreudiger als Adenauer gewesen. Von den meisten Historikern wird tapfer ausgeblendet, dass gerade Adenauer zur Atombombe ein äußerst naives Verhältnis pflegte und mit seinen Wünschen für deren Einsatz gegen die Sowjetunion Präsident John F. Kennedy mehrfach in Verlegenheit brachte.

Wie weggetreten die Mächtigen damals waren, sieht man am im Film erwähnten Prof. von der Heidte, der seinerzeit die Strafanzeige erstattet hatte. Von der Heidte hatte damals vorgeschlagen, die Bundeswehr in katholische und evangelische Divisionen aufzuteilen. Vermutlich ließ er sich hierzu vom Hohen Kommissar John McCloy inspirieren, der für das US-Militär die Rassentrennung forderte.

Beschähmend am Heldengemälde für Augstein ist schließlich, dass es der Drehbuchautor nicht für nötig befand, den eigentlichen Ghostwriter des berühmten „Bedingt abwehrbereit“-Artikels auch nur zu erwähnen. Jener Autor Heinz Höhne war es denn auch, der ein Jahrzehnt später eine Enthüllungsserie „Pullach intern“ über den BND brachte, welche die enge Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendienst und Nachrichtenmagazin beendete. Als Höhne, einer der profundesten Geheimdienstkenner, vor ein paar Jahren zu Grabe getragen wurde, ließ sich vom SPIEGEL dort niemand sehen.

29. April 2014

Team Wallraff!

 

Letztes Jahr wollte Günter Wallraff nach einem wie immer unterhaltsamen Gerichtstermin noch irgendwo einkehren. Als wir bei einem Fast Food-Anbieter vorbeikamen, meinte ich sarkastisch, da solle er doch mal eine Undercover-Recherche machen. Darauf antwortete Wallraff lässig: „Hab ich schon.“ Er schenkte mir sein Buch „Aus der schöne neuen Welt“ und machte mich auf ein Kapitel über den Arbeitsrechtsanwalt Naujoks aufmerksam. Aus Gründen von Standesrecht werde ich mir Kommentare zu diesem Kollegen verkneifen.

Am Montag nun lief bei RTL die von Wallraff betreute Recherche bei einem anderen Fast Food-Anbieter, die es mal wieder in sich hat. Und auch dort ist der Kollege Naujoks zu sehen. Damit Wallraff den ihm persönlich bekannten Anwalt undercover begegnen konnte, griff er diesmal besonders tief in die Trickkiste der Maskerade. Ich kenne nur wenige Journalisten, die auch nur annähernd so krass drauf sind wie Günter Wallraff.

Ich bin gespannt, ob RTL erfolgreich wegen der versteckten Kamera angegangen wird. Die Rechtsabteilung der RTLis ist nicht dafür bekannt, kampflos klein bei zugeben.

Wenn jetzt wieder die Spiegelleute versuchen, Wallraff am Zeug zu flicken, wirkt das schon irgendwie sehr bemüht. Eine Recherche beim Burgerbrater hätte auch das führende Magazin für investigativen Journalismus längst machen können. Haben sie aber nicht. Da fehlen vermutlich die Cochones.

24. April 2014

WikiLeaks spendiert Präsident Carter eine Bibliothek

US-Präsidenten lassen die Akten und Krimskrams aus ihrer aktiven Zeit in Präsidenten-Librarys aufbewahren. Für solche schicken Einrichtungen müssen schon mal die Lobbyisten was springen lassen. Bush senior etwa erfreute sich für seine Bücherei der Spenden des vormaligen saudischen Botschafters Prinz Bandar, der bis neulich den saudischen Geheimdienst leitete.

Präsident Carter bekommt hingegen eine online-Bibliothek, spendiert von WikiLeaks. Heute leakte Assange 367,174 diplomatische Cables von 1977, jenes Jahr nach den großen CIA-Untersuchungen, als beim US-Auslandsgeheimdienst etliche Köpfe rollten. Das dürfte eine spannende Lektüre werden …

Außenminister war bis 1977 Strippenzieher Henry Kissinger, nachdem bekanntlich gerade eine von der Bundeswehr finanzierte Professur benannt werden soll. Vielleicht finden sich in den Cabels noch Argumente, die Kissinger endlich dahin bringen, wo er hingehört: Zum Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

21. April 2014

Kartenhäuser

Wenn man spannend über die Hinterzimmer großer Politik schreiben möchte, scheint es hilfreich zu sein, „Michael Dobbs“ zu heißen.

Der Michael Dobbs (* 1950) etwa, der in den 1980ern und 1990ern für die Washington Post aus Osteuropa berichtete, legte zum 50.Jahrestag der Kubakrise das wirklich beeindruckende Werk One Minute to Midnight: Kennedy, Khrushchev, and Castro on the Brink of Nuclear War vor. Erst aus historischer Perspektive lässt sich erahnen, was damals wirklich hinter den Kulissen ablief. Inzwischen unterrichtet Dobbs in Harvard Journalismus.

Ein anderer Michael Dobbs (* 1948) arbeitete in Downing Street 10 als Staabschef für Thatcher und fungierte für Major als stellvertretender Parteivorsitzender. Der erfahrene Strippenzieher verarbeitete seine Erfahrungen auf den Korridoren der Macht, wo sich Politiker und Journalisten einander zynisch zu benutzen pflegen, schließlich literarisch. „House of Cards“ wurde zunächst in den 1990ern von der BBC als TV-Serie verfilmt. Seit letztem Jahr spricht zu Recht alle Welt von der gleichnamigen US-Adaption des nach Washington verlegten Sittengemäldes mit Kevin Spacey in der Hauptrolle. Das Original ist seit Kurzem in synchronisierter Fassung im Handel.

 

 

Auch hierzulande gab es einmal einen vergleichbaren Autor. So stellte Lothar Späths einstiger Redenschreiber, der Jurist Manfred Zach, in „Die manipulierte Öffentlichkeit“ in desillusionierender Weise die Entstehung politischer „Nachrichten“ dar und schrieb mit „Monrepos oder die Kälte der Macht“ einen Schlüsselroman über seine Zeit bei zwei Ministerpräsidenten.

Vor einiger Zeit machte die Piratenpartei den ehrenwerten, aber reichlich naiven Versuch, die Verfälschung von politischen Entscheidungsprozessen durch fundamentale Herstellung und Gewährleistung von Öffentlichkeit zu verhindern. Doch wie überall, wo man sich überwacht fühlt, verlegen auch die Piraten die wirklich wichtigen Gespräche in Hinterzimmer oder telefonieren. Öffentlich entwickelte Politik hingegen wird im frühem Stadium zerredet, statt wertvolle politischer Inofmation gelangt vor allem Trash an die Öffentlichkeit, viele Köche verderben den Brei.

Vieles bei „House of Cards“ weckte Erinnerung an meine aktive Zeit bei den Piraten, als diese Ende 2011, Anfang 2012 in den Fokus der politischen Presse rückten. Besonders die Figur der karrierebewussten Journalistin Zoe Barnes kam mir seltsam bekannt vor. Anders als in „House of Cards“, wo die Beteiligten entweder aus egoistischen oder ideellen Motiven, mithin logisch handeln, bieten die Piraten allerdings ein beeindruckendes Reservoir an gnadenloser Dummheit, die mit der Nähe zu Berlin exponential zuzunehmen scheint. Kein Stoff, aus dem ein Michael Dobbs etwas Spannendes fördern könnte.

27. März 2014

Medienrechtler happy über EuGH-Urteil

 

Heute ist ein großer Tag für die Zunft der Medienrechtler: Was Uschi von der Leyen nicht schaffte, dürfen künftig Richter Buske & Co.: Netzsperren verfügen.

24. März 2014

Parteiausschlussverfahren gegen Edathy ist fragwürdig

Auf Telepolis hatte ich kurz skizziert, warum ich das aktuelle Parteiausschlussverfahren der SPD gegen Edathy für fragwürdig halte. Aus einer politischen Partei kann man nicht einfach nach Lust und Laune ausgeschlossen werden, sondern nur dann, wenn ein Fall des § 10 Abs. 4 Parteiengesetz vorliegt:

„Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“

Das Privatleben von Parteimitgliedern geht die Partei allerdings grundsätzlich nichts an. Selbst Kriminalität eines Parteimitglieds könnte einen Ausschluss nur dann tragen, wenn dieser einen Verstoß gegen einen Grundsatz der Partei darstellt, was natürlich von Partei zu Partei verschieden ist. So wären Korruption oder Betrug bei Politikern von CDU/CSU/SPD/FDP sozialtypisches Verhalten. In der Piratenpartei wäre Urheberrechtskriminalität unschädlich. Bei den Grünen wären kriminell dumme Ansichten über alternative Medizin mit den Grundsätzen der Partei vereinbar, zu denen Placebo-Symbolpolitik nun einmal gehört.

Es kann dahinstehen, ob der Partei durch die Edathy ein schwerer Schaden verursacht wurde, denn den hat Edathy nicht durch vörsätzlichen Satzungsverstoß oder erhebliche Verstöße gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verursacht. Ein Parteibezug wurde erst durch die Aufhebung der parlamentarischen Immunisierung hergestellt, die aber nach Stand der Dinge nur auf einen vagen Anfangsverdacht, nicht aber auf einen dringenden Tatverdacht gestützt war. Edathy dürfte so ziemlich der letzte gewesen sein, der den Fall in die Öffentlichkeit getragen hat.

Dem Ruf der Partei schaden allerdings Politiker wie Sigmar Gabriel, die nun einen Sündenbock in die Wüste schicken wollen. Ich vermute mal stark, dass man hofft, Edathy lasse sich durch das Verfahren rausekeln und käme einem Schiedsspruch zuvor. Dafür spricht, dass die ehrenwerten Genossen das dreiseitige Antragsschreiben an die Presse durchgestochen haben – ein klarer Verstoß gegen §§ 17, 9, 24 der Schiedsgerichtsordnung der SPD, der eine Parteiordnungsmaßnahme verdient hätte.

(Der Autor gehörte eineinhalb Jahre einem Bundesschiedsgericht einer politischen Partei an.)

19. März 2014

Flitz-Flitzer von Münster gefasst?

 

Zwei Wochen vor Weihnachten hatte ein junger Adonis auf seinem Motorrad in der Innenstadt von Münster blank gezogen. Damals hatte ich darauf hingeweisen, dass man den lediglich behelmten Nackedei auch biometrisch identifizieren könnte.

Nunmehr ist ein Verkehrsteilnehmer in Verdacht geraten, jene Ordnungswidrigkeiten begangen zu haben. Wie der Kollege Burhoff kommentiert können die Untersuchungen auf §§ 81a ff. StPO i.V.m. § 46 OWiG gestützt werden. Mit welchen konkreten Ermittlungsmethoden der Freiköperkulturelle ermittelt werden konnte, will die Polizei derzeit nicht verraten.

Da das Video auch von professionellen Verwertern verbreitet wurde, etwa von TV und Boulevardzeitungen, könnte der Mann beträchtliche Lizenzkosten beanspruchen, mit denen sich etwaige Bußgelder kompensieren ließen … ;-)

13. März 2014

Berichterstattung über Verurteilung des Herrn H.

 

Herr H. ist heute vom Landgericht M. zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bei Berichten wäre anzuraten, auf die bislang noch fehlende Rechtskraft hinzuweisen. So kann Herr H. immer noch Revision einlegen. Solange dies noch möglich ist, beurteilten Gerichte die Berichterstattung ohne eine solche Angabe als Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Der Hintergrund ist der, dass ein Mensch aufgrund der Unschuldsvermutung so lange als unschuldig zu gelten hat, bis ein rechtskräftiges Urteil gesprochen ist. Ohne Angabe zur Rechtskraft wird – mitunter zwingend – der Eindruck erweckt, als sei die Verurteilung endgültig. Und wer lässt sich schon gerne nachsagen, er sei ein Straftäter?

Update: Herr H. hat auch konkret Spaß an Presserecht und schätzt es nicht, wenn man seine Steuerschulden höher schätzt, als er sie einräumt.