8. Mai 2014
Am 163. Verhandlungstag des Luxemburger Bombenleger-Prozesses über die geheimnisvolle Bombenserie zwischen 1984 und 1986 wurde gestern der vormalige Direktor des Luxemburger Gheimdienstes SREL, Marco Mille, vernommen. Mille hatte aufgrund des Buchs von Dr. Daniele Ganser über Stay Behind „NATO-Geheimarmeen in Europa“ (vulgo „Gladio“) nach einer möglichen Verbindung des vom SREL koordinierten Luxemburger Stay-Behind-Netzwerks „Le Plan“ zu den Anschlägen gesucht. Die allerdings waren in erster Linie für das Nachrichtenwesen und Ausschleusungen ausgebildet, nicht aber für Kampfeinsätze.
Nachdem Mille aus Gründen des Staatsschutzes vergeblich den Ausschluss der Öffentlichkeit gefordert hatte, legte er schließlich seine These offen. Mille vermutet, dass hinter den Bombenlegern ein gut organisierte Gruppe stehe, die unter Protektion des Nationalhelden und Armeeministers Emile Krieps gestanden habe. Tatsächlich würde ein solches Unternehmen denkbar gut zu Krieps Biographie passen: Krieps hatte im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis den Widerstand aufgebaut, in Großbritannien eine Ausbildung zum Geheimagent absolviert und war offenbar 1946 in einen drohenden Militärputsch gegen die Luxemburger Regierung verwickelt.
Nach einer Karriere beim Militär wechselte Krieps 1968 in die Politik und fungierte zwischen 1974 und 1984 als Verteidigungsminister. Wie das Luxemburger Wort berichtet, soll Krieps später versucht haben, die politische Kontrolle über den Sicherheitsapparat mit allen Mitteln zu festigen. Mille vermutet, dass Krieps eine paramilitärische Struktur aufbaute, die er selbst dem 1960 gegründeten zivilen Geheimdienst SREL verheimlichte, um im Falle eine eines Angriffs wie schon gegen die Nazis einen Partisanenkrieg führen zu können.
Auffällig ist, das die offensichtlich mit Insiderwissen durchgeführte Attentatsserie 1984 begann, nachdem Krieps infolge einer Wahlniederlage keine politische Kontrolle mehr auf den Sicherheitsapparat ausüben konnte. Gleichzeitig hatte auch der offenbar von ihm protegierte Elitepolizist Ben Geiben, der eine Antiterroreinheit im Stil der GSG9 aufgebaut hatte, überraschend seinen Hut genommen. Geiben gilt vielen als die ausfühende Hand der Anschläge. Durch diese wurde die Politik gezwungen, in den Sicherheitsapparat zu investieren, was Krieps zweifellos gefallen haben dürfte. Alles in allem bislang nur eine Verschwörungstehorie, allerdings aus der Feder eines Profis.
Der Prozess, der Luxemburg umkrempelt, ist das Spätwerk des Strafverteidigers Dr. Gaston Vogel, der schon seit langem in Luxemburg mit der Monarchie, der Kirche, dem Staat und vor allem aber den USA abrechnet.
7. Mai 2014
Der Regisseur Roland Suso Richter ist dafür bekannt, Stoffe deutscher Gerichte dramaturgisch gekonnt, historisch aber mitunter sehr frei und bisweilen ärgerlich falsch zu verfilmen. Die gerade in der ARD gelaufene SPIEGEL-Affäre (hier ins Netz befreit) ist leider keine Ausnahme. Franziska Augstein hat dazu bereits das Wesentliche richtiggestellt.
Sehr schade ist, dass der Film nicht aus der Perspektive und Welt der 50er/60er Jahre erzählt wird. Denn in Wirklichkeit war die SPIEGEL-Affäre eine Art Flügelkampf im konservativen Lager. Die FDP, der Rudolf Augstein angehörte, war damals eher ein Sammelbecken für sehr national Gesinnte. Auch Augstein selbst war keineswegs die im Film dargestellt Lichtgestalt, wie man bei Otto Köhler nachlesen kann. Wie im Film kurz erwähnt wird, arbeiteten im SPIEGEL sogar höchst fragwürdige SS-Leute.
Im Film wird kurz ein vorgeblich punktueller Kontakt der SPIEGEL-Redaktion zum BND dargestellt, der wohl irgendwo in Pullach hause. Tatsächlich war der geschäftsführende Redakteur Hans Detlev Becker mit dem stellvertretenden BND-Chef, der in Hamburg residierte, eng befreundet und wurde sogar als dessen Nachfolger vorgeschlagen. Die damalige BND-Nähe des SPIEGEL dürfte auch einer der Gründe gewesen sein, dass Strauß eine Intrige von dessen Dienstherrn Adenauer witterte, um den ungeliebten Kronprinz aus Bayern als unfähigen Verteidigungsminister zu domestizieren.
Irreführend ist die im Film suggerierte Annahme, Strauß wär atomkriegsfreudiger als Adenauer gewesen. Von den meisten Historikern wird tapfer ausgeblendet, dass gerade Adenauer zur Atombombe ein äußerst naives Verhältnis pflegte und mit seinen Wünschen für deren Einsatz gegen die Sowjetunion Präsident John F. Kennedy mehrfach in Verlegenheit brachte.
Wie weggetreten die Mächtigen damals waren, sieht man am im Film erwähnten Prof. von der Heidte, der seinerzeit die Strafanzeige erstattet hatte. Von der Heidte hatte damals vorgeschlagen, die Bundeswehr in katholische und evangelische Divisionen aufzuteilen. Vermutlich ließ er sich hierzu vom Hohen Kommissar John McCloy inspirieren, der für das US-Militär die Rassentrennung forderte.
Beschähmend am Heldengemälde für Augstein ist schließlich, dass es der Drehbuchautor nicht für nötig befand, den eigentlichen Ghostwriter des berühmten „Bedingt abwehrbereit“-Artikels auch nur zu erwähnen. Jener Autor Heinz Höhne war es denn auch, der ein Jahrzehnt später eine Enthüllungsserie „Pullach intern“ über den BND brachte, welche die enge Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendienst und Nachrichtenmagazin beendete. Als Höhne, einer der profundesten Geheimdienstkenner, vor ein paar Jahren zu Grabe getragen wurde, ließ sich vom SPIEGEL dort niemand sehen.
admin •
09:31 •
Allgemein,
Beweise,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Pressekammer,
Strafrecht,
Verdachtsberichterstattung,
Zensur •
Comments (0)
24. April 2014
US-Präsidenten lassen die Akten und Krimskrams aus ihrer aktiven Zeit in Präsidenten-Librarys aufbewahren. Für solche schicken Einrichtungen müssen schon mal die Lobbyisten was springen lassen. Bush senior etwa erfreute sich für seine Bücherei der Spenden des vormaligen saudischen Botschafters Prinz Bandar, der bis neulich den saudischen Geheimdienst leitete.
Präsident Carter bekommt hingegen eine online-Bibliothek, spendiert von WikiLeaks. Heute leakte Assange 367,174 diplomatische Cables von 1977, jenes Jahr nach den großen CIA-Untersuchungen, als beim US-Auslandsgeheimdienst etliche Köpfe rollten. Das dürfte eine spannende Lektüre werden …
Außenminister war bis 1977 Strippenzieher Henry Kissinger, nachdem bekanntlich gerade eine von der Bundeswehr finanzierte Professur benannt werden soll. Vielleicht finden sich in den Cabels noch Argumente, die Kissinger endlich dahin bringen, wo er hingehört: Zum Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
22. April 2014
In Deutschland unterliegt das Vertrauensverhältnis zwischen Strafverteidiger und Mandant einem fundamentalen Schutz. Das Abhören entsprechender Gespräche durch Strafverfolgungsbehörden – offline wie online – ist unzulässig, eine Verwertung entsprechender Erkenntnisse ausgeschlossen.
Der Päsident der Bundesrechtsanwaltskammer Axel Filges wies allerdings anlässlich der in knapp einem Monat anstehenden Europawahlen darauf hin, dass unsere verehrten Sicherheitspolitiker da deutlich schmerzfreier sind. So war tatsächlich der Versuch gemacht worden, das anwaltliche Vertrauensverhältnis durch Europa auszuhebeln. So wollte man sogar den für Abhörmaßnahmen erforderlcihen Richtervorbehalt umgehen, etwa in der Weise, das Länder ohne einen solchen Richtervorbehalt bei eigenen Ermittlungsverfahren die deutschen Behörden zur Schnüffelei anweisen sollten. Dieser infame Angriff auf den Rechtsstaat konnte durch Besonnenheit der Entscheidungsträger abgewendet werden (BRAK Mitteilungen, S. 53).
Wer bei seiner Entscheidung zur EU-Wahl noch Hilfestellung benötigt, dem empfehle ich einen aktuellen Text von Süddeutsche-Chef Heribert Prantl über die Schiedsgerichte des geplannten TTIP-Abkommens. Demgegenüber spircht sich Friedrich Merz, Häuptling der von mir kürzlich beleuchteten Atlantik-Brücke, für eben diese privaten Schiedsgerichte aus.
Bzgl. TTIP weist die FAZ aktuell auf negative Effekte etwa im Hinblick auf das Versicherungswesen hin.
17. April 2014
Zum diesjährigen BigBrother-Preisträger Computer Science Corporation (CSC) hatten wie bereits die Grüne im Bundestag auch Linksfraktion in Hamburg und Piraten im Landtag NRW kleine Anfragen gestellt, ob das denn alles so überzeugend sei. Von wegen Datenschutz und Verwicklung in CIA-Entführungen. Doch wie schon die Bundesregierung bezeihen auch die Landesregierungen ihre Infos über CSC allenfalls aus der Zeitung. Grund zur Aufregung: Alles töfte!
Wofür noch mal brauchen wir eigentlich unsere Gehemdienste? Da war immerhin ein Deutscher entführt, um die halbe Welt verschleppt und gefoltert worden.
10. April 2014
Deutschland wird kulturell, wirtschaftlich und politisch von zwei konservativen Organisationen dominiert, die unsere Wahrnehmung der Realität beeinflussen: Zum einen die Kirchen, immerhin Deutschlands größte Arbeitgeber, Großgrundbesitzer und Doppelmoralisten, zum andern die Vereinigten Staaten, die sich bis 1990 als Gastgeber verstanden und bis heute der Bundesregierung die Ansagen machen.
Beide Strukturen waren dem Universalgelehrten Karlheinz Deschner suspekt, daher beackerte Deschner historische Felder, auf die sich andere nicht trauten.
Deschners Kriminalgeschichte des Christentums endete gesundheitsbedingt vorzeitig mit dem 10. Band, und man benötigt schon starke Magennerven, um nachzulesen, was sich eine als Religionsgemeinschaft wahrgenommene Mordbande erlauben kann und dennoch ausgerechnet als moralische Instanz gesehen wird. Der gefälschte Glaube dürfte viele Gläubige irritiert haben.
Vom wissenschaftlichen Standpunkt her weniger gelungen, dennoch aber unbedingt lesenswert und unterhaltsam, ist auch Deschners polemische Geschichte der USA Der Moloch. „Sprecht sanft und tragt immer einen Knüppel bei euch!“.
Nunmehr hat uns einer der hellsten Köpfe der Kirchenkritik verlassen. Geheiligt sei sein Name! ;)
9. April 2014
Kommenden Samstag treffen sich verantwortungsvolle Menschen in Köln, um zu demonstrieren, dass es sich auch unter Freunden nicht gehört, sich uneingeladen in fremden Rechnern und Telefonen herumzutreiben. Wem die Unschuldsvermutung und Privatsphäre etwas bedeuten, der findet sich um 14 Uhr am Heumarkt zur Demo #StopWatchingUs ein. Abends gibt es eine Party, am Sonntag ein Barcamp.
8. April 2014
Digital Courage hat diesen Clip von Politikerreden zusammengeschnitten. Nunmehr eher interessant für Historiker …
2. April 2014
Der Psychologe Linus Neumann, Doyen der deutschen Trollforschung, stellte für eine Studie vor Jahren eine Trollfalle auf. Als Honeypot für die Krakeler richtete er einen Feed der Inhalte von Fefes Blog ein. Fefe betreibt als Ästhet sein Blog als kommentarfreie Verkündungsplattform, sodass Linus den hierdurch aufgestauten Mitteilungsdruck auf sein Studienblog re Fefes Blog ausleiten konnte, wo das Material eifrig beforscht wurde. Nachdem die Trollkommentar-Datenbank bemerkenswerte Ausmaße annahm und damit repräsentative Auswertung erlaubte, war es an der Zeit, das re Fefe-Blog würdig zu beenden.
Ein bloßes Abschalten hätten jedoch die Trolle nicht verstanden und als Zensur bewertet. Zudem konnte niemand voraussagen, wie die Trolle auf einen kalten Entzug reagieren würden. Um sich aus der Schusslinie zu nehmen, bat mich Linus um einen anwaltlichen False Flag-Angriff in Form einer 1.April-Abmahnung, die gegenüber den Trollen das Abschalten „erklärte“. Fefe war natürlich eingeweiht und einverstanden.
Die Empörungswelle begann in den frühen Morgenstunden und beinhaltete definitiv abmahnfähige Äußerungen … ;) Einige durchschauten den Aprilscherz, andere solidarisierten sich mit Linus. Der lässigste Kommentar lautete
Chuck Norris kommentiert bei Fefe.
Hier ein paar Reaktionen ;) :
admin •
00:00 •
Abmahnung,
Allgemein,
Internet,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
Persönlichkeitsrecht,
PR,
Pressefreiheit,
Strafrecht,
Urheberrecht,
Zensur •
Comments (4)
24. März 2014
Auf Telepolis hatte ich kurz skizziert, warum ich das aktuelle Parteiausschlussverfahren der SPD gegen Edathy für fragwürdig halte. Aus einer politischen Partei kann man nicht einfach nach Lust und Laune ausgeschlossen werden, sondern nur dann, wenn ein Fall des § 10 Abs. 4 Parteiengesetz vorliegt:
„Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“
Das Privatleben von Parteimitgliedern geht die Partei allerdings grundsätzlich nichts an. Selbst Kriminalität eines Parteimitglieds könnte einen Ausschluss nur dann tragen, wenn dieser einen Verstoß gegen einen Grundsatz der Partei darstellt, was natürlich von Partei zu Partei verschieden ist. So wären Korruption oder Betrug bei Politikern von CDU/CSU/SPD/FDP sozialtypisches Verhalten. In der Piratenpartei wäre Urheberrechtskriminalität unschädlich. Bei den Grünen wären kriminell dumme Ansichten über alternative Medizin mit den Grundsätzen der Partei vereinbar, zu denen Placebo-Symbolpolitik nun einmal gehört.
Es kann dahinstehen, ob der Partei durch die Edathy ein schwerer Schaden verursacht wurde, denn den hat Edathy nicht durch vörsätzlichen Satzungsverstoß oder erhebliche Verstöße gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verursacht. Ein Parteibezug wurde erst durch die Aufhebung der parlamentarischen Immunisierung hergestellt, die aber nach Stand der Dinge nur auf einen vagen Anfangsverdacht, nicht aber auf einen dringenden Tatverdacht gestützt war. Edathy dürfte so ziemlich der letzte gewesen sein, der den Fall in die Öffentlichkeit getragen hat.
Dem Ruf der Partei schaden allerdings Politiker wie Sigmar Gabriel, die nun einen Sündenbock in die Wüste schicken wollen. Ich vermute mal stark, dass man hofft, Edathy lasse sich durch das Verfahren rausekeln und käme einem Schiedsspruch zuvor. Dafür spricht, dass die ehrenwerten Genossen das dreiseitige Antragsschreiben an die Presse durchgestochen haben – ein klarer Verstoß gegen §§ 17, 9, 24 der Schiedsgerichtsordnung der SPD, der eine Parteiordnungsmaßnahme verdient hätte.
(Der Autor gehörte eineinhalb Jahre einem Bundesschiedsgericht einer politischen Partei an.)