15. März 2016
Am Wochenende habe ich in Berlin das Logan CIJ Forum besucht, wo sich Aktivisten, Hacker und investigative Journalisten vernetzten. Die Redner waren denkbar hochkarätig, etwa Seymour Hersh. Man hat auch nicht jeden Tag Gelegenheit, mit dem ehemaligen technischen Direktor der NSA William Binney ein Bier zu trinken oder sich mit anderen namhaften Whistleblowern über die seltsame Welt der Geheimdienste aus erster Hand auszutauschen. In dieser Runde durfte natürlich auch Edward Snowden nicht fehlen, der aus juristischen Gründen nur per Video zugeschaltet war.
Zu den Erkenntnissen der Veranstaltung gehörte, dass nach wie vor viele Journalisten nur unzureichende Kenntnisse über die Möglichkeiten haben, wie sie ihre Quelle etwa durch Verschlüsselung schützen können. Hacktivist Jake Applebaum fühlte sich von Medien hintergangen und beanspruchte für seine Expertise den gleichen rechtlichen Schutz, wie er Journalisten gewährt wird.
Investigativer Journalismus hat es trotz der Vernetzung und der preiswerteren technischen Möglichkeiten heute eher schwerer als früher. Nach wie vor entscheiden die Medienhäuser, was die Öffentlichkeit zu bewegen hat und was nicht. Während wir hierzulande noch eine halbwegs funktionierende Presselandschaft haben, leben etwa Länder wie Indien noch konsequenter in der Truman-Show, da dort die Verlage und TV-Stationen einer Handvoll Milliardären gehören.
Der Medienwandel und die Ausdünnung von Redaktionen dezimieren den Etat für qualifizierte Recherche. Beklemmend war Binneys Kommentar, in den USA sei investigativer Journalismus sogar tot. Kritische Journalisten finden zwar nicht immer die Aufmerksamkeit beim Publikum, dafür jedoch bei den Geheimdiensten. So wurde gerade bekannt, dass das britische GCHQ Journalisten abschnorchelt.
Damit man solch ernste Themen irgendwie aushält, hatten die Veranstalter die Rap News nach Berlin zu einer Bühnenperformance verpflichtet, mit dem einzig wahren Journalisten: Robert Foster!
5. März 2016
Der Auotvermieter Sixt bleibt sich treu und nutzt mal wieder (vermutlich eigenmächtig) ein Politiker-Portrait, um Aufmerksamkeit für seine Werbung zur erheischen. Oskar Lafontaine hatte einst Unterlassungs- und Schadensersatzklage eingereicht und zunächst am Landgericht Hamburg 100.000,- € erwirtschaftet. Der BGH jedoch meinte, dass sich ein prominenter Politiker jedenfalls dann eine Nutzung gefallen lassen muss, wenn sich diese satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt. Denn das fällt unter Meinung- und Pressefreiheit, und die darf auch ein Unternehmen für sich in Anspruch nehmen.
Dieses Urteil sowie der schließlich am EGMR in Straßbourg verhandelte Fall Prinz Ernst August ./. Lucky Strike waren richtungsweisend, weil bis dahin im Werberecht ein sehr scharfer Wind wehte. In diesem Bereich gibt es kaum Rechtsprechung, so dass bei Unternehmen bis dahin große Unsicherheit herrschte, ob etwa in Unternehmenszeitungen Prominente honorarfrei abgebildet werden dürfen. Eine Grenze dürfte erreicht sein, wenn ein Promi so abgebildet wird, dass der Eindruck entsteht, er würde hierfür Geld bekommen oder sich aus anderen Gründen bewusst für das Unternehmen verwenden.
Sixt fühlte sich durch die Entscheidung bestätigt und machte heiter weiter. Inzwischen gehört es für Spitzenpolitiker beinahe schon zum guten Ton, von Sixt verspottet zu werden … ;)
(Bilder: Bilder: e-Sixt GmbH & Co. KG)
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23. Februar 2016
Gestern hat das OLG Köln geklärt, wer das Erbe der 2001 verstorbenen Prinzessin Soraya Esfandiary Bakthiary antreten darf. Nach der Prinzessin vom Pfauenthron ist das lex Soraya benannt, nämlich ein Gesetzentwurf von 1958, der unbotmäßige Berichterstattung über den ausändischen Staatsgast unter Strafe stellen sollte. Ein Verfahren in diese Richtung war am Landgericht Hamburg initiert worden. Diese Einschüchterung hatten sich die Redaktionen jedoch nicht bieten lassen.
Der Beitrag handelte übrigens von einem drohenden Putsch. Wie die Geschichte zeigt, war dies ein Frage der Zeit.
Spannender als das finanzielle ist Sorayas presserechtliches Erbe:
Soraya ging nämlich gegen ein erfundenes Interview vor und schrieb schließlich Presserechtsgeschichte, indem sie am Bundesverfassungsgericht zivilrechtlich eine so im Gesetz nicht vorgesehene Geldentschädigung durchsetzte. Nach 12 Jahren erwirtschaftete die Ex-Prinzessin 15.000,- DM. Wenn sich die Presse eines besonders schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht schuldig macht, der nicht anders kompensiert werden kann, gibt es seither einen Anspruch eigener Art auf Geldentschädigung. Man muss also keine Schmerzen oder Behandlungskosten derselben nachweisen, sondern kann die Verlage auch so um Bares erleichtern.
Aktueller Rekordhalter ist Jörg Kachelmann, der in der ersten Instanz am Landgericht Köln auf das 635.000,- € kam.
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6. Februar 2016
Seit Jahren befasse ich mich auf TELEPOLIS mit dem Ableben des Dr. Dr. Uwe Barschel. 2012 besuchte ich hierzu den ehemaligen leitenden Oberstaatsanwalt Heinrich Wille, der vergeblich die Aufklärung in diesem Fall betrieb und damals ein Buch veröffentlichte, das man lange verhindert hatte. Damals war zum 25. Todestag ein Film geplant, der jedoch nicht realisiert wurde.
Heute nun strahlt die ARD im Rahmen eines Themenabends den Spielfilm Der Fall Barschel so wie eine neue Doku aus. Inzwischen wurde bekannt, dass der BND entgegen seinem früheren Dementi sehr wohl eine Akte zu diesem Fall hat, die er aber nicht freigeben möchte. Die Akte muss nicht notwendig etwas mit dem Mord zu tun haben, denn auch so gibt es für einen Nachrichtendienst genug Interesse an Barschel, etwa seine Verstrickung in den Waffenhandel und seine konspirativen Reisen in die DDR.
Bis heute weigert sich das BKA ohne überzeugenden Grund, das Original des angeblich gefälschten „Barschel-Briefs“ herausgegeben. Informationen über die Korruption speziell der CDU Schleswig-Holsteins fanden tatsächlich Jahre später in die Öffentlichkeit und kosteten Barschels Amtsvorgänger das Amt des Verteidigungsministers.
Die Barschel-Affäre ist vor allem ein Lehrstück über Enthüllungsjournalismus und die angebliche Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Journalistenzunft, die zum Teil ernsthaft von einem Suzid mit Sterbebegleitung fabuliert. Während meines kurzen Ausflugs in die aktive Politik zwischen Januar 2013 bis September 2013 habe ich interessante Erfahrungen mit politischen Journalisten im Wahlkampf gesammelt. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass sich in der Branche wesentlich etwas gebessert hat.
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21. Januar 2016
Der Rundfunk war in Deutschland nach 1945 eigentlich auf einem ganz guten Weg, um die Zeiten der staatsgesteuerten Propaganda zu überwinden. Gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollte die Unabhängigkeit des Rundfunks vom Staat sichergestellt werden, auch in finanzieller Hinsicht. So entstand der öffentlich-rechtliche Rundfunk.
Die Realität sieht jedoch anders aus, da die Entscheidungsträger und Journalisten alles andere als unabhängig sind, wenn sie ihren Job behalten und sogar Karriere machen wollen. Schamgrenzen scheint es keine zu geben. Nachrichtenmoderatoren wechseln die Front und werden ausgerechnet Regierungssprecher. Regierungssprecher wechseln das Hemd und werden ausgerechnet Intendanten öffentlich-rechtlicher Sender. Die Drehtür ist gut geölt, die Rundfunkräte sind gut ausgesucht, nämlich von den Parteien und angeschlossenen Organisationen.
Nunmehr haben sich SWR und MDR auf Druck von Grünen und Roten (denen beide die Felle wegschwimmen) entschlossen, der AfD keine Bühne zu bieten und die AfD von TV-Duellen und offenbar auch Elefantenrunden auszuschließen. Derartiges Gatekeeping kann man gut finden oder auch nicht, jedenfalls hat die Bevormundung der Zuschauer mit dem Auftrag des Rundfunkstaatsvertrags nur noch wenig zu tun:
§ 11 Auftrag
(1)
Auftrag der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.
(2)
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
Während die TV-Verantwortlichen auf weitere Karriere hoffen dürfen, dürfte die Aktion nach hinten losgehen: Trotz wenig wohlwollenden Medien bekommt die AfD inzwischen in Umfragen über 10% Zustimmung und wird von einigen Demoskopen als die drittstärkste politische Kraft gesehen. Im Gegenteil wird die AfD die Benachteiligung dazu nutzen, um sich als Unterdrückte zu profilieren und über „Lügenpresse“ zu schimpfen. Den Vorwurf „Lückenpresse“ wird man bei selektiver Berichterstattung kaum von der Hand weisen können.
Das kleine Problem an der Sache ist, dass wir uns den gebührenfinanzierten Rundfunk deshalb leisten, weil wir unabhängige Informationsquellen haben wollen. Aus diesem Grunde ist der Rundfunkbeitrag keine Steuer. Das wäre aber im Zweifel ehrlicher. So aber bezahlen wir sogar für Falschmeldungen, wie sie insbesondere im Ukraine-Konflikt langsam inflationär werden.
UPDATE:
Julia Klöckner (CDU) sagt Teilnahme ab.
„Der Generalsekretär verwies auf die verheerende Wirkung des Verhaltens von Frau Dreyer, die ja auch die Rundfunkkommission der Länder leitet: „Das ist nicht nur ein Frontalangriff auf die Staatsferne öffentlich-rechtlicher Medien. Gleichzeitig macht sich die Ministerpräsidentin so zur ersten Wahlhelferin der Rechtspopulisten!“ Niemand dürfe sich wundern, wenn die dann „Lügenpresse“ riefen und die Politikverdrossenheit zunehme.“
Ich persönlich glaube, dass man diesen Leuten reichlich Gelegenheit zur Blamage geben sollte. Oliver Kalkofe braucht schließlich Material! ;)
14. Dezember 2015
Letztes Jahr landete bei einer Mandantin ein Sternenritter und forderte, niemand anderes solle sich „Sternenritter“ nennen. Er werde demnächst in einem großen Verlag als Comic präsentiert und befürchtete eine Verwechslungsgefahr, weil meine Mandantin einen Roman Der Sternenritter veröffentlicht hatte und diese Serie forzusetzen gedachte. Nach kurzem Säbelrasseln kamen wurden die Ritter sportlich und kamen zu der Erkenntnis, dass im Universum Platz für alle Sternenritter sei.
In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim neuen Star Wars-Film!
17. November 2015
Der katholisch-konservative Dampfplauderer Matthias Matussek verfügt über eine bemerkenswerte presserechtliche Erfahrung mit dem A-Wort.
In der Kurt Krömer-Show war er vom Gastgeber als „Pöbelhans“, „Pöbler“ und „hinterfotziges Arschloch“ begrüßt worden. Seine Prozesshanselei gegen den Comedian fanden 2013 sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Hamburg albern. Da Matussek gute Miene zum Spiel gemacht und den Ball ebenfalls vulgär aufgegriffen hatte, musste er sich hieran festhalten.
Mehr Glück hatte Prozesshansel Matussek am Landgericht Köln, als er gegen die taz-Journalistin Silke Burmester vorging. Nachdem der WELT-männische Journalist von einem taz-Puff gesprochen hatte, wollte er nicht mit der Bezeichnung „Puffgänger“ leben. Einen solchen Gang dürfte er künftig auch nur schwer finanzieren können.
Denn nachdem die WELT-Chefedakteure einen Tweet Matusseks als „durchgeknallt“ getadelt hatten, nahm sich das Ehrenmitglied im Verein für deutsche Sprache die Freiheit, mit dem A-Wort zu parieren. Daraufhin reagierte das Haus nicht presse-, sondern arbeitsrechtlich und gab dem Mann den Laufpass. Wer selbst bei Springer aus charakterlichen Gründen rausfliegt, dem dürfte auf dem publizistischen Arbeitsmarkt nur ein geringes Spektrum zur Auswahl stehen.
UPDATE:
Matussek dementiert.
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13. Oktober 2015
Fast vier Jahre nach meinem ersten Beitrag über die Masche des Amateurfotografen Dirk Vorderstraße versucht der Hobby-Jurist noch immer, diesen verbieten zu lassen. Herr Vorderstraße verbreitet seine Bildchen über Wikipedia und andere Google-trächtige Websites unter einer nur auf den ersten Blick kostenfreien Lizenz. Wer die Bildchen nicht mit den erforderlichen Angaben versieht, wird üppig zur Kasse gebeten (was die Gerichte so nicht mitmachten).
Letztes Jahr versuchte Herr Vordertraße vergeblich, für sein anrüchiges Geschäftsmodell die domainmäßige Bezeichnung „Abzocker“ zu verbieten. Die Berliner Richter meinten jedoch, dass man dieses getrost so bezeichnen könne und sprachen von „hinterhältig“ und „Falle“. In Vorbereitung eines Verhandlungstermins vor dem Oberlandesgericht Hamm bezeichnete Vorderstraßens Rechtsanwalt Herr Arno Lampmann von der Kanzlei Lampmann Haberkamm Rosenbaum Rechtsanwälte diese Masche nun erstmals als „Nachlizensierungsmodell“.
Dieses Nachlizenzierungsmodell bewerten der Kollege Herr Lampmann und sein Mandant Herr Vorderstraße als Teilnahme am Wettbewerb. Ich lese in § 2 UWG allerdings nur etwas von „Absetzen“ von Waren und Dienstleistungen und „Abschluss und Durchführen“ von Verträgen. Ein Nachlizenzierungsmodell, das auf Ausbeutung provozierter gesetzlicher Schuldverhältnisse beruht, dürfte kaum durch Wettbewerbsrecht gedeckt sein.
Selbst dann, wenn Herr Vorderstraße professioneller Fotograf wäre, so hatte ihn bereits das Oberlandesgericht Frankfurt, Beschl. v. 28.01.2015, Az.: 6 W 4/15, wissen lassen, dass zwischen uns beiden kein Wettbewerbsverhältnis besteht.
Schon früher hatte der Kollege Lampmann Nachlizensierungsmodelle betreut, etwa im Bereich des Filesharing. So verwandte sich der Kollege Herr Lampmann einst für das schöne Werk Die Beschissenheit der Dinge, wo er für seine unverlangten Dienste 1.200,- € verlangte. Für unseren Prozess am OLG Hamm liegen rund 7.000,- € Prozesskosten im Skat.
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10. Oktober 2015
Diese Woche habe ich an der Gründungskonferenz des Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit in Leipzig teilgenommen. In Deutschland sind wir in der glücklichen Situation, dass zumindest Strafrecht die Pressefreiheit nur ganz selten eine spürbar bedroht, während Journalismus in vielen Ländern sogar lebensgefährlich sein kann.
Sechs Menschen werden sich künftig professionell um die Belange vorwiegend europäischer Pressefreiheit kümmern. Als Standort wurde Leipzig nicht nur wegen des historischen Bezugs zur Meinungsfreiheit durch die Montagsdemonstrationen gewählt, sondern auch wegen seiner geographischen Entfernung etwa zum politischen Berlin. Die überwiegend von Journalisten und Medienjuristen aus dem Ausland besuchte Veranstaltung war anspruchsvoll und mit professionellerem Aufwand als vergleichbare Tagungen durchgeführt worden. Im Rahmen der Gründungskonferenz wurde der Leipziger Medienpreis an einen in der Türkei verfolgten Publizisten sowie einen im Iran mit Haft und Filmverbot belegten Künstler vergeben.
Mit engagierten Streitern für investigativen Journalismus und Pressefreiheit wie Prof. Dirk Voorhoff (Universität Ghent) oder Henrik Kaufholz (SCOOP, Dänemark) sind gute Leute im Vorstand und ich bin gespannt, wie sich das Projekt entwickeln wird. Zu den Aktivisten gehört vor allem auch Stern-Journalist Hans-Ulrich Jörges.
Doch wer für Pressefreiheit streitet, wird sich daran messen lassen müssen, wie er selbst mit Kritik umgeht. Daher wage ich mal das Experiment und kritisiere:
Wer eine NGO aufzieht, muss diese einerseits solide finanzieren, sich andererseits die Unabhängigkeit bewahren und sich gegen Vereinnahmung durch Dritte als resistent erweisen. Ob das ECPMF diesen Spagat meistern wird, erscheint angesichts der bisherigen Finanziers zweifelhaft: Diese heißen Bertelsmann, Axel Springer SE, Europäische Kommission, Auswärtiges Amt (Deutschland) und Freistaat Sachsen sowie über die Leipziger Medienstiftung die Sparkasse Leipzig. Zumindest die beiden Mediengiganten haben am Export von Pressefreiheit ein wirtschaftliches Interesse und sind für politische Agenden bekannt, die Politiker werden wohl ebenfalls eine haben. Die folgenden drei Beobachtungen machten mich skeptisch:
1.
Weder der Vorsitzende des Vorstandes der Medienstiftung der Sparkasse Leipzig noch der OB der Stadt Leipzig ließen auch nur Spurenelemente von Medienkompetenz erkennen. In ihren Festreden bedauerten sie inbrünstig, dass es gegenwärtig Leute gäbe, die den Medien nicht glauben würden. Das haben diese Herren allen Ernstes wirklich so gesagt.
Liebe Leute, die Nachrichten zeigen uns nur einen winzigen Ausschnitt der Realität. Die Lüge beginnt bereits mit der Auswahl, was nicht gezeigt wird, und oft genug ist auch das Berichtete irreführend bis unwahr und dient unterm Strich dem Transport von Feindbildern. Ich verweise auf drei Interviews der Nachdenkseiten mit dem renommierten WDR-Journalist Walter von Rossum, dem Schweizer Friedensforscher Dr. Daniele Ganser und dem Medienkritiker Eckart Spoo sowie einen Beitrag von Polit-PR-Spezialist Albrecht Müller. Kein Stoff für Sonntagsreden …
2.
Politische NGOs waren und sind stets anfällig für Instrumentalisierung, etwa zur Verbreitung von Botschaften als scheinbar neutrale Meinungsführer.
Historisches Beispiel ist die von Anfang an erfolgte Unterwanderung von Amnesty International durch die CIA, um Propaganda gegen die Sowjetunion zu orchestrieren und in Ländern mit Bodenschätzen die „Menschenrechte“ anzuprangern. Die Gründerin der westdeutschen Sektion von AI war die CIA-Agentin Carola Stern. Die ebenfalls grundsätzlich verdienstvolle NGO „Reporter ohne Grenzen“ wird üppig aus den USA finanziert und hat bei US-Freunden wie Saudi-Arabien oder Poroschenko erstaunlich blinde Flecken. Die angeblich „grenzenlosen“ Reporter scheinen die Journalisten von RT nicht als ihresgleichen zu akzeptieren, wenn diese etwa in Ferguson Polizeiübergriffe beobachten.
Im Vorstand des ECPFM ist die engagierte Medienanwältin Galina Arapova aus Russland, die alle Berechtigung der Welt hat, um die dortigen Verhältnisse und insbesondere die Einschüchterung von Journalisten anzuprangern. Ich will keinesfalls den Mut und die Motive der Kollegin infrage stellen oder in sonstiger Weise respektlos erscheinen, aber im Rahmen des neuen Kalten Kriegs wäre es verwunderlich, wenn man nicht die Gelegenheit wahrnehmen würde, um sie für politische Zwecke zu instrumentalisieren.
Positiv anzumerken ist, dass der Vorstandsvorsitzende Henrik Kaufholz durchaus sehr deutliche Worte auch für Präsident Obama fand, der Whistleblower gnadenlos verfolgt und damit eine vitale Bedrohung für Pressefreiheit darstellt. Der Däne ging dabei weiter als alle Deutsche, die in vergleichbaren Situationen Reden halten.
3.
Zu den Gästen gehörte auch der EU-Abgeordnete und Kohl-Spezi Elmar Brok. Der Mann war lange ein Bertelsmann-Lobbyist mit parlamentarischem Mandat – andernorts würde man so etwas Korruption nennen. Als Streiter für Pressefreiheit war der Politiker bislang nicht aufgefallen, im Gegenteil baute er bei kritischer Berichterstattung Druck auf Journalisten auf und spielte eine fragwürdige Rolle in der Ukrainekrise (wo man dieser Tage ein eigenartiges Verständnis von Pressefreiheit hat). Brok wäre so ziemlich der letzte, dem man auf einer Veranstaltung zur Pressefreiheit eine Bühne geben sollte. Während der Veranstaltung mahnte ausgerechnet dieser Zeitgenosse bei EU-Beitrittskandidaten altklug Hausaufgaben bei der Pressefreiheit an.
Aus dem ECPMF kann etwas Großes werden, aber man sollte die Leute, mit denen man sich einlässt, gut im Blick behalten.
admin •
12:06 •
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2. Oktober 2015
Ich weise hier ein bis zweimal im Jahr auf das Standard-Werk zur Manipulation von Nachrichten vor, während und nach Kriegen hin. Anlässlich der jüngsten Vorgänge in Syrien und der inzwischen aufploppenden Falschmeldungen möchte ich noch einmal sehr dringend jedem dieses unverständlicherweise nie in ins Deutsche übersetzte Buch wärmstens empfehlen.
Der australisch-britische Journalist Phillip Knightley hat in „The First Casualty“ zusammen getragen, mit welchen schamlosen Lügen Kriege „legitimiert“, verharmlost und schöngefärbt werden, und welche Rolle Journalisten und Kriegsreporter dabei spielen. Die Summe an Medienmanipulationen, mit denen unsere Politiker durchkamen, ist beeindruckend. Zu ändern scheint sich nichts.
„The First Casualty: The War Correspondent as Hero, Propagandist and Myth-Maker“ (1975/2003)
Man kann vorliegend aber auch auf die Bücher des damals führenden CIA-Agenten im Nahen Osten Robert Baer lesen, dessen Biographie den Film „Syriana“ beeinflusste. Mit diesem Kunstwort bezeichnete die CIA seinerzeit den Raum Syrien, Irak und Irak.