Während Unterlassungsverfügungen gegen die Presse relativ leicht zu bekommen ist, tun sich die Gerichte schwer, wenn sich jemand an einer Zeitung finanziell gesund stoßen will. Wie sehr ein solcher Prozess zeitlich und wirtschaftlich aus dem Ruder laufen kann, zeigt der seit fünf Jahren andauernde Prozess gegen den Axel Springer-Verlag wegen einer unappetitlichen, aber boulevardesk brauchbaren Story der BILD-Zeitung über eine Belanglosigkeit im Rotlichtviertel von Bangkok, deren Wahrheitsgehalt nicht überbewertet werden sollte.
Wie sich der kaputte Fall entwickelte und was es dem Kläger (nicht) gebracht hat, weiß unser Mann in Hamburg.
Vor einigen Monaten hatte ich mich über die provinzielle Dummheit von Zeitgenossen aufgeregt, die das verzerrte Bild des Iran in unseren Medien unreflektiert wiederkäuen. Ein Blogleser hatte mir einen Bericht über seine Erfahrungen im Iran zugesandt und hatte das Land zwischenzeitlich im März bereist. Freundlicherweise hat er mir seinen Reisebericht zur Verfügung gestellt. Ich bedanke mich sehr herzlich für diesen Beitrag, der vielleicht das eine oder andere Vorurteil über den „Schurkenstaat“ zu beseitigen hilft:
Reisebericht aus dem Iran, Anfang 2010
„But what I can say is that we are living in a big prison named Iran. Many journalists, university professors, teachers and students were arrested in horrible prisons. We are trying to take back our country from the government that kills people by all weapons nobody can believe!“
Eine iranische Freundin per Email, im März 2010
Der folgende Reisebericht entstand während gut zwei Wochen Aufenthalt in Iran. In dieser Zeit konnte ich nicht nur viele Kulturschätze besichtigen, sondern auch einen intimen Einblick in die „Struktur“ dieses faszinierenden Landes gewinnen. Da meine Gastgeber Mitglieder einer alteingesessenen und wohlhabenden Teheraner Familie sind, war ich vornehmlich mit ähnlichen Menschen zusammen: Bildungsbürgertum und Unternehmer, aber keine Geistlichen. Dementsprechend sind meine Erkenntnisse vor allem aus diesen Gesprächen gewonnen. Zwar ist dies nicht gerade repräsentativ, aber eine hochgebildete, demokratisch und freiheitlich orientierte Elite hat sicher einen recht guten Überblick über das eigene Land.
Über das Reisen:
Auf meinen bisherigen Reisen konnte ich Isfahan, Yazd, Ahvaz und Teheran besuchen. Da Iran flugtechnisch wie Frankreich organisiert ist, muss man stets via Teheran fliegen. Im Einsatz sind Fokker 100, Boeing 727 und Tupolew 154. Die Sicherheitskontrollen sind leger, speziell für westliche Ausländer eher nachlässig (ich hatte auch schonmal ein paar Taschenmesser im Handgepäck, was aber erst nach dem Flug auffiel…). Fast alle Angestellten sprechen sehr gutes Englisch, auch an kleineren Flughäfen. Taxen sind sehr günstig, man revanchiert sich mit Trinkgeld dafür, dass die Fahrer keinen Umweg fahren (was sie auch nie tun). Perser begegnen Gästen stets außerordentlich freundlich! Auf einem Inlandsflug kam ich ins Gespräch mit einem Geschäftsmann, der vor gut 30 Jahren am Goethe-Institut Deutsch gelernt hatte. Selbstverständlich für ihn, mich nachts vom Flughafen Teheran ins Hotel zu fahren. Eine Bezahlung wäre Beleidigung gewesen! (more…)
Das Magazin «Focus» darf nicht mehr behaupten, der Berater von SPD-Fraktionschef Steinmeier, Medienunternehmer Detlef Prinz, habe früher für einen östlichen Geheimdienst gearbeitet. Das Landgericht Köln erließ eine Einstweilige Verfügung. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro.
Laut den Unterlagen stand Prinz im Zentrum einer mindestens zehn Jahre laufenden Geheimoperation, die klar definierte Ziele hatte: das systematische Ausforschen der SPD-Führungsriege, Spionage gegen US-Einrichtungen in Deutschland, gegen das deutsch-amerikanische Forum „Atlantik-Brücke“ sowie gegen den damaligen US-Botschafter Richard Burt. Der Akte zufolge wurde Prinz im Oktober 1986 in Prag angeworben und als Agent der höchsten Kategorie „A“ eingestuft. Ein Kontakt der Tschechen zu Prinz hatte bereits seit 1981 bestanden. Nach 1986 traf sich „Erwin“ laut Akte mindestens 30-mal mit seinen Führungsoffizieren. Davon alleine zehnmal nach dem Mauerfall. Am 27. August 1990 wurde der mutmaßliche Spion von den Tschechen abgeschaltet. (…)
(…) Belege für einen solchen Verdacht gibt es bisher freilich nicht. Nach einem Bericht des Magazins „Focus“ soll Prinz allerdings angeblich verdächtig sein, von 1986 bis 1990 unter dem Decknamen „Erwin“ Interna aus der SPD an den damaligen tschechischen Geheimdienst geliefert zu haben. Prinz räumte ein, einen der beiden tschechischen Vertreter zu kennen, die laut „Focus“ für den Prager Dienst arbeiteten. Der Verleger und Unternehmensberater bestritt aber jede Agententätigkeit. Er habe „weder je für einen Geheimdienst gearbeitet“, noch sich „in irgendeiner Form hierzu verpflichtet“, sagte er der „Bild am Sonntag“. (…)
Ein portugiesischer Politiker hatte offenbar keinen fähigen Presseanwalt zur Hand, als ihn ein Journalist in Verlegenheit brachte. Also behalf er sich während eines Interviews selbst und entwendete einfach das Aufnahmegerät.
Der Kollege Jan Mönikes von der Medienrechtskanzlei Schalast&Partner hat einen lesenswerten Beitrag zur (Nicht-)Haftung der Wikimedia für Wikipedia-Inhalte gebloggt.
Nach Analyse der Vollstreckungschancen in den äußerungsrechtlich nun einmal ungleich liberaleren USA kommt er mehr oder weniger zu dem Schluss, man müsse es beim Appell an die Verantwortung der Wiki-Community belassen.
Da ich sowohl private Betreiber von Wikis vertrete, als auch im Clinch mit dem neureichen wie pubertären Spendensammlerverein Wikimedia Deutschland e.V. liege, interessiert mich das Thema natürlich sehr. Wikimedia e.V., die sich in der Wikipedia an allen Ecken und Enden als Ansprechpartner für darstellen lassen, mit dem Erfolg der Wikipedia brüsten und stellvertretend für diese Preise entgegennehmen, wollen sich nicht zu einer Verantwortung bekennen.
Beim Rosinenpicken kennen die keine Scham: Journalisten werden etwa mit der „Begründung“ trotz Akkreditierung bei Wikimedia-Veranstaltungen ausgesperrt, sie seien ja „in der Wikipedia gesperrt“. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Wortführer des Vereins mit mit denen der Community weitgehend identisch sind, alle wichtigen Schlüsselpositionen und Rechte von Wikimedia-Soldaten kontrolliert werden.
Das wäre ja nicnt weiter tragisch, würden die Wikinger aus Selbstachtung und Reife die naturgemäß auftretenden Probleme mit Weitsicht, Augenmaß und Fairness lösen. Mag es da auch den ein oder anderen Lichtblick geben, so haben die Wikimedia-Herrschaften, mit denen ich bisher das Vergnügen hatte, wenig mehr Persönlichkeit erkennen lassen als trotzige Pubertierende mit Corpsgeist. Und da die Wikimedia durch die Spenden über bemerkenswerte finanzielle Möglichkeiten verfügt, Geld jedoch bekanntlich den Charakter verdirbt, halten die sich für unantastbar.
Selbst bei Streitigkeiten, die aufgrund spezieller Umstände eindeutig deutschem Recht unterliegen und vollstreckbar wären, hat man es nicht nötig, auch nur zu antworten, sondern bringt – bemerkenswert neureich – Industrieanwälte in Stellung. Der Erfolg der Wikipedia ist diesen Halbstarken beträchtlich zu Kopf gestiegen.
Nach den Jahren des Aufbruchs haben die meisten Autoren der Wiki-Community längst den Rücken gekehrt. Die einstige Idee des kollektiven Wissens wird heute von einer überschaubaren Clique untereinander heftig zerstrittener, provinzieller Streithanseln dominiert, die ihre Intriganz allenfalls dann überwinden, wenn es gegen Leute von Außen geht.
Nun, lieber Herr Kollege Mönikes, ich würde nicht nicht aufgeben, die deutschen Wikinger in die Haftung zu bekommen. Da Wikimedia Deutschland e.V. zur Beschleunigung des Informationsflusses eigene Server in Amsterdam unterhält, wäre ich nicht so sicher, ob die nicht vielleicht doch etwas mit der Wikipedia zu tun haben könnten.
Und wie kann es sein, dass die sich über die Aufrufe in der Wikipedia so eifrig bespenden lassen, wenn sie nicht die deutsche Wikipedia sind? Beim Thema Geld gibt es noch ganz andere Merkwürdigkeiten, über die zu gegebenem Zeitpunkt an gegebener Steller zu reden sein wird. Wie gesagt, Geld verdirbt den Charakter, selbst wenn man gar keinen hatte.
Als Adenauer von seinem Schwippschwager, dem Hohen Kommissar McCloy, zum Kanzler eingesetzt wurde, hatte der Alte aus Rhöndorf allen Ernstes den Vorschlag gemacht, ein Propaganda-Ministerium zu schaffen. Der Mann war halt im Kaiserreich sozialisiert worden und hatte sich in Sachen Grundgesetz ja auch später mal gelegentlich „ein bisschen außerhalb der Legalität“ bewegt.
Man hatte Adenauer zu verstehen gegeben, dass aufgrund eines ominösen Art. 5 GG ein Propaganda-Ministerium nicht möglich, sondern ein unabhängiger Rundfunk das Gebot der Stunde sei. Zwar bastelte man flugs ein Bundespresseamt, das den unabhängigen Journalisten Hilfestellung geben sollte, klüngelte über Rundfunkräte und Postenschacherei usw., aber ein wirkliches Staatsfernsehen konnte auch er nicht durchsetzen. Als der patzig gewordene Adenauer dann ein CDU-nahes Privatfernsehen durchsetzen wollte, haute ihm das Bundesverfassungsgericht auf die Finger. Heraus kam das ZDF, das als pflegeleichter als die ARD-Häuser gilt. Wie es einem ZDF-Mann ergeht, der den unabhängigen Rundfunk ernst nimmt, hat uns Herr Koch ja kürzlich gezeigt.
Der unserem Ex-Blogger-Kollegen Kai Diekmann so ans Herz gewachsene Nacktskulptur-Künstler wurde in der BILD-Zeitung nachgesagt, er habe unseren „Wir sind“-Papst Benedikt den Viertelvorzwölften oder so ähnlich nackt abgebildet. Es war aber ein gewisser Papst Martin.
Papst Martin sah von rechtlichen Schritten ab, da er bereits vor Erfindung des Presserechts das Zeitliche gesegnet hatte. Dafür brachte Lenk den mit der BILD-Zeitung hinreichend erfahrenen Presserechtler E. in Stellung, der die Springer-Leute das Beten lehrte. Mehr dazu weiß das BILDblog.
Heute morgen noch hatte ich folgende Weisheiten im Blog von Stefan Niggemeier hinterlassen:
Ich vertrete gerade jemanden, der wahrheitsgemäß über eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg berichtete, die gegen eine Bloggerin erlassen wurde.
Die Bloggerin erweckte zuvor nach Meinung der Richter durch Äußerungen einen angeblich unwahren Eindruck. Mein Mandant hat die ihr verbotenen Äußerungen nicht einmal wiederholt, sondern nur den insoweit verkürzten Unterlassungstenor mit dem angeblichen Eindruck.
Zusätzlich berichtete mein Mandant jedoch, ihm lägen schriftliche Aussagen von Zeugen vor, welche den verbotenen Eindruck bestätigen.
Mein Mandant hat nichts Unwahres geschrieben, auch nicht, ob er den Zeugen mehr glaubt und was diese genau sagen. Er hatte auch nicht einmal gesagt, dass er das zutreffend berichtete Gerichtsverbot für falsch hielte (und wenn, wäre es sein gutes Recht auf Meinungsfreiheit).
Trotzdem hat das Landgericht Hamburg auch meinem Mandanten gegenüber eine einstweilige Unterlassungsverfügung erlassen, weil seine unbestritten wahre Berichterstattung den Eindruck erwecke, den man der Bloggerin verboten hatte. Der Mandant hat dann sogar einen höheren Streitwert aufgebrummt bekommen!
Der größte Witz: In der mündlichen Verhandlung konnte jedermann die Zeugen sehen und hören, welche den verbotenen Eindruck bestätigten. Eigentlich müsste sich jetzt das LG Hamburg selbst verurteilen, denn nun ist es das LG Hamburg, das den verbotenen Eindruck erweckt … ;-)
Und:
Lieber Herr Kollege M.,
Ihre Einlassung „Warum bitte, soll bei einer schädlichen Falschbehauptung immer das „Opfer” die Belastung tragen müssen und der „Täter” kein Risiko?” halte ich für Polemik, da Sie es als Anwalt der medienrechtlich bekannten Kanzlei Schalast&Partner besser wissen.
Selbstverständlich muss man sich gegen Verleumdung und üble Nachrede zur Wehr setzen können.
1.
Doch in Hamburg werden durch die „Stolpe-Rechtsprechung” und „Eindrucks-Rechtsprechung” regelmäßig Behauptungen untersagt, die man nie aufgestellt hat. Damit lassen sich viele (prinzipiell zulässige) Meinungsäußerungen in (leicht zu verbietende) Tatsachenbehauptungen umdeuten.
2.
Aufgrund der Beweislastumkehr im Äußerungsrechtsrecht müssen Blogger, die einen Verdacht äußern, diesen beweisen, als ob sie die Mittel der Staatsanwaltschaft hätten, während sich der Abmahner entspannt zurücklehnen darf. So können kritische Presse und Bloggerei nicht funktionieren. Demokratie und kultureller Fortschritt leben von Kritik.
3.
Das seitens Karlsruhe vehement von Hamburg eingeforderte Korrektiv „Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht zur Meinungsfreiheit” wird praktisch gar nicht praktiziert.
4.
Aufgrund der Eigenheiten des Eilverfahrens werden Blogger mit einstweiligen Verfügungen geradezu überfallen und unter erheblichen Kostendruck gesetzt.
5.
Es gibt kein überzeugendes Argument dafür, dass sich zwei Parteien aus Bayern nach Hamburg bemühen müssen, nur weil man zufällig auch da einen Internetanschluss hat. Das Landgericht Regensburg beschäftigt zweifellos gestandene Juristen, denen fähige Anwälte notfalls unter die Arme greifen können.
6.
Es ist eine logische Reaktion, dass gegängelte Blogger in Anonymität und/oder ins Ausland ausweichen. Damit haben Sie bzw. Ihre Kanzlei Schalast & Partner ja auch schon vergleichbare Erfahrungen gemacht: http://www.wipo.int/amc/en/dom…..-0987.html
Ungleich sinnvoller wäre es daher, mit Bloggern auf Augenhöhe zu reden und die Angelegenheiten auf dem kleinen Dienstweg zu regeln, wo dies möglich ist.
Nun hat sich der Blogger-Kollege Niggemeier nicht nur von der Volks-Bibel streuenden BILD-Zeitung Abmahnungen eingefangen, sondern auch vom Regensburger Oberdomspatz, der sich in der Berichterstattung über seine Abmahnungen nicht so recht gefallen mag. Realsatire pur!