Zum Inhalt springen


Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


3. März 2011

„Viel Spaß“ mit Howie …!

Howard Carpendales größtes Verdienst ist meiner Meinung nach seine Vorlage für einen der legendärsten Sketche von Anke Engelke.

Eine weniger prickelnde Angewohnheit von Howie ist es, die Gerichte zu nerven. Zum Beispiel mit diesem Schwachsinn, der anfangs noch vor dem LG Köln Bestand hatte, vom OLG Köln jedoch als Narretei erkannt wurde:

In der Werbeanzeige der von der Beklagten herausgegebenen Zeitschrift Glücks Revue wird ein Titelblatt der Ausgabe „Viel Spaß“ vom 6.8.2008 abgebildet, auf dem der Kläger zu erkennen ist. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts folgt nicht aus der Abbildung dieses Titelblatts in der Werbeanzeige. Auch der Umstand, dass diese Werbeanzeige erst am 26.8.2009 erschienen ist, also ungefähr ein Jahr nach Erscheinen des Titelblatts, und dass die Werbekampagne bis zum 4.11.2009 andauerte, insgesamt in jedenfalls 13 Ausgaben der Glücks Revue veröffentlicht war, begründet keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung. (…)

Ein Imagetransfer lässt sich gegenwärtig nicht begründen. Selbst wenn die Beklagte eine Titelseite mit dem Kläger ausgewählt hat, weil gerade über ihn viel und regelmäßig berichtet wird, reicht das für einen Imagetransfer nicht aus, weil dem Betrachter nicht allein durch die Anzeige ein Imagetransfer bewusst wird, allenfalls wenn er Kenntnis von einer Vielzahl von früheren Ausgaben hat, was nicht unterstellt werden kann. Nur der Umstand, dass Personen, die sich für den Kläger und dessen Privatleben interessieren, zum gezielt angesprochenen Käuferkreis . der beworbenen Zeitschrift gehören, schafft eine „Verbindung“ zwischen Zeitschrift also Produkt und Kläger. Da aber offensichtlich ist, dass der Kläger insoweit nur einer von vielen ist, über die in der Zeitschrift berichtet wird, kann der Kläger allein nicht einen besonderen eigenen Werbewert begründen.

1. März 2011

Ballacks kurze Klägerkarriere

Vor einem halben Jahr inspirierte mich ein seltsames Verfahren in der Hamburger Pressekammer zur Satire „Das Landgericht am Ende des Universums“. Eine Zeitschrift hatte Herrn Ballacks Karriereende ausgerufen. Da dieses eine Prognose über die Zukunft darstellte, insbesondere in der Gegenwart nicht dem Beweise als wahr oder unwahr zugänglich ist, würde niemand auf die Idee kommen, das als Tatsachenbehauptung zu bewerten. Ansichten über die Zukunft sind sogar der klassische Fall einer Meinungsäußerung.

Niemand? Nun ja … Erstaunlicherweise hatte das Landgericht Hamburg diese Meinungsäußerung dann doch noch zur Tatsachenbehauptung gemacht. Keine Ahnung, wie die das immer schaffen!

Doch nun scheint es, als ob das für diese Woche angesetzte Rückspiel beim OLG Hamburg vorzeitig abgepfiffen wurde. Es ist nicht anzunehmen, dass der beklagte Verlag gekniffen hat. Meine Prognose, das Urteil über die Prognose würde keinen Bestand haben, war offensichtlich beweisbar. ;)

UPDATE: Jetzt ist es offiziell. Ballack ist von seine Karriere als Kläger dieses Falles zurückgetreten! Das Match wurde abgesagt.

28. Februar 2011

50 Jahre Adenauer-Fernsehen-Verbot

Heute vor 50 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht den Vorläufer von Privatfernsehen und ZDF verboten.

Der im Kaiserreich sozialisierte Adenauer hatte Artikel 5 GG nie so recht verstanden oder sich mit ihm abfinden wollen. Er träumte seinerzeit von einem Propagandaministerium, von dem gerade einmal das Bundespresseamt übrig blieb. Besonders sauer war der katholische Rheinländer über den NWDR, den er als zu links und protestantisch empfand. Seine Hoffnung, durch Zerschlagung in katholischen WDR und protestantischen NDR das Problem zu lösen, wurde enttäuscht: Der WDR entwickelte sich in den 50 Jahren zu einem Hort der Kritik, gerne auch als „Rotfunk“ wahrgenommen.

Also entschloss sich der Kanzler, ein eigenes Fernsehunternehmen aufzuziehen, das von der ihm nahe stehenden Wirtschaft über Produktinformationen und Kaufanreize finanziert werden sollte, mit welchem die Deutschen auf den rechten(!) Weg gebracht werden sollten. Mit bunten Unterhaltungsprogrammen sollte die Lufthoheit von politischen ARD-Sendungen gebrochen werden. Dumm nur, dass Adenauer die Kulturhoheit der Länder übersehen hatte … fand das Bundesverfassungsgericht.

Als Trösterchen erlaubte man Adenauer den Aufbau einer zu den ARD-Häusern alternativen öffentlich-rechtlichen Anstalt, die Adenauer mit ultrakonservativem Personal besetzen konnte, das auch seinen Nachfolgern die Treue hielt. Die Propaganda-Rechnung ging auf, denn Jahrzehnte später wählten die ZDF-Zuschauer Konrad Adenauer zum größten Deutschen.

Es hat eine gewisse Ironie, dass an den heutigen Jahrestag ausgerechnet das Deutschlandradio erinnert, dessen verfassungsrechtliche Konstruktion auch recht spannend ist. Aber: das Deutschlandradio gehört definitiv zu den Qualitätsmedien, die ihren Auftrag kritischer Berichterstattung ernst nehmen.

27. Februar 2011

BILD-Kampagne importiert Holofernes‘ „Ich glaub, es hackt“-Absage

Nachdem Sängerin Judith Holofernes von „Wir sind Helden“ die ungeschickte PR-Anfrage an sie öffentlich machte und einen Rant „Ich glaub, es hackt!“ auf die BILD-Zeitung abfeuerte, waren sogar einige Server aufgrund des unerwarteten Interesses in die Knie gegangen.

Die blamierte BILD-Zeitung konterte diesen Angriff auf ihre (nennen wir es mal) Glaubwürdigkeit in einer wohl unerwarteten Weise: Statt diese Peinlichkeit wie manch ein Minister einfach auszusitzen und das arrogante Feindbild zu bedienen, haben die BILDerer den Nerv, ausgerechnet die schmerzlichen Zeilen von Holofernes in ihrer Werbung wiederzugeben.

Kommunikativ knüpft BILD mit diesem ungewöhnlichen Schachzug an die Blog-Aktion von Kai Diekmann an, als der BILD-Chef dem BILDBlog den Wind aus den Segeln nehmen wollte (und ein Stück weit auch wohl hat). An einem Wochenende, an dem DER SPIEGEL mit einem für BILD unerfreulichen Titel aufmacht, war das eine nicht ungewitzte PR-Maßnahme.

Wir dürfen gespannt sein, wie die BILD ihren Lesern diese Woche den unausweichlichen Rücktritt von „Dr.“ zu Guttenberg kommunizieren wird, dem sie unangemessen hartnäckig die Treue hielt.

25. Februar 2011

Demo in Regensburg für Meinungsfreiheit

Die unfreiwilligen Hamburg-Touristen, denen die Diözese Regensburg eine Pilgerfahrt zum Sievekingplatz zumutete, haben heute mit ca. 100 Leuten gegen die Perversion der Meinungsfreiheit durch gewisse Rechtsausleger demonstriert.

Wir fordern hier und heute, ein Ende der kirchlichen Gewaltherrschaft durch Bedrohung und Unterdrückung – durch Geld und Gerichte. Wir fordern hier und heute eine Wiedergutmachung gegenüber all denjenigen, deren Meinung unterdrückt und deren Stimme überhört wurde. Wir fordern hier und heute eine Entschuldigung der Kirche und ein Bekenntnis zum demokratischen freiheitlichen Staat in dem wir alle leben.

Und nicht zuletzt fordern wir das Landgericht Hamburg auf, sich nicht länger mit der Abschaffung des Grundgesetzes zu beschäftigen, sondern die Meinungs- und Pressefreiheit zu stärken und die Klage gegen Stefan Aigner abzuweisen.“

Bei dem Beitrag, den man „Regensburg digital“ verboten hatte, ging es um einen Seelsorger, der sich auch um das körperliche Wohl seiner jungen Schäfchen sorgte. Wenn zu Guttenbergs Frau so etwas im Schundfernsehen bringt, darf sie sich aus der konservativen Ecke Applaus für ihren Kampf gegen die Perversen des Applauses sicher sein. Wer hingegen die Heiligkeit der Scheinheiligen anzweifelt, lernt das Beten in Hamburg.

24. Februar 2011

Fliegender Hamburger bald im Hafen?

Sogar die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hat langsam Zweifel, dass sie für alle Streitigkeiten der sieben Weltmeere zuständig ist. So wurde heute ein Entscheidung bekannt, dass

die (eidesstattlich versicherte) Angabe, dass die Zeitung in Hamburg jedenfalls von der Redaktion einer Hamburger Zeitschrift und von zwei Vereinen gelesen werde,

nicht genügt.

Via Damm-Legal.

Schon bald werden wir von der Pressekammer erneut etwas zum fliegenden Gerichtsstand hören … ;)

21. Februar 2011

„Die Sünderin“ wird 60

Die Süddeutsche Zeitung erinnert an die vor 60 Jahren beim Filmstart von „Die Sünderin“ einsetzenden Werbekampagne der Katholischen Kirche.

Die schärfsten Worte fand der Regensburger Erzbischof Michael Buchberger. Er sprach von einem „Vorgeschmack auf einen bolschewistischen Angriff, der die christliche Grundordnung zerstören“ wolle. (…)
Die Regensburger Feuerwehr, so überliefert es die Lokalpresse, habe sich geweigert, auf die Bürger zu spritzen – daraufhin habe die Polizei die Spritze beschlagnahmt. Vor dem bischöflichen Palais äußerten Demonstranten massive Beschimpfungen gegen die Geistlichkeit, außerdem beschädigten sie das Gebäude.

Ich werde bei Gelegenheit mal einen Sachverständigen fragen, ob er solche „bolschewistischen Angriffe“ kennt. Was die Diözese Regensburg betrifft, so hat man ja bei Kirchens dort mit der Sexualität ganz andere Probleme … Ohne Bolschewismus

19. Februar 2011

Dr. Gregor Gysi hat den Eindruck, man hätte den Eindruck, dass …

Der inzwischen nicht mehr als Anwalt tätige Kollege Gysi macht sich derzeit wieder um die Achtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verdient. So geht der Kollege gegen den NDR vor, weil dieser in seiner jüngsten Dokumentation den Eindruck erzeugt haben soll,

er habe in seiner Zeit als Anwalt in der DDR mit der Stasi zusammengearbeitet. Unmittelbar vor der Ausstrahlung hatte Gysi dem NDR per einstweiliger Verfügung untersagt, in einer Vorankündigung zu behaupten, ihm sei als Anwalt die Staatsräson oft wichtiger gewesen als das Schicksal seiner Mandanten.

schreibt das Hamburger Abendblatt.

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht in der Bevölkerung kann man medienrechtlich nicht nur wegen Tatsachenbehaupten in Anspruch genommen werden, die man tatsächlich gesagt hat, sondern auch für solche, die durch Schlussfolgerungen des Publikums entstehen. Nach Karlsruhe benötigt es einen „zwingenden Eindruck“, der unabweisbar erweckt werde, in Hamburg hingegen reicht es aus, wenn man etwas in den Mund gelegt bekommt. Man muss dann absurderweise Behauptungen, die man ggf. nie gesagt oder auch nur gemeint hatte, aufgrund der Beweislastumkehr beweisen. Während man Fehlurteile in Karlsruhe über eine Abwägung mit der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit korrigiert, ist in Hamburg die Meinungsfreiheit eher die des Richters. Meinungen über Sachverhalte sind in Hamburg Tatsachenbehauptungen.

Ich habe den Eindruck, die Geschichte des Herrn Gysi ließe sich nur sehr schwer erzählen, ohne, dass der Eindruck gewisser Interessenkonflikte des Kollegen Gysi entsteht. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass der vom NDR erzeugte Eindruck den Tatsachen entspricht. Immerhin erlagen dieses Eindrucks etliche in der Doku erwähnten Ex-Mandanten. Nicht in der Doku erwähnt ist Gysis Ex-Mandantin Bärbel Bohley, der Gysi den StaSi-Verdacht in Hamburg untersagen ließ. Frau Bohley hatte schon zu DDR-Zeiten in der Bürgerrechtsbewegung eine Frau als Spitzel verdächtigt, was sie nicht beweisen konnte und sich durch den Vorwurf in Misskredit brachte. Die verdächtigte Frau war tatsächlich eine eingeschleuste – sogar hauptamtliche – Mitarbeiterin der StaSi, Frau Bohley hatte richtig gelegen.

Wenn Herr Gysi den Gegenbeweis nicht führen kann, dann hat man zwar nicht das Recht, zu behaupten, Gysi habe dies und das definitiv getan. Aber man hat das Recht, das zu meinen, und dies auch als Meinungsäußerung kund zu tun. Mit diesem – möglicherweise falschen – Eindruck muss er leben. Daran werden auch 1000 Sprüche des Landgerichts Hamburg nichts ändern. Versaut allerdings wird durch Gysis Prozess-Exzess die Kultur der Meinungsfreiheit, die Gysis Kumpel Manfred Stolpe so erfolgreich attackierte. Von beiden fühlte sich Bohley seinerzeit verraten und hatte geseufzt: „Wir wollten Gerechtigkeit, und haben den Rechtsstaat bekommen!“ Frau Bohley hat sich übrigens an das Hamburger Verbot nicht eine Sekunde gehalten.

Apropos Manfred Stolpe: Seiner früheren Behörde, dem Bundesverkehrsministerium, habe ich letzte Woche per einstweiliger Verfügung für einen Mandanten eine bestimmte Behauptung untersagen lassen. Der Rechtsstaat funktioniert gelegentlich auch nach oben … ;)

Hamburger Morgenpost druckt Piratenanzeige nicht

Die zum Axel Springer-Verlag gehörende Hamburger Mottenpost druckt diese Anzeige der Hamburger Piratenpartei nicht, weil man angeblich die Persönlichkeitsrechte des Spitzenkandidaten nicht verletzen möchte:

Liebe Mottenpost, das ist Unsinn. Und ihr wisst das. Der Axel Springer-Verlag hat erfahrene Anwälte, die exzellent informiert sind über die in Wahlkampfzeiten sehr begrenzten Persönlichkeitsrechte von Spitzenpolitikern sowie über die Harmlosigkeit des vorliegenden Bildnisses. Nicht einmal euer örtliches Landgericht würde einem nicht kommerziellen Anbieter, schon gar nicht einer politischen Partei, diese leicht erkennbare Fotomontage verbieten. Ich zeige es doch auch, ohne dass der Olaf oder ein ans-tändiger Hamburger Anwalt ein Fax schickt!

Ich habe den Olaf vor einiger Zeit mal kennen gelernt. Der ist entspannt. Der hat inzwischen sogar erkannt, dass die Internetsperren doof sind. Der macht nix gegen euch. Versprochen!

UPDATE:
Die Hamburger Morgenpost gehört NICHT zum Axel Springer-Verlag!
Ich bestreite mit Nichtwissen, dass die gute Anwälte haben!

18. Februar 2011

Ägypter kaufen zensierte Bücher

Nachdem sich die Ägypter ihres Verwalters entledigt haben, kaufen sie die ihnen bislang verbotenen Bücher. Mit Zensur hat im Land der Hieroglyphen schon etwas länger Erfahrung, insbesondere auch anlässlich des Wechsels des Pharao: Wenn ein Thronfolger oder Usurpator ein Problem mit dem Vorgänger hatte, dann wurde dessen Existenz aus allen Aufzeichnungen, Münzen, Reliefs usw. getilgt.

Statt Pressekammern hatten die damals Grabkammern …