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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


1. März 2012

Wilde Kerle: BVerfG hebt mal wieder Hamburg auf …

Die Kindlein eines bekannten Schauspielers, die selbst in einem Film mitwirkten und im TV präsent waren, ließen es 2008 krachen.

In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2008, der in Bayern sogenannten „Freinacht“, waren die Kläger mit ca. acht weiteren Freunden in der Innenstadt von München unterwegs. Die Gruppe wurde dabei beobachtet, wie sie Fahrräder traktierte, Blumen aus einem Blumenbeet herausriss sowie den Telefonhörer in einer Telefonzelle abriss. Herr O. soll für den abgerissenen Telefonhörer verantwortlich sein, Herr O. für das Herausreißen einiger Tulpen aus einem Beet. Herr O. wurde von der Polizei aufgegriffen und auf die Wache mitgenommen, wohin ihn sein Bruder O. begleitete. Beide wurden nach Feststellung der Personalien entlassen. Gegen keinen von beiden wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber online, etliche Medien griffen die Posse auf, so auch die Sächsische Zeitung. Familienvater Buske zeigte Verständnis für das Persönlichkeitsrecht der beiden jungen Racker und verbot:

  • Polizei schnappt O.-Söhne,
  • er und sein Bruder haben Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle auseinandergenommen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten
  • er hat den Hörer aus der Telefonzelle gerissen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten.

Die Pressekammer meinte,

das Gewicht des Informationsinteresses verringere sich dadurch, dass Gegenstand der Berichterstattung durchaus keine spektakulären Straftaten gewesen seien, die im Gegensatz zu Kapitalverbrechen nicht als solche von überwiegendem Allgemeininteresse seien. Die Berichterstattung über eine begangene Straftat unter Namensnennung des Täters stelle für diesen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar, weil die Bekanntmachung seines Fehlverhaltens zu einer negativen Bewertung des Betroffenen in der Öffentlichkeit führe (BVerfGE 35, 202). In diesem Zusammenhang gewinne besondere Bedeutung, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Veröffentlichung erst 18 bzw. 16 Jahre alt gewesen seien, also junge Menschen bzw. Jugendliche, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei, und die ihren sozialen und beruflichen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hätten. Ihr öffentliches Auftreten als Nachwuchskünstler schränke ihren Anonymitätsschutz gegen die beanstandete Berichterstattung aus einem von ihrer beruflichen Tätigkeit zu unterscheidenden persönlichen Lebensbereich nicht ein.

(Das Argument der Schwere oder Leichtigkeit eines Vorwurfs streitet allerdings nicht nur für ein Recht auf Anonymität, sondern relativiert in gleichem Maße den Eingriff bzw. steigert das öffentliche Berichtsinteresse. Darüber wurde in der Hamburger Pressekammer erst vorletzte Woche wieder eifrig diskutiert.)

Das Bundesverfassungsgericht kam – wie bei Beschwerden gegen Hamburger Presseurteile fast immer – zu anderen Ergebnissen und sprach von „Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes“: (more…)

Geheimes Rechtsgutachten zu ACTA

Gestern habe ich einen EU-Experten ausgequetscht, der erfolglos einen Antrag auf Freigabe eines Rechtsgutachtens zu ACTA gestellt hat. Aus irgendeinem Grund meint das Europaparlament, eine Freigabe könne die Staaten, die ACTA noch nicht ratifiziert hätten, irritieren. Weiter auf TELEPOLIS.

UPDATE: Das geheime ACTA-Dokument SJ-0501/11 wurde inzwischen geleakt und findet sich im Anhang von dieses Dokuments.

Indes hat sich auch Prof. Thomas Hoeren zum aktuell diskutierten „Warnhinweismodell“ geäußert, das die CDU-Internetausdrucker sich ausgekaspert hatten. Wenig überraschend hat er „Bedenken“.

28. Februar 2012

Liebe Tagesschau,

ich hatte ja eigentlich vor Jahren die konventionellen Medien abgeschrieben. Besonders sauer war ich auf die öffentlichen-rechtlichen Medien, weil die in meinen Augen ihren Programmauftrag und ihr Privileg der Staatsferne nicht wahrnahmen. Medienkritiker sprechen insbesondere über die schreibende Zunft völlig zu Recht vom „Medienbordell“, gegen das jeder echte Puff eine hochmoralische Anstalt sei.

Doch in letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass du, liebe Tagesschau, gewisse Themen nicht tabuisierst und richtig gewichtest. Während etliche Pfeifen im Print-Journalismus etwa versuchen, die ACTA-Demos zu beschweigen, lächerlich zu machen oder zu diskreditieren, habt ihr das Thema vor zwei Wochen sogar zur Eröffnungsmeldung gemacht. Insbesondere Tagesschau.de und die Tagesschau-App sind Qualitätsjournalismus, wie er sein sollte. Und heute habe ihr mit WikiLeaks wirklich super gefeatured.

Liebe Tagesschau, ich werde langsam wieder mit euch versöhnt. Wollte ich euch nur mal sagen, obwohl ich eigentlich nicht sonderlich sentimental bin. Vielleicht fange ich ja doch eines Tages wieder mit Fernsehen an. Hach …

27. Februar 2012

WikiLeaks: Der Geheimdienst des Volkes sendet wieder!

Mehr als ein Jahr beschränkte sich Julian Assange in der Öffentlichkeit praktisch auf die Rolle einer Drama-Queen; nun hat er in der Nacht, in welcher die USA sich selbst bei den Oscars feiern, einen sorgfältig orchestrierten Coup gelandet:

Assange waren etliche E-Mails des privaten Geheimdienstes STRATFOR zugespielt worden. Ebenso, wie große Teile des US-Militärs privatisiert wurden und obskure Firmen wie Blackwater groß machten, wurden unter Bush beträchtliche Teile der Geheimdienste outgesourced. Insbesondere aus der CIA wurden etliche Leute abgeworben, die ihr Wissen nun zum vielfachen Preis den Diensten von Außen her anbieten. Eine solche Firma ist STRATFOR, die ein weltweites Netz an konspirativ bezahlten Agenten unterhält.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Private Geheimdienste können sich der parlamentarischen Überwachung leichter entziehen, als staatliche.
  • Die Bosse dieser Einrichtungen sind mit Spitzenpolitikern eng verbandelt, die Wege kurz.
  • Die Elite kann sich die steuerfinanzierten Geheimdienstetats direkt in die Taschen schaufeln. Die USA geben für ihre Geheimdienste mehr Geld aus als Deutschland für die gesamte Bundeswehr

Zu den Aufgaben von Stratfor gehört auch klassische CIA-Drecksarbeit wie Schmutzkampagnen, so etwa gegen die Yes Men, welche das zynische US-Untzernehmen Union Carbide vorführten. Die Yes Men hatten gegenüber der Presse einen Sprecher der übernehmenden Firma inszeniert, der die Entschädigung der Opfer der Katastrophe in Bophal versprach, siehe obiges Video.

So verwundert es auch nicht, dass der Name des „Staatsfeindes Nr. 1“ Assange häufig in den E-Mails auftaucht. Zweifellos wurden die Sachverhalte, wegen denen Assange in Schweden beschuldigt wird, politisch benutzt. (Die Ursache von Assange juristischen Problemen hat allerdings mit Sicherheit kein Geheimdienst gesetzt.)

Stratfor wurde offenbar von Anonymous gehackt, wie bereits im Dezember bekannt wurde. WikiLeaks hat diesmal etliche Medien ins Boot geholt, darunter offenbar auch den NDR. Wenig überraschend fehlt als Kooperationspartner DER SPIEGEL. Als 2010 das Geschacher um die Cabels unappetitliche Ausmaße annahm, hatten die Hamburger bewiesen, dass sie beim falschen Spiel mindestens ebenbürtig waren. Als Cablegate dann schließlich anrollte, hatte man fast den Eindruck, DER SPIEGEL sei um Schadensbegrenzung bemüht, denn in den Fokus rückte vor allem Boulevard-Zeugs, während die wirklich wichtigen Dinge so klein gehalten wurden, dass sie publizistisch versenkt wurden. Unter den Umständen hätte DER SPIEGEL dem Pentagon schwerlich gefälliger sein können.

UPDATE: Meine Kurzfassung der Pressekonferenz auf TELEPOLIS.

9. Februar 2012

Aktuelle Entscheidungen zur Meinungsfreiheit

Die beiden niederländischen Journalisten, die einen SS-Veteranen mit versteckter Kamera gefilmt und seine Worte mitgeschnitten haben, wurden heute von einem deutschen Gericht freigesprochen.

Der EGMR hat heute die Verurteilung eines national eingestellten Schweden bestätigt, der Schüler mit seinen homophoben Ansichten genervt hat.

Diese Woche hatte der EGMR einen einst koksenden Schauspieler in Sachen Persönlichkeitsrecht auf Entzug gesetzt. Der hatte 2005 die BILD-Zeitung verklagt – natürlich in Hamburg. Die Urteile wurden kassiert, der deutsche Staat darf jetzt 50.000 Flocken an Axel Springer zahlen. (upgedatet)

Apropos Koks: Benjamin von Stuckrad-Barre fällt gerade wegen seiner alten Angewohnheit auf, anderen den Mund verbieten zu wollen. Der Mann ist ja selbst alles andere als schüchtern. Seinen Film werde ich mir jedenfalls dann doch nicht ansehen.

Auch ein gewisser Herr Bismarck hat Schande über seine bekannte Familie gebracht, weil er sich gerade von einem Herrn Schädel mit einem schönen Prozesstrick hat hereinlegen lassen. Ein andermal mehr dazu.

Hier noch ein Hinweis auf den SPD-Entwurf zu einem Whistleblower-Schutzgesetz.

3. Februar 2012

Bettina Wulff geht in die Offensive

Bereits länger schwirrten in Journalistenkreisen Gerüchte über Pkw-Geschäfte des Hauses Wulff. Die erste dieser Meldungen hat nun die Frankfurter Rundschau gedruckt. Dagegen hat sich nun die First Lady juristisch gewehrt. Schade, eine TV-Befragung nun auch der Präsidentengattin wäre sicherlich unterhaltsam geworden.

Wenn die Wulffs nun vermehrt das Presserecht bemühen, hat die aktuelle Ausgabe der TITANIC gute Chancen, ein Klassiker zu werden. ;)

2. Februar 2012

Bohlens Baby

Dieter Bohlens Anwälte starteten vor einem Jahr eine unfassbare Abmahnwelle gegen etliche Publikationen, die eine Agenturmeldung über die Schwangerschaft seiner langjährigen Lebensgefährtin verbreiteten. Das Persönlichkeitsrecht des Barden sei hierdurch verletzt worden. Da etliche Medien nicht einsehen wollten, warum der Mann, der seinen Penis-Bruch zu Sachbuch-Literatur verarbeitet und die Persönlichkeitsrechte seiner Partnerinnen und Freunde mehr als jeder deutsche Promi vor ihm verwertet hatte, nun plötzlich Theater macht, weil über den Landeanflug seines fünften Kindes berichtet wurde, flutete Bohlen das Landgericht Hamburg mit Anträgen auf einstweilige Verfügungen.

Nun wäre es ja verständlich, wenn eine Frau in den ersten Monaten einer Schwangerschaft ihr Glück nicht mit der Welt teilen will, weil noch allerhand passieren kann. Auch könnte sich ein Mann von hoher Moral verbitten, zum Vater eines möglicherweise unehelich gezeugten Kindes ausrufen zu lassen, zumal man bei Schwangerschaften ja ohnehin nicht so genau weiß, wer den Anstoß hierzu gegeben hat. Da zumindest die Initialphase einer Schwangerschaft die Sexualsphäre betrifft, dürfte über diese grundsätzlich mal gar nicht berichtet werden.

Doch im Falle Bohlen lagen die Dinge anders: Der gute Mann hatte jahrelang und bereits während der Beziehung zu Kindsmutter seinen Kinderwunsch in Talkshows usw. öffentlich gemacht. Während eines Urlaubs posierte er gemeinsam mit seiner Partnerin für die Presse sogar fröhlich im Hotelbett. Da die neue Frau Bohlen im März ihr Kind bekommen hatte, darf man vermuten, dass die Schwangerschaft im vorangehenden Januar bei einer Bohlen-Partnerin, die sich standesgemäß figurbetont zu kleiden hat, nur schwer zu verbergen gewesen war. Und warum das Persönlichkeitsrecht des Herrn Bohlen tangiert worden sein soll, der nun einmal auch in Unterleibsangelegenheiten keine allzu große Öffentlichkeitsscheu bewies, das verstand so recht niemand, denn eine Schwangerschaft ist insbesondere für einen Mann reiferen Alters doch eher ein Kompliment.

Als wäre der Fall nicht schon skurril genug, erreichten die Antragsflut die Hamburger Pressekammer in einer Phase, in der sie arbeitsüberlastet war. Die zumindest im von mir in der Abwehr betreuten Fall beantragte Unterlassungsverfügung konnte nicht mehr rechtzeitig erlassen werden, weil inzwischen das Bohlen-Baby geschlüpft war und sich der stolze Vater zu seinem Werk bekannt hatte. Damit implodierte das Rechtsschutzbedürfnis für etliche Bohlen-Anträge auf Unterlassungsverfügungen. Die Rechnung zahlt Herr Bohlen.

1. Februar 2012

60 Jahre Verfassungsschutz

Mir ist gerade aufgefallen, dass ich noch nicht auf den Verfassungsschutz geschimpft habe. Und dass man im Internet wenig historisches zu dieser erstaunlichen Einrichtung findet. Alles muss man selber machen …

30. Januar 2012

BVerfG zu AnyDVD

Die Content-Industrie hatte gegen die BGH-Entscheidung zu AnyDVD Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Wurde nix.

25. Januar 2012

Wallraffs Kollege

Ende letzter Woche waren die Urteile gegen einen Arbeitskollegen von Günter Wallraff und den SWR erwartet, die ein mittelständischer Backunternehmer beantragt hatte. Das Gericht hatte deutlich signalisiert, dass es sich für diese Unverschämtheiten nicht hergeben würde, so dass es nicht überraschte, dass kurz vor Verkündung der Urteile die Anträge zurück genommen wurden.

Inzwischen hat mir Günter Wallraff freundlicherweise die Akten überlassen, so dass ich die Geschichte nun auf TELEPOLIS dokumentieren konnte.