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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


15. April 2018

Das Oberlandesgericht Hamburg im Syrienkrieg – Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (11)

Als die USA dieser Tage erneut Bomben nach Syrien schickten und damit die Nuklearmacht Russland reizten, war dies nur ein Nebenkriegsschauplatz. Das fundamentale Schlachtfeld in einem Krieg ist nicht die militärische Front, sondern die der Medien, wo der Kampf um die öffentliche Meinung ausgetragen wird.

Jedem Krieg gehen Lügen voraus, deren Schema einst Lord Arthur Ponsonby 1928 in „Falsehood in War-Time: Propaganda Lies of the First World War“ als „Prinzipien der Kriegspropaganda“ formulierte, wie sie seiner Auffassung nach vor und während des ersten Weltkriegs angewandt wurden:

  1. Wir wollen den Krieg nicht.
  2. Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung.
  3. Der Führer des Gegners ist ein Teufel.
  4. Wir kämpfen für eine gute Sache.
  5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen.
  6. Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich.
  7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm.
  8. Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache.
  9. Unsere Mission ist heilig.
  10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.

In Zeiten, als politische Journalisten noch Bücher lasen, konnte man bei Journalisten auf Kenntnis des Standardwerks von Phillip Knightley „The First Casualty: The War Correspondent as Hero and Myth-Maker from the Crimea to Iraq“ (1975/2004) hoffen, der aus Sicht eines historisch versierten Journalisten etliche Propagandainszenierungen zur scheinbaren Legitimierung von Kriegen etc. dokumentierte.

Doch der deutsche Journalismus lernt erstaunlich wenig. Zwar weiß man heute, dass der Irak genauso wenig Massenvernichtungswaffen hatte wie Libyen gefährlich war. Man weiß heute, dass die Brutkastenlüge eine PR-Show für die westliche Öffentlichkeit war, Saddam Hussein nichts mit Al Qaida zu tun hatte und auch der Jugoslawienkrieg, der das russische Militär schon einmal nahezu in Zugzwang brachte, vor allem mit Lügen geführt wurde. Noch heute vert(a)uscht das ZDF in Sachen Able Archer 83 Ursache und Wirkung, als ob Kriegstreiber Reagan irgendetwas richtig gemacht hätte. Was vor ein paar Jahren wirklich auf dem Maidan passiert war und warum, interessiert keine Sau. Vermutlich wird man in einigen Jahrzehnten die Manipulation genauso lässig einräumen wie die Tonkin-Lüge, mit der die USA in Vietnam einen bis heute ungesühnten Vernichtungskrieg rechtfertigten.

Damit die Deutschen sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht noch einmal in einen Krieg hineinlügen lassen, schrieb man in das Grundgesetz drei wichtige Rechtssätze:

  1. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG)
  2. Eine Zensur findet nicht statt. (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG)
  3. Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG)

Außerdem apelliert das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 4 GG an die Zivilcourage, gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, Widerstand zu leisten, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Solche Hilfe ist allerdings durch den Staat dann nicht möglich, wenn Massenmedien konzertiert Kriegspropaganda durchreichen, denn wegen der Presse- und Rundfunkfreiheit hat der Staat keine wirkliche Handhabe gegen redaktionelle Unfähig- und Willfährigkeit. Daher ist es umso wichtiger, die Fehlleistungen der schreibenden Zunft nachhaltlig und wenn nötig mit plakativen Worten nachzuhalten.

So tat es denn auch der Blogger „Blauer Bote“, der das klebrige Rührstück mit dem syrischen Mädchen Bana Alabed analysierte und dabei einen Job erledigte, der eigentlich Aufgabe der Medien gewesen wäre. -> Das „Twitter-Mädchen“ im Syrienkrieg

Die politische Illustrierte „stern“, weltbekannt für seine jounalistische Sorgfalt mit den Hitler-Tagebüchern, gesellte sich nämlich ebenfalls zu den eifrigen Verbreitern dieses an Naivität nur schwer zu überbietenden Spindoktorspiels, das im Syrienkrieg bei der Einteilung der Rollen in Gut und Böse behilflich ist:

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (1) – Sachverhalt
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (2) – einstweilige Verfügung
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (3) – unlauterer Wettbewerb zwischen Privatleuten?
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (4) – strukturell unqualifizierter Journalismus
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (5) – Pressefreiheit und Narrenfreiheit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (6) – mehrdeutige Meinungen über mehrdeutige Meinungsäußerungen
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (7) – Journalist bekennt sich vor Gericht zur Unfähigkeit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (8) – stern.de ist mit Tagesschau-Gucken überfordert
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (9) – Deutscher Presseunrat
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (10) – stern.de ist mit Recherche der eigenen Website überfordert

Um das politische Medienversagen etwa der Sternenkrieger zu verstehen, lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen:

Herausgeber Andreas Petzold begann seine Karriere in der Presseabteilung der Bundeswehr. Das heute zur konservativen Bertelsmann Media Group gehörende Blatt richtete zur US-Präsidentschaftswahl 2016 eine rauschende
Party aus, von welcher Chefredakteur Christian Krug schwärmte:

„Die Wahlveranstaltung in Berlin bekam immer mehr Drive, vor allem durch den Kandidaten Trump. Wir haben über 800 Zusagen von hochrangigen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien“, freut sich Christian Krug. Gastgeber ist Bertelsmann, in dessen Berliner Repräsentanz vor allem deutsche Prominenz erwartet wird, um das Finale der amerikanischen Präsidentschaftswahlen live mitzuerleben. Partner der Feier sind die US-Botschaft, die Atlantik-Brücke, die American Academy in Berlin, Google sowie UDG United Digital Group.

Soviel zum Thema „journalistische Distanz“. Historisch sei anzumerken, dass der stern von Anfang an zu den Red Papers gehörte, die etwa von der britischen Militärregierung das Druckrecht erhielten.

Die Konsequenz unwidersprochener Kriegspropaganda, nämlich ein im schlimmsten Fall ausgelöster nuklearer Schlagabtausch, interessierte den Pressesenat des Oberlandesgericht Hamburg nicht ansatzweise. Die Geschäftsehre des stern überwiegt nach Meinung des Vorsitzenden Richters Herrn Andreas Buske das Recht des Medienkonsumenten, die Wahrheitsliebe der Propagandaverbreiter zu hinterfragen.

Zweifel an der Wahrheit bewertet das OLG Hamburg als Tatsachenbehauptungen. Die Beweislast trägt der Kritiker, während stern online die dümmlichste Kriegspropaganda ungeprüft ventilieren darf.

Sogar die als Tatsachenbehauptung bewertete Meinungsäußerung, Drewello und stern online verbreiteten Lügen, bleibt dem Blauen Boten verboten.

Ich habe dem Vorsitzenden Herrn Buske im Gerichtssaal die Frage gestellt, wie er den Fall denn 1939 entschieden hätte, wenn der Blaue Bote die Nachrichten über den tatsächlich nur vorgetäuschten Überfall auf den Sender Gleiwitz infrage gestellt hätte. Der Frage konnte man auf der Richterbank nicht folgen.

Mithin darf man also Pressemärchen nicht mehr anzweifeln. Dazu fällt einem eigentlich nur noch das Zitat von George Orwell ein:

Krieg ist Frieden; Freiheit ist Sklaverei; Unwissenheit ist Stärke

OLG Hamburg, 7 U 136/17

10. April 2018

Letzte Worte zu Kompa vs. LMK featuring Eumann

Die Kommentare der Fachwelt, die mich zum Beschluss des OVG Koblenz erreichten, bestärken mich in der Richtigkeit meines Vorgehens. Absurd ist die Interpretation, dass irgendjemand die Chance auf ein monatliches Einkommen iHv 10.000,- € für eine eher repräsentative Tätigkeit nicht ernsthaft verfolgen würde, der solches noch nicht erreicht hat. Auch die Rechtsauffassung, die LMK-Versammlung sei bei der Wahl nicht an das Grundgesetz gebunden, wird von der Juristen durchweg ungläubig aufgenommen.

Ulkig ist auch die Begründung der angeblich fehlenden Ernsthaftigkeit mit meiner Betonung als gebürtigem Pfälzer. Denn der Bezug zu Rheinland-Pfalz gehörte zu den gerade einmal sechs Fragen, welche die geheime „Findungskommission“ dem Kölner mit hanseatischem Migrationshintergrund stellten.

Allerdings habe ich nicht die Absicht, die Sache im Hauptsacheverfahren durchzufechten, denn in einem Punkt hat mich das OVG zutreffend zitiert: Ich bin gerade wirklich in Köln sehr glücklich und muss daher abwägen, ob 10.000,- €/Monat für eine fachliche Unterforderung wirklich meine Lebensqualität steigern. Und wenn die etablierten Parteien in Rheinland-Pfalz durch den – wie die mir vorliegende LMK-Akte belegt – unfassbar tief verwurzelten Filz Wasser auf die Mühlen rechtspoplistischer Parteien spülen, dann möchte ich mich da lieber vornehm zurückziehen und die Bewertung der Öffentlichkeit überlassen. Treffende Worte fand die FAZ:

Demokratischer Witz im Lande der Narren

Befremdet hat mich die Darstellung des OVG, das mir in einer Pressemitteilung aus dem Zusammenhang gerissen die Äußerung in den Mund legt, ich hätte „formal“ kandidiert, und dieses „formal“ eigens in Anführungszeichen gesetzt hatte. Den Begriff hatte ich einzig in Abgrenzung zu meiner formlosen Bekundung von Interesse verwendet, was man als informelle Bewerbung ansehen könnte (und mehr als Eumanns Bewerbung wäre, die wohl nur mündlich erflolgte).

Ich hatte das OVG abgemahnt und eine Gegendarstellung verlangt. Anders als Urteile und Beschlüsse unterliegen Pressemitteilungen nicht dem Spruchrichterprivileg. Im Gegensatz zu Medien und Privatleuten steht der Justiz nicht einmal die Meinungs- und Pressefreiheit zu, vielmehr müssen sich Gerichte in Pressemitteilungen streng sachlich äußern.

Das OVG hat Unterlassung und Gegendarstellung mit evident unbruchbarer Begründung abgelehnt. Nun wäre es sicherlich ein lustiger Twist gewesen, wenn ich ein Oberverwalungsgericht vor Zivilgerichten verklagt hätte. Das OVG spekuliert offenbar, dass ich Besseres zu tun hätte. Auch insoweit hätte das OVG nicht unrecht, ich klage lieber für Mandanten als in eigener Sache und bin in der Tat mit Arbeit mehr als ausgelastet.

Versöhnlich stimmt auch eine im Beschluss verwandte Formulierung. So wurden meine Texte über Eumann-Farce zwar als Beleg für eine angeblich fehlende Ernsthaftkeit angeführt, allerdings machte mir das OVG das Kompliment, dass diese nicht anspruchslos seien. Das versöhnt mich ein bisschen.

OVG Koblenz, 2 B 10272/18.OVG

20. März 2018

Als die Atombomben Deutschland veränderten

Gestern lief in der ARD die bemerkenswerte Doku Als die Atombomben Deutschland veränderten über die deutsche Friedensbewegung, die den Wahnsinn der vorprogrammierten Selbstvernichtung durchschaute.

Die Doku ist auch publizistisch interessant, denn die damalige Friedensbewegung musste sich gegen die mediale Lufthoheit durch die Springerpresse wehren, die den aus historischer Perspektive mehr als berechtigten Protest als „links“, „terroristisch“ und „antiamerikanistisch“ diskreditierten. Die damalige Friedensberwegung ließ sich nicht einschüchtern, man druckte eben eigene Zeitungen und glaubte den etablierten Medien nicht mehr alles unbesehen. Auch die Künstler wirkten an einer Gegenöffentlichkeit mit.

Gestern hat die ARD mit dieser Doku ordentlich Boden gut gemacht. So wurde auch das Able Archer-Drama von 1983 historisch korrekt dargestellt und auch der 2015 freigegebene PFIAB-Bericht erwähnt, der keine beschönigende Interpretation mehr zulässt (Um Haaresbreite).

Demgegenüber mutet uns das transatlantisch zuverlässige ZDF nach wie vor in diversen Dokus die historisch unhaltbare Propaganda-Soße zu, ausgerechnet Brandstifter Reagan hätte aufgrund von Geheimdienstinformationen den Druck aus der Situation genommen. Dass ich seit Jahren auf die gegenteilige Quellenlage hinweise, ignorieren die Gatekeeper auf dem Lerchenberg lässig  – und ehren damit dem Aotmkriegsfan Adenauer, der den Vorläufer des ZDF als Propagandasender konzipierte.

Spannend finde ich, wie die heutige Friedensbewegung, die sich gegen Ramstein Airbase und den Drohnenkrieg richtet, mit genau den gleichen Methoden in eine politisch verbrämte Ecke gestellt und als antiamerikanistisch diskreditiert wird. Für die gegenwärtige Künstlergeneration ist Friedenspolitik offenbar uninteressant.

(Nicht ganz korrekt ist Erhard Epplers Darstellung, der „sowjetische Oberst“ hätte seinen Befehlen zuwidergehandelt, als er damals einen Fehlalarm nicht weitergab, denn Stanislaw Petrow handelte innerhalb seiner Kompetenzen. Wie mir  Petrow aus erster Hand erzählte, gab es für diese Situation keine Befehle; er selbst hatte das Handbuch für den Computer geschrieben, der die Signale falsch interpretierte.)

15. März 2018

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (10)

Jeder politische Journalist, der sich aus Social Media füttern lässt, muss mit Fakes und Propaganda rechnen. So ist etwa die Trollfabrik in St. Petersburg wohlbekannt (aktuell interessante Doku auf arte), die mit falschen Accounts Facebook und Foren unterwandert, um Stimmung zu lancieren. Seit den Snowden-Dokumenten wissen wir aus erster Hand von der Joint Threat Research Intelligence Group (JTRIG), mit welcher der britische Nachrichtendienst ganz genau das gleiche tut. Die NSA als Geburtshelfer des Internet mischt sowieso überall mit.

Professionelle Journalisten wissen das. Bei stern online stellt man sich naiv und hält sogar heute noch an der doch recht durchsichtigen Geschichte vom Twittermädchen aus dem Syrienkieg fest.

Während das Landgericht die temperamentvollen Äußerungen des Blauen Boten, der einen stern online-Autor als „Fake News-Produzent“ bezeichnete und des Verbreitens einer „offenkundigen Lügengeschichte“ beschuldigte, als zulässige Meinungsäußerung ansah, bewertete dies das Oberlandesgericht Hamburg als beweisbedürftige Tatsachenbehauptungen. Solche wären zutreffend, wenn stern online bzw. deren ebenfalls klagender Autor die Unwahrheit der berichteten Information zumindest für möglich gehalten hätten.

Nun ja …. Das aber war der Fall. So schrieb stern online selber am 04.10.2016 – mithin zwei Monate vor dem Missgriff:

„Doch es gibt nicht nur positive Kommentare. Manche glauben, dass es sich bei dem Profil um einen Fake handelt, da es in dem Stadtteil, in dem die Familie lebt, gar kein Strom mehr gebe. Andere gehen von Propaganda aus.“

Und bei solchem Recherchestand soll ein Redakteur des gleichen Magazins allen Ernstes damit überfordert sein, mit einem Fake zu rechnen? Seit den Hitler-Tagebüchern hat man beim Politmagazin stern offenbar wenig dazu gelernt.

Diesen Freitag wird die Hauptsache vor dem Landgericht Hamburg verhandelt. Dort hatte auch Erdogan seine Persönlichkeitsrechte eingeklagt – der gleiche Erdogan, auf dessen Schoß das gefeierte Twitter-Mädchen Platz nahm.

Bleibt es bei der aktuellen Haltung der Hamburger Pressegerichte, so muss ein privater Familienvater den Wahrheitsgehalt der Bezeichnung „offenkundige Lügengeschichte“ beweisen, während professionelle Journalisten eines politischen Magazins den größten Blödsinn ungeprüft durchreichen dürfen.

Was bisher geschah:

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (1) – Sachverhalt
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (2) – einstweilige Verfügung
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (3) – unlauterer Wettbewerb zwischen Privatleuten?
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (4) – strukturell unqualifizierter Journalismus
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (5) – Pressefreiheit und Narrenfreiheit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (6) – mehrdeutige Meinungen über mehrdeutige Meinungsäußerungen
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (7) – Journalist bekennt sich vor Gericht zur Unfähigkeit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (8) – stern.de ist mit Tagesschau-Gucken überfordert
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (9) – Deutscher Presseunrat
23. Februar 2018

Stichproben in medienrechtlichen Neuerscheinungen

Die letzten Wochen zog der Beck-Verlag mir wieder nur so das Geld aus der Tasche. Für vertiefte Rezensionen fehlt mir leider die Zeit, hier aber einige Stichproben aus den Neuzugängen im medienrechtlichen Bücherschrank:

  • Spindler/Schmitz: Telemediengesetz mit Netzwerkdurchsetzungsgesetz, 2. Aufl. 2018, 99,- €
    Mit dem NetzDG gibt es zwar noch keine Erfahrung oder gar Urteile hierzu, um so wichtiger ist natürlich die Einschätzung der Lehre. Prof. Liesching fiel die Aufgabe zu, mit dem NetzDG ein Gesetz zu kommentieren, dessen Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität er (wie die meisten anderen Fachleute auch) herzlich bezweifelt.
    Stichprobe: Zur praktisch bedeutsamen Frage, wie sich die jüngsten Änderungen des TMG zur Störerhaftung für Privatleute mit WLAN auswirken, gibt Spindler einen knappen, aber prägnanten Überblick.
  • Koreng/Lachenmann: Formularhandbuch Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2018, 129- €
    Wenn im Mai die Datenschutzgrundverordnung endgültig scharf geschaltet wird und selbst bei Experten große Rechtsunsicherheit besteht, haben Abmahnanwälte Konjunktur. Soweit mir bekannt, handelt es sich um die erste Formularsammlung zur DSGVO. Der geschätzte Kollege Koreng wird wohl jetzt steinreich werden …
    Stichprobe: Die knappen, aber prägnanten Ausführungen Thema Datenschutzerklärung sollte man gelesen haben.
  • Binder/Vesting: Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Aufl. 2018, 239,- €
    Pflichtlektüre für alle, die Landesmediendirektor werden wollen … ;)
    Stichprobe: Bei der für Zivilrechtler relevanten Frage, ob ein Blog Gegendarstellungspflichten nach §§ 56, 54 RfStV auslösen kann, war dem Bearbeiter offenbar nicht die Sicht der Landgerichte Hamburg und Berlin bzw. Kammergericht bekannt, die § 56 RfStV für anwendbar halten.
  • Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 76. Auffl. 2018
    Medienrecht ist zur Hälfte Zivilprozessrecht, so dass auch dieser Standardjahreskommentar nicht fehlen darf. Das große Verkaufsargument der Neuauflage, auch die neuen Regeln zum beA zu kommentieren, hat sich allerdings vorerst erledigt … ;)
  • Mes: Münchener Prozessformularbuch Gewerblicher Rechtsschutz, Urheber- und Presserecht, 5. Auflage 2018, 179,- €.
    Handwerkszeug.
  • Köhler/Bornkamm/Feddersen: Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb, 36. Aufl. 2018, 179,- €.
    Standard-Jahreskommentar zum UWG.
  • Seitz: Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl. 2017
    Wer beim anspruchsvollsten aller Anträge nicht jede Erfahrung selber machen möchte, wird um Seitz kaum herumkommen.
    Stichprobe: Leider auch unergiebig für die Frage, ob ein Blog Gegendarstellungspflichten nach §§ 56, 54 RfStV auslösen kann.
  • Limper: Entertainmentrecht – Das Recht der Unterhaltungsindustrie unter Berücksichtigung der Medienkonvergenz, 1. Aufl. 2017, 59,-€
    Fächerübergreifende Darstellung der Rechtsbeziehungen von Künstlern und Verwertern etc..
    Stichprobe: Obwohl es überwiegend um Vertragsrecht geht, enthält das Buch nur einen Mustervertrag (Sportlervertrag).
  • Limper/Musiol: Handbuch des Fachanwalts Urheber- und Medienrecht, 2. Aufl. 2017, 178,- €.
    Stichprobe: Jedenfalls beim Presserecht eher Ausbildungsliteratur als Fundgrube.

Angekündigt:

  • Sparen werde ich mir die angekündigte zweite Auflage von Götting/Schertz/Seitz: Handbuch Persönlichkeitsrecht, 2018, 188,- €, denn die Erstauflage erwies sich als eher akademisch denn als ein „Handbuch“. Stattdessen empfehle ich Praktikern Korte: Die Praxis des Presserechts, 1. Aufl. 2014, 49,- €, sowie den Abschnitt zum Persönlichkeitsrecht im jeweils aktuellen Palandt.
  • Cepl/Voß: Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz – ZPO mit spezieller Berücksichtigung des Marken-, Patent-, Design-, Urheber- und Lauterkeitsrechts sowie des UKlaG, 2. Aufl 2018, 199,- €.
    Ein praktisches Werk, das es schon viel früher hätte geben sollen. Leider hat sich der Erscheinungstermin für die Zweitauflage um zwei Monate verzögert.
  • Nach drei Jahren ist die 6. Auflage des Dreier/Schulze: Urheberrecht angekündigt. Auf den Zuwachs zur bereits jetzt ausgiebigen Kommentierung zu § 97a UrhG bin ich schon gespannt, nachdem Schricker letztes Jahr nicht allzuviel hierzu bot. Mal sehen, ob wir etwas über die Rechtsprechung zu Creative Commons lesen werden.
9. Januar 2018

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt ging

Der Scharlatan Dr. Nikolaus Klehr, der zynisch Krebspatienten im Endstadium mit unwirksamen Therapien abzockte, beschäftigte über Jahrzehnte Medienanwälte, die jegliche Kritik an diesem denkbar dreisten Hochstapler mit mehr oder weniger unappetitlichen Tricks verbieten ließen. Der durch seinen Betrug reich gewordene „Krebsheiler“ finanzierte Rechtsstreite aus der Portokasse.

Viele der Klehr-Klagen waren glatter Prozessbetrug. So bestritt Klehrs Hamburger Anwalt lächelnd, ein bestimmter Ärztefunktionär habe Klehr als erwerbsgetriebenes Ungeheuer bezeichnet, obwohl der dies in einem TV-Interview getan hatte, das Klehr genau kannt.

WISO-Detektiv

Das hier verlinkte Video mit dem WISO-Detektiv von 2010 ließ Klehr dem ZDF verbieten. Sein findiger Anwalt, der die extrem subjektiven Vorlieben des damaligen Vorsitzenden der Hamburger Pressekammer zu deuteln wusste, erwirkte sowohl gegen das ZDF als auch gegen Google/YouTube, wo jemand die Reportage hochgeladen hatte, einstweilige Verfügungen.

Und auch gegen mich, weil ich das Video in meinem medienrechtlichen Blog eingebunden hatte, um dessen Zulässigkeit aus meiner professionellen Sicht kurz zu kommentieren – zutreffend übrigens. Der für seine absurden Urteile bekannte Hamburger Landrichter wollte mich für dieses Einbetten von fremdem Content, den er rechtsirrig für rechtswidrig hielt, genauso haften lassen, als wäre ich das ZDF (dessen Rechtsabteilung den Film abgesegnet hatte).

Faktisch war dies eine Wiederbelebung der überholten Linkhaftung, denn in Social Media werden aus Links auf YouTube-Videos häufig sogar automatisch Einbettungen. Ungeachtet der irren Rechtsfrage, ob das Verlinken für ein Zu-Eigen-Machen jeglicher möglicher Hamburger Pseudoprobleme des ZDF-Videos ausreichen sollte, war extrem zweifelhaft, dass die drei in Hamburg beanstandeten Punkte ernsthaft das Persönlichkeitsrecht des Scharlatans verletzten.

Hamburger Unrechtsweg

Ich ging sofort in die Hauptsache und ließ mich vom Kollegen Thomas Stadler vertreten. Doch auch der versierte IT-Rechtler vermochte die Richterinnen nicht von ihrer sturen Linie abzubringen, denn in der Hamburger Pressekammer ist es Policy, dass eine einstweilige Verfügung aus Prinzip zu halten ist. Auch das ZDF und Google, die teuerste Medienanwälte beauftragten, mussten mit ihren Widersprüchen das Landgericht Hamburg als Durchlaufinstanz passieren.

Wäre dieses steinzeitliche Urteil rechtskräftig geworden, wäre das Verlinken von YouTube-Videos in Deutschland eine hochgefährliche Sache geworden. Faktisch wäre die Linkhaftung wieder da gewesen. Daher ging ich in Berufung. Da der Hamburger Richter inwischen Vorsitzender der Berufungsinstanz geworden war, musste ich damit rechnen, dass der Leidensweg erst in Karlsruhe enden würde und bis zu 20.000,- € hätte kosten können.

Aktion Klehranlage

Da ich anders als Klehr solche Prozesse jedenfalls 2011 nicht aus der Portokasse finanzieren konnte, rief ich die Aktion Klehranlage ins Leben.

Eigentlich hatte ich nur mit geringer Unterstützung gerechnet, welche mich bei den aktuell anfallenden Kosten für die Berufung entlasten würde. Tatsächlich aber landeten innerhalb weniger Tage ca. 37.000,- € auf meinem Konto. Ich bekomme noch heute Tränen in den Augen, wenn ich daran denke, wie ich damals diese unverhoffte Solidarität erfuhr.

Auch die Presse berichtete über die ungewöhnliche Aktion.

Ein „Gewinn“ war allerdings ebenso wenig geplant wie Verwaltung der vielen Eingänge, die damals pragmatisch auf mein Gechäftskonto überwiesen wurden. Schon allein die steuerrechtliche Verbuchung solcher Eingänge von über 1.228 Geldgebern erforderte die Gründung eines Vereins, der Klehranlage e.V..

Sieben Jahre Oberlandesgericht Hamburg

Da sich ZDF und Google auch gegen die einstweilige Verfügung wehrten, wurden deren  Berufungen alsbald vom OLG Hamburg verhandelt, wo inzwischen der berüchtigte Landrichter hinbefördert wurde. Der sah schließlich doch ein, dass er grottenfalsch lag und gab dem ZDF und Google den Film wieder frei. Meine Berufung allerdings ließen die Hanseaten erst einmal fünf Jahr liegen.

2016 segnete der Nikolaus Klehr das Zeitliche. Der verhasste Scharlatan wurde an einem unbekannten Ort bestattet. Lange war unklar, ob ein Erbe den Prozess aufnehmen – und mir für meine Prozesskosten haften würde. Nunmehr steht fest, dass das Erbe wegen Überschuldung ausgeschlagen wurde. Der Großbetrüger hatte nämlich erhebliche Steuerschulden. Man darf vermuten, dass der Schweinepriester seine Reichtümer ohnehin so organisiert hatte, dass für Gläubiger nichts zu holen war.

Dank OLG Hamburg bleibe/n ich/wir nun auf den bislang angefallenen Rechtskosten sitzen. Herr Buske darf mal wieder stolz auf sich sein.

Eines aber wurde erreicht: Das Hamburger Schandurteil wird nie rechtskräftig werden. Und ich kann das Video verlinken und zeigen, so viel ich will. Und ich will …

Rechtshilfefonds

Die meisten Kehranleger hatten im Betreff wie vorgeschlagen verfügt, dass die Überweisung, wenn sie für den Prozess nicht mehr gebraucht würde, in einen Rechtshilfefonds für gegängelte Blogger fließen soll. Ansonsten haben sie jedoch Anspruch auf anteilige Rückzahlung der unverbrauchten Zuwendungen.

Mein Verein muss sich daher demnächst Gedanken machen, wie wir eine ggf. gewünschte Rückzahlung organisieren, denn wir müssen 1.228 Vorgänge zum Teil anonyme Vorgänge abgleichen, Verwendungswillen und ggf. Bankverbindungen erfragen usw.. Ich halte euch hier im Blog auf dem Laufenden.

18. Dezember 2017

FAQ zu Kompa ./. Eumann

Warum haben Sie letzte Woche doch noch einen Eilantrag bei Gericht gegen die Besetzung des LMK-Direktoriats mit Herrn Dr. Marc Jan Eumann gestellt?

Ich hatte den politischen Instinkt der Beteiligten dramatisch überschätzt und einen geordneten Rückzug erwartet. Das Amt und die Autorität aller Gremien, in denen der gewählte LMK-Direktor wirkt, werden durch diese Personalie offenkundig beschädigt.

Doch mir wurde aus Rheinland-Pfalz zugetragen, dass dort solche Ämterpatronage eher die Regel sei. Tatsächlich habe ich bislang kein Unrechtsbewusstsein registriert, obwohl die Staatsferne bei der Rundfunkaufsicht und das Prinzip der Bestenauslese bei der Besetzung öffentlicher Ämter Verfassungsrang haben.

Wegen der Schamlosigkeit bei der abgekarteten Besetzung ausgerechnet mit einem in vielfacher Hinsicht fragwürdigen Bewerber haben mich viele Personen aus unterschiedlichen Bereichen ermutigt, die Sache durchzufechten.

Wie bewerten Sie die Sitzung des Mainzer Landtags vom 13.12.2017 zum Thema (oben im Video ab 1:00:44)?

Die von der parteipolitischen Farbenlehre geprägten Redebeiträge haben mich in meiner Entscheidung von 2013 bestätigt, mich von parlamentarischer Politik fernzuhalten. Die Ignoranz der Regierungsparteien, die auf die Autorität der „staatsfernen“ Wahlversammlung pochten und jeden Zweifel an der Rechtswidrigkeit und der charakterlichen Eignung zurückwiesen, ist befremdlich.

Irritiert hat mich das von Medienvertretern unkritisch übernommene Narrativ, die Fachkompetenz des berücksichtigten Bewerbers stehe außer Frage. Da habe ich anderes gelesen.

Wie gut sind Ihre Chancen bei Gericht, die Ernennung zu verhindern?

Exzellent. Für eine geheime „Findungskommission“ zur Besetzung öffentlicher Ämter gibt es keine Rechtsgrundlage. Da hilft auch kein behördliches Selbstorganisationsrecht. An einer Ausschreibung oder einem vergleichbaren Verfahren zur Bestenauslese, das aus Art. 33 Abs. 2 GG vorgegeben ist, kommt man nicht vorbei.

Wie ist der aktuelle Verfahrensstand?

Der Presse entnehme ich, dass das Gericht die Gegenseite gebeten hat, die Stelle vorerst nicht zu besetzen, bevor über meinen Eilantrag entschieden wurde. Dem wird man nachkommen. Wann die Gerichte entscheiden werden, weiß ich nicht.

Warum wurde der Antrag ursprünglich am Verwaltungsgericht gestellt?

Grundsätzlich ist bei der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage der Verwaltungsrechtweg gegeben. Allerdings will die öffentlich-rechtliche Anstalt LMK mit ihrem Direktor offenbar einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag schließen, so dass insoweit ggf. die Arbeitsgerichte zuständig wären. Da mir die LMK jede Auskunft verweigerte und ein solcher Antrag einer drohenden Besetzung etwa durch Vertragsschluss zuvorkommen musste, war Eile dringlicher als die Recherche des idealen Eingangsgerichts (zumal ich mit Arbeit ausgelastet bin).

Jedes Gericht prüft seine sachliche Zuständigkeit sofort von Amts wegen und entscheidet über einen Verweisungsantrag unanfechtbar, § 291 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Daher kann es taktisch sogar sinnvoll sein, in Zweifelsfällen einen solchen Verweisungsbeschluss zu provozieren, um für den weiteren Prozess insoweit Rechtssicherheit schaffen.

Die sachliche Zuständigkeit ist aber letztlich unbedeutend, denn auch im Arbeitsrechtsweg ist bei der Besetzung entsprechender Stellen auf eine gebotene Bestenauslese abzustellen, vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. April 2016 – 9 AZR 673/14. Davon kann vorliegend keine Rede Rede sein.

Gibt es ein Spendenkonto?

Nein. Zwar werden mir derzeit in Social Media Spenden angeboten, ich kann diese Sache jedoch aus der Portokasse finanzieren. Die Verwaltung und steuerrechtliche Verbuchung solcher Spenden würde mir zudem Zeit rauben, die ich für meine Mandate dringender benötige.

Müssen Sie sich als LMK-Direktor das Programm von Sat.1 ansehen?

Möglich. Sat.1 folgt zwar dem Beispiel der hauseigenen Wanderhure und versucht gerade, von der LMK Rheinland-Pfalz zur Landesmedienanstalt von Schleswig-Holstein zu flüchten. Allerdings treffen den LMK-Direktor weitere Verpflichtungen wegen der bundesweiten Kooperation der Landesmedienanstalten etc., so dass der Blick auf Privatfernsehen nicht ausbleiben wird. Ich erwäge, den entsprechend gestählten Experten Holger Kreymeier von massengeschmack.tv als Referenten einzustellen.

3. Dezember 2017

Lama Ole Nydahl klagt mal wieder weltlich

Schon seit Jahren ist Lama Ole Nydahl zu Gast in meinem Blog, weil seine Heiligkeit gerne mal seine Mitmenschen erdenschwer verklagt. Aktuell geht der Heilige Mann gegen mehrere Blogger vor, die angeblich unzutreffend über die Sympathien des Lamas für Rechtspopulisten und fragwürdige Ansichten über Muslime berichten. Auf dem hier verlinkten Video sagt er ab Minute 19 solche Sachen:

„Die Leute hätten einfach nur das Koran lesen müssen und verstehen müssen, dass das wirklich für uns alle gegeben wurde, dann hätten wir vielleicht nicht so viele über die Grenze geholt oder aus dem Wasser geholt, sogar [lacht].“

Während sich der Lama nachdrücklich für die Meinungsfreiheit der Rechtspopulistin Marine Le Pen einsetzt, hält er von solcher seiner abtrünnigen Jünger offenbar nicht ganz so viel. Wie sich der Geistliche die weltlichen Prozesse mit strammen Streitwerten leisten kann, ist unklar. Vor Gericht lässt er vortragen, er besäße kein nennenswertes Vermögen und legt gesteigerten Wert darauf, dass die Verfahren nicht von der ca. 35 Millionen schweren Diamantwegstiftung finanziert werden, der er vorsitzt.

In einem Verfügungsverfahren hatte Nydahls Anwalt beantragt, dem Antragsgegner solle die Äußerung verboten werden, Nydahl habe erklärt, „Muslime schneiden Frauen im Namen des Islam den Kitzler ab“ und legte einen Videomitschnitt seiner diesjährigen Rede vom „Osterkurs“ in Kassel vor, der allerdings unvollständig war. Eine Zeugin hatte den Schluss der Rede jedoch mit einem Handy gefilmt. Auf dem Video kann man deutlich hören, wie Nydahl über den islamophoben Bill Warner referiert. „… Frauen, die den Kitzler abgeschnitten bekommen, nicht, irgendwo und auch die anderen Sachen, die immer wieder geschehen, im Namen des Islams.“ Nydahl hatte diesen Teil-Antrag allerdings zurückgenommen, bevor er mit der doch sehr, sehr ähnlichen Äußerung konfrontiert wurde.

Aktuell geht der Lama gegen einen Blogger aus Österreich vor, weil der angeblich unzutreffend über Nydahls Rede vom letzten Jahr berichtet hatte. Eine Aufzeichnung hat der Lama diesmal bislang nicht vorgelegt – obwohl er offenbar eine hat. Die Rede des Lamas war 2016 sogar live ins Internet gestreamt worden, so dass wir bereits mehrere Zeugen haben, die sich daran erinnern. Wer sich ebenfalls an Nydahls Tiraden über gewalttätige Muslime vom letzten Jahr erinnern kann, wird freundlich gebeten, sich mit mir in Verbindung zu setzen.

27. November 2017

Kompa vs. Eumann

Die letzte Woche war durchaus ereignisreich. So hat am Montag Edward Snowden einen meiner Tweets an seine 3,5 Millionen Follower retweetet (Bezug). Am Donnerstag brachte ich den Google-Anwalt am OLG Köln gehörig ins Schwitzen, ein für uns positives Urteil wird die Suchmaschine vermutlich einige Millionen € kosten. Und dann habe ich mich auch noch auf den Posten des Direktors der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz beworben.

Die Amtsinhaberin (SPD) geht nämlich bald in den Ruhestand, aber irgendwie hat man es wohl vergessen, den Posten so richtig auszuschreiben. Das könnte am Jahresgehalt von ca. 200.000,- € liegen. Als einzigen Kandidat hat man einen gewissen „Dr.“ Marc Jan Eumann (SPD) ausgeklüngelt. Der vormalige Staatssekretär der NRW-Landesregierung braucht nämlich gerade ein neues Pöstchen, weil seine Partei in die Opposition geschickt wurde.

Kurios an „Dr.“ Eumanns Kandidatur ist die Tatsache, dass dieser neulich den Direktor der NRW-Landesmedienanstalt (CDU) mit dem neuen Erfordernis rausgekickt hatte, dass dieses Amt nunmehr mit einem Volljurist besetzt werden muss. Herr „Dr.“ Eumann ist nämlich auch keiner, sondern ein Schöngeist mit einem Magister Artium.

Ich aber schon. Da mich sogar der Titel eines Fachanwalts für Medienrecht ziert, habe ich mich unter Protest gegen das fadenscheinige Verfahren initiativ beworben. Für den Fall der Nichtberücksichtigung habe ich standesgemäß mit Klage gedroht.

Mein Mitbewerber Herr „Dr.“ Eumann hat gegen mich keine Chance. Anders als Herr „Dr.“ Eumann muss ich der Öffentlichkekit gegenüber weder eine hochnotpeinliche Plagiatsaffäre bei der Doktorarbeit noch eine Verwicklung in den Kölner Müllskandal „erklären“. Außerdem bin ich im Gegensatz zu Hanseat Eumann ein rheinland-pfälzische Landeskind.

Meine neue Position als Direktor der Landesmedienanstalt ist allerdings mit großen Opfern verbunden: Ich müsste nämlich Privatfernsehen konsumieren.

UPDATE: Bewerbung als Entfilzung (TELEPOLIS)

10. Oktober 2017

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (9) – Deutscher Presseunrat

Was bisher geschah:

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (1) – Sachverhalt
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (2) – einstweilige Verfügung
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (3) – unlauterer Wettbewerb zwischen Privatleuten?
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (4) – strukturell unqualifizierter Journalismus
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (5) – Pressefreiheit und Narrenfreiheit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (6) – mehrdeutige Meinungen über mehrdeutige Meinungsäußerungen
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (7) – Journalist bekennt sich vor Gericht zur Unfähigkeit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (8) – stern.de ist mit Tagesschau-Gucken überfordert

Die überflüssigste Einrichtung im Presserecht ist zweifellos der Deutsche Presserat. Bei diesem Verein handelt es sich um ein scheintotes Relikt aus den 50er-Jahren, als die Verlegerlobby den Bundestag erfolgreich von der Verabschiedung eines Bundespressegesetzes abhielt. Damals wollte Adenauer für die „innere Sauberkeit der Presse sorgen“ und die „Initiative zur Aussonderung der unlauteren Elemente ergreifen“. Diesen Versuch einer Einschränkung der Pressefreiheit wollten die Verleger überflüssig machen, indem die Branche durch Selbstkontrolle mit einer nichtstaatlichen Organisation ähnlich wie die Handwerkskammern selbst für Ordnung sorgt.

Zwar wurde das ohnehin verfassungswidrige Gesetz verhindert, nicht jedoch die späteren Landespressegesetz, die allerdings auch eher Ordnungscharakter haben. Hinsichtlich des bezweckten Ehrenschutzes ersetzte die Rechtsprechung das sabotierte Gesetz mit einer verfassungsrechtlichen Herleitung eines ungeschriebenen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das im Ergebnis praktisch auf dasselbe hinausläuft. Während Opfer von Pressedelikten bei Gericht also Unterlassung und Schadensersatz durchsetzen können, vermag der Deutsche Presserat ohnehin kaum mehr auszurichten als Flüche auszusprechen, nämlich „Hinweise“, „Missbilligungen“ und „Rügen“.

Doch selbst von seinen bescheidenen Instrumenten macht der Deutsche Presserat nur geringen Gebrauch. So spottete einst Medien-Müllmann Stefan Niggemeier, der Deutsche Presserat tue niemandem weh, außer denen, die sich an ihn wenden. Diese vornehme Zurückhaltung der selbsternannten Medienwächter dürfte wohl damit zusammenhängen, dass in deren Ausschüssen keine demokratisch gewählten oder etwa wie in Rundfunkräten pluralistisch entsandten Personen sitzen, sondern honorige Gesandte großer Verlagshäuser und Journalistengewerkschaften urteilen – die naturgemäß großes Verständnis für die Interessen der eigene Branche aufbringen.

Publizistische Sorgfaltspflicht

Während sich Medienopfer eine Eingabe zum Deutschen Presserats also sparen sollten, könnte sich der Presserat theoretisch dort ein Verdienst erwerben, wo es keine klageberechtigten Opfer gibt, aber sehr wohl einen Missstand: Bei der Bekämpfung von in den Medien lancierten Propagandalügen zur Dämonisierung von Gegnern, um die politische Akzeptanz militärischer Gewalt herbei zu manipulieren. (Also eine Verantwortlichkeit für Fake News, wie sie seit dem 01.10.2017 von Facebook & Co. erwartet wird.)

Theoretisch nämlich verpflichtet der Pressekodex des Deutschen Presserats dessen Mitglieder zur Recherche und Wahrheit. So lautet
Ziffer 2 Abs. 1 des Pressekodexes :

Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Ziffer 3 Abs. 1 des Pressekodexes lautet:

Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.

Immer wieder fallen sorglose Laien auf diese Sonntagsreden herein, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt wurden. Denn der Deutsche Presserat hat nicht ansatzweise die Absicht, als Störung von Betriebsabläufen beim Verbreiten von Lügen und Halbwahrheiten empfunden zu werden, sondern beschränkt seine Aufmerkamkeit nahezu auf Entgleisungen bei der Berichterstattung über Personen. Damit kümmert er sich also um die Wahrung von Persönlichkeitsrechten – was Gerichte aber nun einmal ungleich effektiver können. Würde sich der Deutsche Presserat von heute auf morgen auflösen, würde vermutlich niemand irgendeinen Unterschied bemerken.

Probe aufs Exempel

Der Blogger Blauer Bote machte ein soziologisches Experiment und reichte eine Beschwerde gegen Stern.de ein, weil man dort die unsägliche Story über das Twitter-Mädchen im Syrienkrieg ungeprüft durchgereicht hatte.

Eine Dschihadistin mit journalistischer Ausbildung hatte 2016 ihre siebenjährige Tochter als scheinbar der englischen Sprache mächtige Twitterin inszeniert, die politische Botschaften verbreitete und das vom Westen gewünschte Narrativ bediente (Das „Twitter-Mädchen“ im Syrienkrieg). Wenn es gegen Assad geht, sind auch Dschihadisten unsere Freunde.

Stern.de hatte das für jeden ernst zu nehmenden Journalisten durchsichtige Propagandamärchen Anfang Dezember 2016 unkritisch bejubelt, der dortige Autor twitterte sogar gläubig, er bete für das Mädchen (welche Religion auch immer für Dschidistentöchter zuständig ist). Der Verlag und dessen betender Autor waren sich ihrer Ehre so sicher, dass sie den ungläubigen Blogger mit einer einstweiligen Unterlassungsverfügung mit dem Streitwert 100.000,- € bedachten.

Der Blogger rief nun den Presserat an und vertrat die Ansicht, dass die Propaganda-Inszenierung offensichtlich sei, stern-online diese jedoch weder sorgfältig geprüft noch richtig gestellt hätten. Anders, als man es in einem Gerichtsprozess erwarten würde, legte man die Stellungnahme der Stern-Juristen zur Beschwerdeschrift dem Beschwerdeführer nicht zur Erwiderung vor, sondern tagte hinter verschlossenen Türen. Soweit die Stern-Stellungnahme zitiert wurde, hält man bei stern.de das streitbare Online-Magazin Bellingcat für eine ernst zu nehmende Quelle und will in einem gestellten Interview einen Beleg dafür sehen, Bana verstehe zumindest englisch. Außerdem hätten andere Medien die Story ja auch gebracht.

All our fake news are good news

Der Deutsche Presserat machte sich seine Sache erstaunlich einfach und paraphrasierte in seiner Vorsitzendenentscheidung lediglich Teile der Eingabe sowie der Einlassung des Verlags. Dabei unterschlug der Deutsche Presserat mal eben die Tatsache, dass etwa die Tagesschau bereits am 1.12.2016 starke Bedenken bei der Zuverlässigkeit der Quellenlage äußerte. Zwar kam auch die Tagesschau-Autorin an der Story nicht vorbei, kommunizierte aber sehr wohl Skepsis hinsichtlich deren Authentizität. Bei stern.de hätte man bei der Recherche (?) einfach nur Tagesschau.de frequentieren müssen.

Für seine Erwägungen benötigte der Deutsche Presserat gerade einmal drei Sätze.

Er vermochte keinen Verstoß gegen das in Ziffer 2 niedergelegte Gebot zur Sorgfalt in der journalistischen Arbeit und folgte ausdrücklich „der Einschätzung der Redaktion, dass die Berichterstattung so differenziert sei, dass daraus nicht der Eindruck entstehe, Bana habe allein getwittert. Außerdem lege sie verlässliche Quellen dar, auf die sich der Autor bei der Berichterstattung gestützt habe.“

Dass dieser Eindruck nicht entstehe, ist angesichts der Überschriften Siebenjährige twittert aus Aleppo und Sorge um Bana al-Abed. Twitter-Konto von Siebenjähriger aus Aleppo gelöscht eine spannende Interpretation.

Deutsche Presseratende

Zum ebenfalls vom Blogger eingeforderten Gebot zur Richtigstellung von Falschdarstellungen verloren die Pressewächter kein Wort. Wäre ja auch irgendwie anstrengend, wenn man Ziffer 3 des eigenen Pressekodex auf einmal ernst nehmen müsste. Offenbar betrachtet der Deutsche Presserat Filterblasen und Rudeljournalismus nicht als Problem, sondern als valides Argument für unterlassenen Journalismus.

Ist das Kunst, oder kann das weg? Die Branche wäre besser beraten, ihr Geld nicht in potemkinsche Gremien, sondern in Fact Checking und anspruchsvoller ausgebildete Journalisten zu investieren. Stattdessen lamentiert man lieber über den Liebesentzug des Publikums und stellte kritische Leser sogar buchstäblich vor Gericht.

Damit ist stern.de der Mentalität von Adenauers so schrecklichen Bundespressegesetz erstaunlich nahe.

 

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (8)