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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


29. Mai 2012

Verpixelter Augenbalken

Wenn die Presse über Menschen in der Weise berichten will, dass diese identifiziert werden können, dann muss sie von gewissen Ausnahmen abgesehen diese Leute um ihr Einverständnis ersuchen. Insbesondere Namen und Gesichter von Verbrechensopfern haben ansonsten nichts in der Öffentlichkeit verloren. Die BILD-Zeitung war da allerdings immer schon anderer Ansicht.

Heute beweist die BILD-Zeitung mal einen besonderen Humor. Früher war es üblich, Bildnisse mit Augenbalken „unkenntlich“ zu machen. Dieses Feigenblatt jedoch erfüllt in den seltensten Fällen die Anforderung einer aus § 22 KunstUrhG gebotenen Anonymisierung. Daher ist es längst Standard, Gesichter zu verpixeln oder mit „Eierköpfen“ unkenntlich zu machen.

Die BILD-Zeitung kam natürlich an der jungen „deutschen Sklavin“, die auch missbraucht worden sein soll, nicht vorbei. Sie „darf“ heute für die Voyeure das Seite 1-Mädchen der BILD geben. Hierzu  wurde sie „unkenntlich“ gemacht, in dem man ihr einen „verpixelten Augenbalken“ aufsetzte. Verpixelter Augenbalken? Hallo?!?

Falls sich jemand beim Antreffen der Frau unsicher sein sollte, ob sie es auch wirklich ist, dem liefert BILD denn auch gleich ihren Vornamen. Wie praktisch!

Na ja, da wird Axel Springers Portokasse wieder einen Kollegen aus Berlin oder Hamburg reich machen.

27. Mai 2012

Der Pirat und der Schreibtischtäter

Diplomatie hat ihre Berechtigung. Es muss nicht zwingend falsch sein, sich mit der Springerpresse einzulassen, auch wenn uns kürzlich deren abgehalfterter Pausenclown das Eintreten für Liebhaber von Kinderpornografie nachsagte. Vielleicht sehe ich es ja wirklich zu eng, wenn ich die Gesellschaft von Menschenverächtern meide, die faschistische Diktaturen in Südamerika gestützt und sinnlose Vernichtungskriege in Indochina geführt haben, mithin die Verantwortung für millionenfachen politischen Mord tragen.

Und vielleicht war es sogar ein genialer PR-Coup, sich ausgerechnet als Vorsitzender einer hinterzimmerphoben Partei vom wohl begabtesten Strippenzieher der Welt zum Tête-à-tête in das abgeschottete Axel Springer-Hochaus einladen zu lassen. Möglicherweise bestand ja tatsächlich eine Chance, den ultrakonservativen Mr. CIA, der das eigene Parlament täuschte und selbst befreundete Journalisten und Mitarbeiter abhören ließ, für Bradley Mannings Schicksal zu begeistern. Und Flüge nach Europa haben wenigstens den pädagogischen Effekt, dass man Kissinger am Flughafen die Weichteile drückt.

Ob man eiskalten Kriegern wirklich Ehrerbietung zollen muss, darüber kann man geteilter Meinung sein. Vertreter von SPD, GRÜNEN und Linkspartei wollten oder durften nicht.

Ungeachtet unterschiedlicher Ansicht zolle ich dem begabten Politiker Bernd Schlömer jedoch großen Respekt, wie clever er mit einer psychologischen Operation seine Kritiker mundtot gemacht hat. Im Stile Kissingers installierte der Stratege mit zwei simplen Tweets eine Dolchstoßlegende, mit welcher er seine Rolle zu der eines Opfers stilisierte:

Wieso stärken die #Piraten nicht den Rücken, damit das Richtige gesagt werden kann? #Kissinger [link]

Teil 4: Danke für die konkreten Gewalandrohungen gegen meine Person, di ich heute Nacht erhalten habe! [link]

Reflexartig solidarisierten sich etliche Twitterer mit Bernd, dessen Kritiker sich nunmehr in geschickt suggerierter Gesellschaft primitiver Schläger befanden. Hey, was sind schon Millionen echter niedergemetzelte Menschen auf den Reisfeldern in Kambodscha und Vietnam? Was sind schon Zigtausende zu Tode gefolterte Menschen in Südamerika gegen die (angebliche) Gewaltandrohung eines Hitzkopfs (den es immer gibt)? Unter uns: Dass bellende Hunde nicht beißen, wird Bernd als gelernter Kriminologe vermutlich schon einmal gehört haben. Tatsächliche Attacken auf Bernd gab es offenbar nicht. So plump die Taktik war, so effizient funktionierte sie. Das muss man als politische Leistung sportlich anerkennen.

Die richtig guten Politiker spielen halt über die Bande und bleiben selbst außen vor. Nicht nur Twitterer sprangen dem Piraten mit Kissinger-Kontakten bei, sondern auch eine „Journalistin“, welche die substantiierte Kritik an Kissinger unterschlug und sich stattdessen Äußerungen herauspickte, mit denen sie die gesamte Kritik als Verschwörungstheorien zu diskreditieren versuchte. Mal nebenbei: Kissinger wird das Bonmot zugeschrieben, jeder, der in Washington nicht paranoid sei, sei verrückt.

Das einzige, was beim Abwehrzauber fehlte, war die Denunzierung der Kritik als „Antiamerikanismus“. Um weitere Mühen zu ersparen, mache ich das gleich selbst und übergebe an Volker Pispers:

25. Mai 2012

Klehr ./. Kompa

Ein Hautarzt, dem viele Krebspatienten im Endstadium ihr Geld anvertrauen, hat es zwar zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht, dennoch versagt ihm die Fachwelt die Anerkennung. Seit Jahrzehnten pflegt Herr Dr. Nikloaus Klehr von der Lokalzeitung bis zum Fernsehsender etliche Kritiker zu verklagen. Gerade hat es das ZDF getroffen, im Juni hat der Bayrische Rundfunk Termin in der Hamburger Pressekammer.

Vor eineinhalb Jahren verklagte Klehr einen Mandanten von mir, dem er eine Vielzahl angeblich unwahrer Äußerungen nachsagte. Doch selbst der ehrwürdige Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer ließ im Termin wissen, dass diesen Äußerungen keine Unwahrheit auf die Stirn geschrieben sei. Dennoch ließ er Klehrs Anwalt wegen der für die Hamburger überraschenden Rechtsansicht einen Schriftsatz nach, den ich dort auf dem Foto abgebildet habe. Der Verfahren läuft immer noch.

Klehr hatte letztes Jahr eine einstweilige Verfügung auch gegen mich persönlich erwirkt, weil ich eine Dokumentation von WISO per Youtube eingelinkt hatte, bei der – für mich nicht erkennbar – mit versteckter Kamera der Flur einer Arztpraxis gezeigt wurde und andere Belanglosigkeiten. Weil die einstweilige Verfügung ohne schriftliche Begründung erlassen wurde und mir die Verantwortung für ZDF-Videos als aberwitzig erschien, habe ich mich gegen diese Beschneidung der Meinungsfreiheit entschieden gewehrt.

Weil dieser Fall juristisches Neuland bedeutet und für die Freiheit des Internet verheerende Folgen haben kann, habe ich aus Verantwortung den für solche Fälle wohl besten Kollegen angeheuert, nämlich den Kollegen Thomas Stadler, der die Problematik schon seit „Freedom for Links“ kennt. Der Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer hat sich zum Jahreswechsel in einen Käfer verwandelt. Nicht wie bei Kafkas „Verwandlung“, vielmehr leitet nun die frühere Beisitzerin Frau Käfer die Zivilkammer 24. Vor Jahren war sie an einem Fehlurteil beteiligt, als die einem Betreiber eines Wikis dessen von fremden generierten Inhalt zurechnete, ohne dass dieser ihn kannte – eine inzwischen überwundene Hamburger Rechtsansicht.

Wie der Kollege Stadler gebloggt hat, sind wir erstinstanzlich gescheitert. Wir sind beide der Meinung, dass dieses internetfeindliche Urteil, das ab sofort von den entsprechenden Hamburger Anwälten zitiert werden wird, nicht bestehen bleiben kann. Faktisch bedeutet es nichts anderes als eine Renaissance der Haftung für Links. Was das Landgericht Hamburg da macht, lässt sich nicht mit der Rechtsprechung in Karlsruhe in Einklang bringen.

Für das Gericht übrigens irrelevant war die Tatsache, dass das Video eingebettet war, was das Gericht in der mündlichen Verhandlung klarstellte. Im Übrigen wird bei Posten von Youtube-Links auf Facebook, Twitter und bei diverser Blogsoftware der Link automatisch in eine Einbettung umgewandelt. Es kann also jeden treffen, der Youtube-Links mit jemandem teilt.

Da der Berufungssenat am Hanseatischen Oberlandesgericht, der letztes Jahr viele Buske-Urteile aufhob, nunmehr von Herrn Buske geleitet wird, kann man sich einen Reim darauf machen, wie die Berufung ausgehen wird, zumal Klehr sehr prozessfreudig ist. Das Verfahren wird daher erst am BGH enden. Die Sache kostet in dem Fall etwas über 20.000,- €. Ich werde bis Mitte kommender Woche in Ruhe die Erfolgsaussichten prüfen und mir Gedanken machen, wie dieser Prozess finanziert werden könnte. Einige Leute haben hier spontan angerufen und gesagt, dass es ihnen etwas wert sei. Alleine werde ich es nicht stemmen können.

23. Mai 2012

Wie Komiker das britische Presserecht entschärften

Letzte Woche hatte ich die Ehre, Dr. Simon Singh zu treffen, der 2010 nach zwei Jahren standhaften Widerstands die Zensurattacke der britischen Chiropraktiker-Organisation in London abwehren konnte. Ohne den finanziellen und publizistischen Support durch den PEN-Club und Künstler wäre die Verteidigung nicht möglich gewesen, Singh wäre schon wegen der asymmetrischen Kriegskasse gescheitert. Über das Verfahren hatte ich mehrfach hier im Blog berichtet

Doch Singh und seine Unterstützer blieben nicht auf halben Wege stehen, sondern sensibilisierten eine breite Öffentlichkeit für das Thema und setzten schließlich eine Änderung des mittelalterlichen Gesetzes durch, welche dieser Tage auf den Weg gebracht wurde. Schade, dass wir hier keine solche Leute haben. Singhs Leidensweg habe ich heute bei TELEPOLIS kurz skizziert.

Mir liegt seit gestern ein Urteil des Landgerichts Hamburg vor, das mich doch sehr an den Fall von Dr. Wilmhurst (ebenfalls im obigen Video) erinnert, der mehrfach von esoterischen Heilern verklagt wurde. Der vorliegend erstinstanzlich siegreiche Kläger ist eine Person, die ein Vermögen mit der – nennen wir es mal – „Behandlung“ von Krebskranken im austherapierten Stadium machte und seit zwei Jahrzehnten etliche Medien verklagt, die seine Künste in Zweifel zogen. Das Problem in dem aktuellen Fall ist, dass der Beklagte dort „Markus Kompa“ heißt. Und der hat leider keine Pressure Group, die für die Meinungs- und Pressefreiheit wichtige Prozesse deckt. Streitwert: 30.000,- €.

17. Mai 2012

Experiment zum fliegenden Gerichtsstand

Vor einem Jahr hat ein Mandant von mir mit dem Landgericht Hamburg ein lustiges Experiment veranstaltet: Wo kriegt man die billigste Zensurverfügung?

Weil die aktuellen Bemühungen des Gesetzgebers, den fliegenden Gerichtsstand einzuschränken, leider das Presserecht ausnehmen, hole ich das Experiment aus meinem Giftschrank. Weiter bei TELEPOLIS.

11. Mai 2012

Wahlkampf gegen Bertelsmann & Co.

Vor einem Monat beschlossen die Piraten in NRW auf ihrem ad hoc einberufenen Programmparteitag u.a., der fragwürdigen Bertelsmann-Stiftung den Kampf anzusagen und das NRW-Stiftungsrecht einer dringenden Revision zu unterziehen. Entlobbysierung der Politik ist eine Kernforderung der Piraten. Es war klar, dass die politisch einflussreiche Bertelsmann-Stiftung reagieren würde, insbesondere gegen eine Partei, die auch das bestehende Urheberrecht auf den Prüfstand stellt.

Die erste Angriffswelle – von wem auch immer initiiert – geriet peinlich: 51 Tatort-Autoren wähnten einen Zusammenhang zwischen Filesharing und dem Absatz von Drehbüchern. Die werden jedoch von der GEZ bezahlt, und zwar unabhängig davon, wie viele Leute sich die Filme ansehen.

Kaum weniger lächerlich scheiterte eine Hundertschaft angeblich Kulturschaffender, denn für die Kampagne „Mein K(c)pf gehört mir!“ ließen sich in erster Linie Verwerter und Profiteure einspannen. Selbst ein tatsächlicher Urheber wie ein Sänger der Prinzen hatte in Wirklichkeit längst einen Posten bei der GEMA.

Doch nun ist es – wem auch immer – gelungen, 1500 Urheber zusammen zu trommeln, deren Echo den Eindruck erweckt, als wollten die Piraten das Urheberrecht abschaffen, was nun einmal schlichtweg Rufmord ist. In der Liste der Künstler, die sich für die Kampagne hergegeben haben, finden sich auch die Namen von solchen, denen man ein höheres Maß an Intelligenz und Charakter zugetraut hätte. Schade eigentlich.

Liebe Urheber,

man hat euch verladen. Die euch suggerierten wirtschaftlichen Zusammenhänge sind eine Wahnvorstellung. Die bisherigen Verwertungsmodelle werden durch das freie Internet kaum spürbar beeinträchtigt, möglicherweise sogar begünstigt.

Die Sängerin Adele hat innerhalb eines Jahres 20 Millionen Alben verkauft, obwohl ihre Songs bei Youtube kostenlos zu hören sind. Die Filmindustrie produziert heute mehr und teurere Filme als je zuvor, obwohl nach einem Jahrzehnt Filesharing nach eurer Logik alle am Hungertuch nagen müssten. Bücher lesen die Leute nach wie vor lieber in gedruckter Form, lieber Herr Roger Willemsen und liebe Frau Charlotte Roche.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Konsumenten heute für Kultur genauso viel oder wenig ausgeben, wie ohne das Internet. Kino will man auf der großen Leinwand sehen, Mäusekino und Monitor sind ein schwacher Ersatz. Das Taschengeld eines Schülers ist nun einmal endlich. Wenn er sich nicht jeden Abend Kino leisten kann, musste er früher halt warten, bis er die Filme im TV umsonst sehen konnte – was sich heute durch das Internet umgehen lässt. Es hat sich im Prinzip nichts geändert. Auch weiterhin wird RTL Kinofilme ausstrahlen, ohne dass die Zuschauer dafür bezahlen oder gezwungen wären, sich die Werbung anzusehen. Musik wird nach wie vor im Radio zu hören sein, auch wenn Hörer die GEZ sparen oder lieber gleich auf Privatsender zurückgreifen.

Eure Logik, dass die Filesharer die kostenlosen Inhalte bei Internetsperren usw. kaufen würden, ist weltfremd. Natürlich wird es Fälle geben, in welchen Filesharing die Nachfrage beeinträchtigt, weil den Konsumenten die Digitalkopie reicht. Wie hoch dieser Anteil sein soll, wurde nie brauchbar ermittelt. Im Gegenteil dürfte es sogar so sein, dass Filesharer kulturinteressierter sind als gewöhnliche Konsumenten. Im Falle von kino.to stellte sich heraus, dass dessen Nutzer häufiger ins Kino gehen. Filesharing und Youtube sind also kostenlose Werbung für euch Urheber.

Und das wollt ihr, liebe Künstler, kriminalisieren und Hand ans Internet anlegen? Ist euch eigentlich noch immer nicht klar, dass die Marktmacht von Google, Amazon und Apple darauf basiert, dass die konventionellen Medienhäuser konservativ blieben – auf deutsch: die Entwicklung von Markt und Technik komplett verpennt haben und sich das Geschäft aus der Hand nehmen ließen?

Es dürfte genau eine Branche geben, bei der Filesharing u.a. mangels uneingeschränkter konventioneller Auswertungsformen tatsächlich die Absatzchancen schmälern könnte: Pornos. Das passt doch irgendwie ganz gut zu den 1500 Urhebern, die sich gerade prostituiert haben.

3. Mai 2012

Markus Lanz und das „geistige Eigentum“

Lieber Markus Lanz,

du hast neulich einer Piratin etwas krawallig vom „geistigen Eigentum“ doziert, das man durch Kopien stehle. Das hat mich an eine alte Geschichte zwischen uns beiden erinnert, als du selbst mal einen von mir vertretenen Künstler schamlos ausgebeutet und dabei sein Kunstwerk sogar zerstört hast.

Während deiner Zeit bei einem großen Kölner Schundsender hattest du ein Scripted-Reality-Format moderiert, in welchem ihr Geld durch Verletzung von Persönlichkeitsrechten erwirtschaftet habt. In einem Fall hattet ihr einem Zauberkünstler eine Falle gestellt, in dem ihr ein Hotelzimmer mit versteckten Kameras verwanzt hattet. Ihr habt seinen Trick ausspioniert und den Mann im TV bloßgestellt. Den Trick mit seiner persönlichen Methode kann er seither nie wieder zeigen. Ihr hattet ihm nicht einmal eine Gage gezahlt.

Der Mann, ein sehr freundlicher wie zurückhaltender Künstler, hatte niemanden etwas getan. Er hatte zuvor zu Promotionzwecken einer konventionellen Zaubershow „die Lottozahlen vorhergesagt“, ein seit den 50er Jahren klassischer Zaubereffekt, den sogar David Copperfield mal in „Wetten dass …“ zeigte, deiner künftigen Show. Obwohl er sich von Scharlatenen entschieden distanziert, habt ihr es so aussehen lassen, als sei er ein Hochstapler, „der für Geld die Lottozahlen vorhersagt“. Und weil er sich weigerte, eure vorgegebenen Sätze zu sagen, habt ihr sie ihm im Off-Kommentar in den Mund gelegt. Ihr habt sogar versteckt gedrehte Aufnahmen gesendet, die ihn beim Umziehen im Hotelzimmer zeigten.

Um ihn zu beruhigen, hattet ihr angeboten, er könne „am Freitag“ ins Studio kommen, „um am Schnittplatz das Schlimmste zu verhindern“. Gesendet habt ihr es jedoch am Donnerstag.

Lieber Markus Lanz, erzähl du mir bitte nichts vom Respekt vor geistigem Eigentum von Künstlern.

PS: Das Oberlandesgericht Köln liebte Zauberkunst, der Vorsitzende Richter hatte gerade „The Prestige“ gesehen. Das dumme Gesicht und hilflose Gestammel eures Justiziars, der noch am Landgericht Köln auf erstaunliche Weise durchgekommen war, werde ich nie vergessen.

27. April 2012

Dr. Sven Krüger setzt Buskeismus.de ein Denkmal

Der Stellungskrieg Schertz ./. Schälike, in dem im wesentlichen ein Berliner Promi-Anwalt durch eine Vielzahl an Verfahren gegen presserechtskritische Berichterstattung des Betreibers der Datenbank „Buskeismus.de“ vorzugehen versuchte, darf inzwischen als entschieden angesehen werden. 113 Kerben darf Rolf Schälike inzwischen in sein virtuelles Kriegsbeil schlagen.

Herr Schälike und ich hatten vor Monaten gewettet, ob es ihm gelingen würde, den geschätzten Hamburger Kollegen Dr. Sven Krüger dazu zu provozieren, der neue „Schertz“ zu werden. Der geschätzte Kollege macht sich um das Persönlichkeitsrecht von dubiosen Krebsärzten, schillernden Klinikunternehmern und ähnlichen Lichtgestalten verdient, die u.a. das Internet von unliebsamen Informationen befreien möchten – Schälike spricht von „Zensur“. Schälike vollzieht konsequent den Streisand-Effekt und konterkariert damit die Arbeit solch tüchtiger Anwälte wie Herrn Dr. Sven Krüger. Dem Kollegen scheint der Gerichtsblogger großen Kummer zu bereiten, denn Herr Dr. Krüger sah sich jüngst veranlasst, seinen Schmerz in der „Deutschen Richterzeitung“ in einem langen, langen Beitrag über Amateurgerichtsberichterstattung von der Anwaltsseele zu schreiben.

-> DRiZ, März 2012, S. 77ff.

In der Freitagssitzung der Hamburger Pressekammer, wo sich der hanseatische Anwalt und der lästige Blogger regelmäßig begegnen, lief es heute für einen bemerkenswert klagefreudigen Krüger-Mandanten, der auch gegen Schälike persönlich vorgeht, nicht sonderlich gut. Wie Schälike berichtete, verlor der Kollege Dr. Krüger offenbar nicht nur die Prozesse, sondern auch die Contenance und nannte Herrn Schälike „geisteskrank“. Auf die nächste Eskalationsstufe darf man gespannt sein.

 

Der Name des Dieter

Mein vormaliger Prozessgegner Dieter Bohlen verklagt gerade die Bundesrepublik Deutschland, weil sie seinen unverschämten Zensurwünschen nicht nachgekommen ist. Die beißende Ironie an dieser Aktion besteht darin, dass es sich um eine Image-Werbung einer Zigarettenmarke handelte, die das Thema „Zensur“ satirisch aufgriff – ein Problem, mit dem ausgerechnet Kolportage-Autor Bohlen konfrontiert wurde. Im Gegenteil also ergriff die Anzeige eigentlich sogar für ihn Partei.

Bohlen hatte nun nichts Besseres zu tun, als wegen angeblicher Verletzung von vermögenswerten Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der besonderen Persönlichkeitsrechte wie des Namens und des Rechts am eigenen Bild eine fiktive Lizenzgebühr einzuklagen. Der Ärmste werde zu Werbezwecken ausgebeutet. Bohlen verstieg sich sogar zu der abenteuerlichen Argumentation, es entstehen der Eindruck, als identifiziere er sich mit dem beworbenen Produkt oder empfehle es.

Meine Freunde von der Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg und ihnen folgend das OLG Hamburg hatten Bohlen tatsächlich 35.000,- € zugesprochen. Bohlen ist in Saal B 335 einer der ganz großen Dauerkunden, denn nur dort gewinnt „der durchschnittliche Leser“ Eindrücke, die sich Hamburger Anwälte ausdenken.

Nachdem die Karlsruher Richter über die Post aus Hamburg halbtot gelacht hatten, gingen sie erst einmal eine rauchen, um höfliche Worte zu finden, und taten dann das, was sie praktisch immer tun, wenn etwas die Marke „Zivilkammer 24“ trägt: Sie wiesen die Klage ab. Gebetsmühlenartig erklärten sie die Hamburgern, dass die Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten einerseits und dem Recht auf Meinungsfreiheit andererseits mal wieder misslungen war. Des Bohlens Persönlichleitsrechte hätten hinter der Satirefreiheit (ein Unterfall der Meinungsfreiheit) zurückzutreten. Eine Erörterung einer weiteren Rechtfertigung durch die Kunstfreiheit war mithin entbehrlich.

Nun also folgt Bohlen der unverschämten Prinzessin Caroline nach und jammert vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rum, obwohl man sich dort um wichtigere Angelegenheiten als die Eitelkeit eines Subjekts kümmert, das selbst die Persönlichkeitsrechte seiner Mitmenschen nur suboptimal achtet.

Meines Erachtens ist das ganze eine PR-Operation, von der beide Seiten etwas haben. Hätten Bohlen oder der Tabakverkäufer für diese Aufmerksamkeit Anzeigen schalten müssen, wäre das weitaus teurer gewesen. Beide Parteien sind in Sachen Negativ-PR bekanntlich äußerst erfahren.

26. April 2012

ZEIT für Piraten – ZEIT gegen Piraten

DIE ZEIT macht heute mit einem bemerkenswerten Feature über die Piratenpartei auf, das insbesondere mit gelungenen Pac-Man-Graphiken Laune macht. Besonderen Spaß macht mir natürlich Meta-Diskussion über die journalistische Herausforderung, mit den interaktiven Piraten klar zu kommen.

Doch auf S. 5 gelingt es einer Autorin Susanne Gaschke mühelos, den guten Eindruck von reflektiertem Journalismus wieder einzureißen. So schreibt sie unter der Überschrift „Totalitäre Transparenz“ allen Ernstes:

„Die Nonchalance, mit der führende Piraten über das Urheberrecht und die moralische Unangreifbarkeit reden, kann nur jemand an den Tag legen, der keine Vorstellung davon hat, wie viel Mühe es macht, ein Buch zu schreiben oder einen Film zu drehen, für die Menschen tatsächlich Geld bezahlen würden.“

Wo soll man bei so viel Naivität eigentlich mit der Kritik anfangen? Anscheinend gehört die Journalistin zu jenen genasführten Menschen aus der analogen Welt, die auf das unsinnige Gleichnis mit dem Ladendiebstahl hereingefallen sind, wo man tatsächlich einem anderen eine Sache wegnimmt, während es in der digitalen Welt allenfalls um Reduktion von Verwertungschancen geht.

Zu den Mühen der Autoren sollte man bei solchen Vergleichen wissen, dass nur ein geringer Prozentsatz aller Bücher, die den Verlagen angeboten wird, auch wirklich gedruckt wird – im Regelfall sind es solche Werke, an denen der Verlag Geld verdient. Die meisten Mühen enden also bereits in diesem Stadium, waren also für die Katz. Es geht zudem bei der Urheberrechtsdebatte nicht um die Finanzierung von Kunstwerken, sondern um die Verwertung bereits geschaffener Werke.

Die Journalistin scheint fest davon überzeugt zu sein, dass der Download eine erhebliche Reduktion der Vermarktungschancen bedeutet und die Urheber wirtschaftlich schädigt. Diese These ist jedoch unbewiesen. Die wenigsten Werke, welche rechtswidrig heruntergeladen werden, wären von diesen Leuten legal erworben worden. Obwohl es seit über einem Jahrzehnt Filesharing gibt, geht es Hollywood blendend. Produktionskosten von über 200 Millionen Euro sind bei Actionfilme mit Blockbuster-Prognose inzwischen der Standard. Die 237 Millionen Euro, welche die Filmindustrie in „Avatar“ investierte, haben sich mehr als verzehnfacht – trotz der angeblich so schrecklichen „geistigen Diebstähle“. Und auch die TV-Auswertung von Kinofilmen unterscheidet sich technisch nicht wesentlich vom Streaming. Muss die Journalistin ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie im Privat-TV einen Kinofilm konsumiert, aber nicht die Werbespots ansieht?Etliche Filme werden nach der Kino- und TV-Auswertung verramscht, etwa auf DVDs in Zeitschriften als kostenloses Geschenk beigelegt. Genug dazu, die Argumente waren alle schon da …

Weiter schreibt sie zum „Pochen auf Anonymität“ und den Schitstorms

„Zu diesen Ausfällen kommt es nur, weil sie anonym stattfinden. Und eine reife Gesellschaft müsste dagegen eine neue Kultur der Namhaftigkeit setzen.“

Ob die behauptete Bestandsaufnahme von empirischen Befunden getragen wird, wage ich zu bezweifeln. Jedenfalls in Piratenkreisen werden Shitstorms meiner Beobachtung nach überwiegend mit offenem Visier ausgetragen. Umgekehrt kann ich in Systemen, in denen die Wahl zwischen Pseudonymen und Klarnamen angeboten wird, nur zu ersterem raten. Und welche Gefahren es mit sich bringt, wenn man sich unter Klarnamen sachlich zu Unternehmen und vermögenden Scharlatanen im Internet äußert, erlebe ich ständig in der Hamburger Pressekammer.

Auf den Unsinn zur suggerierten Forderungen einer Transparenz in Richtung Privatsphäre möchte ich lieber nicht eingehen. Der Beitrag gipfelt dann in der Aufforderung, die Piraten „als das zu behandeln“, was sie seien:

„ein Machtfaktor unter anderen Machfaktoren im deutschen Parteiensystem.“

Ob Frau Gaschke schon einmal an eine Karriere beim CICERO gedacht hat? Da Frau Gaschke nicht von Anonymität Gebrauch gemacht hat und ich mich nach den Beweggründen dieses schwach recherchierten Beitrags gefragt habe, habe ich jetzt auch mal nachgesehen, ob es Hinweise auf Interessenkonflikte gibt. Und wurde pompt fündig. Etwas mehr Transparenz hätte nicht geschadet.