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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


26. Juni 2014

Klinsmann und das Presserecht

Heute titelt die BILD-Zeitung mit Jürgen Klinsmann, einem langjährigen Prozessgegner des Axel Springer Verlags. Und diesmal ist man in der komfortablen Lage, auf einen gemeinsamen „Gegner“ zu verweisen, denn Klinsmann trainiert bekanntlich die US-Mannschaft im heutigen Spiel gegen die deutsche Elf.

Die BILD-Zeitung maßt sich seit Jahrzehnten an, mitzubestimmen, wer Kanzler oder Bundestrainer wird usw.. Wer was werden will, der muss mit BILD tanzen. Wollte Klinsmann aber nie. Von Anfang an schirmte er sein Privatleben ab, so wie es jedem zusteht. Im Gegensatz zu Lothar Mathäus, der BILD zuverlässig mit Boulevard-Käse versorgte. 1996 musste Mathäus gehen, offenbar auch auf Betreiben von Klinsmann.

Während der EM 1996 in England griff die BILD-Zeitung einen Besuch der Nationalelf in einer Hotelsauna auf, wo die Deutschen im Adamskostüm aufliefen – auf der Insel hält man nämlich in der Sauna Bekleidung für zweckmäßig. Durch ein Foto entstand der Eindruck, als wäre Klinsmann entsprechend freizügig durch das Hotel marschiert. Klinsmann erstritt für diesen Jux von BILD 25.000,- €, die er spendete.

Als Gerüchte über Klinsmanns Privatleben auftauchten, griff diese während der WM 1998 etwa Harald Schmidt auf, der aus vermeintlicher Sicht von Mathäus das „geheime WM-Tagebuch“ servierte und ihm satirisch „Zitate“ wie „Warmduscher“ und „Schwabenschwuchtel“ in den Mund legte. Das fand der DFB nicht witzig und erstritt von Schmidt eine Unterlassungserklärung.

Anders als seine Vorgänger lieferte Klinsmann auch keine Mannschaftsaufstellung im Voraus an BILD, alle Journalisten bekamen die Infos gleichzeitig. „Grinsi-Klinsi“ blieb auch in den Folgejahren unfreiwilliger Dauergast bei BILD, wie das BILDblog dokumentiert. Selbst Auswandern in die USA nutze nichts.

2009 fand Klinsmann einen neuen Gegner: die TAZ, die ihn satirisch an Kreuz schlug. Das Landgericht München meinte allerdings, dass auch einem gläubigen Christen so etwas zuzumuten sei, ebenso das Oberlandesgericht.

Egal. Wichtig is auf`m Platz!

7. Juni 2014

Verfalldatum für Nackedeis?

Die Schauspielerin Corinna Drews brachte es 1986 zu einer gewissen Bekanntheit in „Kir Royal“, wo sie ausgerechnet ein Starlet spielte, das von einem Klatschreporter berühmt gemacht werden wollte. Dreimal posierte sie auf dem Titel des Anatomie-Fachmagazins „Playboy“, wo sie ihr Gesicht und andere Körperteile in die Kamera schwenkte (bei Interesse bitte selber googeln …). Erstmals hatte sie 1981 für das Fachblatt blank gezogen und darüber informiert, ihr Sport seien Männer.

33 Jahre später war dem gereiften Nackedei die Aktion irgendwie peinlich, was deshalb verwunderlich ist, weil sie das peinlichste machte, was man tun kann: In eine RTL-Containercampwasweißichprollshow zu gehen. Sauer wurde Frau Drews, als eine für BILDberichterstattung bekannte Boulevardzeitung dieses Ereignis mit einem historischen Playboyfoto von 1981 illustrierte. Sie zog vor das Landgericht München, wo sie anders als aus der Show nicht bei der ersten Gelegenheit rausflog, und begehrte Unterlassung. Und Geld hätte sie dafür natürlich auch gerne.

Grundsätzlich ist eine nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligungserklärung in das Verbreiten und Zur-Schau-Stellen eines Portraitfotos unwiderruflich. Ob man beim Foto bekleidet war oder nicht, spielt normalerweise keine Rolle. Anders als etwa im Urheberrecht gibt es kein „Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung“. Andernfalls wäre jedes Foto, auf dem jemand erkennbar ist, mit unkalkulierbaren Rechtsunsicherheiten belastet. Der Playboy hatte damit grundsätzlich das zeitlich unbegrenzte Recht zur Auswertung erworben, soweit nichts anderes vereinbart war. Möglicherweise war der Verlag sogar zur Weiterlizenzierung berechtigt.

Gerichte legen den Umfang von Einwilligungserklärungen nach § 22 KunstUrhG allerdings einschränkend aus. Wer etwa gefilmt wird, muss eine ungefähre Vorstellung haben, wofür die Aufnahmen verwendet werden. Zur klassischen Frage, welche Rechte einem Nacktmodell zustehen, das inzwischen zur Tugend gefunden hat und nur noch züchtig bekleidet durch den Blätterwald rauschen will, gibt es nur wenig bekannte Entscheidungen, weil in solchen Fällen meist Vergleiche geschlossen werden.

Das Landgericht München nun entschied der Süddeutschen Zeitung zufolge, die zu Be­ginn der 1980er Jahre erklärte Einwilligung Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotostrecke Anfang der Achtzigerjahre gelte nicht auch für eine Bildveröffentlichung 2014. Zumal keinerlei Zusammenhang zwischen der seinerzeitigen Veröffentlichung und dem umstrittenen Bericht bestehe. Die bloße Assoziation, Dschungelcamper entblößten sich regelmäßig im wörtlichen oder übertragenen Sinne, ließen sie nicht gelten. Ebenso wenig käme es darauf an, dass die Zeitung eine Lizenz beim Playboy erworben hätte.

Unverkennbar schwingt bei dieser Sicht die Caroline-Entscheidung mit, die bei unfreiwilliger Bildberichterstattung stets einen konkreten Anlassbezug fordert. Die Münchner Richter gingen offenbar so weit, dass man es nach 33 Jahren nicht mehr hinnehmen müsse, mit einer Jugendsünde konfrontiert zu werden. Dem zufolge hätte die Zeitung selbst dann keine lizenzierten Bilder verwenden dürfen, wenn sie inhaltlich über das Fotoshooting von 1981 berichtet hätte. Konsequenterweise dürfte nun nicht einmal der Playboy die Aufnahmen von Frau Drews aus dem Archiv wieder ins Blatt holen. Wenn das Urteil Schule macht, wird die Zweitverwertung älterer Nacktaufnahmen ein medienrechtliches Risiko.

Nun möchte Frau Drews in einer weiteren Klage auch noch Geld für die Reaktualisierung sehen. Das halte ich für optimistisch, aber nicht für ausgeschlossen.

Der Zeitungsverlag könnte allerdings versuchen, im Gegenteil sogar selbst von Frau Drews Geld zu verlangen, nämlich Schadensersatz. Denn etwa auch ein launischer Künstler, der sein Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung geltend macht, muss für seine Eigenwilligkeit den Inhaber eines Nutzungsrechts „angemessen entschädigen“, § 42 Abs. 3 UrhG . Allerdings hat das Landgericht München offenbar die Einwilligung als von vorneherein beschränkte ausgelegt. Bei dieser Konstruktion aber wäre nicht einmal ein Widerruf nötig, wobei unter uns Pfarrerstöchtern wohl eher anzunehmen ist, dass Frau Drews der Gedanke nachträglich kam.

Ich wäre nicht überrascht, wenn der Verlag diese Sache durch die Instanzen treibt. Möglicherweise handelt es sich bei dem Fotoshooting durchaus um ein zeitgeschichtliches Ereignis, denn die B.Z. spricht immerhin vom „schönsten Busen der 80er“. Den mir bekannten Fotos nach zu urteilen könnte das hinkommen. Ich hoffe jedenfalls auf weitere aussagekräftige Abbildungen in den juristischen Fachzeitschriften. ;)

Eines allerdings ist sicher: Ab Montag wird jeder professionelle Aktfotograf seinen Models eine deutlich ausführlichere Einwilligungserklärung abfordern.

Ironie am Rande: Frau Drews ist inzwischen Textilunternehmerin. Da senden Nacktfotos eher die falsche Botschaft … ;)

Via Strafakte.

22. Mai 2014

Lila Bikini

 

Manchmal frage ich mich schon, was einige Leute so für Vorstellungen vom Medienrecht haben. So machte anscheinend ein Kollege einer Klägerin Hoffnung, sie könne von einer Boulevardzeitung eine Geldentschädigung verlangen, weil sie im Bikini auf ein Foto gerutscht war.

Während ein Unterlassungsanspruch mangels legitimen Berichtsinteresse der Öffentlichkeit am Dekolleté der Klägerin aussichtsreich war, hätte man sich die Klage auf Geldentschädigung und erst recht die Berufung sparen können. Den Geldentschädigungsanspruch (vulgo „Schmerzensgeld“) gibt es nur dann, wenn eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, die anders nicht kompensiert werden kann. „Schwere“ Persönlichkeitsrechtsverletung? Bikini-Foto am öffentlichen Strand? Hallo?

Von „schwerer“ Persönlichkeitsrechtsverletung spricht man bei Bezug zu Sexualität, Indiskretionen und krassen Lügen usw.. Geld gibt es nur ganz ausnahmsweise. Sicher aber nicht bei situationsadäquater Bekleidung am Ballermann.

Nächster Versuch: Weil in dem Beitrag über einen ausgeraubten Fußballer berichtet wurde, der in „pikanter Frauenbegleitung“ gewesen sei, argumentierte die „bloßgestellte“ Klägerin, Teile der Leserschaft könnten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen, ob es sich bei der Klägerin um eben diese handele. Hm … Sogenannte „Andeutungen“ kann man zwar nicht nur mit Text, sondern auch mit Bildern machen, die unzutreffende Schlussfolgerungen suggerieren. Eine solche scheint vorliegend so zwingend aber nicht gewesen zu sein. Da sich die Klägerin nicht auf den realistischen Unterlassungsanspruch beschränkte, hat sie sich nun unnötige Prozesskosten produziert.

Noch rätselhafter als den untauglichen Geldanspruch finde ich allerdings, dass in dem Urteil die Farbe des Bikinis genannt wurde. Eine Relevanz dieses Details wäre mir bislang nicht aufgefallen. Mich hätten in dem Zusammenhang andere Dinge mehr interessiert … ;)

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2014 – 6 U 55/13

UPDATE (24.04.2015): Der BGH hat die Entscheidung bestätigt.

21. Mai 2014

Kommentare zum verbotenen Wahlspot von Mainz und zu den verbotenen Bildern von Koblenz

Heute habe ich auf TELEPOLIS zwei medienrechtlich interessante Fälle kommentiert.

 

 

Zum einen verweigert das ZDF auch die Ausstrahlung einer zensierten Fassung des PARTEI-Werbespots.

Zum andern hat das OLG Koblenz einen Löschungsanspruch für erotische und intime Fotos des Ex-Partners ausgeurteilt, den es so bislang noch nicht gab.

Ehemaliger technischer NSA-Direktor zur Situation von Snowden

Wer sich ein realistisches Bild zur Mentalität der US-Geheimdienste machen möchte, sollte unbedingt dieses aktuelle Interview mit William Binney in der taz lesen.

Money Quote:

„Ich würde keiner einzigen Botschaft trauen.“

„Sie würden wahrscheinlich versuchen, ihn zu entführen. Das haben sie immer wieder gemacht – egal in welchem Land.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob sie das stört. Unsere Arroganz ist derzeit so unglaublich groß. Wir töten wahllos Menschen mit Drohnen.“

„Wie soll man einem notorischen Lügner vertrauen?“

„Ihnen gehört das Netz.“

„Mit unserem [von Binney Anfang der 1990er Jahre vorgeschlagenen] System wäre Snowden sofort aufgeflogen. Im Moment, in dem er die erste Datei heruntergeladen hat.“

Binney war technischer Direktor der NSA, gilt als einer der besten Codeknacker der Welt und wurde Whistleblower aus Empörung darüber, dass der Geheimdienst die gegen die Sowjetunion entwickelten Instrumente gegen die eigenen Leute einsetzte. Hier ein aktuelles Portrait des ZDF.

Meine morgentliche Maximal-Dosis an US-amerikanischem Kulturkreis wurde heute durch die Nachricht erreicht, dass Facebook einen Acoount wegen diesem Foto hier suspendiert hat.

Ob das mit TTIP wohl wirklich eine so gute Idee ist …?

14. Mai 2014

Informelle Ansprache einer Journalistin

In einem aktuellen ZAPP-Beitrag geht es um eine Journalistin, die aufgrund einer Telefonüberwachung eines Islamisten die Aufmerksamkeit von Ermittlungsbehörden erfuhr und als Zeugin gewonnen werden sollte. Der NDR spricht von „Eingriff in die Pressefreiheit“.

Betrachten wir einmal getrennt die Telefonüberwachung, die versuchte Gewinnung als Zeugin sowie die Frage der Verwertbarkeit als Beweismittel vor Gericht.

Telefonüberwachung

Der Telefonverkehr eines bekannten Islam-Konvertiten, der Straftaten und Anstiftung zu solchen im In- und Ausland verdächtigt wird, wurde überwacht. Im Gegensatz zur anlasslosen Massenüberwachung haben wir es hier mit einer Person zu tun, die aufgrund von Brandstiftung und religiös motivierter Gewaltbereitschaft eine Gefahr darstellt. Die Anstiftung zu Gewalttaten im Ausland dürfte erfahrungsgemäß durch Telekommunikation geschehen. Daher ist es nachvollziehbar, dass die Polizei da ein Auge und ein Ohr auf diese Person hat und die Möglichkeiten des § 101a StPO nutzt. Die Polizei ist zur Gefahrenabwehr gesetzlich verpflichtet.

Wenn die Journalistin nicht völlig weltfremd ist, wird sie daher mit einer Telefonüberwachung einer solchen Person wohl auch rechnen müssen. Und selbstverständlich werden Anrufe bei überwachten Personen auch in den Akten protokolliert. Laut NDR soll bereits das ein „offenkundiger Verstoß gegen die Pressefreiheit“ sein. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des § 101a StPO, bei der sich auch Journalisten gegen Abhören wehrten und den Schutz entsprechender Kommunikation wie Rechtsanwälte forderten, blieb allerdings 2011 erfolglos. Ein Gesetz, das bereits das Anfertigen von Akten aussetzt, nur weil ein Anrufer ein journalistisches Interesse hat, gibt es erst recht nicht, denn man muss ja erst einmal bewerten, ob es überhaupt Kommunikation zur Wahrnehmung journalistischer Interessen ist. (Eine andere Frage ist, ob das dann vor Gericht als Beweismaterial verwertbar wäre, siehe unten.)

Wenn also professionelle Journalisten gewisse Personen am Telefon befragen, sollten sie sich im klaren sein, dass sie ggf. die Befragung für Behörden leisten. Auch der Islamist wird vermutlich nicht so naiv sein, am Telefon gewisse Dinge zu sagen. Dafür, dass man die Journalistin gezielt überwacht hätte, liegen keine Anhaltspunkte vor.

Ansprache der Journalistin als Zeugin

Die Ermittler nutzten ihre Kenntnis vom Kontakt mit der Zielperson, um die Journalistin als mögliche Zeugin anzusprechen und luden diese vor. Auch das ist eher trivial. Journalisten gehören allerdings zu den in § 53 StPO privilegierten Berufsgeheimnisträgern und dürfen daher bei Bezug zu redaktionellen Tätigkeit die Zeugenaussage verweigern. Anders als bei den anderen berufsbezogenen Zeugnisverweigerungsrechten gibt es für Journalisten allerdings gewisse Einschränkungen, vgl. § 53 Abs. 1 am Ende StPO sowie Abs. 2, Satz 2f.

Ob aber ein Journalist von seinem Zeugnisverweigerungsrecht auch Gebrauch machen möchte, können die Ermittler nicht im Voraus wissen. Also werden sie wohl fragen müssen, ob er aussagebereit ist, was regelmäßig in Form einer Zeugenvorladung geschieht.

Verwertbarkeit vor Gericht

Allerdings berichtet die Journalistin, dass sie vor der Zeugenvorladung von den Behörden auch „informell angesprochen“ worden sei. Was man ihr genau angetragen hat, etwa eine Bitte um Aushorchen, berichtet sie leider nicht. Die Ansprache von Journalisten durch Sicherheitsbehörden ist verfassungsrechtlich heikel, und da wäre es für die Beamten schon sinnvoll gewesen, von Anfang an die Form zu wahren. Gewisse Aussagen dürfen nämlich erst nach einer ordnungsgemäßen Zeugenbelehrung verwertet werden.

Sofern durch eine Telefonüberwachung das Zeugnisverweigerungsrecht eines Journalisten unterlaufen wird, wäre auch das grundsätzlich nicht verwertbar. Die triviale Bitte um ein Interview enthält allerdings ohnehin nichts, was irgendwie relevant wäre, so dass sich die Frage in einem Prozess nicht stellen wird.

13. Mai 2014

Der Mann, der die beendete Pfändung seines Grundstücks aus dem Jahre 1998 vergessen machen wollte

 

Ein stolzer Spanier hat nun am EuGH erfolgreich bewirkt, dass jedermann im Urteil nachlesen kann, dass sein Grundstück 1998 mit einer Pfändung belastet war und versteigert werden sollte.

Google allerdings darf nunmehr keine Suchergebnisse von Seiten auswerfen, die legal von der Pfändung von 1998 berichten, etwa Zeitungsarchive. Denn das ist dem Manne peinlich. Nunmehr muss Google gegenüber Europäern auf Anfrage prüfen, ob Ergebnisse konform mit der EU-Datenschutzrichtlinie sind.

Damit hat die 16 Jahre währende „Anarchie“ des Google-Algorithmus nun weitere Einschnitte erfahren. Die Betreiber der Suchmaschine müssen letztlich zurückhaltender mit Informationen umgehen, als andere Informationsanbieter und ein „Recht auf Vergessen“ berücksichtigen. Während mir aus meiner Praxis etliche Fälle bekannt ist, in denen Personen ein sehr berechtigtes Interesse an der Löschung von Suchergebnissen auf denkbar sensible Daten haben, tendiert die vorliegende Sache eher gegen Querulanz und ermutigt wohl etliche Kläger. Das Landgericht Hamburg wird vermutlich bald einen Anbau bekommen …

Foto: Anwesen von Barbra Streisand, das sich gegen das Google-Auto wehrte, oder so ähnlich.

Copyright (C) 2002 Kenneth & Gabrielle Adelman, California Coastal Records Project, www.californiacoastline.org

12. Mai 2014

SPIEGEL-Presse ganz unten

 

1985 kritisierte Günter Wallraff in seinem Buch „Ganz unten“ die Arbeits- und Hygienebedingungen bei McDonald’s, die er als „Türke Ali“ recherchierte. Es dürfte in den 1980er Jahren niemanden gegeben haben, der dem Image des Fast-Food-Anbieters mehr und nachhaltiger zugesetzt hat als eben Günter Wallraff. Seine Recherchen haben ein Bewußtsein für diese Arbeitswelt geschaffen und vermutlich einiges gebessert.

Und jetzt wirbt gerade eine Postille, die seit einem Jahrzehnt bei vielen nur noch das „ehemalige Nachrichtenmagazin“ heißt, sogar in Radiospots mit der Verschwörungstheorie, Suggestivfrage, knallhartem Qualitätsjournalismus, ob Wallraffs „dubiose“ Geldzahlungen von McDonald’s in einem Zusammenhang mit einer Reportage über einen offensichtlich unzuverlässigen Lizenznehmer von Burger King stehe.

Die Vorstellung, Wallraff ließe sich zur Anschwärzung der Konkurrenz kaufen, ist so absurd, dass man sich wirklich fragen muss, ob man bei der SPIEGEL-Presse nicht einmal mehr plausible Schmutzkampagnen hinbekommt. Sehr peinlich.

7. Mai 2014

Verspiegelte SPIEGEL-Affäre

 

Der Regisseur Roland Suso Richter ist dafür bekannt, Stoffe deutscher Gerichte dramaturgisch gekonnt, historisch aber mitunter sehr frei und bisweilen ärgerlich falsch zu verfilmen. Die gerade in der ARD gelaufene SPIEGEL-Affäre (hier ins Netz befreit) ist leider keine Ausnahme. Franziska Augstein hat dazu bereits das Wesentliche richtiggestellt.

Sehr schade ist, dass der Film nicht aus der Perspektive und Welt der 50er/60er Jahre erzählt wird. Denn in Wirklichkeit war die SPIEGEL-Affäre eine Art Flügelkampf im konservativen Lager. Die FDP, der Rudolf Augstein angehörte, war damals eher ein Sammelbecken für sehr national Gesinnte. Auch Augstein selbst war keineswegs die im Film dargestellt Lichtgestalt, wie man bei Otto Köhler nachlesen kann. Wie im Film kurz erwähnt wird, arbeiteten im SPIEGEL sogar höchst fragwürdige SS-Leute.

Im Film wird kurz ein vorgeblich punktueller Kontakt der SPIEGEL-Redaktion zum BND dargestellt, der wohl irgendwo in Pullach hause. Tatsächlich war der geschäftsführende Redakteur Hans Detlev Becker mit dem stellvertretenden BND-Chef, der in Hamburg residierte, eng befreundet und wurde sogar als dessen Nachfolger vorgeschlagen. Die damalige BND-Nähe des SPIEGEL dürfte auch einer der Gründe gewesen sein, dass Strauß eine Intrige von dessen Dienstherrn Adenauer witterte, um den ungeliebten Kronprinz aus Bayern als unfähigen Verteidigungsminister zu domestizieren.

Irreführend ist die im Film suggerierte Annahme, Strauß wär atomkriegsfreudiger als Adenauer gewesen. Von den meisten Historikern wird tapfer ausgeblendet, dass gerade Adenauer zur Atombombe ein äußerst naives Verhältnis pflegte und mit seinen Wünschen für deren Einsatz gegen die Sowjetunion Präsident John F. Kennedy mehrfach in Verlegenheit brachte.

Wie weggetreten die Mächtigen damals waren, sieht man am im Film erwähnten Prof. von der Heidte, der seinerzeit die Strafanzeige erstattet hatte. Von der Heidte hatte damals vorgeschlagen, die Bundeswehr in katholische und evangelische Divisionen aufzuteilen. Vermutlich ließ er sich hierzu vom Hohen Kommissar John McCloy inspirieren, der für das US-Militär die Rassentrennung forderte.

Beschähmend am Heldengemälde für Augstein ist schließlich, dass es der Drehbuchautor nicht für nötig befand, den eigentlichen Ghostwriter des berühmten „Bedingt abwehrbereit“-Artikels auch nur zu erwähnen. Jener Autor Heinz Höhne war es denn auch, der ein Jahrzehnt später eine Enthüllungsserie „Pullach intern“ über den BND brachte, welche die enge Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendienst und Nachrichtenmagazin beendete. Als Höhne, einer der profundesten Geheimdienstkenner, vor ein paar Jahren zu Grabe getragen wurde, ließ sich vom SPIEGEL dort niemand sehen.

30. April 2014

Neue Doku von Mo Asumang

2007 überraschte mich die Moderatorin Mo Asumang mit einer Doku über Rassismus in Deutschland („Roots Germania“). Was mit einer persönlichen, scheinbar naiven Reise zu Germanenschwärmern beginnt, entwickelt sich zu einer der beindruckendsten und emotionalsten Reportagen, die ich je gesehen habe. Ihr entwaffnendes Interview mit NPD-Anwalt und Funktionär Jürgen Rieger, den sie sich um Kopf und Kragen reden lässt, lässt tief blicken.

Zu Recht wurde Asumang damals für den Grimme-Preis nominiert. Leider wurde die vollständige Doku inzwischen bei Youtube entfernt, was ich beim besten Willen nicht verstehe und mehr als schade finde.

Für ihre aktuelle Doku „Die Arier“ trat Asumang die Reise zu den Abgründen rassistischer Glaubenskonszepte erneut an und flog diesmal auch in den Iran und in die USA, wo sie „Ariern“ und anderen zuhörte. Besonders tragisch ist die Erkenntnis, dass ausgerechnet die Deutschen mit „Ariern“ nicht allzu viel zu tun haben … Asumang bewies sogar die Courage, sich in den Südstaaten mit einem Ku Klux Klan-Funktionär zu treffen. Man weiß bei vielen ihrer Gesprächspartner nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Die sehenswerte Doku hatte gestern auf ARTE Premiere und ist derzeit online.