17. Mai 2016
Eigentlich sah es danach aus, als würde Erdoğan mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu spät antanzen. Denn der Kollege wollte sich einen Monat mit der Antragstelleung Zeit lassen.
Lässt man sich nämlich zu viel Zeit, stellt man die Dringlichkeit infrage mit der Folge, dass nicht im einstweiligen Rechtsschutz vorgegangen werden kann. Es gibt keine festen Vorgaben, allerdings lassen die Pressekammern etwa fünf Wochen genügen. Bei einem Fall wie dem Böhmermann-Gedicht allerdings wäre es unverständlich, wenn man Wochen ins Land gehen lässt. Offenbar hat Erdoğans Anwalt noch rechtzeitig beantragt.
Anders als der Kollege Herr Prof. Dr. Höcker war Erdogans Münchner Anwalt so clever, die Sache am Landgericht Hamburg anhängig zu machen. Dort nämlich lässt man sich in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit nicht von Karlsruhe irritieren, sondern verbietet im Zweifel. Falls doch mal etwas durchsickert, wacht eine Ecke weiter die vormalige Belegschaft der Hamburger Pressekammer, die sukzessive zum Hanseatischen Oberlandesgericht aufgestiegen ist. Sogar geschehen bei den Prozesshanseln der ZEIT, die sich gegen die ZDF-Anstalt wandten.
Das Landgericht Hamburg hat – nicht ganz unerwartet – die Teile des Gedichts verboten, die einen Sexualbezug aufweisen, schreibt SPON. Erlaubt ist jedoch
„Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan der Präsident“
„Er ist der Mann der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt“.
Weshalb der Satz mit Mädchen schlagen und den Gummimasken erlaubt wurde, ist eine gute Frage. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich das Landgericht Hamburg nur einen Steinwurf entfernt von der Reeperbahn befindet, wo so etwas wohl normal ist. ;) Hätte ein eher ländliches Gericht geurteilt, wären vielleicht stattdessen die Ziegen erlaubt worden …
Wie die Sache ausgehen wird, ist ungewiss. Viele Hamburger Urteile wurde in Karlsruhe deshalb aufgehoben, weil die Hansesaten bei der Auzslegung von Äußerungen den Kontext nicht hinreichend würdigen. So hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09.03.2010, Aktenzeichen: 1 BvR 1891/05, den Hamburger ins bürgerliche Stammgesetzbuch geschrieben:
So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird.
(…) Die Beurteilung eines Vorgangs anhand rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden angesehen. Dies gilt in der Regel selbst für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich relevanter Tatbestand eingestuft wird.
(…) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde.
admin •
19:21 •
Abmahnung,
Allgemein,
Bundesverfassungsgericht,
Die lieben Kollegen,
einstweilige Verfügung,
fliegender Gerichtsstand,
Internet,
Landgericht Hamburg,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
OLG Hamburg,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
Pressefreiheit,
Pressekammer,
Zensur •
Comments (0)
14. Mai 2016
In Sachen Erdoğan ./. Döpfner liegen inzwischen die Entscheidungsgründe des Landgerichts Köln vor, das den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in dieser Instanz abwies.
Das Gericht prüfte nicht die Rechtmäßigkeit des Originalwerks, sondern sah in Döpfners Kommentar kein Zu-Eigen-Machen des Böhmermann-Gedichts (das Gericht hat ihn als „Herr C “ anonymisiert):
Die Meinungsfreiheit umfasst als individuelles Freiheitsrecht auch und insbesondere die Freiheit, in einem kontrovers geführten Meinungskampf um die Zulässigkeit einer Äußerung eines Dritten – wie Herrn Cs Text – sich dem Dritten öffentlich solidarisch zur Seite zu stellen und die umstrittenen Äußerungen des Dritten als zulässig zu erachten bzw. das Geschehene gutzuheißen.
Das Gericht sieht in der Prozesshanselei Erdogans ein ausreichendes Berichtsthema:
Der Antragsteller hat als Staatsoberhaupt der Türkei zu dieser Debatte Anlass gegeben, indem er wegen des Gedichts von Herrn C ein Strafverlangen gemäß §§ 103, 104a StGB vorlegte bzw. vorlegen ließ. Er muss daher auch scharfe Kritik an seiner Position hinnehmen.
Spannend wird es, wie das Gericht das ausdrücklich so formulierte „Zu-Eigen-Machen“ Döpfners wertet:
… was bejaht werden kann, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint oder dargestellt wird. Der Anspruch setzt aber – gewissermaßen vorgelagert – auch voraus, dass die Fremdäußerung selbst verbreitet oder veröffentlicht wird.
Wurde es aber nicht. Das Gericht verweist sogar darauf, dass Döpfners Text auf einen Beitrag zum Thema verlinkte, wo das Gedicht nur in geschwärzter Form präsentiert wurde. (Ich erinnere mich an eine hanseatische Gerichtspraxis, die verlinkte Inhalte nur belastend, nicht aber entlastend zurechnete).
Auch die Wiedergabe des Wortes „Ziegenficker“ in dem Artikel „Solidarität mit C!“ sieht das Gericht nicht als Zu-Eigen-Machen an. Insoweit stellt das Gericht auf den Kontext ab, in dem dieses (ungenaue) Zitat in Bezug zu anderen satirischen Beiträgen gesetzt wird.
Inzwischen hat ein von allen guten Geistern verlassener CDU-Hinterbänkler das Gedicht sogar vollständig(!), aus dem satirischen Kontext gerissen(!) im Bundestag(!) zitiert.
Erstaunlicherweise gefiel dies Erdoğans Kölner Anwalt Prof. Dr. Höcker:
„Der Kontext war ein völlig anderer als bei Böhmermann oder Döpfner. Deshalb habe ich der Bild-Zeitung auf Anfrage gerade mitgeteilt:
Die Rede ist rechtlich vollkommen in Ordnung und ein gutes Beispiel dafür, wie man schlimme Inhalte wiederholen kann, ohne selbst zu beleidigen.“
In Sachen Piratenpartei ./. Polizeipräsident in Berlin wird daher kaum zu begründen sein, weshalb Bruno Kramms Gedichtsinterpretation den Verdacht einer Straftat begründet haben sollte. Mit dieser Begründung war am 22.04.2106 eine Demo vor der türkischen Botschaft in Berlin aufgelöst worden. Eine dann erlassene Auflage sah vor, dass vom Gericht nur der Titel „Schmähkritik“ zitiert werden durfte.
Landgericht Köln, Beschluss vom 10.05.2016 – 28 O 126/16.
Siehe auch Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 06.05.2016 – 1 L 291.16.
admin •
11:20 •
Allgemein,
einstweilige Verfügung,
fliegender Gerichtsstand,
Internet,
Landgericht Köln,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Pressekammer,
Strafrecht,
Zensur •
Comments (1)
23. April 2016
22. April 2016
Inzwischen liegen erste Rückmeldungen und Rezensionen für meinen Geheimdienstthriller Das Netzwerk vor. Bislang sind alle positiv. :) Eine Zeitschrift schrieb:
„Ein Thriller mit wenig Blut und umso mehr Grauen – davor, wie manipulierbar wir sind, wie politische Meinungen verbreitet werden, wie sich Geheimdienste verselbständigen und ihre skrupellosen Machtspiele spielen.“
Einige haben mich sogar zu einer Fortsetzung ermuntert …
Zum Thema passend habe ich heute bei Telepolis auf die neusten Enthüllungen über die Arbeitsweise und Werkzeuge der britischen und US-amerikanischen Spione geschrieben. Der Umgang der Briten mit persönlichen Daten dürfte bei den deutschen Datenschützern, die heute in Bielefeld wieder die Big Brother-Awards vergeben, zu Schnappatmung führen. Faszinierend ist auch die Auswertung von Social Media durch die CIA, die im Gegensatz zu uns nicht mühsam einer Twitter-Timeline etc. folgen muss.
In meiner Eigenschaft als benannter Sachverständiger habe ich vor einem Monat dem Landtag NRW meine fachliche Stellungnahme zu den Vorschlägen einer Ausweitung der Internetüberwachung zur Terrorbekämpfung eingereicht. Leider hat das Thema durch die Anschläge von Brüssel traurige Aktualität erreicht – sowohl durch den Schrecken als auch mit der Frage, wie man mit dem Terrorproblem sinnvoll umgeht. Wie die Geschichte des Terrorismus lehrt, hat sich der Überwachungsansatz als Sicherheitsesoterik erwiesen, politische Probleme können nur politisch gelöst werden.
17. April 2016
Dem türkischen Staatspräsident Erdoğan bietet sich für seinen juristischen Amoklauf ein weiteres Ziel: Das Berliner Verwaltungsgericht.
Die Berliner Polente hatte befürchtet, dass auf einer Demo vor der türkischen Botschaft das Gedicht „Schmähkritik“ rezitiert würde. Dort hatte die Piratenpartei nach der Extra3-Satire eine (übrigens von mir angeregte) wöchentliche Demo etabliert. Die Polizei machte zur Auflage:
„Das öffentliche Zeigen oder Rezitieren des Gedichts ‚Schmahkritik‘ von J… B… oder einzelner Textpassagen daraus wird untersagt. Ausgenommen hiervon ist die bloße Namensnennung des Titels ‚Schmähkritik‘. Diese bleibt in Wort oder Schrift im Rahmen der Versammlung ausdrück ich erlaubt.“
Einen hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 14. April 2016, Az. 1 L 268.16 ab. Dabei kam das Gericht nicht umhin, das komplette Gedicht in seinem Beschluss zu zitieren. ;)
Dabei ließen die Berliner Verwaltungsrichter ausdrücklich offen, ob eine Aufführung des Gedichts, die in den quasi-edukatorischen Kontext eingebettet ist, zulässig wäre.
Danach stellt die vom Antragsteller beabsichtigte Zitierung des Gedichts von J… B… eine Beleidigung dar. Hierbei bleibt ausdrücklich offen, ob die von J… B… selbst getätigten Äußerungen ihrerseits einen Straftatbestand erfüllen oder wegen ihres Kontextes noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Entscheidend dürfte insoweit der Umstand sein, dass B… sein Gedicht in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext einbettet-, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen (Thiele in: http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtliche-dimension-der-causa-jan-boehmermann/).
(Ja, die Richter haben den Bloggerkollegen Thiele zitiert.)
Jedenfalls die isolierte auszugweise Wiedergabe des Gedichts erfüllt die Voraussetzungen einer beleidigenden Schmähkritik. Trotz der öffentlichen Diskussion über den Beitrag von Herrn B… wird ein unbefangener Dritter, der die mit Ziegenmasken auftretenden Versammlungsteilnehmer und die Texttafeln wahrnimmt, dies nicht als eine zulässige Form der Meinungsäußerung verstehen. Denn es fehlt die distanzierende Einbettung in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext-, wie dies bei der Satire von J… B… erfolgt ist. Deshalb stellt sich das Gedicht bzw. Auszüge daraus nur als eine Aneinanderreihung abwertender Verunglimpfungen des türkischen Staatspräsidenten dar. Dies gilt insbesondere für die vom Antragsteller aufgrund der Masken und des angemeldeten Themas der Versammlung dem Staatspräsidenten unterstellten massiven sodomitischen Handlungen.
d) Für die versammlungsrechtliche Beurteilung eines Verhaltens, das zugleich einen Straftatbestand – hier den des § 185 StGB – verwirklicht, ist unbeachtlich, ob eine beleidigte Person ein persönliches Interesse hat. den Beleidiger bestraft zu sehen und deshalb einen Strafantrag stellt (BVerfG, Beschluss vom 21. März 2007, a. a.
Es wäre für die Rechtswissenschaft von unschätzbarem Wert gewesen, wenn der Veranstalter genau das gemacht hätte … :P
Spaß beiseite: Die Richter haben natürlich nichts zu befürchten, nicht einmal urheberrechtlich.
admin •
10:51 •
Abmahnung,
Allgemein,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Strafrecht,
Urheberrecht,
Zensur •
Comments (0)
4. April 2016
Ich habe ja schon so einige seltsame Prozessgegner gehabt, die man sich eigentlich gar nicht ausdenken kann. Aber aktuell ist einer dabei, der mich doch sehr an „Schtonk!“ von Helmut Dietl erinnert. So vertickte ein ehrenwerter Oldtimer-Händler an einen bayrischen Milliardär die Karossen bekannter Nazi-Größen. Nachdem der „Gebrauchtwagenhändler“ wegen Steuerdelikten zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, will er nun wieder ins Geschäft und sorgt sich mit anwaltlicher Hilfe um seinen Ruf.
Auch sonst kann sich meine Liste an aktuellen Prozessgegnern sehen lassen: ;)
- GEMA
- Google Inc.
- Bundesamt für Verfassungsschutz
- Dirk Vorderstraße
1. April 2016
Der Kollege Jan Böhmermann, ehemals Schöffenrichter am Amtsgericht Köln, hat seit letztem Jahr mehrfach in seiner Sendung den „Scherzanwalt Christian Witz“ zu Gast. Das könnte mit dem Rechtsstreit um Lukas Tagebuch zu tun haben, das von Böhmermann stammt.
Gestern nun erklärte Medienrechtsexperte Böhmermann ab Minute 9:40 den TV-Zuschauern insbesondere in Istanbul den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik.
https://youtu.be/7Dh3do-l_oU?t=583
Ich distanziere mich von dem Inhalt dieses Videos. Nicht, dass das Landgericht Hamburg wieder auf die Idee kommt, ich würde mir durch Einbinden eines Videos da irgendwas zu eigen machen. Die geographisch geringe Distanz zu Böhmermanns Show ist schon kompromittierend genug, denn die wird nur 600 m entfernt hier in Köln-Ehrenfeld aufgezeichnet.
UPDATE: Bei YouTube ist das Video inzwischen verschwunden.
admin •
13:07 •
Allgemein,
Die lieben Kollegen,
Internet,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Pressekammer,
Strafrecht,
Zensur •
Comments (0)
5. März 2016
Der Auotvermieter Sixt bleibt sich treu und nutzt mal wieder (vermutlich eigenmächtig) ein Politiker-Portrait, um Aufmerksamkeit für seine Werbung zur erheischen. Oskar Lafontaine hatte einst Unterlassungs- und Schadensersatzklage eingereicht und zunächst am Landgericht Hamburg 100.000,- € erwirtschaftet. Der BGH jedoch meinte, dass sich ein prominenter Politiker jedenfalls dann eine Nutzung gefallen lassen muss, wenn sich diese satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt. Denn das fällt unter Meinung- und Pressefreiheit, und die darf auch ein Unternehmen für sich in Anspruch nehmen.
Dieses Urteil sowie der schließlich am EGMR in Straßbourg verhandelte Fall Prinz Ernst August ./. Lucky Strike waren richtungsweisend, weil bis dahin im Werberecht ein sehr scharfer Wind wehte. In diesem Bereich gibt es kaum Rechtsprechung, so dass bei Unternehmen bis dahin große Unsicherheit herrschte, ob etwa in Unternehmenszeitungen Prominente honorarfrei abgebildet werden dürfen. Eine Grenze dürfte erreicht sein, wenn ein Promi so abgebildet wird, dass der Eindruck entsteht, er würde hierfür Geld bekommen oder sich aus anderen Gründen bewusst für das Unternehmen verwenden.
Sixt fühlte sich durch die Entscheidung bestätigt und machte heiter weiter. Inzwischen gehört es für Spitzenpolitiker beinahe schon zum guten Ton, von Sixt verspottet zu werden … ;)
(Bilder: Bilder: e-Sixt GmbH & Co. KG)
admin •
16:48 •
Abmahnung,
Allgemein,
BGH,
Bildnis,
fliegender Gerichtsstand,
Fotorecht,
Landgericht Hamburg,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
OLG Hamburg,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Pressekammer,
Recht am eigenen Bild •
Comments (0)
23. Februar 2016
Gestern hat das OLG Köln geklärt, wer das Erbe der 2001 verstorbenen Prinzessin Soraya Esfandiary Bakthiary antreten darf. Nach der Prinzessin vom Pfauenthron ist das lex Soraya benannt, nämlich ein Gesetzentwurf von 1958, der unbotmäßige Berichterstattung über den ausändischen Staatsgast unter Strafe stellen sollte. Ein Verfahren in diese Richtung war am Landgericht Hamburg initiert worden. Diese Einschüchterung hatten sich die Redaktionen jedoch nicht bieten lassen.
Der Beitrag handelte übrigens von einem drohenden Putsch. Wie die Geschichte zeigt, war dies ein Frage der Zeit.
Spannender als das finanzielle ist Sorayas presserechtliches Erbe:
Soraya ging nämlich gegen ein erfundenes Interview vor und schrieb schließlich Presserechtsgeschichte, indem sie am Bundesverfassungsgericht zivilrechtlich eine so im Gesetz nicht vorgesehene Geldentschädigung durchsetzte. Nach 12 Jahren erwirtschaftete die Ex-Prinzessin 15.000,- DM. Wenn sich die Presse eines besonders schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht schuldig macht, der nicht anders kompensiert werden kann, gibt es seither einen Anspruch eigener Art auf Geldentschädigung. Man muss also keine Schmerzen oder Behandlungskosten derselben nachweisen, sondern kann die Verlage auch so um Bares erleichtern.
Aktueller Rekordhalter ist Jörg Kachelmann, der in der ersten Instanz am Landgericht Köln auf das 635.000,- € kam.
admin •
17:28 •
Allgemein,
Landgericht Hamburg,
Landgericht Köln,
Medienrecht,
OLG Köln,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Pressekammer,
Strafrecht,
Verdachtsberichterstattung,
Zensur •
Comments (1)
17. November 2015
Der katholisch-konservative Dampfplauderer Matthias Matussek verfügt über eine bemerkenswerte presserechtliche Erfahrung mit dem A-Wort.
In der Kurt Krömer-Show war er vom Gastgeber als „Pöbelhans“, „Pöbler“ und „hinterfotziges Arschloch“ begrüßt worden. Seine Prozesshanselei gegen den Comedian fanden 2013 sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Hamburg albern. Da Matussek gute Miene zum Spiel gemacht und den Ball ebenfalls vulgär aufgegriffen hatte, musste er sich hieran festhalten.
Mehr Glück hatte Prozesshansel Matussek am Landgericht Köln, als er gegen die taz-Journalistin Silke Burmester vorging. Nachdem der WELT-männische Journalist von einem taz-Puff gesprochen hatte, wollte er nicht mit der Bezeichnung „Puffgänger“ leben. Einen solchen Gang dürfte er künftig auch nur schwer finanzieren können.
Denn nachdem die WELT-Chefedakteure einen Tweet Matusseks als „durchgeknallt“ getadelt hatten, nahm sich das Ehrenmitglied im Verein für deutsche Sprache die Freiheit, mit dem A-Wort zu parieren. Daraufhin reagierte das Haus nicht presse-, sondern arbeitsrechtlich und gab dem Mann den Laufpass. Wer selbst bei Springer aus charakterlichen Gründen rausfliegt, dem dürfte auf dem publizistischen Arbeitsmarkt nur ein geringes Spektrum zur Auswahl stehen.
UPDATE:
Matussek dementiert.
admin •
22:01 •
Abmahnung,
Allgemein,
Die lieben Kollegen,
Internet,
Landgericht Hamburg,
Landgericht Köln,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
OLG Hamburg,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Pressekammer,
Zensur •
Comments (0)