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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


29. Mai 2012

Aktion KLEHRANLAGE

Der Gegner

Der notorisch klagewütige Gegner ist der selbsternannte „Krebsheiler“ Herr Dr. Nikolaus Klehr, der es bereits in den 90ern zu exorbitantem Reichtum gebracht haben soll. (Spekulationen über das Ausmaß seiner Millionen lässt er anwaltlich abmahnen.) Ein ernstzunehmender Beweis dafür, dass Klehr jemals einen Menschen von Krebs geheilt hätte, ist mir nicht bekannt, obwohl er mir dicke Schriftsätze schickt. Zweifel an seinen Heilkünsten pflegt Herr Dr. Nikolaus Klehr juristisch zu beantworten, wobei wegen der Beweislastumkehr im Äußerungsrecht quasi ein Gottesbeweis geführt werden müsste.

Einen Einblick in die eigenartige Person des Gegners erlaubt ein Mitschnitt eines Beitrags von PANORAMA (ARD) aus den 90er Jahren, der vermutlich rechtswidrig unter der anscheinend anonymen URL http://www.esowatch.com/media/Klehr/panorama%20-%20Klehr-Reportage%20%28ard%29.wmv abrufbar ist. Gegen diesen Beitrag ging Dr. Klehr massiv vor, insbesondere wegen dem dortigen Test mit dem angeblich gesunden Blut. Mangels Beteiligung an dieser Reportage distanziere ich mich daher von diesem Test, der bestimmt von böswilligen Journalisten unanständig verfälscht wurde, oder so. Klehr verklagte etliche Zeitungen, TV-Sender und Blogger, wettert gegen die Wikipedia mit einer Seite http://wikipedia-warnung.de und räumt derzeit Youtube leer.

Seit Ende 2010 klagt Herr Dr. Nikolaus Klehr gegen einen Mandanten von mir u. a. deshalb, weil dieser angeblich wahrheitswidrig behauptet haben soll, Herr Prof. Dr. Hans Hege von der Bayrischen Landesärztekammer habe Herrn Dr. Klehr ein „erwerbsgetriebenes Ungeheuer“ genannt – was er offensichtlich in dem bezeichneten PANORMA-Beitrag tat, was Dr. Klehr auch aus anderen Gründen bekannt sein müsste. Ich distanziere mich natürlich von Herrn Prof. Dr. Heges Bezeichnung, vielmehr ist Herr Dr. Klehr ein sympathischer Menschenfreund, der einem ehrenwerten Beruf nachgeht.

Das Problem

Eine Verlinkung des eben genannten Links auf den PANORAMA-Beitrag, den jedermann in seinen Browser kopieren könnte, kann ich leider nicht vornehmen, weil das Landgericht Hamburg im Ergebnis die erstaunliche Ansicht kultiviert, eine Verlinkung auf fremde Youtube-Videos begründe eine Verantwortlichkeit für den Inhalt. Damit haftet jeder, der ein Youtube-Video verlinkt oder einbettet für mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen, und zwar selbst dann, wenn diese ein erfahrener Medienanwalt in einem von der Rechtsabteilung eines großen deutschen Senders geprüften Beitrag nicht erkennen kann. Nach der Konzeption der Hamburger hätte ich vor dem Verlinken den Krebsheiler befragen müssen.

An Blogger, die Beiträge seriöser TV-Sender verlinken, werden damit die gleichen strengen Anforderungen gestellt wie an professionelle Journalisten großer Medienhäuser. Anders als diese haben Blogger aber keinen Einblick in die Herstellung eines Videos. Sie können auch nicht erkennen, ob Aufnahmen mit einer Kamera gemacht wurden, die versteckt war – so wie es bei einer Einstellung aus einem ZDF-Video über Klehr der Fall war, das ich in meinen Beitrag eingebettet hatte. In dem Video wurde auch irgendein Papier der Charité irgendwie bezeichnet, was irgendwie nicht korrekt gewesen sein soll.

Diese Rechtspraxis der Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg („Pressekammer“) steht nach unserer Auffassung im Widerspruch zu den Vorgaben aus Karlsruhe und verstößt damit in schwerwiegender Weise gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, die nicht durch überspannte Anforderungen eingeschnürt werden darf. Die Missachtung der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungericht hat in Hamburg eine gewisse Tradition.

Die Folge

Sollte das aktuelle, gegen mich ergangene Hamburger Schandurteil rechtskräftig werden, so werden spezialisierte Anwaltskanzleien, die aus geheimnisvollen Gründen meistens ihren Sitz in Hamburg haben, eine neue Abmahnwelle lostreten. Etliche Blogger, Twitterer, Facebooker, Foren- und Wiki-User und Mailinglistenabsender, die Youtube-Links mit anderen teilen, laufen Gefahr, teure Abmahnungen zu erhalten und bei Widerstand mit aberwitzigen Prozessen überzogen zu werden. Bei einer solchen Bedrohungslage setzt jedoch automatisch etwas viel gefährlicheres ein: Selbstzensur.

Berufung

Dieses Schandurteil muss weg, schon allein wegen der psychologischen Wirkung. Ich werde daher gemeinsam mit dem Kollegen Thomas Stadler alles unternehmen, wobei aufgrund der Hamburger Verhältnisse der Gang zum BGH unumgänglich sein wird. Wir sind optimistisch, dass die Serie an Klatschen für die weltfremde Pressekammer des Landgerichts Hamburg um eine weitere Fortsetzung bereichert werden wird. Garantieren können wir jedoch einen Erfolg nicht.

Das Kostenrisiko in Höhe von ca. 20.000,- € ist ungedeckt und ich kann es leider nicht alleine schultern. Viele Menschen, denen die Kultur des Internets und der freie Informationsfluss etwas bedeutet, haben mir in den letzten Tagen spontan signalisiert, dass sie sich an den Kosten beteiligen würden, was mich sehr gerührt hat. Ich kann aber für meine rebellische Bloggerei nicht anderer Leute Geld riskieren, jedenfalls keine Beträge, bei denen ich im Falle des Unterliegens den Spendern nicht mehr in die Augen sehen könnte. Mir wurde auch von mehreren Leuten vorgeschlagen, eine Pledgebank zu nutzen, aber ich mache diesen Prozess nicht von eurem Leidensdruck abhängig, sondern muss ihn auf alle Fälle führen, wie auch immer.

Aktion „Klehranlage“

Da der Prozess aber nun einmal irgendwie finanziert werden muss, biete ich folgendes „Anlage-Modell“ an:

Wenn etwa jeder aus meiner Twitter-Timeline einen 20er spenden würde, wäre der Prozess bis einschließlich BGH spielend finanziert. Ein 20er entspricht in etwa den Kosten eines Abendessens in einem preiswerten Restaurant, zu dem mich vielleicht der eine oder andere sowieso einladen müsste, wenn mich Klehr plattklagt und ich dann auf der Strasse weiterbloggen muss. Man könnte einen 20er auch als Shareware-Honorar für meine über 1.000 Blogposts sehen, die offenbar viele Leser wenigstens unterhaltsam finden. Jedenfalls aber kann man 20,- € als Einsatz für einen Prozess, der wohl nicht ganz unwichtig ist, durchaus verschmerzen. Jeder 20er, der eingeht, ist auch ein Signal in Richtung Hamburg, dass diese unsägliche, das Grundgesetz verhöhnende Gängelei nicht „im Namen des Volkes“ geschieht.

Wer in die Klehranlage einzahlen möchte, überweist bitte 20,- € auf das folgende Konto

Markus Kompa
Konto: 34346635
BLZ: 40050150
Sparkasse Münsterland-Ost
BIC/SWIFT   WELA DE D1 MST
IBAN             DE84 4005 0150 0034 3466 35
Überweisungszweck: KLEHRANLAGE

Wenn ihr hinter KLEHRANLAGE nichts weiter angebt, erklärt ihr euch damit einverstanden, dass ich euch öffentlich namentlich danke.

Wenn ihr ein „A“ dahinter schreibt, bleibt ihr komplett anonym.

KLEHRANLAGE A

Wenn ihr hinter KLEHRANLAGE euren Nickname, Twitternamen oder sonstiges Pseudonym angebt, danke ich euch pseudonym.

KLEHRANLAGE [Nickname]

Jeder Anleger, der 20,- € unter dem Vermerk „Klehranlage“ überweist, investiert zunächst in den laufenden Prozess. Im Erfolgsfalle wird die Einzahlung nach Abschluss der juristischen Gefechte anteilig wieder erstattet werden. Wer eine Rückerstattung seines Restanteils möchte, möge mir dann, wenn es soweit ist, per E-Mail seine Bankverbindung mitteilen. Ich schlage jedoch alternativ vor, Überschüsse in eine längst überfällige Stiftung oder einen Verein zu überführen, welche die Abwehr von querulatorischen Eingriffen in die Meinungsfreiheit im Internet in vergleichbaren Fällen finanzieren. Die Klehranleger werden dann mit irgendwelchen Tools befragt, welche Anliegen sie unterstützen möchten. Wie wir den Verein oder die Stiftung aufziehen, müssen wir noch prüfen.

27. Mai 2012

Der Pirat und der Schreibtischtäter

Diplomatie hat ihre Berechtigung. Es muss nicht zwingend falsch sein, sich mit der Springerpresse einzulassen, auch wenn uns kürzlich deren abgehalfterter Pausenclown das Eintreten für Liebhaber von Kinderpornografie nachsagte. Vielleicht sehe ich es ja wirklich zu eng, wenn ich die Gesellschaft von Menschenverächtern meide, die faschistische Diktaturen in Südamerika gestützt und sinnlose Vernichtungskriege in Indochina geführt haben, mithin die Verantwortung für millionenfachen politischen Mord tragen.

Und vielleicht war es sogar ein genialer PR-Coup, sich ausgerechnet als Vorsitzender einer hinterzimmerphoben Partei vom wohl begabtesten Strippenzieher der Welt zum Tête-à-tête in das abgeschottete Axel Springer-Hochaus einladen zu lassen. Möglicherweise bestand ja tatsächlich eine Chance, den ultrakonservativen Mr. CIA, der das eigene Parlament täuschte und selbst befreundete Journalisten und Mitarbeiter abhören ließ, für Bradley Mannings Schicksal zu begeistern. Und Flüge nach Europa haben wenigstens den pädagogischen Effekt, dass man Kissinger am Flughafen die Weichteile drückt.

Ob man eiskalten Kriegern wirklich Ehrerbietung zollen muss, darüber kann man geteilter Meinung sein. Vertreter von SPD, GRÜNEN und Linkspartei wollten oder durften nicht.

Ungeachtet unterschiedlicher Ansicht zolle ich dem begabten Politiker Bernd Schlömer jedoch großen Respekt, wie clever er mit einer psychologischen Operation seine Kritiker mundtot gemacht hat. Im Stile Kissingers installierte der Stratege mit zwei simplen Tweets eine Dolchstoßlegende, mit welcher er seine Rolle zu der eines Opfers stilisierte:

Wieso stärken die #Piraten nicht den Rücken, damit das Richtige gesagt werden kann? #Kissinger [link]

Teil 4: Danke für die konkreten Gewalandrohungen gegen meine Person, di ich heute Nacht erhalten habe! [link]

Reflexartig solidarisierten sich etliche Twitterer mit Bernd, dessen Kritiker sich nunmehr in geschickt suggerierter Gesellschaft primitiver Schläger befanden. Hey, was sind schon Millionen echter niedergemetzelte Menschen auf den Reisfeldern in Kambodscha und Vietnam? Was sind schon Zigtausende zu Tode gefolterte Menschen in Südamerika gegen die (angebliche) Gewaltandrohung eines Hitzkopfs (den es immer gibt)? Unter uns: Dass bellende Hunde nicht beißen, wird Bernd als gelernter Kriminologe vermutlich schon einmal gehört haben. Tatsächliche Attacken auf Bernd gab es offenbar nicht. So plump die Taktik war, so effizient funktionierte sie. Das muss man als politische Leistung sportlich anerkennen.

Die richtig guten Politiker spielen halt über die Bande und bleiben selbst außen vor. Nicht nur Twitterer sprangen dem Piraten mit Kissinger-Kontakten bei, sondern auch eine „Journalistin“, welche die substantiierte Kritik an Kissinger unterschlug und sich stattdessen Äußerungen herauspickte, mit denen sie die gesamte Kritik als Verschwörungstheorien zu diskreditieren versuchte. Mal nebenbei: Kissinger wird das Bonmot zugeschrieben, jeder, der in Washington nicht paranoid sei, sei verrückt.

Das einzige, was beim Abwehrzauber fehlte, war die Denunzierung der Kritik als „Antiamerikanismus“. Um weitere Mühen zu ersparen, mache ich das gleich selbst und übergebe an Volker Pispers:

25. Mai 2012

Klehr ./. Kompa

Ein Hautarzt, dem viele Krebspatienten im Endstadium ihr Geld anvertrauen, hat es zwar zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht, dennoch versagt ihm die Fachwelt die Anerkennung. Seit Jahrzehnten pflegt Herr Dr. Nikloaus Klehr von der Lokalzeitung bis zum Fernsehsender etliche Kritiker zu verklagen. Gerade hat es das ZDF getroffen, im Juni hat der Bayrische Rundfunk Termin in der Hamburger Pressekammer.

Vor eineinhalb Jahren verklagte Klehr einen Mandanten von mir, dem er eine Vielzahl angeblich unwahrer Äußerungen nachsagte. Doch selbst der ehrwürdige Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer ließ im Termin wissen, dass diesen Äußerungen keine Unwahrheit auf die Stirn geschrieben sei. Dennoch ließ er Klehrs Anwalt wegen der für die Hamburger überraschenden Rechtsansicht einen Schriftsatz nach, den ich dort auf dem Foto abgebildet habe. Der Verfahren läuft immer noch.

Klehr hatte letztes Jahr eine einstweilige Verfügung auch gegen mich persönlich erwirkt, weil ich eine Dokumentation von WISO per Youtube eingelinkt hatte, bei der – für mich nicht erkennbar – mit versteckter Kamera der Flur einer Arztpraxis gezeigt wurde und andere Belanglosigkeiten. Weil die einstweilige Verfügung ohne schriftliche Begründung erlassen wurde und mir die Verantwortung für ZDF-Videos als aberwitzig erschien, habe ich mich gegen diese Beschneidung der Meinungsfreiheit entschieden gewehrt.

Weil dieser Fall juristisches Neuland bedeutet und für die Freiheit des Internet verheerende Folgen haben kann, habe ich aus Verantwortung den für solche Fälle wohl besten Kollegen angeheuert, nämlich den Kollegen Thomas Stadler, der die Problematik schon seit „Freedom for Links“ kennt. Der Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer hat sich zum Jahreswechsel in einen Käfer verwandelt. Nicht wie bei Kafkas „Verwandlung“, vielmehr leitet nun die frühere Beisitzerin Frau Käfer die Zivilkammer 24. Vor Jahren war sie an einem Fehlurteil beteiligt, als die einem Betreiber eines Wikis dessen von fremden generierten Inhalt zurechnete, ohne dass dieser ihn kannte – eine inzwischen überwundene Hamburger Rechtsansicht.

Wie der Kollege Stadler gebloggt hat, sind wir erstinstanzlich gescheitert. Wir sind beide der Meinung, dass dieses internetfeindliche Urteil, das ab sofort von den entsprechenden Hamburger Anwälten zitiert werden wird, nicht bestehen bleiben kann. Faktisch bedeutet es nichts anderes als eine Renaissance der Haftung für Links. Was das Landgericht Hamburg da macht, lässt sich nicht mit der Rechtsprechung in Karlsruhe in Einklang bringen.

Für das Gericht übrigens irrelevant war die Tatsache, dass das Video eingebettet war, was das Gericht in der mündlichen Verhandlung klarstellte. Im Übrigen wird bei Posten von Youtube-Links auf Facebook, Twitter und bei diverser Blogsoftware der Link automatisch in eine Einbettung umgewandelt. Es kann also jeden treffen, der Youtube-Links mit jemandem teilt.

Da der Berufungssenat am Hanseatischen Oberlandesgericht, der letztes Jahr viele Buske-Urteile aufhob, nunmehr von Herrn Buske geleitet wird, kann man sich einen Reim darauf machen, wie die Berufung ausgehen wird, zumal Klehr sehr prozessfreudig ist. Das Verfahren wird daher erst am BGH enden. Die Sache kostet in dem Fall etwas über 20.000,- €. Ich werde bis Mitte kommender Woche in Ruhe die Erfolgsaussichten prüfen und mir Gedanken machen, wie dieser Prozess finanziert werden könnte. Einige Leute haben hier spontan angerufen und gesagt, dass es ihnen etwas wert sei. Alleine werde ich es nicht stemmen können.

23. Mai 2012

Wie Komiker das britische Presserecht entschärften

Letzte Woche hatte ich die Ehre, Dr. Simon Singh zu treffen, der 2010 nach zwei Jahren standhaften Widerstands die Zensurattacke der britischen Chiropraktiker-Organisation in London abwehren konnte. Ohne den finanziellen und publizistischen Support durch den PEN-Club und Künstler wäre die Verteidigung nicht möglich gewesen, Singh wäre schon wegen der asymmetrischen Kriegskasse gescheitert. Über das Verfahren hatte ich mehrfach hier im Blog berichtet

Doch Singh und seine Unterstützer blieben nicht auf halben Wege stehen, sondern sensibilisierten eine breite Öffentlichkeit für das Thema und setzten schließlich eine Änderung des mittelalterlichen Gesetzes durch, welche dieser Tage auf den Weg gebracht wurde. Schade, dass wir hier keine solche Leute haben. Singhs Leidensweg habe ich heute bei TELEPOLIS kurz skizziert.

Mir liegt seit gestern ein Urteil des Landgerichts Hamburg vor, das mich doch sehr an den Fall von Dr. Wilmhurst (ebenfalls im obigen Video) erinnert, der mehrfach von esoterischen Heilern verklagt wurde. Der vorliegend erstinstanzlich siegreiche Kläger ist eine Person, die ein Vermögen mit der – nennen wir es mal – „Behandlung“ von Krebskranken im austherapierten Stadium machte und seit zwei Jahrzehnten etliche Medien verklagt, die seine Künste in Zweifel zogen. Das Problem in dem aktuellen Fall ist, dass der Beklagte dort „Markus Kompa“ heißt. Und der hat leider keine Pressure Group, die für die Meinungs- und Pressefreiheit wichtige Prozesse deckt. Streitwert: 30.000,- €.

22. Mai 2012

Die Pflichtexemplarentscheidung und die Zauberbücher

Jeder Jurastudent kennt die berühmte Pflichtexemplar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1981 (oder sollte es …). Ein Buchverleger von limitierten Kleinstauflagen für Kunstliebhaber hatte gegen eine Verpflichtung geklagt, jeweils ein Exemplar kostenfrei an eine staatliche Bibliothek abliefern zu müssen. Das BVerfG hatte den Fall zum Anlass genommen, um der Welt zu erklären, was denn eigentlich Eigentum in Wirklichkeit sei und was es mit der Sozialpflichtigkeit desselben wohl auf sich habe. In heutigen Zeiten, in denen über Urheberrecht und „geistiges Eigentum“ gestritten wird, ein denkbar aktuelles Thema. Öffentliche Leihbibliotheken, mit denen jedermann kostenlos an urheberischen Leistungen partizipieren kann, könnte man ja durchaus als Vorläufer des Filesharings sehen … ;)

Doch kaum jemand kennt den damaligen Beschwerdeführer, der den Fall seinerzeit mit einem befreundeten Juristen eher so aus sportlichem Ehrgeiz durchzog. Der Mann, Volker Huber, ist ein Kunsthändler aus Offenbach, der u.a. bekannte bildende Künstler wie Paul Wunderlich, Bruno Bruni und Horst Antes exklusiv vertritt. Außerdem ist er international einer der bedeutendsten Sammler von Exponaten zur Geschichte der der Zauberkunst. In seinem Besitz befindet sich etwa das älteste Ölgemälde, auf dem Zauberkunst dargestellt ist (ca. 1460), was deshalb spektakulär ist, weil es Motive enthält, die Hieronymus Boschs geheimnisvollem Werk „Der Gaukler“ später auftauchten. Etliche Originalrequisiten von Zauberern vergangener Jahrhunderte, aber vor allem auch viele Zauberbücher, fanden in Hubers Privatmuseum einen würdigen und von großem Sachverstand geprägten Ehrenplatz.

Jener Beschwerdeführer der Pflichtexemplar-Entscheidung ist keinesfalls ein Zeitgenosse, der den kostenfreien Genuss von Büchern missgönnt. Im Gegenteil! Mein Kontakt mit Huber begann damit, dass ich in der Post unverhofft ausgerechnet ein Buch fand, das er mir spontan zum Geschenk machte. Er honorierte damit eine Biographie über einen historischen Zauberer, die ich aus reinem Interesse für eine Fachzeitschrift recherchiert hatte und nur mit wenigen insoweit interessierten Lesern rechnete. Das geschenkte Buch war eine Neuerscheinung zum Thema, die meine Literatursammlung vervollständigen sollte. Im Laufe der Zeit lieh Huber mir etliche Bücher zu unserem spleenigen Thema.

Den Regeln der Evolution folgend erschien vor einigen Tagen nun erstmals ein Buch, zu dem auch wir Beiträge beisteuerten. Anlass war die 100 Jahr-Feier des Magischen Zirkels, der seinerzeit in Hamburg gegründet wurde. Die Hardcover-Ausgabe ist auf genau 100 Exemplare beschränkt. Meine Ausgabe ist kein Pflichtexemplar, sondern das Autorenhonorar.

Auch mein Beitrag, der nun zwischen zwei Buchdeckeln verewigt ist, hatte mit dem Bundesverfassungsgericht zu tun. Es handelte sich um den in den 50er Jahren prominenten Großillusionisten Kalanag (Helmut Schreiber), der vor seiner Karriere als Profimagier im dritten Reich zwielichtiger Chef der Bavaria Film gewesen war und Anfang der 60er wieder ins Filmgeschäft zurückkehren wollte. So produzierte Schreiber für das Adenauer-Fernsehen in Vorwegnahme des Privatfernsehens Unterhaltungsfilmchen, die zwischen Kaufanreizen der Wirtschaft (vulgo: Werbeblöcken) laufen und damit Adenauers konservative Propaganda finanzieren sollten. Das Bundesverfassungsgericht ersparte der Nation mit seinem 1. Rundfunkurteil diesen kulturellen Rückschritt, heraus kam jedoch das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), das bis einschließlich der Ära Stolte ein konservatives Gegengewicht zu den als „links“ verteufelten Sendern der ARD setzte. Das ZDF benötigte Kalanags Dienste nicht, sodass durch das Bundesverfassungsgericht indirekt die Filmkarriere Schreibers beendet wurde. Ein versuchtes Comeback als Bühnenzauberer gelang dem kontroversen Künstler nicht mehr.

Zu Kalanags bemerkenswertesten Leistungen zählt seine Variation der schwebenden Jungfrau. Eine Silhouette eines seiner Werbefotos ziert unser Buch.

17. Mai 2012

Experiment zum fliegenden Gerichtsstand

Vor einem Jahr hat ein Mandant von mir mit dem Landgericht Hamburg ein lustiges Experiment veranstaltet: Wo kriegt man die billigste Zensurverfügung?

Weil die aktuellen Bemühungen des Gesetzgebers, den fliegenden Gerichtsstand einzuschränken, leider das Presserecht ausnehmen, hole ich das Experiment aus meinem Giftschrank. Weiter bei TELEPOLIS.

3. Mai 2012

Markus Lanz und das „geistige Eigentum“

Lieber Markus Lanz,

du hast neulich einer Piratin etwas krawallig vom „geistigen Eigentum“ doziert, das man durch Kopien stehle. Das hat mich an eine alte Geschichte zwischen uns beiden erinnert, als du selbst mal einen von mir vertretenen Künstler schamlos ausgebeutet und dabei sein Kunstwerk sogar zerstört hast.

Während deiner Zeit bei einem großen Kölner Schundsender hattest du ein Scripted-Reality-Format moderiert, in welchem ihr Geld durch Verletzung von Persönlichkeitsrechten erwirtschaftet habt. In einem Fall hattet ihr einem Zauberkünstler eine Falle gestellt, in dem ihr ein Hotelzimmer mit versteckten Kameras verwanzt hattet. Ihr habt seinen Trick ausspioniert und den Mann im TV bloßgestellt. Den Trick mit seiner persönlichen Methode kann er seither nie wieder zeigen. Ihr hattet ihm nicht einmal eine Gage gezahlt.

Der Mann, ein sehr freundlicher wie zurückhaltender Künstler, hatte niemanden etwas getan. Er hatte zuvor zu Promotionzwecken einer konventionellen Zaubershow „die Lottozahlen vorhergesagt“, ein seit den 50er Jahren klassischer Zaubereffekt, den sogar David Copperfield mal in „Wetten dass …“ zeigte, deiner künftigen Show. Obwohl er sich von Scharlatenen entschieden distanziert, habt ihr es so aussehen lassen, als sei er ein Hochstapler, „der für Geld die Lottozahlen vorhersagt“. Und weil er sich weigerte, eure vorgegebenen Sätze zu sagen, habt ihr sie ihm im Off-Kommentar in den Mund gelegt. Ihr habt sogar versteckt gedrehte Aufnahmen gesendet, die ihn beim Umziehen im Hotelzimmer zeigten.

Um ihn zu beruhigen, hattet ihr angeboten, er könne „am Freitag“ ins Studio kommen, „um am Schnittplatz das Schlimmste zu verhindern“. Gesendet habt ihr es jedoch am Donnerstag.

Lieber Markus Lanz, erzähl du mir bitte nichts vom Respekt vor geistigem Eigentum von Künstlern.

PS: Das Oberlandesgericht Köln liebte Zauberkunst, der Vorsitzende Richter hatte gerade „The Prestige“ gesehen. Das dumme Gesicht und hilflose Gestammel eures Justiziars, der noch am Landgericht Köln auf erstaunliche Weise durchgekommen war, werde ich nie vergessen.

1. Mai 2012

Die Piratenprinzessin

Nachdem Marina Weisband als politische Geschäftsführerin der Piratenpartei ein halbes Jahr lang hinter den Kulissen gewirkt hatte und die ignoranten Medien nicht mit einer Frau sprechen wollten, da die Piraten ja lauter Männer seien, explodierte nach der Einladung zur Berliner Pressekonferenz im Oktober 2011 das Interesse an ihr förmlich. Sie hatte die Medien nicht gesucht, einige sogar boykottiert, doch trotzdem wurde sie plötzlich die Frontfrau einer von den Medien – nach wie vor – missverstandenen Partei. Die kommunikative Leistung der 24jährigen Studentin kann man kaum hoch genug einschätzen. Wie sie die Medien manchmal empfunden hat, illustrierte sie bereits im November 2011 mit dem obigen Bild „Lauschangriff“.

Es gab einige Momente, bei der ich sie auf Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte aufmerksam machte. Doch sie achtet als gute Piratin die Pressefreiheit auf fundamentale Weise und „entschuldigte“ sich mehrfach dafür, mich als ihren (theoretischen) Anwalt noch immer nicht reich gemacht zu haben. Ich denke, ich kann ganz gut damit leben …

Wenn die Medien Blödsinn über Piraten schreiben, dann müssen wir halt andere Wege finden, unsere Inhalte zu kommunizieren. Einer davon ist, den Medien einen Spiegel vorzuhalten.

27. April 2012

Dr. Sven Krüger setzt Buskeismus.de ein Denkmal

Der Stellungskrieg Schertz ./. Schälike, in dem im wesentlichen ein Berliner Promi-Anwalt durch eine Vielzahl an Verfahren gegen presserechtskritische Berichterstattung des Betreibers der Datenbank „Buskeismus.de“ vorzugehen versuchte, darf inzwischen als entschieden angesehen werden. 113 Kerben darf Rolf Schälike inzwischen in sein virtuelles Kriegsbeil schlagen.

Herr Schälike und ich hatten vor Monaten gewettet, ob es ihm gelingen würde, den geschätzten Hamburger Kollegen Dr. Sven Krüger dazu zu provozieren, der neue „Schertz“ zu werden. Der geschätzte Kollege macht sich um das Persönlichkeitsrecht von dubiosen Krebsärzten, schillernden Klinikunternehmern und ähnlichen Lichtgestalten verdient, die u.a. das Internet von unliebsamen Informationen befreien möchten – Schälike spricht von „Zensur“. Schälike vollzieht konsequent den Streisand-Effekt und konterkariert damit die Arbeit solch tüchtiger Anwälte wie Herrn Dr. Sven Krüger. Dem Kollegen scheint der Gerichtsblogger großen Kummer zu bereiten, denn Herr Dr. Krüger sah sich jüngst veranlasst, seinen Schmerz in der „Deutschen Richterzeitung“ in einem langen, langen Beitrag über Amateurgerichtsberichterstattung von der Anwaltsseele zu schreiben.

-> DRiZ, März 2012, S. 77ff.

In der Freitagssitzung der Hamburger Pressekammer, wo sich der hanseatische Anwalt und der lästige Blogger regelmäßig begegnen, lief es heute für einen bemerkenswert klagefreudigen Krüger-Mandanten, der auch gegen Schälike persönlich vorgeht, nicht sonderlich gut. Wie Schälike berichtete, verlor der Kollege Dr. Krüger offenbar nicht nur die Prozesse, sondern auch die Contenance und nannte Herrn Schälike „geisteskrank“. Auf die nächste Eskalationsstufe darf man gespannt sein.

 

Der Name des Dieter

Mein vormaliger Prozessgegner Dieter Bohlen verklagt gerade die Bundesrepublik Deutschland, weil sie seinen unverschämten Zensurwünschen nicht nachgekommen ist. Die beißende Ironie an dieser Aktion besteht darin, dass es sich um eine Image-Werbung einer Zigarettenmarke handelte, die das Thema „Zensur“ satirisch aufgriff – ein Problem, mit dem ausgerechnet Kolportage-Autor Bohlen konfrontiert wurde. Im Gegenteil also ergriff die Anzeige eigentlich sogar für ihn Partei.

Bohlen hatte nun nichts Besseres zu tun, als wegen angeblicher Verletzung von vermögenswerten Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der besonderen Persönlichkeitsrechte wie des Namens und des Rechts am eigenen Bild eine fiktive Lizenzgebühr einzuklagen. Der Ärmste werde zu Werbezwecken ausgebeutet. Bohlen verstieg sich sogar zu der abenteuerlichen Argumentation, es entstehen der Eindruck, als identifiziere er sich mit dem beworbenen Produkt oder empfehle es.

Meine Freunde von der Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg und ihnen folgend das OLG Hamburg hatten Bohlen tatsächlich 35.000,- € zugesprochen. Bohlen ist in Saal B 335 einer der ganz großen Dauerkunden, denn nur dort gewinnt „der durchschnittliche Leser“ Eindrücke, die sich Hamburger Anwälte ausdenken.

Nachdem die Karlsruher Richter über die Post aus Hamburg halbtot gelacht hatten, gingen sie erst einmal eine rauchen, um höfliche Worte zu finden, und taten dann das, was sie praktisch immer tun, wenn etwas die Marke „Zivilkammer 24“ trägt: Sie wiesen die Klage ab. Gebetsmühlenartig erklärten sie die Hamburgern, dass die Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten einerseits und dem Recht auf Meinungsfreiheit andererseits mal wieder misslungen war. Des Bohlens Persönlichleitsrechte hätten hinter der Satirefreiheit (ein Unterfall der Meinungsfreiheit) zurückzutreten. Eine Erörterung einer weiteren Rechtfertigung durch die Kunstfreiheit war mithin entbehrlich.

Nun also folgt Bohlen der unverschämten Prinzessin Caroline nach und jammert vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rum, obwohl man sich dort um wichtigere Angelegenheiten als die Eitelkeit eines Subjekts kümmert, das selbst die Persönlichkeitsrechte seiner Mitmenschen nur suboptimal achtet.

Meines Erachtens ist das ganze eine PR-Operation, von der beide Seiten etwas haben. Hätten Bohlen oder der Tabakverkäufer für diese Aufmerksamkeit Anzeigen schalten müssen, wäre das weitaus teurer gewesen. Beide Parteien sind in Sachen Negativ-PR bekanntlich äußerst erfahren.