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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


4. September 2013

Vortrag von Josef Foschepoth

Dem hartnäckigen Forscherdrang von Prof. Dr. Josef Foschepoth verdanken wir die Kenntnis über die Geschichte der Überwachung in Deutschland, die so erst seit 2012 erstmals wissenschaftlich dokumentiert sind. Anlässlich der Verleihung des Whistleblowerpreises an Edward Snowden hielt er diesen Vortrag.

Leider ist die Geschichte der Überwachung noch nicht vorbei, auch wenn uns Frau Merkel und Herr Pofalla das gerade auf die Nase binden wollen. Selten dreist.

2. September 2013

Piraten vs. Spione

Am Dienstag werde ich im Berliner TAZ-Café, 19 Uhr, mit dem Kollegen Udo Vetter und dem IT-Experten und Hacktivisten Daniel Domscheit-Berg über den NSA-Skandal und die Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle und Konsequenzen sprechen.

Zur Geschichte geheimdienstlicher Überwachung in Deutschland empfehle ich diesen Beitrag im Deutschlandfunk, der auf den Ende letzten Jahres veröffentlichten Forschungen von Prof. Foschepoth basiert.

Heute erschien auf TELEPOLIS mein Interview mit dem ehemaligen Verfassungsschützer Winfried Ridder, der eine kritische Bilanz der Terrorbekämpfung gegen die RAF zieht.

Ebenfalls heute erschien auf GOLEM der Beitrag Die BND-Auslandsaufklärung im rechtsfreien Raum über ein Gespräch mit dem Verfassungsrechtler Christoph Gusy von Christiane Schulzki-Haddouti.

Der von ehemaligen Geheimdienstlern und Historikern gegründete  „Gesprächskreis Nachrichtendienste“ hat im LIT-Verlag eine interessante Buchreihe zum Thema „Geheimhaltung und Transparenz“ herausgegeben. Die einzelnen Beiträge muss man natürlich je nach Haltung und Perspektive der durchaus unterschiedlichen Autoren gewichten.

30. August 2013

Stadt Herne möchte weitere 255 Piratenplakate sehen!

Die Stadt Herne überraschte die Piratenpartei mit einer Limitierung der Plakate. Während den im Bundestag vertretenen Parteien jeweils 408 Plakate zugestanden wurden, rechnete die Stadt Herne die Piraten unerbittlich zu den ca. 20 Kleinparteien, sie hätten sich daher mit 153 Plakaten zu begnügen. Eine Begründung, die die Stadt zu dieser Einschätzung kam, blieb sie schuldig. Im Gegensatz etwa zur Partei „Die Linke“ sind die Piraten sogar im NRW-Landtag vertreten. „Die Linke“ sowie die FDP, denen die vollen 407 Plakate zugebilligt wurden, lagen laut einer Veröffentlichung des WDR vom Mai bei den NRW-Wählern gerade einmal bei 3%.

Die Piratenpartei ließ sich diese willkürliche Ungleichbehandlung nicht bieten, sondern forderte eine gleichwertige  Sondernutzungserlaubnis unter Berufung auf Artt. 3, 28 Abs. 1, 38 Abs. 1 GG iVm § 5 ParteienG ein. Nachdem die Piraten beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine einstweilige Verfügung beantragt und Klage erhoben hatten, kündigte die Stadt Herne anfangs noch Widerstand an. Allerdings sind die Pirten nun einmal siebtstärkste politische Kraft in Deutschland (bei Zusammenrechnung von CDU/CSU sogar sechststärkste). Ein Urteil, auf das sich die Stadt Herne bei ihrer eigenartigen Entscheidung stützte, stamte aus dem Jahr 1974, als es in Deutschland faktisch ein Drei-Parteien-System gab (Union, SPD, Zünglein-an-der-Waage FDP).

Eine Gleichsetzung mit Kleinstparteien überzeugt nicht, denn die Piraten haben bei ihren Mitgliedszahlen jeweils mehr als die Hälfte der Grünen, der Linkspartei und der Freidemokraten. Demgegenüber haben die nächstkleineren Parteien nicht einmal die Hälfter Piratenmitgleider vorzuweisen. Bei den ganzen Kleinparteien stagnierten jahrzehntelang die Mitgliedszahlen bei ca. 5.000, während die Piraten deutlich über 30.000 Parteigänger verfügen. Auch den Einzug in vier Landtage kann man nicht ignorieren.

Gestern nun hatte die Stadt Herne ein Einsehen und billigte nun auch den Piraten die vollen 408 Plakate zu.

28. August 2013

„Durchstoßenes Herz“

Heute jährt sich zum 25. Mal die Flugschaukatastrophe von Ramstein, zu der ich eine gewisse Beziehung habe.

Meine Heimatstadt Kaiserslauern liegt unter der Einflugschneise von Europas größtem Militärflughafen Ramstein Airbase. Seit 1956 ist zum Glück in der Innenstadt kein Flugzeug mehr vorzeitig heruntergekommen. Ich bin buchstäblich mit dem Geräusch der Airforce aufgewachsen, konnte vom Kinderzimmerfenster aus die im Minutentakt landenden Flugzeuge beobachten, was natürlich auch eine gewisse Neugierde weckte, wie die Flieger denn wohl aus der Nähe aussahen. Nur einmal im Jahr öffnete die abgeschottete Ramstein Airbase für Zivilisten und präsentierte vor jeweils über 300.000 Zuschauern ihr Kriegsgerät mit einem denkbar amerikanischen Rahmenprogramm und Luftakrobatik. Piloten gaben Autogramme, fotografierten mich und meinen Bruder in Pilotenkluft im Cockpit eines Jägers usw.. Die Proteste der Friedensbewegung gegen das perverse Befeiern von Tötungswerkzeugen interessierten im von den Amis wirtschaftlich nahezu abhängigen „K-Town“ damals weniger als American Icecream und Marshmellows.

1987 besuchte ich also den Flugtag und war beeindruckt, mal einen Harrier tatsächlich in der Luft stehen und senkrecht landen zu sehen. Dabei waren auch die besten Kunstflugstaffeln der Welt wie die Red Arrows und Frecce Tricolori. Letztere flogen ein Manöver namens „durchstoßendes Herz“, bei dem zwei Gruppen der Flugzeuge über der Runway aufeinander zurasten und sich knapp verfehlten. Im selben Moment stießen 90 Grad versetzt jeweils von vorne und hinten überraschend zwei weitere Flieger donnernd in das Zentrum der Figur, flogen also über den Köpfen der Zuschauer. Ehrlich gesagt, hatte ich Angst, denn die Figur war denkbar knapp kalkuliert, und ich war froh, als diese riskante Flugshow endlich vorbei war.

Im Folgejahr blieb ich dem Spektakel fern, zumal mir Militär immer suspekter wurde. Und ich erinnere mich noch heute, wie vor genau 25 Jahren am 28. August 1988 ein Verwandter anrief, um sich nach unserem Wohlergehen zu erkundigen, weil er im Radio von einem Unfall beim Flugtag in Ramstein gehört hatte. Es war genau diese Figur, die mich im Vorjahr so beunruhigt hatte, die 70 Menschen das Leben kostete, über 1.000 Menschen wurden verletzt und entstellt, Tausende traumatisiert. Das Sicherheitskonzept war katastrophal gewesen. Der Flugtag hieß von da ab nur noch „Fluchtag“. 1990 stürzte kurz nach dem Start eine C5 Galaxy ab, das damals größte Flugzeug der Welt, die den damaligen Golfkrieg unterstützen sollte. Was von Kaiserslautern übrig geblieben wäre, wenn das Ding in der Stadt runtergekommen wäre, muss nicht ausgemalt werden.

Doch die damals wohl größte Gefahr war das in der Region eingelagerte Giftgas, dessen von der Friedensbewegung lange behauptete Existenz die Streitkräfte 1990 erstmals einräumten. Über 100.000 marode Giftgasgranaten mit dem Zeug, das Saddam Hussein – mit Billigung von Reagan, wie wir nun wissen – einsetzte, verrotten seit Jahrzehnten in Depots. Das Zeug war so gefährlich, dass es nicht auf dem Luftweg transportiert werden durfte, auf dem es offensichtlich gekommen war. In der denkbar aufwändigen „Operation Lindwurm“ wurde es unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen auf dem Landweg auf ein Schiff transportiert, das das Teufelszeug nach Johnston Island brachte, ein durch Atombombentests ohnehin bereits verseuchtes Paradies.

Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit dem Kalten Krieg beschäftigt und bin zu dem Schluss gekommen, dass ein Großteil der damaligen Entscheidungsträger schlicht und ergreifend wahnsinnig war und Leute fehlten, die die Courage hatten, ihnen in den Arm zu fallen. Hoffentlich werden künftige Generationen weniger hart über uns urteilen müssen. Um das Gift in den Köpfen zu bekämpfen, braucht man funktionierende, kritische Medien, die sich nicht mit Propaganda abspeisen lassen und solchen perversen Fehlentwicklungen entgegenwirken.

22. August 2013

Geheimdienste und Rechtsstaat

Nachdem es im NSA-Skandal noch immer viel zu ruhig ist, melden sich nun Juristen wie die bekannte Staatsrechtlerin Lerke Osterloh zu Wort. Eine Zusammenfassung eines juristischen Fachgesprächs der Fraktion der Grünen im Bundestag bietet Heise.de.

Die C’t, ebenfalls Heise-Verlag, kommentiert, wie die Geheimdienste den Rechtsstaat aushöhlen.

Ich werde am 03.09.2013 zum Thema Kontrolle der Geheimdienste mit dem Kollegen Udo Vetter und dem IT-Sicherheitsexperten und Hacktvisten Daniel Domscheit-Berg im Berliner taz-Café diskutieren. 19 Uhr, Eintritt frei.

Diesen Samstag halte ich auf dem Datenschutzkongress der Piratenpartei in München-Germering einen Vortrag zum Abhören in Deutschland.

 

Politiker und deutsche Künstler sind gaga. Lady Gaga ist Politikerin.

Was die Piraten vom Urteil gegen Manning halten, ist klar. Spannender ist die Frage, was die deutsche Öffentlichkeit sagt.

Die deutschen Journalisten verurteilen die Folterhaft und das unverhältnismäßige Strafmaß nahezu einhellig und verweisen darauf, dass die Bordschützen des Hubschraubervideos praktisch straffrei rausgingen. Die Wahrheitsbringer „henkt“ man, die Mörder lässt man laufen.

Die deutschen Politiker haben es offenbar nicht allzu eilig, sich bei unseren amerikanischen Geschwistern (Freunde kann man sich aussuchen) unbeliebt zu machen und verhalten sich diplomatisch.

Die deutschen Künstler … sind feige. Habt ihr irgendwas gehört? Solidaritätskonzert mit Manning? Hat schon jemand ein Lied über Manning geschrieben? Unterschriftenliste wie beim Urheberrecht letztes Jahr im NRW-Wahlkampf?

Ich verneige mich vor Lady Gaga, die an ihre fast 40 Millionen Follower twitterte:

The news of Bradley Manning’s sentencing is devastating. If our own can’t speak up about injustice who will? How will we ever move forward?

Manning hatte seinerzeit eine Daten-CD als Musik von Lady Gaga getarnt.

20. August 2013

Unheimlich zu Diensten

51 Jahre nach der deutschen SPIEGEL-Affäre erleben nun die Überwachungsfanatiker von der britischen Insel den Tiefpunkt ihrer Pressefreiheit. So war der Guardian vom Abhörgeheimdienst GCHQ praktisch gezwungen worden, Festplatten zu vernichten.

Es wird höchste Zeit, die ganzen bürgerrechtsfeindlichen „Sicherheitsgesetze“ auf den Prüfstand zu stellen und die Befugnisse auf ein angemessene Maß einzudampfen.

Auch hierzulande überschreiten die Behörden auf Zuruf der US-Geheimdienste ihre Kompetenz. So wurde am vergangenen Samstag von der Polizei ohne Nennung einer gesetzlichen Grundlage eine kamerabestückte Drohne einkassiert, die Piraten neben dem Dagger Complex hatten aufsteigen lassen. Später hat man dann kleinlaut Unsinn über „Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ verzapft. Gestern nun haben die Darmstädter Behörden wissen lassen, die Benutzung des Quadrocopters sei zulassungsfrei nur zu Sport und Spiel gestattet, was ja wohl nicht der Fall gewesen sei. Nachträgliches Erfinden von Verboten kennt man eigentlich nur aus dem Polizeistaat.

Es stellt sich die Frage, seit wann die Polizei darüber zu befinden hat, wer Sport und Spiel treibt. Selbstverständlich ist es ein Spiel, symbolisch gegen Spione zurückzuspionieren. Das Steuern von Drohnen ist selbstverständlich auch ein Sport. Eine Regel, dass man neben dem Dagger Complex kein Sport und Spiel treiben dürfe, ist mir nicht bekannt. Seit der Entscheidung „Reiten im Walde“ des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass man Sport und Spiel nach Art. 2 Abs. 1 GG da nachgehen kann, wo es einem beliebt, solange man keine Bestimmungen verletzt. Das Aufsteigen der Drohne war vermutlich auch als Meinungskundgabe geschützt, die jedem Deutschen in Wort und Bild zusteht. Da der Grundgesetzgeber noch keine Quadrocopter kannte, fällt ein solches Symbol unter „Bild“.

Ich schlage vor, kommenden Samstag am Dagger Complex offizielle Luft-Spiele auszurichten. Toll wäre es, wenn anerkannte Quadrocopterpiloten dort ihr Können beweisen. Um zu verhindern, dass die Drohnen den Luftraum des Dagger Complex überflliegen, etwa aufgrund von Seitenwind, wären Rauchsäulen hilfreich. Als Pyrotechniker schlage ich den Bundestagskandidaten Sven Krohlas vor. ;-)

17. August 2013

LG Berlin: Geldentschädigung für Sarrazin

 

Gestern wurde über das Urteil des Landgerichts Berlin berichtet, das eine abfällige Äußerung eines Journalisten über den hochkontroversen SPD-Politiker und Hobby-Ethnologen Thilo Sarrazin verbot. Dieser hatte geschrieben:

„Buchautor Thilo S., den man, und das nur in Klammern, auch dann eine lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur nennen darf, wenn man weiß, dass dieser infolge eines Schlaganfalls derart verunstaltet wurde und dem man nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten“.

Dass die grenzwertige Äußerung verboten wurde, ist jetzt nicht so überraschend, denn Maßstab für Gerichte ist insoweit Artikel 1 GG, der eine Mindestachtung vor der Menschenwürde gebietet. Vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist auch der Gesundheitszustand geschützt, den grundsätzlich niemand der Öffentlichkeit offenbaren muss. Spekulationen und Gerüchte über einen Schlaganfall könnten zulässig sein, wenn hierfür äußerliche Anzeichen wahrnehmbar sind, etwa Gesichtslähmung, Sprechprobleme oder inhaltlicher Stuss, allerdings nur unter Wahrung gewisser journalistischer Sorgfaltspflichten.

Vorliegend ging es aber weniger um eine medizinische Berichterstattung, vielmehr wünschte der Autor seinem Gegner öffentlich den Tod und ergötzte sich an dessen vermeintlichen Siechtum. Die Belustigung über körperliche Leiden und ein Todeswunsch sind nun einmal objektiv gesehen sehr verletzend und verlassen den Konsens der Menschenwürde. Das ginge allenfalls als Satire durch, wofür jedoch nichts zu erkennen ist, zumal in einer mit „Das ist nicht witzig“ überschriebenen Kolumne. Auch in einer temperamentvoll geführten politischen Auseinandersetzung kann man sich eleganter verhalten, man muss sich ja nicht wirklich auf das Niveau eines Gegners herab begeben.

Bemerkenswert ist allerdings, dass das Landgericht Berlin nicht nur die Äußerung verbot, sondern auch eine Geldentschädigung zugesprochen hat. Dieser vulgo als „Schmerzensgeld“ bezeichnete presserechtliche Anspruch soll einen Ausgleich schaffen, wenn ein Persönlichkeitsrecht so intensiv verletzt wurde, dass der Eingriff nicht mehr mit einem Unterlassungsanspruch und dem prozessualen Sieg insoweit kompensiert werden kann. Die Beträge werden hoch bemessen, um zu verhindern, dass etwa die Boulevardpresse kalkulierte Tabubrüche „aus der Portokasse“ finanziert. Der Verlag muss nun 20.000,- € überweisen.

Geldentschädigung gibt es in der Praxis vor allem dann, wenn ein Beitrag die Sexualsphäre thematisiert, etwa eine Techtelmechtel oder eine Schwangerschaft behauptet, denn das geht nun einmal die Öffentlichkeit nichts an. Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt stellt sich in solchen Fällen allenfalls zweitrangig. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob der Betroffene ein Sympathieträger ist oder eben ein …, äh …, Sarrazin. Auch ein provokantes, polarisierendes Auftreten in der Öffentlichkeit rechtfertigt eine krasse Reaktion grundsätzlich nur in Bezug auf das Thema und die Person, wozu ein angeblicher oder tatsächlicher Schlaganfall aber eher nicht gehört. Dass inzwischen auch der Autor seinem Frevel abschwor, indem er kundtat,

„dass ich jedem ein möglichst langes Leben frei von Krankheit wünsche, gerade auch erfolgreichen Buchautoren, Letzteren allein schon deshalb, weil sie damit die Chance gewinnen, etwas dazuzulernen und von Irrtümern abzulassen“,

reichte dem Gericht offenbar nicht aus.

Ob die zugesprochene Geldentschädigung Bestand hat, wird man sehen, denn die verurteilte Zeitung ist nicht dafür bekannt, presserechtlich vorschnell aufzugeben. So hatte sie etwa gegen Sarrazin erfolgreich die folgende Äußerung verteidigt:

„Sarrazin wird inzwischen von Journalisten benutzt wie eine alte Hure, die zwar billig ist, aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen muss… fragt sich nur, wer da Hure und wer Drübersteiger ist?“

Der Vergleich ist zwar deftig, aber eine Persönlichkeitsrechtsverletzung Sarrazins, dessen Funktion in der Medienlandschaft mit dem Bild treffend umschrieben wird, vermag ich nicht zu erkennen. Beleidigt dürften sich allenfalls betagte Sexarbeiterinnen fühlen, wenn man sie mit Sarrazin vergleicht …

12. August 2013

LG Hamburg: Puffgänger ja – LG München: Sackrileck nein

 

Die Hamburger Humorwächter vom Land- und Oberlandesgericht haben letzten Samstag Kurt Krömer gewähren lassen, der den katholischen Dampfplauderer Herrn Matthias Matussek in seiner Satire-Sendung in Minute 20 als „Pöbelhans“, „Pöbler“ und „hinterfotziges Arschloch“ begrüßte. Medienprofi Matussek hatte daraufhin zunächst mitgeblödelt und versucht, für sein neuestes überflüssiges Prozess „Schleichwerbung“ (Krömer) zu machen. Matussek hatte sich vom Showmaster zur Reaktion „Blöde Sau“ provozieren lassen. Als Matussek das Thema „Rotlicht“ vorgab, fragte Krömer, ob Matussek „Puffgänger“ sei. Krömer outete sich als Puffgänger und vereinbarte mit Mary Roos einen gemeinsamen Puffbesuch nach der Aufzeichnung. Dann setzte er noch eins drauf und behauptete, in Matusseks Buch stünde, dieser sei ein „regelmäßiger Puffgänger“. Auch über Gott entspann sich ein frommer Dialog.

Matussek konterte dies mit „Unverschämtheit“ war daraufhin zur Hamburger Pressekammer gepilgert, die sich letztes Jahr in Sachen Papst ./. Titanic lächerlich machte. Doch weder die Käfer-Kammer, noch der Buske-Senat gaben dem Journalisten eine einstweilige Verfügung. Das ist auch völlig klar, denn 750 m vom Westflügel des Landgerichts Hamburg, wo die Pressekammer untergebracht ist, stößt man auf die Reeperbahn, wo regelmäßige Puffgänger anzutreffen sind. Außerdem liegt Hamburg im protestantischen Norden, da hätte der katholische Frömmler sich besser woanders hin gewendet.

UPDATE: Eine Entscheidung hat das OLG wohl erst am Mittwoch, den 14.08. getroffen. Hätte das OLG zu einer andere Rechtsauffassung tendiert, so wäre es vermutlich schon vor Ausstrahlung eingeschritten.

Zu empfehlen ist insoweit das katholische Bayern, wo Kirchenexperte der SÜDDEUTSCHEN Matthias Drobinski eine einstweilige Verfügung gegen die Satire-Zeitung „Eulenspiegel“ erwirkte. In einer Satire „Sackrileck“ über die Schwulen-Lobby im Vatikan hatte das Blatt ihn und seinen Kollegen von der BILD irgendwie nicht nett bezeichnet. Selbst Heribert Prantl, der sich ganz gerne einmal für die Pressefreiheit stark macht, ermutigte Drobinski, sein Persönlichkeitsrecht zu wahren. Es scheint sich tatsächlich eher um Pennälerhumor gehandelt zu haben. Eulenspiegel-Chef Gregor Füller kommentierte lässig:

„Im Nachhinein muss ich gestehen, dass es natürlich aus Marketinggründen schöner wäre, wenn ich einen anderen Namen gewählt und sich dadurch eine wichtige Persönlichkeit verletzt gefühlt hätte statt Herr Drobinski“, sagt Füller.

8. August 2013

Abhören in Deutschland

 

Am Sonntag startet um 16.00 Uhr in der NRW-Wahlkampfzentrale, Suitbertusstr. 149, 40223 Düsseldorf, eine Vortragsreihe der NRW-Piraten über Überwachung, die jeweils von einer Kryptoparty ergänzt wird.

Ich werde dort über die Geschichte des Abhörens in Deutschland sprechen, die dank der Recherchen von Prof. Foschepoth für Westdeutschland neu geschrieben werden musste. Derzeit ändert sich der Forschungsstand täglich. So wurden letzte Woche die von Foschepoth entdeckten Verwaltungsvereinbarungen zum G-10-Gesetz von 1968/69 gegenüber Großbritannien und den USA gekündigt, Anfang dieser Woche gegenüber Frankreich. Damit haben die drei Siegermächte scheinbar keine eigenen Überwachungsansprüche und -Rechte.

Die Realität sieht allerdings anders aus, denn einerseits waren diese Abkommen seit Jahrzehnten u.a. technisch überholt, andererseits haben die Siegermächte aufgrund des nach wie vor gültigen Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut Anspruch auf engste Kooperation. Nach Foschepoth ändert sich daher nichts.

Derzeit liegt der Schwarze Peter beim vormaligen Kanzleramtsminister und Schlapphutkoordinator Steinmeier, der 2002 im Zuge der 9/11-Paranoia ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen NSA und BND zu verantworten hatte. Dessen „Verdienste“ werden wiederum relativiert, weil man ja das Ausmaß nicht hätte absehen können, und hätte denn nicht jeder an seiner Stelle und überhaupt! Eine aktuelle verfassungsrechtliche Würdigung der politischen Fehlleistungen bietet der Kollege Prof. Nico Härting.