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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


26. Juni 2014

Klinsmann und das Presserecht

Heute titelt die BILD-Zeitung mit Jürgen Klinsmann, einem langjährigen Prozessgegner des Axel Springer Verlags. Und diesmal ist man in der komfortablen Lage, auf einen gemeinsamen „Gegner“ zu verweisen, denn Klinsmann trainiert bekanntlich die US-Mannschaft im heutigen Spiel gegen die deutsche Elf.

Die BILD-Zeitung maßt sich seit Jahrzehnten an, mitzubestimmen, wer Kanzler oder Bundestrainer wird usw.. Wer was werden will, der muss mit BILD tanzen. Wollte Klinsmann aber nie. Von Anfang an schirmte er sein Privatleben ab, so wie es jedem zusteht. Im Gegensatz zu Lothar Mathäus, der BILD zuverlässig mit Boulevard-Käse versorgte. 1996 musste Mathäus gehen, offenbar auch auf Betreiben von Klinsmann.

Während der EM 1996 in England griff die BILD-Zeitung einen Besuch der Nationalelf in einer Hotelsauna auf, wo die Deutschen im Adamskostüm aufliefen – auf der Insel hält man nämlich in der Sauna Bekleidung für zweckmäßig. Durch ein Foto entstand der Eindruck, als wäre Klinsmann entsprechend freizügig durch das Hotel marschiert. Klinsmann erstritt für diesen Jux von BILD 25.000,- €, die er spendete.

Als Gerüchte über Klinsmanns Privatleben auftauchten, griff diese während der WM 1998 etwa Harald Schmidt auf, der aus vermeintlicher Sicht von Mathäus das „geheime WM-Tagebuch“ servierte und ihm satirisch „Zitate“ wie „Warmduscher“ und „Schwabenschwuchtel“ in den Mund legte. Das fand der DFB nicht witzig und erstritt von Schmidt eine Unterlassungserklärung.

Anders als seine Vorgänger lieferte Klinsmann auch keine Mannschaftsaufstellung im Voraus an BILD, alle Journalisten bekamen die Infos gleichzeitig. „Grinsi-Klinsi“ blieb auch in den Folgejahren unfreiwilliger Dauergast bei BILD, wie das BILDblog dokumentiert. Selbst Auswandern in die USA nutze nichts.

2009 fand Klinsmann einen neuen Gegner: die TAZ, die ihn satirisch an Kreuz schlug. Das Landgericht München meinte allerdings, dass auch einem gläubigen Christen so etwas zuzumuten sei, ebenso das Oberlandesgericht.

Egal. Wichtig is auf`m Platz!

Vor dem Berliner Piratengericht und auf See ist man in Lauers Hand

 

Da sich der Staat – und damit letztlich auch die zivile Justiz – aus verfassungsrechtlichen Gründen aus den inneren Angelegenheiten von politischen Parteien so weit wie möglich heraushalten will, sieht das Parteiengesetz die Einrichtung parteiinterner Schiedsgerichte vor. Diese sollen unbefangen urteilen und die Satzung vollziehen. Sie haben somit die Aufgabe, ohne Ansehung der Person nach juristisch-sachlichen Maßstäben zu handeln und ggf. die Rechte einzelner Mitglieder vor der Willkür von Funktionsträgern zu schützen, denen ihr Amt zu Kopf gestiegen ist.

Unterschiedliche Meinungen und politischer Streit hingegen sind innerhalb einer Partei ausdrücklich erwünscht und sollen nicht juristisch ausgetragen werden. Parteigerichte sollen keine Machtinstrumente sein, sondern vor Psychopathen schützen, die sich häufig an die Spitze von Hierarchien setzen, wie die Geschichte leider lehrt.

Im Landesverband der Berliner Piraten ticken die Uhren anders. So wurde ein Pirat vom Landesvorstand per Eilbeschluss (ohne vorherige Anhörung, versteht sich) von der Ausübung seiner Mitgliedsrechte ausgeschlossen. Der Pirat will allerdings am Wochenende beim Bundesparteitag für den Vorstand kandidieren. Das Landesschiedsgericht Berlin weigerte sich zunächst, den Fall zu verhandeln: Denn wer von seinen Rechten ausgeschlossen sei, der könne ja auch nicht die Parteigerichtsbarkeit in Anspruch nehmen …

Nachdem das LSG gezwungen wurde, die Sache doch zu entscheiden, wies es den Aufhebungsantrag zurück, mit einer nicht weniger interessanten „Begründung“:

„Der innerparteiliche Schaden (…), sollte er tatsächlich gewählt werden, wäre aufgrund seines bisherigen Verhaltens groß.“

Damit gibt das Berliner Parteigericht unverblümt zu, dass es politische Entscheidung trifft und sogar die Piraten aus den anderen Bundesländern bevormunden möchte. Piraten – das waren doch mal die mit der Basisdemokratie, oder?

Das Verhalten, das die Berliner ihrem Mitglied vorwerfen, besteht nicht etwa darin, dass er während der Ukraine-Krise Brandfackeln auf die russische Botschaft wirft, sich bei „Bomber Harris“ für das Töten von 20.000 Zivilisten bedankt oder seine Parteikollegen als Nazis diffamiert – die Berliner Piraten werfen ihm vor, dass er genau das kritisiert hat.

Noch spannender ist das Argument, mit dem der Berliner Landesvorstand seine Maßnahme begründet: So könne man es nicht hinnehmen, dass die Berichterstattung über diesen Pirat den Eindruck erwecke, die Berliner Piraten könnten ihre politischen Konflikte nicht wie erwachsene Menschen austragen. Da liegt es doch unter erwachsenen Menschen nahe, das Mitglied von seinen Rechten auszuschließen … m(

Also, bei aller Liebe, aber der Berliner Piratenvorsitzende Christopher Lauer wirkt auf mich ungefähr so erwachsen wie Daniel Küblböck. Bei etlichen Berliner Peinlichpiraten stellt sich sogar die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit. Für eine Partei, die sich einst der Meinungs- und Pressefreiheit verschrieb und sogar die Mitgliedschaft in anderen Parteien zulässt, ist es mit den ideologisch eingetakteten Berliner Piraten ganz schön weit gekommen.

Nach dem Willen der Berliner soll dem Pirat beim kommenen Bundesparteitag nicht nur seine Wahlchance genommen werden, er soll auch nicht wählen dürfen. Schließlich kann die Berliner Trolleria an diesem Wochenende jede Stimme gebrauchen.

2. Juni 2014

„Thank you, Mr. Snowden“

Bereits zu Angela Merkels Wahlkampfrede in Hamburg hatten die „Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung“ ein vom Boden aus unzensierbares Spruchband über den Hamburger Hafen fliegen lassen, um die Bundeskanzlerin daran zu erinnern, wem sie ihre diesntliche Loyalität schuldet.

Am 6. Juni, dem Jahrestag der Snowden-Enthüllungen, wollen die Kollegen diesmal in Berlin einen Flieger kreisen lassen. Die Dauer des Bannerflugs ist natürlich eine finanzielle Angelegenheit. Wer den Flug um jeweils eine Minute sponsern/verlängern will, ist mit 6,- € dabei.

28. Mai 2014

Breites Entsetzen über Desinteresse der Behörden am NSA-Skandal

Das ZDF zeigte gestern den ersten Teil einer eingängigen Doku über den NSA-Skandal. Nachdem Generalbundesanwalt Runge – taktisch geschickt nach der EU-Wahl -nun bekannt gegeben hat, dass er nicht einmal Ermittlungen anstellen werde, fällt es selbst gestandenen Juristen schwer, die Contenance zu bewahren. Der Kollege Udo Vetter, den sonst wirklich nichts, aus der Ruhe bringt, benutzt sogar Kraftausdrücke. Ich selbst habe mich auf Telepolis in die Satire geflüchtet und sarkastisch eine Legalisierung des Rechtsbruchs angekündigt, die leider näher an der Realität ist, als einem lieb sein kann.

Letztes Jahr hatten Udo Vetter und ich in Berlin über die mögliche Kontrolle von Geheimdiensten in einem parlamentarischen Untersuchungsausausschuss gesprochen, den es nun inzwischen gibt. Gerne hätte wir dabei kompromisslos mitgewirkt. Der Kollege Prof. Härting greift heute am Bundesverwaltungsgericht die Mitteilungsfreudigkeit des BND an – ein spannender Test, ob die politischen Blockaden durch rechtsstaatliche Verfahren gebrochen werden können.

Inzwischen hat das ZDF berichtet, dass die enge Kooperation des BND mit der NSA seit 1974 besteht und beruft sich hierzu auf Informationen aus dem Nachlass von Ex-BND-Vizepräsident Dieter Blötz. Als das Material von Blötz vor Jahren aufgetaucht war, hatten die angefragten Journalisten abgewinkt. So diente es schließlich dem BND-Forscher Erich Schmidt-Eenboom als Fundgrube für seine Bücher, die ihm seinerseits die Überwachung durch den neugierigen Dienst einbrachte. Heute sendet das ZDF um 22.45 Uhr die Fortsetzung.

21. Mai 2014

Kommentare zum verbotenen Wahlspot von Mainz und zu den verbotenen Bildern von Koblenz

Heute habe ich auf TELEPOLIS zwei medienrechtlich interessante Fälle kommentiert.

 

 

Zum einen verweigert das ZDF auch die Ausstrahlung einer zensierten Fassung des PARTEI-Werbespots.

Zum andern hat das OLG Koblenz einen Löschungsanspruch für erotische und intime Fotos des Ex-Partners ausgeurteilt, den es so bislang noch nicht gab.

Ehemaliger technischer NSA-Direktor zur Situation von Snowden

Wer sich ein realistisches Bild zur Mentalität der US-Geheimdienste machen möchte, sollte unbedingt dieses aktuelle Interview mit William Binney in der taz lesen.

Money Quote:

„Ich würde keiner einzigen Botschaft trauen.“

„Sie würden wahrscheinlich versuchen, ihn zu entführen. Das haben sie immer wieder gemacht – egal in welchem Land.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob sie das stört. Unsere Arroganz ist derzeit so unglaublich groß. Wir töten wahllos Menschen mit Drohnen.“

„Wie soll man einem notorischen Lügner vertrauen?“

„Ihnen gehört das Netz.“

„Mit unserem [von Binney Anfang der 1990er Jahre vorgeschlagenen] System wäre Snowden sofort aufgeflogen. Im Moment, in dem er die erste Datei heruntergeladen hat.“

Binney war technischer Direktor der NSA, gilt als einer der besten Codeknacker der Welt und wurde Whistleblower aus Empörung darüber, dass der Geheimdienst die gegen die Sowjetunion entwickelten Instrumente gegen die eigenen Leute einsetzte. Hier ein aktuelles Portrait des ZDF.

Meine morgentliche Maximal-Dosis an US-amerikanischem Kulturkreis wurde heute durch die Nachricht erreicht, dass Facebook einen Acoount wegen diesem Foto hier suspendiert hat.

Ob das mit TTIP wohl wirklich eine so gute Idee ist …?

18. Mai 2014

TTIP und Überwachung haben in Hamburg offenbar wenig Freunde

 

Einen ihrer wohl peinlichsten Wahlkampfauftritte hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in Hamburg. 3/4 des überschaubar großen Publikums waren offensichtlich keine Merkel-Fans, sondern forderten den Stop von TTIP. Toten Fisch ließ man sich vor der Hamburger Fischauktionshalle nicht andrehen.

Auch die Hamburger Anwälte waren als Initiative „Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung“ präsent und hatten außerdem einen Flieger gechartert, der per Spruchband zu einem Stopp der Totalüberwachung aufrief und unübersehbar über Merkel seine Runden drehte (Minute 7 im Video). (Drohnen darf man ja bei Merkel nicht mehr fliegen lassen. ;)) Bei Hamburger Juristen fliegen also nicht nur Gerichtsstände …

Die Kollegen demonstrierten übrigens in Robe, einem von mir ungeliebten Kleidungsstück. Letzten Freitag wurde in Schleswig-Holstein der Robenzwang abgeschafft.

Anschließend gab es in Hamburg eine Freiheit-statt-Angst-Demo. Die Veranstaltung gegen Überwachung wurde sogar mit Hubschraubereinsatz überwacht …

16. Mai 2014

Kramm ./. Eißfeldt: 5.000,- € pro Buchstabe

 

Pöbel-Musikant Jan Phillip Eißfeldt, Kampfname „Jan Delay“, zahlt an seinen Kollegen Heinz Georg Kramm, bekannt als „Heino“, eine Geldentschädigung („Schmerzensgeld“) iHv 20.000,- € nebst Anwaltskosten, meldet BILD. Herr Eißfeld hatte sich die Meinungsfreiheit genommen, Herrn Kramm mal eben als „Nazi“ zu bezeichnen. Derartiges ist jedoch von der Meinungsfreiheit nur dann gedeckt, wenn es stichhaltige Anhaltspunkte für eine entsprechende Gesinnung etc. gibt.

Wer leichtfertig seine Mitmenschen mit dieser für einen Deutschen wohl härtesten Beleidigung stigmatisiert, liefert in erster Linie Aufschluss über sein eigenes primitives Gemüt und seine Unfähigkeit zu sachlicher geistiger Auseinandersetzung. Nach gegenwärtigem Forschungsstand wurde bislang noch nicht einmal irgendein einziger intelligenter Nazivergleich bekannt.

Derartige Beleidigungen wertet die Rechtsprechung als besonders schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die nicht lediglich durch eine künftige Unterlassung aus der Welt geschafft werden. Daher wird in besonderen Fällen der Verletzer zur Kompensation des Schadens in Form einer Geldentschädigung an den Verletzten verurteilt, die einen erzieherischen Wert hat. Herr Kramm hat angekündigt, den Betrag an Behinderte zu spenden.

Herr Delay profitiert übrigens finanziell von Herrn Kramm, weil dieser mit GEMA-Lizenzierung dessen „Liebeslied“ intoniert, was offenbar nicht auf Gegenliebe stieß.

13. Mai 2014

Der Mann, der die beendete Pfändung seines Grundstücks aus dem Jahre 1998 vergessen machen wollte

 

Ein stolzer Spanier hat nun am EuGH erfolgreich bewirkt, dass jedermann im Urteil nachlesen kann, dass sein Grundstück 1998 mit einer Pfändung belastet war und versteigert werden sollte.

Google allerdings darf nunmehr keine Suchergebnisse von Seiten auswerfen, die legal von der Pfändung von 1998 berichten, etwa Zeitungsarchive. Denn das ist dem Manne peinlich. Nunmehr muss Google gegenüber Europäern auf Anfrage prüfen, ob Ergebnisse konform mit der EU-Datenschutzrichtlinie sind.

Damit hat die 16 Jahre währende „Anarchie“ des Google-Algorithmus nun weitere Einschnitte erfahren. Die Betreiber der Suchmaschine müssen letztlich zurückhaltender mit Informationen umgehen, als andere Informationsanbieter und ein „Recht auf Vergessen“ berücksichtigen. Während mir aus meiner Praxis etliche Fälle bekannt ist, in denen Personen ein sehr berechtigtes Interesse an der Löschung von Suchergebnissen auf denkbar sensible Daten haben, tendiert die vorliegende Sache eher gegen Querulanz und ermutigt wohl etliche Kläger. Das Landgericht Hamburg wird vermutlich bald einen Anbau bekommen …

Foto: Anwesen von Barbra Streisand, das sich gegen das Google-Auto wehrte, oder so ähnlich.

Copyright (C) 2002 Kenneth & Gabrielle Adelman, California Coastal Records Project, www.californiacoastline.org

7. Mai 2014

Hobby-Lobby für das Internet ist nicht so toll

 

Sascha Lobo beklagt in seinem traditionellen re:publica-Rant die geringe Präsenz und Unterstützung für Netzaktivismus. Während hierzulande etliche Naturschützer finanziell und personell beeindruckend ausgestattet seien, arbeiteten für das Internet praktisch nur zwei Lobbyisten hauptberuflich.

Angesichts der Alltagsbedeutung des Interntes ist das schon eine sehr krasse Bilanz. Netzpolitik e.V., Digiges e.V. und Digital Courage e.V. bekommen nur in sehr geringem Umfang Spenden. Am ehesten wäre wohl der Chaos Computer Club schlagkräftig, wobei aber auch dieser auf Ehrenamt aufgebaut ist und auch andere Aufgaben hat.

Falls mal jemand auf die Schnapsidee kommen sollte, eine Internetpartei zu gründen, täte er meiner Meinung nach gut daran, statt auf Selbstausbeutung besser auf professionelle Strukturen zu setzen. Dass das möglich ist, zeigt der Wikipedia-Fanverein Wikimedia, der sich vor Spenden kaum retten kann.