Der Landesvorsitzende der Piratenpartei NRW steht gerade offenbar unverschuldet im „Shitstorm“, wie bei uns die temperamentvolle digitale Kritik genannt wird. Das mir schon früher durch fragwürdigen „Journalismus“ aufgefallene Schwatzblatt DER WESTEN wartet heute mit einer „Enthüllungsstory“ auf. So übertitelten die Westler einen Beitrag mit der Überschrift:
„Piratenpartei ist für höhere Diäten im NRW-Landtag“
Direkt darunter wird der Landesvorsitzende mit einem selbstzufriedenen Lächeln abgebildet, als ob er sich über die zusätzliche 500,- € freut. Damit nicht genug, wird ihm der „mutige“ FDP-Verzicht auf die Diätenerhöhung entgegengehalten.
Eine offizielle Parteimeinung der NRW-Piraten zu diesem Thema ist mir nicht bekannt. Die Piratenpartei ist wohl tendenziel gegen eine Diätenerhöhung.
Der Landesvorsitzende bestreitet glaubhaft das ihm untergeschobene Zitat. Im Gegenteil hatte er im Interview referiert, dass die Piraten sich gegen eine Diätenerhöhung ausgesprochen haben.
Die Heuchelei der FDPler ist durchsichtig: Im neuen Landtag werden sie gar nicht vertreten sein, um auf etwas verzichten zu können. Die FDP lässt sich zudem lieber von der Industrie bespenden und ist im Gegenteil bei Diäten für Unverschämtheit bekannt.
Damit stellt sich die Frage, aus welchem Beweggrund DER WESTEN der Piratenpartei mal eben so am Zeug flickt. Sicherlich ist es nur ein Zufall, dass der Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, zu welcher DER WESTEN gehört, der frühere NRW-Wirtschaftminister und NRW-SPD-Wahlkampfmanager Bodo Hombach ist und die Printler der WAZ das Internet wohl als Bedrohung empfinden.
Als sich vor der Berlin-Wahl die BILD-Zeitung ähnlichen Müll erlaubte, verweigerten die Piraten der BILD-Zeitung daraufhin Interviews und sonstige Gespräche. Beim Bundesparteitag in Offenbach bekam die BILD-Zeitung als einziges Medium von der politischen Geschäftsführerin kein Interview.
UPDATE: Hombach ist offenbar seit einigen Monaten nicht mehr bei der der WAZ. Da verlässt man sich einmal auf die Wikipedia … :-(
Bild: Lurusa Gross: Hamburger Pressekammer 2008, rechts im Bild die heutige Vorsitzende Frau Käfer
Heute war Münster überdurchschnittlich in der Pressekammer vertreten. Es begann damit, dass die Herzspezialistin Sabine Däbritz den „Westfälischen Nachrichten“ etliches an Berichterstattung untersagen lassen wollte. Am besten mal Frau Däbritz googeln …
Die Westfälischen Nachrichten hatten neben ihrem Anwalt in Hamburg sogar ihren Chefredakteur persönlich und den Justiziar aufgeboten. Dort machten das Trio die Erfahrung, die ich 2006 dort hinter mich brachte. Die Anforderungen, die man in Hamburg an Berichterstattung aufstellt, haben mit dem journalistischen Alltag und der Verwirklichung der Pressefreiheit wenig bis gar nichts zu tun. So durfte die Zeitung Vorwürfe der Staatsanwaltschaft deshalb nicht mehr bringen, weil man nicht zuvor Frau Däbritz angehört hätte. Der Witz an der Geschichte ist, dass man das mehrfach versucht hatte, die gute Frau jedoch hatte wissen lassen, dass sie nicht mit der Presse rede. Nach den hanseatischen Vorstellungen muss jedoch ein Journalist vor praktisch jeder Behauptung erneut einen Korb abholen und dies auch belegen können. Die Äußerung der Staatsanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt des Behördenprivilegs kann man auch vergessen. Der WN-Chefredakteuer kommentierte, dass Wulff wohl noch im Amt wäre, wenn das gelten würde. Wenn er wüsste, was in B 335 jede Woche abgeht …
Fast die gleiche Nummer ereignete sich bei einer weiteren Verhandlung heute bei einem anderen medizinischen Fall. Da hatte eine Ärztin unter Berufung auf ihre Schweigepflicht eine Auskunft abgelehnt, die nun einmal von der Anamnese bis zur Bahre gilt. Nichts, da, sie hätte stets gefragt werden sollen. In dem Prozess wurde absurde Wortklauberei betrieben und unter anderem darüber gestritten, ob man eine bis auf einen unwesentlichen Stoffrest bekleidete Frau als „nackt“ bezeichnen dürfe. Der Beklagten-Anwalt bezog sich auf den jüngsten Münster-Tatort, wo die an der Aaa gefundene Frauenleiche ebenfalls als „nackt“ bezeichnet wurde, obwohl die Kamera ein Höschen einfing. (Der Kollege hat aber genau geguckt …)
Den hanseatischsten Angriff auf die Pressefreiheit jedoch haben wir den Schlagerfuzzis zu verdanken. Ein Herr Karl Moik hatte sich im ZDF über ein bekanntes Ehepaar aus dem Stadl-Millieu wohl dahingehend geäußert, er meine, die inzwischen anscheinend beendete Ehe sei eine Inszenierung des Managements oder so gewesen. Etliche Medien hatten Herrn Moik zitiert. Die Ehepartner verstanden sich aber wohl immerhin noch so gut, dass sie jeweils die gleiche Kanzlei beauftragten. Nach Meinung der Hamburger Pressekammer hätte Moik nicht ohne weitere Recherche zitiert werden dürfen. Ergo: Die Presse darf künftig keine fremden Meinungsäußerungen oder Verdächtigungen wiederholen, ohne eigene Recherchen anzustellen. (An dieser Stelle distanziere ich mich von Karl Moik und insbesondere von seiner Musik.)
Damit sind wir wieder ziemlich genau beim vom BGH in der Luft zerissenen Markwort-Urteil, das mich zu diesem „Interview“ mit dem vormaligen Häuptling der Hamburger Pressekammer inspiriert hatte. Dessen Nachfolgerin, Frau Käfer, macht genau da weiter. 2008 hatte ich Frau Käfer als damalige Beisitzerin in der ZK 24 erlebt, wie die Kammer meinem Mandanten die Haftung für ein Wiki aufs Auge drückte. Irgendein Unbekannter hatte dem Mandanten nachts etwas in sein Wiki geschissen, das er ab Kenntnisnahme sofort gelöscht hatte. Obwohl es bereits damals allgemeine Meinung war, dass Betreiber für fremde Äußerungen in Foren, Blogs oder Wikis nur ab Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis haften und dies sogar die Vorinstanz so entschieden hatte, hat die Kammer tatsächlich eine wirre Haftung konstruiert, die nach heutiger Rechtsprechung allerdings ohne jede Grundlage ist. Zu dem, was mir die Pressekammer letzte Woche angetan hat, ein andermal.
Nachdem gerade gestern nebenan am Hanseatischen OLG das Schandurteil gegen RapidShare verkündet wurde, das im Widerspruch zur Sicht des OLG Düsseldorf steht, hat es diese Woche mal wirklich wieder in sich gehabt. Diese unfassbare Seuche namens „fliegender Gerichtsstand“ muss abgeschafft werden. Es reicht jetzt.
PS: Meinen für Samstag geplanten Vortrag zum „Hanseatischen Persönlichkeitsrecht“ beim IT-LawCamp in Frankfurt muss ich leider absagen. In Münster findet kommendes Wochenende der Aufstellungsparteitag der Piraten NRW statt, dessen Vorbereitung im Moment dringender ist. Vielleicht mache ich den Vortrag, den ich letzte Jahr auch schon gehalten hatte, ja mal als Podcast und lasse es anonym verbreiten …
Dr. Nikolaus Klehr pflegt nicht nur seine Kritiker zu verklagen, er wird auch ganz gerne einmal selbst verklagt – oder gar angeklagt. Derzeit krebst er am Salzburger Landesgericht rum, wo man ihm den Prozess macht und gewisse Dinge klehren möchte. Doch in Österreich erklehrt der Mann gar erstaunliches:
Seine Methode zur Krebsbekämpfung sei eben nicht Schulmedizin, sondern „alternativ“.
liest man bei Chiemgau-Online. Das ist hochspannend, denn Dr. Klehr ließ in Hamburg ausrichten, er sei in der Fachwelt anerkannt, womit doch wohl nicht die esoterische gemeint war, oder?
Es gebe eben nicht immer für alles wissenschaftliche Beweise, meinte der Angeklagte. Er habe auch viele Erfolgsfälle vorzuweisen. Die werde er präsentieren, er sei jedenfalls kein Betrüger.
Ja, wie denn nun? Hatte der verehrte Kollege Dr. Krüger für Herrn Dr. Klehr denn nicht vorgetragen, die Methode sei „hochwirksam“?
Auch lastet der Staatsanwalt dem „Krebsarzt“ an, er habe die Patienten mangelhaft „über die nicht wissenschaftlich belegte Wirksamkeit“ seiner Behandlungsmethode aufgeklärt.
Es fehlt eigentlich nur noch, dass Herr Dr. Klehr auf Esowatch verweist, wo ja jedermann Kritik an der Klehrschen Methode nachlesen könne …
Bevor die ZK 24 durchdreht, distanziere ich mich mal von Chiemgau-Online, dem Salzburger Staatsanwalt und Dr. Klehr – man weiß ja nie …
ZAPP berichtet über eine Verfassungsklage zur Gewährleistung der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in dessen Rundfunkräten sich politische Kostgänger tummeln.
Als ich am medienrechtlichen Wahlprogramm der Piraten NRW zur NRW-Wahl 2010 mitgewerkelt hatte, wollten wir die Parteien da komplett rausschmeißen und zu den sonstigen Interessengruppen einen Vertreter der Internetnutzer gesellen. Im WDR-Rundfunkrat etwa sitzen u.a. Vertreter von Denkmalpflege, den Kirchen, den Sportverbänden. Für den Job eines Internetters wären prädestiniert Leute etwa vom CCC oder vielleicht sogar Internet-Philosph Mario Sixtus himself, der ja in Düsseldorf sitzt.
Wir kennen uns noch nicht persönlich, aber wie Sie wohl wissen, bin ich Betreiber der (leider etwas ungepflegten) Website finanzparasiten.de, die Google beim Suchbegriff „AWD“ seit gut fünf Jahren direkt nach Ihrer früheren Firma auswirft. Wie Sie vermutlich ebenfalls wissen, hatte ich 2006 die Autobiographie Ihres Mitbewerbers Manfred Lautenschläger satirisch gewürdigt.
Nun haben Sie die Eitelkeit besessen, die Welt mit Ihrer Autobiograhie zu beglücken. Bei Buchprojekten hatten Sie ja in der Vergangenheit ein gutes Händchen, wie Ihre Hannoveraner Freunde Wulff und Schröder sicherlich bestätigen werden. Aber, was Ihnen zum PR-Kick noch fehlt, ist ein guter Verriss, der Aufmerksamkeit beschert. Was etwa, wenn die Medien Ihr Werk einfach totschweigen?
Das muss nicht sein! Wenn Sie, lieber Herr Maschmeyer, für Negativ-PR einen qualifizierten Partner suchen, dann möchte ich mich gerne empfehlen und bitte auf diesem Wege freundlich um Zusendung eines Rezensionsexemplars. Kaufen werde ich das Werk nämlich eher nicht.
PS: Hier in Münster könnte ich auch ein gutes Fahrrad gebrauchen. Wenn Sie eins mitschicken, rezensiere ich das auch!
UPDATE: Mist! Ich habe gerade gesehen, dass Kai Diekmann die gleiche Idee hatte und sogar auf der Titelseite ein sarkastisches Lob bringt. Naja, aber das mit Fahrrad, würde das denn vielleicht noch gehen …?
Im Zusammenhang mit dem hier dokumentierten Wallraff-Fall wurde auch eine Zeitung auf Unterlassung einer Äußerung in Anspruch genommen. Den Unterlassunsanspruch begehrte eine GmbH in Liquidation, die ihr „unternehmenspersönlichkeitsrecht“ verletzt sah und für ihre Geschäftsehre kämpfte.
Das Landgericht Köln schloss sich jedoch der Meinung des Zeitungsverlags an. Eine GmbH, die liquidiert wird, könne nicht mehr zulässig Geschäfte tätigen, welche die Abwicklungsgesellschaft in eine werbende Gesellschaft umwandelten. Unter Berücksichtigung des Abwicklungszwecks der Liquidationsgesellschaft nach § 72 GmbHG dürfte jedenfalls für die Klägerin von den streitgegenständlichen Äußerungen schädigende Auswirkung nicht mehr vorliegen, so dass mit dem Widerrufsverlangen nicht eine Wiedergutmachung des Schadens, sondern eine Entschuldigung erstrebt wird. Neue Geschäfte dürfen nur insoweit abgeschlossen werden, als sie objektiv dem Abwicklungszweck dienen und subjektiv zu diesem vorgenommen werden.
Einigen Wikipedanten war aufgefallen, dass der kritische Journalist Marvin Oppong mal wieder zu einem Wikipedia-Thema recherchierte, diesmal für SPIEGEL-Online. Dies führte zu eigenartigen Abwehrreaktionen, wie man sie eher von angezählten Bundespräsidenten kennt. So wollte Wiki-Eminenz Achim Raschka über zwei bei der SPIEGEL-Gruppe beschäftigte Ex-Wikimedia-Funktionäre Informationen zur Recherche einholen und Druck ausüben. Hintenrum gilt Wikipedanten als normales Sozialverhalten.
Tatsächlich erhielten Raschkas V-Leute beim SPIEGEL Informnationen – allerdings zuerst falsche, die sie dann richtig stellen. Das mit dem Redaktionsgeheimnis scheint eher so ein unverbindliches Motto zu sein …
Heute nun erschien die Geschichte, wobei sich diese nicht gegen die Wikipedanten richtete, sondern gegen PR-Manipulationen von Konzernen. (Die Story erinnerte mich an meine Beteiligung am historischen Edit-War über einen Finanzvertrieb, der 2007 ebenfalls von SPON gewürdigt wurde!) Der Hysterie der reaktionären Wikipedanten war ohne Grundlage. Das hielt sie natürlich nicht von ihrem Bashing ab, sie können halt nicht anders.
Bei dieser Gelegenheit kam heraus, dass der vormalige 1. Vorsitzende und der nachgerückte ehemalige 2. Vorsitzende von Wikimedia e.V. bei der SPIEGEL-Gruppe nach wie vor an der Einbindung von Wikipedia-Inhalten arbeiten. Als Laie hätte ich mir ja vorgestellt, dass man da einmal ein Programmierung macht, ab und an nachbessert, und das war’s. Stattdessen haben die beiden da offenbar richtige Arbeitsplätze.
Wie hat man sich das vorzustellen? Wenn also jemand bei SPON in die Suchmaske etwas eingibt, erscheint das bei Kurt Jansson am Bildschirm. Der ruft daraufhin in ein Rohr Kommandos in den Maschinenraum, wo Michail Jungierek mit Kabeln und Steckern die Verbindung zur Wikipedia-Datenbank herstellt. Oder ist das so schlecht programmiert, dass man zwei Leute zur Wartung braucht? Sie bleibt rätselhaft, die Wikipedanten-Welt …
Letztes Jahr hatte ich in Frankfurt auf dem LawCamp, dem Barcamp der IT-Juristen, einen Vortrag zum „Hanseatischen Persönlichkeitsrecht“ gehalten.
Das Hanseatische Persönlichkeitsrecht ist neben dem kodifizierten Persönlichkeitsrecht und neben der in Karlsruhe höchstrichterlich/verfassungsrechtlich gebildeten Rechtspraxis die dritte große Rechtsquelle des Persönlichkeitsrechts. Während aus Karlsruhe presserechtlich ganz überwiegend die Vernunft spricht, liegen am Sievekingplatz die Dinge ein bisschen anders. Für Praktiker ist das Hanseatische Persönlichkeitsrecht die einzig relevante Materie, denn solange das Landgericht Hamburg niemand an der rechtsirrigen Annahme eines „fliegenden Gerichtsstands“ hindert, sind wir alle Hamburger.
Ich bezweifle, dass es Frau Leutheuser-Schnarrenberger auf die Reihe bekommt, dieser Rechtsauslegung absehbar einen Riegel vorzuschieben. Der Piratenpartei jedenfalls ist die Abschaffung dieses unfassbaren Missstands so wichtig, dass dies sogar im Parteiprogramm als wesentliches politisches Ziel formuliert ist.
Kommenden Samstag werde ich beim LawCamp 2012 in Frankfurt meinen Vortrag erneut anbieten und um aktuellere Erfahrungen anreichern. Zuhörer mit starken Nerven sind klar im Vorteil.
Ich wurde gerade durch diesen Beitrag auf einen Rant von Dieter Nuhr über die ACTA-Proteste, die Piraten usw. aufmerksam. Als Nichtfernseher hatte ich gar nicht mitgekriegt, dass Nuhr inzwischen die Totgeburt Satiregipfel moderiert. Also beschloss ich, mir die Sendung im Stream anzusehen, zumal sich einer der Gäste dort als ein persönlicher Freund von mir herausstellte. Aber schon bei der Anmoderation von Nuhrs eitler One-Man-Show mit Gästen habe ich mich gefragt, welche Zielgruppe dieser unfassbar selbstverliebte „Kabarettist“ eigentlich bedient.
Politisches Kabarett darf vieles sein, aber eines nicht: langweilig. Mein Mitleid reichte nur für einen Schnellvorlauf.