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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


5. Juni 2014

Der sogenannte SNA- …, NASA- …, NSA-Komplex

Hey Edward,

jetzt ist es ein Jahr her, dass du die ganzen IT-Paranoiker in Propheten verwandelt hast. Wir leben jetzt in deiner Welt – also bewußt halt. Was hat es gebracht?

Unser deutscher attorny general hat die NSA erst mit der NASA verwechselt, inzwischen ist er schon bei „SNA“. Und jetzt prüft er ernsthaft, ob ein Handy der Kanzlerin abgehört wurde – was nun einmal der selbstverständliche Job eines jeden ausgeschlafenen Auslandsgeheimdienstes ist. Das Massenabhören durch eine fremde ausländische Macht, die uns in einen Krieg nach dem anderen mitschleift, scheint hingegen hier niemanden zu stören.

Auch nicht, dass die NSA über jeden mächtigen Menschen in Deutschland Kompromat im Schrank hat, falls der nicht spurt. Auch nicht, dass diese Daten dazu verwendet werden, um mit Drohnen im Wild-West-Stil auf Menschenjagd zu gehen – kontrolliert von deutschem Boden.

Interessiert niemanden. Aber wenn die Kanzlerin zu blöd ist, ein Cryptohandy zu verwenden, und nicht einmal einen Kilometer entfernt von der mit Abhörtechnik vollgestopften US-Botschaft fröhlich kommuniziert, dann bewegt das natürlich die Massen.

Apropos Wild West: In den USA erschießen sich jährlich 30.000 Amis gegenseitig, also 10 x mehr, als in den letzten 30 Jahren Amis durch Terror ums Leben gekommen sind. In den USA werden jährlich mehr Frauen durch ihre Männer getötet als US-Soldaten in Kriegshandlungen. Vermutlich wären es noch mehr, wenn in den USA nicht 0,76% der Bevölkerung im Knast sitzen würden. In gewisser Weise kannst du dich also als Quasi-Gefangener wie zu Hause fühlen … Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die USA ständig in irgendwelche kriegerischen Akionen verwickelt. Also wenn es ein Land gibt, das man vielleicht mal überwachen sollte, … Äh, also, ich will nichts gesagt haben!

Tja, sehen wir es positiv: Die russische Küche ist der US-amerikanischen deutlich überlegen. Von der deutschen Regierung hast du genau gar nichts zu erwarten. Halt durch!

2. Juni 2014

„Thank you, Mr. Snowden“

Bereits zu Angela Merkels Wahlkampfrede in Hamburg hatten die „Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung“ ein vom Boden aus unzensierbares Spruchband über den Hamburger Hafen fliegen lassen, um die Bundeskanzlerin daran zu erinnern, wem sie ihre diesntliche Loyalität schuldet.

Am 6. Juni, dem Jahrestag der Snowden-Enthüllungen, wollen die Kollegen diesmal in Berlin einen Flieger kreisen lassen. Die Dauer des Bannerflugs ist natürlich eine finanzielle Angelegenheit. Wer den Flug um jeweils eine Minute sponsern/verlängern will, ist mit 6,- € dabei.

28. Mai 2014

Breites Entsetzen über Desinteresse der Behörden am NSA-Skandal

Das ZDF zeigte gestern den ersten Teil einer eingängigen Doku über den NSA-Skandal. Nachdem Generalbundesanwalt Runge – taktisch geschickt nach der EU-Wahl -nun bekannt gegeben hat, dass er nicht einmal Ermittlungen anstellen werde, fällt es selbst gestandenen Juristen schwer, die Contenance zu bewahren. Der Kollege Udo Vetter, den sonst wirklich nichts, aus der Ruhe bringt, benutzt sogar Kraftausdrücke. Ich selbst habe mich auf Telepolis in die Satire geflüchtet und sarkastisch eine Legalisierung des Rechtsbruchs angekündigt, die leider näher an der Realität ist, als einem lieb sein kann.

Letztes Jahr hatten Udo Vetter und ich in Berlin über die mögliche Kontrolle von Geheimdiensten in einem parlamentarischen Untersuchungsausausschuss gesprochen, den es nun inzwischen gibt. Gerne hätte wir dabei kompromisslos mitgewirkt. Der Kollege Prof. Härting greift heute am Bundesverwaltungsgericht die Mitteilungsfreudigkeit des BND an – ein spannender Test, ob die politischen Blockaden durch rechtsstaatliche Verfahren gebrochen werden können.

Inzwischen hat das ZDF berichtet, dass die enge Kooperation des BND mit der NSA seit 1974 besteht und beruft sich hierzu auf Informationen aus dem Nachlass von Ex-BND-Vizepräsident Dieter Blötz. Als das Material von Blötz vor Jahren aufgetaucht war, hatten die angefragten Journalisten abgewinkt. So diente es schließlich dem BND-Forscher Erich Schmidt-Eenboom als Fundgrube für seine Bücher, die ihm seinerseits die Überwachung durch den neugierigen Dienst einbrachte. Heute sendet das ZDF um 22.45 Uhr die Fortsetzung.

22. Mai 2014

Lila Bikini

 

Manchmal frage ich mich schon, was einige Leute so für Vorstellungen vom Medienrecht haben. So machte anscheinend ein Kollege einer Klägerin Hoffnung, sie könne von einer Boulevardzeitung eine Geldentschädigung verlangen, weil sie im Bikini auf ein Foto gerutscht war.

Während ein Unterlassungsanspruch mangels legitimen Berichtsinteresse der Öffentlichkeit am Dekolleté der Klägerin aussichtsreich war, hätte man sich die Klage auf Geldentschädigung und erst recht die Berufung sparen können. Den Geldentschädigungsanspruch (vulgo „Schmerzensgeld“) gibt es nur dann, wenn eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, die anders nicht kompensiert werden kann. „Schwere“ Persönlichkeitsrechtsverletung? Bikini-Foto am öffentlichen Strand? Hallo?

Von „schwerer“ Persönlichkeitsrechtsverletung spricht man bei Bezug zu Sexualität, Indiskretionen und krassen Lügen usw.. Geld gibt es nur ganz ausnahmsweise. Sicher aber nicht bei situationsadäquater Bekleidung am Ballermann.

Nächster Versuch: Weil in dem Beitrag über einen ausgeraubten Fußballer berichtet wurde, der in „pikanter Frauenbegleitung“ gewesen sei, argumentierte die „bloßgestellte“ Klägerin, Teile der Leserschaft könnten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen, ob es sich bei der Klägerin um eben diese handele. Hm … Sogenannte „Andeutungen“ kann man zwar nicht nur mit Text, sondern auch mit Bildern machen, die unzutreffende Schlussfolgerungen suggerieren. Eine solche scheint vorliegend so zwingend aber nicht gewesen zu sein. Da sich die Klägerin nicht auf den realistischen Unterlassungsanspruch beschränkte, hat sie sich nun unnötige Prozesskosten produziert.

Noch rätselhafter als den untauglichen Geldanspruch finde ich allerdings, dass in dem Urteil die Farbe des Bikinis genannt wurde. Eine Relevanz dieses Details wäre mir bislang nicht aufgefallen. Mich hätten in dem Zusammenhang andere Dinge mehr interessiert … ;)

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2014 – 6 U 55/13

UPDATE (24.04.2015): Der BGH hat die Entscheidung bestätigt.

21. Mai 2014

Kommentare zum verbotenen Wahlspot von Mainz und zu den verbotenen Bildern von Koblenz

Heute habe ich auf TELEPOLIS zwei medienrechtlich interessante Fälle kommentiert.

 

 

Zum einen verweigert das ZDF auch die Ausstrahlung einer zensierten Fassung des PARTEI-Werbespots.

Zum andern hat das OLG Koblenz einen Löschungsanspruch für erotische und intime Fotos des Ex-Partners ausgeurteilt, den es so bislang noch nicht gab.

Ehemaliger technischer NSA-Direktor zur Situation von Snowden

Wer sich ein realistisches Bild zur Mentalität der US-Geheimdienste machen möchte, sollte unbedingt dieses aktuelle Interview mit William Binney in der taz lesen.

Money Quote:

„Ich würde keiner einzigen Botschaft trauen.“

„Sie würden wahrscheinlich versuchen, ihn zu entführen. Das haben sie immer wieder gemacht – egal in welchem Land.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob sie das stört. Unsere Arroganz ist derzeit so unglaublich groß. Wir töten wahllos Menschen mit Drohnen.“

„Wie soll man einem notorischen Lügner vertrauen?“

„Ihnen gehört das Netz.“

„Mit unserem [von Binney Anfang der 1990er Jahre vorgeschlagenen] System wäre Snowden sofort aufgeflogen. Im Moment, in dem er die erste Datei heruntergeladen hat.“

Binney war technischer Direktor der NSA, gilt als einer der besten Codeknacker der Welt und wurde Whistleblower aus Empörung darüber, dass der Geheimdienst die gegen die Sowjetunion entwickelten Instrumente gegen die eigenen Leute einsetzte. Hier ein aktuelles Portrait des ZDF.

Meine morgentliche Maximal-Dosis an US-amerikanischem Kulturkreis wurde heute durch die Nachricht erreicht, dass Facebook einen Acoount wegen diesem Foto hier suspendiert hat.

Ob das mit TTIP wohl wirklich eine so gute Idee ist …?

18. Mai 2014

TTIP und Überwachung haben in Hamburg offenbar wenig Freunde

 

Einen ihrer wohl peinlichsten Wahlkampfauftritte hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in Hamburg. 3/4 des überschaubar großen Publikums waren offensichtlich keine Merkel-Fans, sondern forderten den Stop von TTIP. Toten Fisch ließ man sich vor der Hamburger Fischauktionshalle nicht andrehen.

Auch die Hamburger Anwälte waren als Initiative „Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung“ präsent und hatten außerdem einen Flieger gechartert, der per Spruchband zu einem Stopp der Totalüberwachung aufrief und unübersehbar über Merkel seine Runden drehte (Minute 7 im Video). (Drohnen darf man ja bei Merkel nicht mehr fliegen lassen. ;)) Bei Hamburger Juristen fliegen also nicht nur Gerichtsstände …

Die Kollegen demonstrierten übrigens in Robe, einem von mir ungeliebten Kleidungsstück. Letzten Freitag wurde in Schleswig-Holstein der Robenzwang abgeschafft.

Anschließend gab es in Hamburg eine Freiheit-statt-Angst-Demo. Die Veranstaltung gegen Überwachung wurde sogar mit Hubschraubereinsatz überwacht …

13. Mai 2014

Der Mann, der die beendete Pfändung seines Grundstücks aus dem Jahre 1998 vergessen machen wollte

 

Ein stolzer Spanier hat nun am EuGH erfolgreich bewirkt, dass jedermann im Urteil nachlesen kann, dass sein Grundstück 1998 mit einer Pfändung belastet war und versteigert werden sollte.

Google allerdings darf nunmehr keine Suchergebnisse von Seiten auswerfen, die legal von der Pfändung von 1998 berichten, etwa Zeitungsarchive. Denn das ist dem Manne peinlich. Nunmehr muss Google gegenüber Europäern auf Anfrage prüfen, ob Ergebnisse konform mit der EU-Datenschutzrichtlinie sind.

Damit hat die 16 Jahre währende „Anarchie“ des Google-Algorithmus nun weitere Einschnitte erfahren. Die Betreiber der Suchmaschine müssen letztlich zurückhaltender mit Informationen umgehen, als andere Informationsanbieter und ein „Recht auf Vergessen“ berücksichtigen. Während mir aus meiner Praxis etliche Fälle bekannt ist, in denen Personen ein sehr berechtigtes Interesse an der Löschung von Suchergebnissen auf denkbar sensible Daten haben, tendiert die vorliegende Sache eher gegen Querulanz und ermutigt wohl etliche Kläger. Das Landgericht Hamburg wird vermutlich bald einen Anbau bekommen …

Foto: Anwesen von Barbra Streisand, das sich gegen das Google-Auto wehrte, oder so ähnlich.

Copyright (C) 2002 Kenneth & Gabrielle Adelman, California Coastal Records Project, www.californiacoastline.org

12. Mai 2014

SPIEGEL-Presse ganz unten

 

1985 kritisierte Günter Wallraff in seinem Buch „Ganz unten“ die Arbeits- und Hygienebedingungen bei McDonald’s, die er als „Türke Ali“ recherchierte. Es dürfte in den 1980er Jahren niemanden gegeben haben, der dem Image des Fast-Food-Anbieters mehr und nachhaltiger zugesetzt hat als eben Günter Wallraff. Seine Recherchen haben ein Bewußtsein für diese Arbeitswelt geschaffen und vermutlich einiges gebessert.

Und jetzt wirbt gerade eine Postille, die seit einem Jahrzehnt bei vielen nur noch das „ehemalige Nachrichtenmagazin“ heißt, sogar in Radiospots mit der Verschwörungstheorie, Suggestivfrage, knallhartem Qualitätsjournalismus, ob Wallraffs „dubiose“ Geldzahlungen von McDonald’s in einem Zusammenhang mit einer Reportage über einen offensichtlich unzuverlässigen Lizenznehmer von Burger King stehe.

Die Vorstellung, Wallraff ließe sich zur Anschwärzung der Konkurrenz kaufen, ist so absurd, dass man sich wirklich fragen muss, ob man bei der SPIEGEL-Presse nicht einmal mehr plausible Schmutzkampagnen hinbekommt. Sehr peinlich.

8. Mai 2014

Bombe platzt im Bombenlegerprozess

 

Am 163. Verhandlungstag des Luxemburger Bombenleger-Prozesses über die geheimnisvolle Bombenserie zwischen 1984 und 1986 wurde gestern der vormalige Direktor des Luxemburger Gheimdienstes SREL, Marco Mille, vernommen. Mille hatte aufgrund des Buchs von Dr. Daniele Ganser über Stay Behind „NATO-Geheimarmeen in Europa“ (vulgo „Gladio“) nach einer möglichen Verbindung des vom SREL koordinierten Luxemburger Stay-Behind-Netzwerks „Le Plan“ zu den Anschlägen gesucht. Die allerdings waren in erster Linie für das Nachrichtenwesen und Ausschleusungen ausgebildet, nicht aber für Kampfeinsätze.

Nachdem Mille aus Gründen des Staatsschutzes vergeblich den Ausschluss der Öffentlichkeit gefordert hatte, legte er schließlich seine These offen. Mille vermutet, dass hinter den Bombenlegern ein gut organisierte Gruppe stehe, die unter Protektion des Nationalhelden und Armeeministers Emile Krieps gestanden habe. Tatsächlich würde ein solches Unternehmen denkbar gut zu Krieps Biographie passen: Krieps hatte im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis den Widerstand aufgebaut, in Großbritannien eine Ausbildung zum Geheimagent absolviert und war offenbar 1946 in einen drohenden Militärputsch gegen die Luxemburger Regierung verwickelt.

Nach einer Karriere beim Militär wechselte Krieps 1968 in die Politik und fungierte zwischen 1974 und 1984 als Verteidigungsminister. Wie das Luxemburger Wort berichtet, soll Krieps später versucht haben, die politische Kontrolle über den Sicherheitsapparat mit allen Mitteln zu festigen. Mille vermutet, dass Krieps eine paramilitärische Struktur aufbaute, die er selbst dem 1960 gegründeten zivilen Geheimdienst SREL verheimlichte, um im Falle eine eines Angriffs wie schon gegen die Nazis einen Partisanenkrieg führen zu können.

Auffällig ist, das die offensichtlich mit Insiderwissen durchgeführte Attentatsserie 1984 begann, nachdem Krieps infolge einer Wahlniederlage keine politische Kontrolle mehr auf den Sicherheitsapparat ausüben konnte. Gleichzeitig hatte auch der offenbar von ihm protegierte Elitepolizist Ben Geiben, der eine Antiterroreinheit im Stil der GSG9 aufgebaut hatte, überraschend seinen Hut genommen. Geiben gilt vielen als die ausfühende Hand der Anschläge. Durch diese wurde die Politik gezwungen, in den Sicherheitsapparat zu investieren, was Krieps zweifellos gefallen haben dürfte. Alles in allem bislang nur eine Verschwörungstehorie, allerdings aus der Feder eines Profis.

Der Prozess, der Luxemburg umkrempelt, ist das Spätwerk des Strafverteidigers Dr. Gaston Vogel, der schon seit langem in Luxemburg mit der Monarchie, der Kirche, dem Staat und vor allem aber den USA abrechnet.