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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


17. Mai 2016

In Hamburg darf man verlieren!

 

Eigentlich sah es danach aus, als würde Erdoğan mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu spät antanzen. Denn der Kollege wollte sich einen Monat mit der Antragstelleung Zeit lassen.

Lässt man sich nämlich zu viel Zeit, stellt man die Dringlichkeit infrage mit der Folge, dass nicht im einstweiligen Rechtsschutz vorgegangen werden kann. Es gibt keine festen Vorgaben, allerdings lassen die Pressekammern etwa fünf Wochen genügen. Bei einem Fall wie dem Böhmermann-Gedicht allerdings wäre es unverständlich, wenn man Wochen ins Land gehen lässt. Offenbar hat Erdoğans Anwalt noch rechtzeitig beantragt.

Anders als der Kollege Herr Prof. Dr. Höcker war Erdogans Münchner Anwalt so clever, die Sache am Landgericht Hamburg anhängig zu machen. Dort nämlich lässt man sich in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit nicht von Karlsruhe irritieren, sondern verbietet im Zweifel. Falls doch mal etwas durchsickert, wacht eine Ecke weiter die vormalige Belegschaft der Hamburger Pressekammer, die sukzessive zum Hanseatischen Oberlandesgericht aufgestiegen ist. Sogar geschehen bei den Prozesshanseln der ZEIT, die sich gegen die ZDF-Anstalt wandten.

Das Landgericht Hamburg hat – nicht ganz unerwartet – die Teile des Gedichts verboten, die einen Sexualbezug aufweisen, schreibt SPON. Erlaubt ist jedoch

„Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan der Präsident“ 

„Er ist der Mann der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt“.

Weshalb der Satz mit Mädchen schlagen und den Gummimasken erlaubt wurde, ist eine gute Frage. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich das Landgericht Hamburg nur einen Steinwurf entfernt von der Reeperbahn befindet, wo so etwas wohl normal ist. ;) Hätte ein eher ländliches Gericht geurteilt, wären vielleicht stattdessen die Ziegen erlaubt worden …

Wie die Sache ausgehen wird, ist ungewiss. Viele Hamburger Urteile wurde in Karlsruhe deshalb aufgehoben, weil die Hansesaten bei der Auzslegung von Äußerungen den Kontext nicht hinreichend würdigen. So hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09.03.2010, Aktenzeichen: 1 BvR 1891/05, den Hamburger ins bürgerliche Stammgesetzbuch geschrieben:

So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird.

(…) Die Beurteilung eines Vorgangs anhand rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden angesehen. Dies gilt in der Regel selbst für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich relevanter Tatbestand eingestuft wird.

(…) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde.

5. März 2016

Eigenmächtige Werbung mit Prominenten – Sixt mal wieder …

Der Auotvermieter Sixt bleibt sich treu und nutzt mal wieder (vermutlich eigenmächtig) ein Politiker-Portrait, um Aufmerksamkeit für seine Werbung zur erheischen. Oskar Lafontaine hatte einst Unterlassungs- und Schadensersatzklage eingereicht und zunächst am Landgericht Hamburg 100.000,- € erwirtschaftet. Der BGH jedoch meinte, dass sich ein prominenter Politiker jedenfalls dann eine Nutzung gefallen lassen muss, wenn sich diese satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt. Denn das fällt unter Meinung- und Pressefreiheit, und die darf auch ein Unternehmen für sich in Anspruch nehmen.

Dieses Urteil sowie der schließlich am EGMR in Straßbourg verhandelte Fall Prinz Ernst August ./. Lucky Strike waren richtungsweisend, weil bis dahin im Werberecht ein sehr scharfer Wind wehte. In diesem Bereich gibt es kaum Rechtsprechung, so dass bei Unternehmen bis dahin große Unsicherheit herrschte, ob etwa in Unternehmenszeitungen Prominente honorarfrei abgebildet werden dürfen. Eine Grenze dürfte erreicht sein, wenn ein Promi so abgebildet wird, dass der Eindruck entsteht, er würde hierfür Geld bekommen oder sich aus anderen Gründen bewusst für das Unternehmen verwenden.

Sixt fühlte sich durch die Entscheidung bestätigt und machte heiter weiter. Inzwischen gehört es für Spitzenpolitiker beinahe schon zum guten Ton, von Sixt verspottet zu werden … ;)

(Bilder: Bilder: e-Sixt GmbH & Co. KG)

 

 

 

 

23. Februar 2016

Sorayas Erbe – und was Jörg Kachelmann davon bekommt

Gestern hat das OLG Köln geklärt, wer das Erbe der 2001 verstorbenen Prinzessin Soraya Esfandiary Bakthiary antreten darf. Nach der Prinzessin vom Pfauenthron ist das lex Soraya benannt, nämlich ein Gesetzentwurf von 1958, der unbotmäßige Berichterstattung über den ausändischen Staatsgast unter Strafe stellen sollte. Ein Verfahren in diese Richtung war am Landgericht Hamburg initiert worden. Diese Einschüchterung hatten sich die Redaktionen jedoch nicht bieten lassen.

Der Beitrag handelte übrigens von einem drohenden Putsch. Wie die Geschichte zeigt, war dies ein Frage der Zeit.

Spannender als das finanzielle ist Sorayas presserechtliches Erbe:

Soraya ging nämlich gegen ein erfundenes Interview vor und schrieb schließlich Presserechtsgeschichte, indem sie am Bundesverfassungsgericht zivilrechtlich eine so im Gesetz nicht vorgesehene Geldentschädigung durchsetzte. Nach 12 Jahren erwirtschaftete die Ex-Prinzessin 15.000,- DM. Wenn sich die Presse eines besonders schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht schuldig macht, der nicht anders kompensiert werden kann, gibt es seither einen Anspruch eigener Art auf Geldentschädigung. Man muss also keine Schmerzen oder Behandlungskosten derselben nachweisen, sondern kann die Verlage auch so um Bares erleichtern.

Aktueller Rekordhalter ist Jörg Kachelmann, der in der ersten Instanz am Landgericht Köln auf das 635.000,- € kam.

 

17. November 2015

Matussek und das A-Wort – UPDATE

Der katholisch-konservative Dampfplauderer Matthias Matussek verfügt über eine bemerkenswerte presserechtliche Erfahrung mit dem A-Wort.

In der Kurt Krömer-Show war er vom Gastgeber als „Pöbelhans“, „Pöbler“ und „hinterfotziges Arschloch“ begrüßt worden. Seine Prozesshanselei gegen den Comedian fanden 2013 sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Hamburg albern. Da Matussek gute Miene zum Spiel gemacht und den Ball ebenfalls vulgär aufgegriffen hatte, musste er sich hieran festhalten.

Mehr Glück hatte Prozesshansel Matussek am Landgericht Köln, als er gegen die taz-Journalistin Silke Burmester vorging. Nachdem der WELT-männische Journalist von einem taz-Puff gesprochen hatte, wollte er nicht mit der Bezeichnung „Puffgänger“ leben. Einen solchen Gang dürfte er künftig auch nur schwer finanzieren können.

Denn nachdem die WELT-Chefedakteure einen Tweet Matusseks als „durchgeknallt“ getadelt hatten, nahm sich das Ehrenmitglied im Verein für deutsche Sprache die Freiheit, mit dem A-Wort zu parieren. Daraufhin reagierte das Haus nicht presse-, sondern arbeitsrechtlich und gab dem Mann den Laufpass. Wer selbst bei Springer aus charakterlichen Gründen rausfliegt, dem dürfte auf dem publizistischen Arbeitsmarkt nur ein geringes Spektrum zur Auswahl stehen.

UPDATE:

Matussek dementiert.

17. Juni 2015

Gerhard Schröder ./. DER SPIEGEL: Coverstory – Update

Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder soll gegenwärtig die Autorität genommen werden. Wer ein Putinversteher ist, muss nun einmal damit rechnen, dass z.B. Geheimdienstinformationen und ähnliches an die Presse gespielt wird. Das ehemalige Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, das Putin nicht jetzt stoppte, aber das vielleicht ja mal später schaffen wird, ist sich natürlich nicht für eine entsprechende Medienoperation zu schade. So bildete man den Kanzler neben zwei weiteren Gestalten des Berliner Politbetriebs auf dem Cover ab.

Dabei bediente sich DER SPIEGEL als Stilmittel in einer Fotomontage der Optik von erkennungsdienstlichen Fotos. Dies ist natürlich insoweit problematisch, als dass die Printmedien dem Kodex des Deutschen Presserats (ha-ha!) zufolge nicht vorverurteilend berichten sollen. Kanzler Schröder ist bekanntlich sehr sensibel und lässt am Landgericht Hamburg schon mal Haare spalten.

Nun hat Schröder den SPIEGEL abgemahnt. Der Schritt dürfte eher ein Pressegag des ehemaligen Medienkanzlers sein, denn als Politiker aus der ersten Reihe muss man eben etwas abkönnen und ein dickes Fell haben. Andererseits muss man ja in der Hamburger Pressekammer mit allem rechnen …

Den Titel „Die Verführung – Das Kasachstan-Komplott. Wie sich deutsche Politiker von den Millionen eines Diktators und seiner Diener locken ließen“ wird man bei entsprechend aufgebotenen Anlasstatsachen als zutreffende Tatsachenbehauptung oder zulässige Meinungsäußerung bewerten dürfen. Allerdings sind meine Erfahrungen mit dem SPIEGEL bei der Recherche nicht durchgehend überzeugend.

Schröder könnte sich indes gegen die Darstellung mit schwarzen Haaren wehren, falls diese sich inzwischen dem Weiß eines berühmten Hamburger Richters angepasst haben sollten. ;)

UPDATE:

Habe jetzt die SPIEGEL-Story durch. Meine Skepsis über die Qualität der SPIEGEL-Recherche war berechtigt. Die Story ist sehr gut (auch wenn mich die vermutlich unappetitliche Quelle interessieren würde), aber einen Gehalt, der eine Kriminalisierung Schröders tragen könnte, habe ich da nicht gefunden.

21. Mai 2015

Blome jetzt gestoppt!

Derzeit häufen sich die guten Nachrichten:

Ex-BILD-Mann Nikolaus Blome, in dessen Amtszeit das „Stoppt Putin jetzt!“-Cover fiel, ist nun auch ein Ex-SPIEGEL-Mann. Sein mitstoppender Chef Wolfgang Büchner war bereits gegangen.

Der Bahnstreik wird beendet. Damit endet dann auch die unfassbar plumpe Stimmungsmacher serviler Medien gegen GdL-Chef Weselsky.

DER SPIEGEL hat mir heute Geld überwiesen, und zwar mit Hilfestellung des Landgerichts Hamburg. Während des Bahnstreiks hielten es Blome & Co. nämlich für Journalismus, Gewerkschafter zu dissen, so auch im Fall meiner Mandantin, die aus altruistischen Motiven zur Überbrückung einer vorübergehenden Notlage aus ihren Privatmitteln ein Darlehen gewährt hatte. Dabei hatte sie auf Zinsen verzichtet und war auch in keiner Weise am Gewinn beteiligt. Als sie ein schillernder Zeitgenosse dann auch noch zum Verzicht auf die Rückzahlung bewegen wollte und mit schlechter Presse drohte, lehnte sie dankend ab. Schlechte Presse jedoch kann DER SPIEGEL gut und ließ sich in die unfassbar primitive Nummer einspannen. So bezeichneten Blomes Blattmacher das zinsfreie Darlehen als „stille Einlage“ und stellten die altruistisch handelnde Gewerkschafterin damit als Kapitalistin dar und schrieben noch anderen Dönekes.

DER SPIEGEL muss sich nun künftig ohne Blome blamieren.

6. Mai 2015

Streik im Hirn

 

Die tendenziöse Berichterstattung zum Bahnstreikt stößt etlichen Beobachtern auf. Ausgeblendet wird vor allem, dass die Streiks der Bahn im europäischen Vergleich sogar sensationell niedrig sind. Gerade heute fällt wieder das ehemalige Nachrichtenmagazin mit Problemen beim Einhalten der Sachebene auf. Als die Bahn vor einem halben Jahr streikte, schien die Qualitätsjournaille ebenfalls begierig zu sein, Gewerkschafter in die Spinnerecke zu stellen.

Damals erschien über eine Mandantin von mir ein unfassbar schwach recherchierter Artikel, dessen Autorin sich im Wesentlichen auf die Darstellung der einen Seite verließ und unschlüssige Anschuldigungen ungeprüft übernahm. Die Verdrehungen in dem Artikel waren wirklich abenteuerlich. So wurde jemand wegen einem privaten, zinsfreien Darlehen als böse dargestellt, weil er das altruistisch vorgetreckte Geld nach Jahren nun einmal wieder zurück haben wollte. Schon die evident falschen juristischen Begrifflichkeiten, die eine Gewinnerzielungsabsicht suggerierten, hätten den Qualitätsjournalisten auffallen müssen.

Das ehemalige Nachrichtenmagazin war außergerichtlich nicht bereit, den Beitrag bis auf eine unwesentliche Falschinformation zu korrigieren, obwohl der Zeuge, auf den sich das Blatt verließ, nun einmal mindestens schillernd war und eigene Motive hatte. Wäre ich Chefredakteur gewesen, hätte ich die Journalistin nach dieser unfassbar peinlichen Fehlleistung noch am selben Tag freigestellt und wäre mit einem Blumenstrauß zu der Gerwerkschafterin gefahren, um mich für den Rufmord zu entschuldigen.

So aber bedurfte es einer einstweiligen Verfügung, die man in Hamburg zähneknirschend akzeptierte. Das mutmaßliche Ziel, Stimmung gegen Gewerkschafter zu machen, war ja inzwischen erreicht.

19. Februar 2015

Doppelter (lucky) Strike: Ernst muss August bleiben, Bohlen ist verloren

58844657 58844652

Prinz Ernst August von Hannover musste wahrscheinlich heute erst einmal zur Beruhigung eine rauchen gehen, als er vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erfuhr. Der nämlich hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestätigt, der auch werbetreibenden Unternehmen die Ausübung der Meinungs- und Satirefreiheit zubilligt. Auch Herr Bohlen wurde in Straßbourg nicht der gesuchte Super-Kläger.

Diese Ernst-August-Entscheidung war neben der Sixt-Entscheidung richtungsweisend etwa für Corporate Magazines, die trotz Werbecharakter pressemäßig auch über Prominente berichten dürfen. Die Grenze dürfte da erreicht sein, wo man erwarten darf, dass sich ein Prominenter typischerweise nur gegen Geld auf eine Zusammenarbeit einlassen würde.

Ursprünglich hatte Hannover in Hamburg Erfolg, wo man dem privilegierten Superreichen sogar noch Geld in den Rachen warf. Aber Straßbourg liegt nun einmal näher an Karlsruhe. Bemerkenswert ist, welche Lebenserwartung man benötigt, bis eine Äußerung in Europa rechtssicher getätigt werden darf: 15 Jahre. Die allerdings könnte durch Zigarettengenuss verkürzt werden.

Bilder: British American Tobacco (Germany) GmbH

21. Dezember 2014

Zeuge Udo Jürgen Bockelmann (1934-2014)


Udo Jürgens — Der gläserne Mensch – MyVideo

In seinem letzten Album „Mitten im Leben“ textete Udo Jürgens bemerkenswert politisch. Insbesondere griff er den NSA-Überwachungsskandal auf. Den Wert der Privatsphäre besang er u.a. 1977 („Ein ehrenwertes Haus“), als sich impertinente Nachbarn an einer „wilden Ehe“ störten (wie sie heute unser moralinsaurer konservativer Bundespräsident vorlebt). Auch mit der BILD-Zeitung sammelte Jürgens seit den 1960er Jahren seine Erfahrungen:

„Ja. Ich bin kraft meines Berufes sehr bekannt, weit über 90 Prozent, und ständiger Gast in wahren und unwahren Geschichten des Springer Verlags. Das Verhältnis ist aber ausgezeichnet.“

2002 war Udo Jürgens Gast in Richter Buskes Hamburger Pressekammer, wo er persönlich als Zeuge über ein angebliches Techtelmechtel mit Dauerklägerin Caroline von Monaco aussagen und sehr private Fragen beantworten musste. Jürgens selbst war alles andere als ein Prozesshansel:

„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“

 

11. Dezember 2014

Weihnachtspost von Joffe

Siehe auch