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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


20. Juni 2010

Frau Wagenknechts innere Tatsachen

Die telegene Politikerin Sarah Wagenknecht hatte den bedruckten Papierhaufen Super-ILLU auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil darin kritisch über ihren Mann und den für eine Kommunistin als widersprüchlich empfundenen Lebensstil der Hummer schätzenden Politikern berichtet wurde. Auch von alten Geschichten über die Geschäfte ihres Mannes wurde berichtet (die Zeitung hatte irrtümlicherweise insoweit auch etwas verwechselt). Der Mann residiert nämlich nicht in einem Osterberliner Plattenbau oder einer Datscha, sondern in einem schicken Reetdachhaus in Irland, wo man sich im Garten über die Nöte der deutschen Arbeiterklasse sorgt. U.a. die sinngemäße Äußerung, ihr Mann sei ihr peinlich, wollte Frau Wagenknecht verboten wissen.

Auch innere Vorgänge wie Gefühle usw. können Tatsachen sein, obwohl wenn man sie nur indirekt beweisen kann, sogenannte „innere Tatsachen“. Die Äußerung über eine fremde Meinung ist eine Tatsachenbehauptung, ggf. auch die Meinung über eine fremde Meinung (kompliziert, das …). Da im Äußerungsrecht grundsätzliche der Äußernde die Beweislast trägt, gerät dieser bei inneren Tatsachen naturgemäß in Beweisnöte.

Das Landgericht Hamburg hatte in erster Instanz Plastikstühle als Indiz dafür gewertet, dass es unter Frau Wagenknechts Hintern so feudal gar nicht zugehe und bestätigte die einstweilige Verfügung insgesamt.

Doch die Plastikstühle nutzten dann doch nichts. In der Berufung beim OLG Hamburg kam es zu einem für Wagenknecht überwiegend nachteiligen Vergleich. Dem Protokoll des inoffiziellen Gerichtsschreibers zufolge sah das Hanseatische OLG die Schlussfolgerung, ihr Mann sei der Politikerin „peinlich“, als zulässige Meinungsäußerung an. Vom Verbot blieb offenbar gerade einmal die Nennung des Ortsnamens übrig.

Auch mit dieser Verhandlung zeichnet sich ein Trend ab, dem zufolge das OLG Hamburg – ebenso wie das LG Berlin – die in letzter Zeit aus Karlsruhe erfolgten Klatschen offenbar ernst nimmt und die exzessiven Eingriffe in die Meinungs- und Pressefreiheit der Hamburger Pressekammer nicht mehr weiter mittragen möchte. Wurde auch langsam Zeit.

15. Juni 2010

„Streit um die Pressefreiheit“

Die Süddeutsche Zeitung nimmt den Fall Kachelmann zum Anlass, um auf das Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrecht und Presseinteresse hinzuweisen. Dort heißt es unter anderem:

Erhöht wird die Unsicherheit für die Medien durch eine prozessrechtliche Besonderheit, den „fliegenden Gerichtsstand“. Dahinter verbirgt sich kein orientalisches Märchen, sondern die Wahlfreiheit der Anwälte, an welches Gericht sie ihre Klage adressieren. Wurde der Artikel bundesweit verbreitet, kann die „Verletzung“ des Persönlichkeitsrechts nämlich überall eingetreten sein. Beliebt bei Klägeranwälten sind etwa die Pressekammern in Hamburg und Berlin – auch wenn Schertz deren angebliche Einseitigkeit zulasten der Presse als „völligen Quatsch“ bezeichnet.

Ob das wirklich so völliger Quatsch ist …?

31. Mai 2010

Bunter Stern

Die BUNTE ist noch immer sauer auf den stern, dessen Lichtschein Schatten auf erhellende Beschattungen warf, die dann aber nur schattierende Fotos betroffen haben sollen, weshalb der Presserat einen Schatten hatte und die Vorgänge als unaufklärlich einstufte und nicht zu presseratsitzen wollte, weshalb die BUNTE nun in einer norddeutschen Pressekammer vorstellig wird, wobei man nicht schnödes Geld wünscht, sondern Unterlassung begehrt.

26. Mai 2010

KIK ./. NDR

Nach einem Bericht von Panorama (NDR) über den Kleider-Disounter KIK feuerte deren Anwalt eine Schrotflinte voller Anträge auf  einstweilige Verfügungen ab, von denen einige trafen, die meisten jedoch abgelehnt wurden. Wie der NDR nun mitteilt, lässt man sich auch diese nicht gefallen.

Monitor hatte letztes Jahr KIK ebenfalls behandelt:

UPDATE: SPON berichtet Einzelheiten. KIK war wohl in der Darstellung seiner Hamburger Erfolge ein bisschen zu temperamentvoll:

(…) Der NDR-Beitrag habe aber Fabriken in Bangladesch gezeigt, die nicht für den Discounter produzierten, wurde eine Kik-Sprecherin noch nach der Gerichtsentscheidung zitiert. In ihrer einstweiligen Verfügung hatten die Richter jedoch einen diesbezüglichen Vorwurf des Discounters zurückgewiesen, da es sich um Symbolbilder gehandelt habe.

Erfolgreich war Kik etwa mit dem Punkt, es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, als habe Firmenchef Stefan Heinig zwei Busse für einen Fußballverein gesponsort. Schon zuvor war der medienscheue Heinig mit dem Versuch gescheitert, eine Sequenz verbieten zu lassen, in der er von einem Reporter befragt wurde. (…)

Tim Cole darf Frank Schirrmacher nicht mehr schmähen

Der Publizist Tim Cole, „Wanderprediger des deutschen Internets“, darf nicht mehr gegen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher pöbeln. Auch die Kanzlei, welche derzeit im Angriff die Diözese Regensburg vertritt, konnte in der Abwehr nicht helfen.

In der Sache ging es um einen indirekten Nazi-Vergleich, den Schirrmacher als schmähend empfand. Cole hingegen ging es um die Darstellung der Methode Schirrmachers, doch das Landgericht Hamburg (Internetkammer) sah einen Angriff in der Person und erkannte auf Schmähkritik.

Schmähkritik ist eine beleidigende Meinungsäußerung, bei der es dem Äußernden in erster Linie um die Herabsetzung der Person geht, die sachliche Auseinandersetzung in den Hintergrund tritt.

Damit die Internetkammer Hamburg zu diesem Ergebnis kam, relativierte sie – ganz nach Hamburger Brauch – den Kontext und machte aus Coles grenzwertiger, aber durchaus analysierender Meinungsäußerung eine Schmähkritik, die das Persönlichkeitsrecht Schirrmachers verletze, was schwerer wiege als der Eingriff in die Meinungsfreiheit.

Man kann ja durchaus geteilter Auffassung zu Nazivergleichen und Hypotehesen sein, aber gerade einem politischen Publizisten wie Schirrmacher stünde eine Auseinandersetzung in der Presse besser zu Gesicht als im Gerichtssaal. Gerade Schirrmacher sollte ein dickes Fell zuzumuten sein, hatte er doch 2002 Martin Walser in ähnlicher Weise geschmäht, dessen Buch sogar vor Erscheinen reZENSIERT.

Die Aussicht, dass man in Karlsruhe Coles Äußerung noch als zulässig im Sinne der Meinungsfreiheit ansehen würde, halte ich für gegeben. Die Aussicht, dass Leute wie FAZenmacher Schirrmacher der Pressefreiheit Ehre machen, hingegen nicht.

25. Mai 2010

Bistum Regensburg ./. Aigner – die Kirche spricht

Die Pressestelle der Diözese Regensburg hat nun endlich die Kanzel bestiegen und predigt ihre Sicht der Dinge:

Glaubt man dem Bistum, so hatte seinerzeit nicht die Kirche um Stillschweigen gebeten, sondern die Familie des Missbrauchsopfers. Dies hatte der SPIEGEL genau umgekehrt berichtet, was dem Bistum zufolge der SPIEGEL hätte recherchieren können bzw. hierauf hingewiesen wurde.

Die wahren Tatsachen lagen dem Spiegel vor, das Bistum hatte belegt mit Dokumenten, die die Behauptung des Magazins unbestreitbar widerlegen. Im Gegenzug belegten weder der Spiegel noch andere Medien auch nur ansatzweise einen Zusammenhang zwischen geleisteten Zahlungen und der behaupteten und falschen Vertuschungsabsicht.

Trifft dies zu, dann wäre es tatsächlich schwacher Journalismus gewesen. Da die Verbreitung unzutreffender Tatsachenbehauptung nicht geschützt ist, wäre den Betroffenen daher durchaus ein Unterlassungsanspruch zuzubilligen (wobei sich die Frage stellt, ob denn für die Diözese auch eine Art „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ gilt).

Seltsam ist jedoch, dass die Pressestelle sich zuvor etwa dem NDR gegenüber zugeknöpft gab. Das hätte man doch gleich einfach kurz richtig stellen können, der Fall wäre erledigt gewesen. Seltsam ist, dass man es nicht beim Vorgehen gegen den SPIEGEL belassen hat, sondern den SPIEGEL-lesenden Bloggern hinterher steigt wie die Spanische Inquisition.

So aber hat man einen Blogger gegenüber, der auf die SPIEGEL-Meldung vertraute, die juristische Keule ausgepackt. Und dem Blogger Stefan Niggemeier, der auf den Blogger vertraute, der dem SPIEGEL vertraute, auch eins übergebraten. Da können Kirchens 10x (Persönlichkeits-)Recht haben, so eine Arroganz ist keine zeitgemäße Form geistiger Auseinandersetzung – schon gar nicht, wenn man die Katholische Kirche in diesen Tagen repräsentiert.

18. Mai 2010

Pirate Bay: Gegen fliegenden Gerichtsstand hilft fliegender Piratenstand

Die Richter in der Hanseatischen Hafenstadt Hamburg sehen vom Piratenschiff nur noch das Heck: Statt sich etwas vom „fliegenden Gerichtsstand“ anzuhören haben die Piraten den Fliegenden Holländer bestiegen und Anker vor der Ukraine gesetzt!

Da wird die Content-Industrie noch viel lauter „Kinderpornografie“ rufen müssen, bis sie die Internetsperren endlich durchgesetzt kriegt …

14. Mai 2010

Von einem, der auszog, von BILD Schadensersatz zu erhalten …

Während Unterlassungsverfügungen gegen die Presse relativ leicht zu bekommen ist, tun sich die Gerichte schwer, wenn sich jemand an einer Zeitung finanziell gesund stoßen will. Wie sehr ein solcher Prozess zeitlich und wirtschaftlich aus dem Ruder laufen kann, zeigt der seit fünf Jahren andauernde Prozess gegen den Axel Springer-Verlag wegen einer unappetitlichen, aber boulevardesk brauchbaren Story der BILD-Zeitung über eine Belanglosigkeit im Rotlichtviertel von Bangkok, deren Wahrheitsgehalt nicht überbewertet werden sollte.

Wie sich der kaputte Fall entwickelte und was es dem Kläger (nicht) gebracht hat, weiß unser Mann in Hamburg.

5. Mai 2010

Niggemeier soll auf den Index


Heute morgen noch hatte ich folgende Weisheiten im Blog von Stefan Niggemeier hinterlassen:

Ich vertrete gerade jemanden, der wahrheitsgemäß über eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg berichtete, die gegen eine Bloggerin erlassen wurde.

Die Bloggerin erweckte zuvor nach Meinung der Richter durch Äußerungen einen angeblich unwahren Eindruck. Mein Mandant hat die ihr verbotenen Äußerungen nicht einmal wiederholt, sondern nur den insoweit verkürzten Unterlassungstenor mit dem angeblichen Eindruck.
Zusätzlich berichtete mein Mandant jedoch, ihm lägen schriftliche Aussagen von Zeugen vor, welche den verbotenen Eindruck bestätigen.

Mein Mandant hat nichts Unwahres geschrieben, auch nicht, ob er den Zeugen mehr glaubt und was diese genau sagen. Er hatte auch nicht einmal gesagt, dass er das zutreffend berichtete Gerichtsverbot für falsch hielte (und wenn, wäre es sein gutes Recht auf Meinungsfreiheit).

Trotzdem hat das Landgericht Hamburg auch meinem Mandanten gegenüber eine einstweilige Unterlassungsverfügung erlassen, weil seine unbestritten wahre Berichterstattung den Eindruck erwecke, den man der Bloggerin verboten hatte. Der Mandant hat dann sogar einen höheren Streitwert aufgebrummt bekommen!

Der größte Witz: In der mündlichen Verhandlung konnte jedermann die Zeugen sehen und hören, welche den verbotenen Eindruck bestätigten. Eigentlich müsste sich jetzt das LG Hamburg selbst verurteilen, denn nun ist es das LG Hamburg, das den verbotenen Eindruck erweckt … ;-)

Und:

Lieber Herr Kollege M.,

Ihre Einlassung „Warum bitte, soll bei einer schädlichen Falschbehauptung immer das „Opfer” die Belastung tragen müssen und der „Täter” kein Risiko?” halte ich für Polemik, da Sie es als Anwalt der medienrechtlich bekannten Kanzlei Schalast&Partner besser wissen.
Selbstverständlich muss man sich gegen Verleumdung und üble Nachrede zur Wehr setzen können.
1.
Doch in Hamburg werden durch die „Stolpe-Rechtsprechung” und „Eindrucks-Rechtsprechung” regelmäßig Behauptungen untersagt, die man nie aufgestellt hat. Damit lassen sich viele (prinzipiell zulässige) Meinungsäußerungen in (leicht zu verbietende) Tatsachenbehauptungen umdeuten.
2.
Aufgrund der Beweislastumkehr im Äußerungsrechtsrecht müssen Blogger, die einen Verdacht äußern, diesen beweisen, als ob sie die Mittel der Staatsanwaltschaft hätten, während sich der Abmahner entspannt zurücklehnen darf. So können kritische Presse und Bloggerei nicht funktionieren. Demokratie und kultureller Fortschritt leben von Kritik.
3.
Das seitens Karlsruhe vehement von Hamburg eingeforderte Korrektiv „Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht zur Meinungsfreiheit” wird praktisch gar nicht praktiziert.
4.
Aufgrund der Eigenheiten des Eilverfahrens werden Blogger mit einstweiligen Verfügungen geradezu überfallen und unter erheblichen Kostendruck gesetzt.
5.
Es gibt kein überzeugendes Argument dafür, dass sich zwei Parteien aus Bayern nach Hamburg bemühen müssen, nur weil man zufällig auch da einen Internetanschluss hat. Das Landgericht Regensburg beschäftigt zweifellos gestandene Juristen, denen fähige Anwälte notfalls unter die Arme greifen können.
6.
Es ist eine logische Reaktion, dass gegängelte Blogger in Anonymität und/oder ins Ausland ausweichen. Damit haben Sie bzw. Ihre Kanzlei Schalast & Partner ja auch schon vergleichbare Erfahrungen gemacht: http://www.wipo.int/amc/en/dom…..-0987.html

Ungleich sinnvoller wäre es daher, mit Bloggern auf Augenhöhe zu reden und die Angelegenheiten auf dem kleinen Dienstweg zu regeln, wo dies möglich ist.

Nun hat sich der Blogger-Kollege Niggemeier nicht nur von der Volks-Bibel streuenden BILD-Zeitung Abmahnungen eingefangen, sondern auch vom Regensburger Oberdomspatz, der sich in der Berichterstattung über seine Abmahnungen nicht so recht gefallen mag. Realsatire pur!

4. Mai 2010

BILD muss Ausfallkosten für satirischen TAZ-Spot(t) bezahlen

Weil die TAZ ihren legendären „Gib mal TAZ“-Spot wegen einer vom Axel Springer-Verlag zu Unrecht erstrittenen einstweiligen Verfügung nicht verwerten konnte, hat sie Anspruch auf Schadensersatz. -> Kalle, gib mal Kohle!.