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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


24. September 2011

Kohl-Söhne erwirken einstweilige Verfügung gegen Hannelore-Kohl-Biograph Schwan

Die Söhne des Altkanzlers haben gegen den früheren WDR-Autor Heribert Schwan am Landgericht Hamburg eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen einer in einem Interview gefallenen Äußerung erwirkt. Schwan, der ein umstrittenes Buch über Hannelore Kohl veröffentlicht hatte, äußerte sich wie folgt:

„Beide müssen den Vorwurf hinnehmen, dass sie die Mutter im Stich gelassen haben – sie sind mitschuldig am Tod der Mutter.“

Die Entscheidung ist insoweit bemerkenswert, als dass es sich um ein überwiegend wertungsgeprägte Äußerung handelt, die außerhalb Hamburgs mit hoher Wahrscheinlichkeit als Meinungsäußerung angesehen worden wäre. Die Äußerung enthält die Tatsachenbehauptung des Im-Stich-Lassens, für die der Autor ggf. darlegungs- und beweisbelastet ist, also Anhaltspunkte liefern muss, auch bei nur indirekter Andeutung dürfte man starke Wertungen nicht völlig ins Blaue hinein tätigen. Da in Hamburg bei entsprechenden Anträgen auf Erlass einstweiliger Verfügungen der Gegner grundsätzlich nie vorher angehört wird, konnte er insoweit wohl auch nichts glaubhaft machen. (Andere Gerichte hören oft den Gegner vorher an.)

Manche wird überraschen, dass auch die Einleitung auf der Meta-Ebene „Beide müssen den Vorwurf hinnehmen“ nicht geholfen hat, die Äußerung insgesamt als Meinungsäußerung zu kennzeichnen. Kenner der Rechtsprechung der Zivilkammer 24 wissen jedoch, dass derartige Einkleidungen das Landgericht Hamburg nicht ineteressieren: wo immer die Zivilkammer 24 in einer Meinungsäußerung einen Tatsachenkern erspäht, wird dieser geerntet – auch, wenn es dafür regelmäßig aus Karlsruhe wegen der Missachtung der Meinungsfreiheit auf die Finger gibt (z.B. FraPort, Schrempp).

Eine zweite Angriffsfläche wäre die Privatsphäre, über die nur bei hinreichendem Interesse der Öffentlichkeit berichtet werden darf. Nachdem die Rechtsprechung die Rechtsfigur der „absoluten Personen der Zeitgeschichte“ vor Jahren abgeschafft hat, wäre heute selbst die Privatsphäre der höchstprominenten Frau Kohl nur im begründeten Einzelfall der Öffentlichkeit zugänglich. Die Privatsphäre der Kohlsöhne ist erst recht geschützt. Insoweit ist bemerkenswert, dass einer der Kohlsöhne ja seine Memoiren geschrieben und damit seine eigene Privatsphäre insoweit selbst geöffnet hat.

Der Fall bleibt interessant.

Anzumerken wäre noch, dass offenbar nur der Autor selbst angegriffen wurde. In früheren Zeiten hatte das Landgericht Hamburg auch das Medium eines Interviews angegriffen, welches sich angeblich den Inhalt des Interviews zu eigen mache und daher dort behauptete Tatsachen nachrecherchieren müsse. Auch das hat Karlsruhe nicht mitgemacht.

(Der Autor hat zur Kohl-Familie keine Meinung und macht sich insbesondere das Zitat nicht zu eigen.)

UPDATE: SPON bringt einen Kurzbeitrag mit Schelte auch von Altkanzler Kohl. Dort bezeichnet man den Suizid als „Selbstmord“.

15. September 2011

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (8)

Der verkannte Krebs-Behandler Herr Dr. Nikolaus Klehr verklagt gerade eine Person sowie Google auf Unterlassung, weil diese angeblich ein Zitat des vormaligen Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer, Herrn Dr. Hans Hege ventilierten, der den werten Herrn Dr. Nikolaus Klehr „ein erwerbsgetriebenes Ungeheuer“ und einen „Scharlatan genannt haben soll.

In der Sendung Panorama“ vom 10.12.1998 soll Herr Dr. Hege angeblich gesagt haben:

“Wir sind der Überzeugung, dass ein Mensch, der sich so verhält wie Herr Dr. Klehr, entweder ein Ungeheuer ist, ein – ich sage bewusst: ein erwerbsgetriebenes Ungeheuer ist, oder aber – nämlich dann, wenn er wirklich eine wirksame Methode haben sollte – oder aber schlicht und einfach, und das ist meine persönliche Überzeugung, ein Scharlatan, der mit der Hoffnung von Krebskranken Geld macht.”

Man hat mir gesagt, im Internet seien diese Worte unter

http://www.esowatch.com/media/Klehr/klehr.mpg
http://www.esowatch.com/media/Klehr/klehr.wmv

bei Minute 1:20 bis 2.01 zu finden. Ich wage es jedoch gar nicht, mir diese Sendung überhaupt anzusehen, erst recht nicht, sie zu verlinken, weil ich mir nach Meinung meiner Leser in Hamburg dann möglicherweise Inhalt zu eigen machen würde. Das möchte ich aber nicht, weil es anscheinend irgendwelche Details gibt, die Herrn Dr. Klehr stören. Wer sich für das Zitat des Herrn Dr. Hege interessiert, möge den Panorama-Beitrag bitte nur von Minute 1:20 bis 2.01 zur Kenntnis nehmen und ansonsten sie Sendung auslassen, in der vermutlich von vorne bis hinten gelogen wird und die Persönlichkeitsrechte und unternehmerischen Interessen des Herrn Dr. Klehr mit Füßen getreten. Ich distanziere mich ausdrücklich von diesem möglicherweise verleumderischen Panorama-Beitrag, insbesondere von den Behauptungen über angebliche Endotoxine, davon verstehe ich nichts. Und ich mache mir insbesondere auch nicht das Zitat des Dr. Hans Hege zu eigen. Herr Dr. Niklaus Klehr ist kein Ungeheuer, sondern humanoid. Der Erwerb ist sicherlich nur ein Nebenprodukt von Herrn Dr. Klehrs unermüdlichem Kampf gegen den Krebs, dem seine missgünstigen Mitbewerber die Anerkennung versagen. Und nur, weil etliche Ärzte Herrn Dr. Klehr öffentlich einen Scharlatan genannt haben, muss das ja nicht stimmen, so dass ich mich auch von dieser wertungsgeprägten Äußerung distanziere, denn ich bin kein Mediziner.

29. August 2011

Hamburger Pressekammer verhandelt um 7.00 Uhr morgens!

Jeden Freitag eröffnet die Pressekammer die wöchentliche Sitzung um 9.55 Uhr mit den Verkündungen, ab 10.00 Uhr beginnen die Termine. Bereits vor einiger Zeit war auf der Terminrolle mal ein Termin aufgetaucht, der ca. eine Stunde früher begann. Einem gewissen Gerichtsreporter kam der Verdacht, man versuche, seine Berichterstattung zu umgehen. Da der Mann jedoch Frühaufsteher ist, erspähte er diesen ungewöhnlichen Termin rechtzeitig, um die Ereignisse in der ihm eigenen Art zu würdigen.

Vergangenen Freitag jedoch rieben sich die Kollegen, welche die Terminrolle sahen, die Augen, fragten sogar ungläubig den Vorsitzenden nach einem Druckfehler. So waren dort tatsächlich zwei Sachen eines Klägers um 7.00 Uhr morgens angesetzt worden – eine Zeit, in der allenfalls Reinigungs- und Verwaltungspersonal die Flure des Landgerichts Hamburg bevölkert.

Wie Nachforschungen ergaben, war dieser Termin keineswegs kurzfristig eingeschoben worden, sondern stand über eine Woche fest. Er war allerdings sehr kurzfristig dann doch ausgefallen und ist auf November verschoben worden. Sollte es sich tatsächlich um ein Manöver gehandelt haben, um den Gerichtsblogger auszubremsen, so wäre dies untauglich: Der Mann ist ehemaliger Bergsteiger und hatte einmal die erste Polarexpedition der DDR vorbereitet. Wer seinen Kampfgeist brechen will, muss noch früher aufstehen… ;-)

19. August 2011

Mündliche Verhandlung im Blindflug

Eigentlich hätte es für die Antragsgegner gar nicht schlecht ausgesehen: Der Vorsitzende der Hamburger Pressekammer hatte an diesem Vormittag kundgetan, die BGH-Entscheidungen zu FraPort und Schrempp enthielten wohl die Botschaft, dass man nicht zu schnell auf Tatsachenkerne springen solle, wenn es einen wertenden Kontext gäbe. Genau das hatte ich ihm seit fünf Jahren zu verklickern versucht. Bislang hatten die Hamburger gerne in wertenden Äußerungen nach „Tatsachenkernen“ gesucht, die zu beweisen seien. Insoweit hatte man „Anlasstatsachen“ aufbieten und beweisen müssen, was insbesondere dann kaum zu leisten war, wenn man einen angeblich erweckten Eindruck „beweisen“ musste. Dieser Spuk, der etliche Menschen beinahe in den Wahnsinn trieb, scheint nun tendenziell der Hanseatischen Rechtsgeschichte anzugehören.

Heute wäre denn auch eine Gelegenheit gewesen, die Rückkehr der Meinungsfreiheit nach Hamburg in einem Urteil zu manifestieren. Leider gingen die Antragsgegner in die Falle des routinierten Angreifers.

Einem Ehepaar war aufgefallen, dass eine angehörende Seniorin in einem Pflegeheim anscheinend nicht genug Flüssigkeit zu sich nahm. Sie machten das Personal darauf aufmerksam und forderten vergeblich einem Bericht über die Flüssigkeitsaufnahme an. Nachdem das Ehepaar einer Zeitung seine Beobachtung mitgeteilt hatte und diese darüber berichtete, fand das Institut, es sei der Eindruck entstanden, die Seniorin sei nicht ausreichend versorgt worden. Die Einrichtung erwirkte gegen das Paar eine einstweilige Unterlassungsverfügung.

Das Institut machte keine halben Sachen und hatte hierzu einen Hamburger Medienanwalt beauftragt, der mit den Feinheiten des Hanseatischen Medienunrechts bestens vertraut ist, während sich das Ehepaar von einem Kollegen vertreten ließ, dessen Qualitäten eher auf anderen Gebieten zu vermuten sind.

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung überreichte der Vorsitzende dem Ehepaar-Anwalt die Antragsschrift, die da noch so rumliege. Der Kollege hatte demnach Widerspruch erhoben, ohne zuvor oder jemals die Antragsschrift abzufordern … Mit anderen Worten: Der Kollege wusste gar nicht, was der Angreifer vorgetragen hatte, um die einstweilige Verfügung zu erhalten, war also unvorbereitet und hoffte, mit präsenten Zeugen etwas zu reißen (die jedoch in Hamburg so gut wie nie gehört werden).

Der verduzte Kollege kam nicht einmal auf die Idee, sich eine Lesefrist auszubitten und setzte seinen Blindflug fort. Der überforderte Kollege ließ sich sogar noch eine Unterlassungserklärung aus dem Kreuz leiern, obwohl es durchaus Chancen gegeben hätte, die Sache als zulässige Verdachtsberichterstattung hinzubiegen. Man denke an die neulich ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugunsten der Whistleblowerin Brigitte Heinisch.

Das Ehepaar, das in Sorge um die Verwandte auf einen Missstand hinwies und moralisch handelte, bleibt nun auf teuren Anwalts- und Gerichtskosten sitzen.

UPDATE: Hier ist der Zeitungsbeitrag, der nicht oder nicht erfolgreich angegangen wurde. Ein Pflegehelfer, der sich als Whistleblower versuchte, ist seinen Job los. Übrigens hatte die Hamburger Pressekammer 50% der beantragten Unterlassungen von sich aus abgelehnt.

29. Juli 2011

Die Türkei liegt im Gerichtsbezirk Hamburg

Wie der Kollege Möbius berichtet, hat das Landgericht Hamburg gegen einen türkischen Provider die internationale Zustellung eines Unterlassungsbeschlusses zum Zwecke der Vollziehung im Parteiwege unter Einschaltung des Gerichts wurde bewilligt. Es traf dem Kollegen zufolge einen Provider, der explizit warb:

„Hallo Deutschland! Grüezi Schweiz! Servus Österreich! Willkommen! Spüren Sie die Freiheit im Internet? Lernen Sie es kennen, ziehen Sie auf die linke Datenspur und geben Sie vollgas und das völlig anonym!“

Tja, dann müssen sich die Kunden halt einen russischen Provider suchen …

27. Juli 2011

Missglückte Anträge auf einstweilige Verfügungen


Barbra Streisand – If You Go Away (Ne Me Quitte… von la_shivi

Das Spielchen mit beantragten einstweiligen Unterlassungsverfügungen ist u.a. deshalb so spaßig, weil bei direkter der Gegner normalerweise nichts von dem erfolglosen Versuch erfährt. Der gescheiterte Angreifer kann also häufig das Gesicht wahren.

Neben den Fällen, in denen die Kammer wegen Bedenken den Gegner vor Erlass einbezieht oder wegen hinterlegter Schutzschrift einbeziehen muss, gibt jedoch noch weitere Methoden, wie man entsprechende Peinlichkeiten aufspürt, die insbesondere unser lieb gewonnener Stammgast der Hamburger Pressekammer perfektioniert hat.

Besonders freut er sich natürlich dann über Rohrkrepierer, wenn diese von seiner Lieblingskammer gedeckelt werden. So geschehen etwa mit diesem von der Pharmaindustrie in den Sand gesetzten Zensurversuch, Nr. 103 im Schälike-Verzeichnis. Es ging wohl um ein Verbot dieses Beitrags, von dem ich mich natürlich mit dem Ausdruck der Entrüstung distanziere. Frau Streisand, hätten Sie Zeit für uns …?

26. Juli 2011

Wurde Günther Jauch ein Ohr abgeschnitten?

Günther Jauchs Anwalt sieht auf Fotos Dinge, die sonst niemand sieht. Manche Dinge sieht auch das Landgericht Hamburg, das manchmal bei nicht farbechter Wiedergabe eine Persönlichkeitsrechtsverletzung annimmt, weil etwa jemand kränklich aussieht usw. Neulich aber wurde es auch der farbenfrohen Pressekammer zu bunt:

Jauchs Anwalt monierte, dass Jauch nebst Gemahlin (deren Namen man nicht einmal nennen soll) auf der Titelseite der Postille „Viel Spaß“ in einer montierten Weise abgebildet wurde. Wegen der Bildaufteilung hatte man die Eheleute näher aneinander gerückt. Weil in dieser Position die auf der Originalaufnahme von hinten auf Jauchs Schulter gelegte Hand nicht mehr so recht passte, hatte man die Hand weggephotoshoped, zumal eine Kollision mit dem Logo beknackt ausgesehen hätte.

Jauchs Anwalt wollte hierin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung erkennen, zumal man die Fotomontage als solche nicht erkennen würde, was ja ganz schlimm sei. Allerdings steht da rechts oben „Fotomontage“ dran, denn auch bis zu „Viel Spaß“ hatte sich die alberne Ron Sommer-Entscheidung herumgesprochen, in der die Erkennbarkeit einer Montage streitig war.

Nach Meinung des Promi-Anwalts würde durch die montierte Position der Eindruck erweckt, zwischen den beiden gäbe es Knatsch. Außerdem wollte der Anwalt erkannt haben, seinem Mandanten sei am Ohr etwas weggeschnitten. Zwar sieht das Ohr tatsächlich eher aus wie das von Mr. Spock auf Drogen, aber das tat es auch schon auf der Originalaufnahme. Wäre diese unglückliche Einstellung geschönt worden, dann wäre der Anwalt wohl erst recht wegen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auf die Barrikaden gegangen.

Der an Kummer gewohnte Vorsitzende hob die ursprünglich erlassene einstweilige Verfügung wieder auf. Vermutlich hatte er nur nur mit einem Ohr hingehört …

UPDATE: Hier ist das Urteil.

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7. Juli 2011

Anlageberater will Revision gegen Hamburger Google-Urteil 3 U 67/11 einlegen

Wie DER SPIEGEL meldet, möchte der Finanzmensch, der Google das Googlen verbieten wollte (und beim Landgericht Hamburg auch konnte) gegen das Berufungsurteil Revision einlegen. Besonders stört er sich an dem Textbaustein, das Urteil habe keine „grundsätzliche Bedeutung“, wobei ich jedoch ganz schwer hoffen will, dass dem so ist.

Also: Der unglaublich solide Kläger, gegen den wegen Immobiliengeschäften etc. während des Verfahrens mindestens 15 Zivilverfahren liefen und ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen Betruges in 13 Fällen gegen Zahlung einer Geldauflage von 300.000 EURO eingestellt wurde, will von Google nicht mit den Suchbegriffen „Schrottimmobilien“ und „Betrug“ gefunden werden. Nun ja, …

In dem Urteil 3 U 67/11 des Hanseatischen Oberlandesgerichts steht wörtlich:

„So würde über den Umweg der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers eine „Zensur“ von Informationen stattfinden, die im Interesse eines freien Meinungsaustauschs, der durch den Einsatz der Suchmaschinen als Verzeichnis der im Netz stehenden Beiträge gewährleistet wird, nicht hinzunehmen ist.“

Schöner hätte ich das auch nicht sagen können. Für die Revision sehe ich schwarz, denn die Leute vom VI. Senat des BGH, die voraussichtlich zuständig sein werden, halten vom Grundrecht der Meinungsfreiheit erfahrungsgemäß eher viel. Und wenn schon das OLG Hamburg ein Einsehen hat …

Am 02.09. werden wir sehen, ob auch der Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer in einem ähnlichen Verfahren das richtungsweisende Urteil vom Sievekingplatz 2 anerkennt oder als „Einzelfallentscheidung“ bewertet. In Hamburg weiß man nie …

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5. Juli 2011

Energiefeld-Beschwörer mit Professorentitel gefeuert

Nach eineinhalb Jahren Stellungskrieg an den Hamburger Gerichten und etlichen Klagen und Verfügungen muss nun ein weiterer Gegner die Waffen strecken: Der eigenartige Sozialpädagoge, der einen offenbar „anthroposophischen“ Doktortitel führt und von der Evangelischen Hochschule Dresden aus dubiosen Gründen zum Honorarprofessor gemacht wurde, hat die längste Zeit eine Einrichtung für ehemalige Drogenkranke geleitet. Zwar hatte der gute Mann u.a. vor Gericht beteuert, alles sei 100% wissenschaftlich abgesichert, er arbeite nur nach anerkannten Therapien. Aber solch esoterische Methoden wie die „Energiefeldtherapie“ sind nun einmal definitiv keine vom wissenschaftlichen Rat nach § 11 PsychThG anerkannten Verfahren. Und der Rest, den er da veranstaltet hatte, entspricht wohl eher auch nicht dem Stand der Kunst, sondern erinnert an überkommene Konzepte aus den 70ern – und an Schwachsinn vom Feinsten.

Darüber, wie dieser unglaublich dreiste Hochstapler in die Position eines „Leiters eines Fachkrankenhauses“ gelangen und als vermeintlicher Halbgott in Weiß die Zivilkammer 25 des Landgerichts Hamburg und den 7. Senat des Hanseatischen Oberlandesgerichts so blenden konnte, dass sie meinten, Beweise gar nicht erst erheben zu müssen, könnte man getrost einen Schelmenroman schreiben. Der Mann hatte jedenfalls das Gesundheitssystem und den Umgang mit den Behörden perfekt verstanden. Nun aber musste der Professor das Energiefeld räumen.

Erstaunlich ist, dass

  • die sächsische Oberkirchenrätin Almut Klabunde sowie der Rektor der evangelischen Hochschule Dresden, Prof. Ralf Evers, kein Problem damit hatten, als Tendenzbetrieb einem Anthroposophen den Professorentitel zu gewähren, der sich zum Karma-Gedanken bekennt, diesen für Wissenschaft hält und eine mystische Verbindung der Sippe propagiert;
  • u.a. die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen trotz unserer Eingaben keinen Anlass sah, dem wunderlichen Treiben des Quacksalbers, der offenbar keine Erlaubnis für Heilberufe hat, Einhalt zu gebieten;
  • im Ergebnis auch die evangelischen Sektenbeauftragten sowie die „Experten“ einer gewissen Rentenversicherung versagten.

Nun macht den Job dann hoffentlich wohl (endlich) der Staatsanwalt.

Zur Ehrenrettung des Landgerichts Hamburg sei gesagt, dass der seltsame Professor bei der inzwischen wieder für solche Fälle ausschließlich zuständigen Zivilkammer 24 dieses Jahr keinen Blumentopf mehr gewann. In einer Klageerwiderung, in der es um das geheimnisvolle Energiefeld ging, welches der Professor zu beschwören versprach, benannte ich spöttisch als sachverständige Zeugen die Herren Catweazle, Uri Geller und Mr. Spock. Eine Beweisaufnahme war jedoch entbehrlich.

Das Karma des Sozialpädagogen dürfte durch die mit unapetittlichen Methoden geführten Klagen nunmehr verunreinigt sein.

2. Juli 2011

Der Drückerkönig drückte sich – Maschmeyer kniff

Auf der Journalisten-Tagung von Netzwerk Recherche, die stets in den Räumen des NDR in Hamburg stattfindet, gab es eben ein Panel zur Sendung von Christoph Lütgert über den AWD.

Das Recherche-Team schilderte die Widerstände, auf welche man bei der Produktion stieß. So hatte nicht nur der Sender Abmahnungen bekommen, sondern auch den Journalisten persönlich – zum Teil freie Mitarbeiter – hatte man Angst einjagen wollen. Recherchefehler mussten sich die NDR-Leute nicht vorwerfen lassen. Das gegenwärtige (lächerliche) Verbot, die Interviewversuche mit Maschi zu zeigen, sind natürlich wieder dem Persönlichkeitsrecht geschuldet.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte Maschmeyer himself sein Kommen zugesagt, um sich in der Höhle des Löwen den Reportern zu stellen. Der gewievte PR-Profi hätte hieraus zweifellose eine Show gemacht. Seine Zusage wollte Maschi jedoch zurückziehen, als er hörte, auf dem Podium mit Lütgert konfrontiert zu werden. Als Netzwerk Recherche hierauf einging, drohte Lütgert mit seinem Austritt, falls die Journalistenvereinigung keine Haltung zeige. Den vollzog er dann auch, als Netzwerk Recherche Maschis Wunsch akzeptierte. Nachdem Maschi nun durch sein Manöver bei den kritischen Journalisten die größtmögliche Zwietracht gesäht hatte, zog er einfach seine Zusage zurück. Gut gespielt, Maschi! Die Journalisten hätten miteinander auch eine Spur gelassener umgehen können.

In dem Panel beklagte Lütgerts Rechercheur Sell völlig zu Recht, dass sich die anderen „Qualitätsmedien“ von Maschi hatten einwickeln lassen. So hatte der stets die Falschberatungen – wie in der Branche üblich – als Einzelfälle abgetan. Warum die Qualitätsjournalisten ihm diese feiste Nummer durchgehen ließen und auf Rückfragen verzichteten, hätte nicht nur Sell interessiert.

Fazit der Veranstaltung war, dass man eine solche Reportage eigentlich nur mit einem öffentlich-rechtlichen Sender im Rücken stemmen kann, weil die juristischen Risiken kaum anders gestemmt werden können. Der Autor dieser Zeilen kann dies bestens nachvollziehen, denn auch er hatte sich vor Jahren Gefechte mit einem großen Finanzvertrieb geliefert.