Zum Inhalt springen


Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


10. Juni 2017

Anwälte wollen nicht für Trump arbeiten

Anwälte gelten nicht als sonderlich wählerisch, was ihre Klientel betrifft. Dennoch hat ein gewisser Donald T. offenbar bei renommierten Kanzleien gewisse Akzeptanzprobleme. So gilt er offenbar als beratungsresistent und zahlungsscheu. Wer hätte das gedacht …?

5. April 2017

Die Abmahnungen und Lizenzforderungen von Thomas Wolf tw-photomedia wegen Creative Commons-Lizenzverstößen hören einfach nicht auf

Dieses Foto wurde von Thomas Wolf angefertigt und hier unter der Creative Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported“ (CC BY-SA 3.0) bereitgestellt. Das Bild kann weiterverwendet werden, solange der Urheber beim Bild in folgender Form genannt wird: Thomas Wolf, www.foto-tw.de

Obwohl die Gerichte dem geschäftstüchtigen Foto-Lizenzgeldeintreiber Thomas Wolf seit Jahren die Grenzen aufzeigen und einige inzwischen gar keine finanziellen Ansprüche für unter kostenfreien Creative-Commons lizenzierte Lichtbilder zubilligen, will Thomas Wolf einfach nicht von seinen Lizenzforderungen wegen unterlassener Namens- und Lizenznennung lassen.

Für das oben abgebildete Lichtbild berühmte sich Wolf mal eben eines Anspruchs über 2.250,- € (netto). Ein ausländischer Mitarbeiter meines Mandanten, der auf Wikipedia die oben genannte Lizenzbedingung missverstand, hatte dieses Bild im Online-Auftritt des Unternehmens verwendet und dabei nicht das kryptische Kürzel sowie den Namen des Lichtbildners (der sich für einen Urheber hält) genannt.

Bekanntlich fotografiert der ungelernte Hobbyfotograf Thomas Wolf berühmte Bauwerke, die aufgrund ihrer prominenten Bezeichnung und Platzierung etwa in der Wikipedia ein traumhaftes Google-Ranking erfahren. Die Motive sind also alles andere als originell und die Ausführung genügt auch in den seltensten Fällen professionellen Ansprüchen an Architekturfotografie, wie es vorletzte Woche das Landgericht München ausführte. Schon deshalb sind die astronomischen Honorarvorstellungen, die Wolf auf seiner Homepage präsentiert, unglaubhaft.

Der Mandant, ein mittelständische Verleger, war allerdings mit realistischen Marktpreisen vertraut. Er sah sich das von Wolf aufgetischte Lizenzmodell mal genauer an und verglich einzelne Motive mit professionellen Angeboten. So will Wolf dort für ein Lichtbild der Engelsburg 1.425,- € haben – im Monat … Ein vergleichbares Foto kann man bei dpa für 20,- € beziehen, und dieses dann zeitlich unbegrenzt nutzen. Der Mandant fand das Motiv auch bei einem Fotostockanbieter, dem er eine Jahrespauschale für ein Volumen von 350 Bildlizenzen bezahlt, die unter dem Wolfschen „Monatspreis“ einer einzigen Monatslizenz liegt. Die Bereicherung läge im Monat bei deutlich unter 50 Cent.

Wie etliche andere Mandanten auch lehnte er Wolfs Angebot dankend ab und beauftragte eine negative Feststellungsklage. Im Laufe der kommenden Monate stehen Urteile an, in denen die Gerichte Wolf Forderungen zwischen 0,- € und maximal 100,- € zubilligen werden. Gleiches gilt für das Inkasso-Unternehmen Inkasso Becker Wuppertal GmbH & Co. KG, an das Wolf einen Teil seiner vermeintlich werthaltigen „Forderungen“ abgetreten hat.

Seit Januar suggeriert Wolf in seinen Forderungsschreiben, das Amtsgericht Köln wäre seinen unverschämten Honorarvorstellungen in einem Urteil gefolgt. Richtig ist, dass ein Richter in Köln (anders als sein Kollege) in einem Urteil vom Januar 2017 Wolf 357,- € „zubilligte“ – gerade einmal die Hälfte seines „Anspruchs“. Die Umstände des nicht berufungsfähigen Fehlurteils sind allerdings alles andere als ruhmreich:

In der mündlichen Verhandlung vom Mai 2016 hatte der Richter erklärt, dem OLG Köln folgen zu wollen und einen Lizenzschaden von 0,- € anzuerkennen, einer Honorarforderung für eine anwaltliche Abmahnung jedoch statt zu geben. Der Richter erkrankte jedoch für ein halbes Jahr und entschied dann im Januar überraschend genau umgekehrt. Die Urteilsbegründung setzt sich weder mit der Creative Commons-Problematik noch mit dem Hinweisbeschluss des OLG Köln sowie der Rechtsprechung von Amts- und Landgericht Köln auseinander, die jeweils nur 100,- € zubilligen.

Der Richter hatte also aufgrund seiner Krankheit und des Arbeitsrückstaus schlicht und ergreifend den Überblick verloren. Ärgerlich, aber menschlich. Zum Mitschreiben: Bundesweit hat Wolf keine realistischen Chancen mehr, vor Gericht für einen Lizenzverstoß bzgl. seiner Creative Commons-Lichtbilder mehr als 100,- € zu erwirtschaften. Tendenz 0,- €.

Wolfs Forderungs-E-Mails sind allerdings nicht nur lästig, sondern insoweit ernst zu nehmen, als dass er seinen Unterlassungsanspruch anwaltlich abmahnen und entsprechende Forderungen einklagen lässt. Die Gerichte gehen bislang auch bei Creative Commons-Abmahnungen davon aus, dass für ein Knipsbild ein stolzer Gegenstandswert von 6.000,- € anzusetzen ist. Für eine Abmahnung kann daher ein Anwalt 480,20 € netto verlangen. Der „professionelle“ Fotograf Thomas Wolf bestreitet zudem, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, sodass die Abmahnungen mit 571,44 € plus Zinsen zu Buche schlagen würden. Außerdem schlägt der Anwalt auf den Gegenstandswert noch die Lizenzforderung drauf.

Die Erfahrung zeigt, dass Wolf trotz anwatlicher Zurückweisung von Forderungen weiterhin seine „Mahnungen“ verschickt. Wer also nicht mehr von Wolf belästigt werden möchte, muss daher eine negative Feststellungsklage einreichen. Im realistischen Idealfall muss Wolf sämtliche Prozesskosten tragen. Die zahlt er allerdings lässig aus der Portokasse, denn der junge Mann hat mit seinem Geschäftsmodell beeindruckende Umsätze generiert.

31. März 2017

Handwerkliche Fehler im Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Was ich zu den Entwürfen eines Netzwerkdurchsetzungsgesetzes sagen möchte, mit dem der Berufspolitiker Heiko Maas gerade hausieren geht, könnte vermutlich selbst als Hatespeech angesehen werden. Daher lasse ich anderen den Vortritt:

Prof. Thomas Hoeren etwas weist nach, dass der Bundesjustizminister offenbar nicht so recht über Europarecht orientiert ist. Das schmerzt in mehrfacher Hinsicht, beherbergt doch Maas‘ alma mater in Saarbrücken das Europa-Institut, wo man so etwas hätte erlernen können. Oder Maas hätte einen seiner über 700 Untergebenen fragen können. Oder irgendwen halt.

Prof. Nico Härting warnt berechtigt vor den Plattformen induzierter Zensur.

Die Deutsche Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI) e.V. weist neben verfassungsrechtlichen Bedenken auch auf die fragwürdigen Eingriffe in den Datenschutz hin.

So viel zu Maas und seinem handwerklich unqualifizierten Vorhaben. Bei seiner Klientel wird er als Kämpfer gegen Hatespeech vermutlich dennoch glänzen.

Erwartungsgemäß wettert natürlich auch YouTube-Managerin Susan Wojcicki gegen die Kollateralschäden solcher Eingriffe. Ich vertrete allerdings Mandanten, an denen via Google bzw. YouTube massiver Rufmord verübt wurde. Das Vertrauen in die Selbstreinigungskräfte der Plattformen teile ich eher nicht. Die US-Konzerne sind nun einmal eher der sehr weitgehenden US-amerikanischen Auslegung von Meinungsfreiheit verpflichtet. So sympathisch mir die umfassende Meinungsfreiheit in den USA auch sein mag, so wenig kann ich die aktuellen politischen Verhältnisse im Weißen Haus mit einer aufgeklärten Informationsgesellschaft assoziieren …

10. März 2017

Erdoğan ./. Böhmermann: Berufung

Wenig überraschend geht Jan Böhmermann gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg in Berufung.

Überraschend ist allerdings die Beschimpfung des Gerichts durch den Berliner Kollegen Prof. Dr. Schertz, der bislang als der Beschützer der Persönlichkeitsrechte wahrgenommen wurde und aus welchen Gründen auch immer unter mehreren Gerichtsständen häufig den in Hamburg wählt:

„offensichtlich fehlerhaft, ja absurd“

Es ist kaum anzunehmen, dass der Kollege Schertz ernsthaft damit rechnete, das Landgericht Hamburg würde Äußerungen durchgehen lassen, die einem Kläger Sex mit Tieren andichten. So war es bislang Linie in der Rechtsprechung, und die Hamburger Gerichte sind nicht als Vorreiter für die Meinungsfreiheit bekannt, bei Satire sind die Hamburger Richter sogar päpstlicher als der Papst.

Die Berufung zum Oberlandesgericht Hamburg dürfte nur ein Zwischenschritt sein, denn der Senat urteilt sogar strenger. Wer Meinungsfreiheit leben will, der muss nach Karlsruhe.

29. Dezember 2016

Dirk Vorderstraße in der Sackgasse

Vor zwei Jahren freuten wir uns über den Silvesterknaller für Dirk Vorderstraße.

Ich hatte über einen (wie stets) gescheiterten Antrag auf Erlass einer einsteiligen Verfügung des Landgerichts Berlin gegen einen Mandanten berichtet, der ihn einen „Abzocker“ schalt. Dabei hatte ich nicht darauf hingewiesen, dass die Abweisung noch nicht endgültig war. Tatsächlich nämlich hatte Herr Vorderstraße inzwischen Beschwerde erhoben.

Um mir hieraus einen Strick zu drehen, beantragte er gegen meine Berichterstattung den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung, eigenartigerweise am Landgericht Frankfurt am Main. Auch dieser wurde abgelehnt, woraufhin Herr Vorderstraße dort ebenfalls Beschwerde erhob. In der Zwischenzeit aber hatte das Berliner Kammergericht den ursprünglichen Antrag endgültig abgelehnt, so dass sich das Begehren für das Frankfurter Verfahren erledigt hatte. Da Herr Vorderstraße nicht einlenkte, verlor er auch dort.

Nun kam Herr Vorderstraßens Rechtsanwalt Herr Arno Lampmann von Lampmann, Haberkamm und Rosenbaum auf die spannende Idee, mir dennoch eine Kostennote zu schicken. Denn da seiner Ansicht nach der Unterlassungsantrag gegen mich zumindest vorübergehend begründet gewesen sei, müsse ich seinem Mandanten zumindest die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erstatten.

Schon weil mich der Kollege nicht einmal abgemahnt hatte, sondern gleich die Gerichte bemühte, fand ich das seltsam. Die Anerkennung eines Abmahnhonorars ohne Abmahnung hätte zweifellos den Markt der Rechtsberatung belebt …

Noch am gleichen Tag schickte ich daher eine negative Feststellungsklage an das Amtsgericht Münster dahingehend, dass ein solcher Anspruch nicht bestehe. Herr Vorderstraße reichte umgekehrt eine Leistungsklage am Amtsgericht Frankfurt ein, in welcher er seinen „Anspruch“ einklagte. Dort scheiterte er auch in der zweiten Instanz sowie in Münster, so dass ihn allein dieser Spaß mit dem begehrten Anwaltshonorar insgesamt über 3.000,- € gekostet haben dürfte.

Da Herr Vorderstraße (Hamm) unbedingt den fliegenden Gerichtsstand bemühen wollte und auf dem willkürlichen Gerichtsort Frankfurt bestand, leistete ich mir – mit Ansage – eine Zugfahrt 1. Klasse. Der gegnerische Kollege hatte nichts Besseres zu tun, als mir diesen Anspruch mit großem Eifer streitig zu machen. Geholfen hat es nicht. ;)

Ach ja: Herr Vorderstraße kann natürlich noch versuchen, in irgendeiner Weise gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vorzugehen.

4. Dezember 2016

Seid doch nett zueinander!

Es ist immer ein spannender Moment, wenn man im Gerichtssaal die Kontrahenten trifft, mit denen man sich monatelang erbitterte Gefechte in Schriftsätzen geliefert hat. Gute Anwälte beherrschen im Idealfall so viel professionelle Distanz, dass man sich anschließend das Taxi zum Bahnhof teilt.

Die Parteien selbst, insbesondere Privatmandanten, die häufig das erste Mal vor Gericht stehen, sind selten so entspannt. Letzte Woche aber ist es mir passiert, dass mich der Prozessgegner sogar zum Bahnhof fuhr und ein Restaurant empfahl, obwohl das Ergbnis nicht in ganz in dessen Sinne war. Manchmal geht es auch zivilisiert. ;)

Doch auch der Richter bewies Courage: Die Restaurants, die der Beklagte kenne, seien wohl problematisch. Der war nämlich Kammerjäger …

5. November 2016

Fliegender Gerichtsstand hat Seitenwind

Neulich stellte der Journalist von Leijden den von mir häufig kritisierten fliegenden Gerichtsstand im Presserecht in der ZEIT zur Diskussion: Fliegende Richter.

Daraufhin beschwichtigte der Kollege Till Dunckel von der Hamburger Kanzlei Nesselhauf mit Kein Grund zur Klage. Hat er auch nicht, denn ihn trennen keine 10 Minuten vom Landgericht Hamburg, wo diese Kanzlei häufig Prominente gegen Bundesweit erscheinende Medien vertritt und sich für diese den Gerichtsstand aussucht. Und machen wir uns bitte nichts vor: Solange bekannte Berliner Presseanwälte den Weg nach Hamburg nicht scheuen, scheint es dort etwas zu geben, was man an der Spree nicht bekommt.

Dunckels Relativierung trat dann auch der SPIEGEL-Justiziar Uwe Jürgens mit Der fliegende Holländer im Presserecht entgegen, der insbesondere einen kenntnisreichen Überblick über die Entwicklung dieses deutsche Kuriosums gibt.

Zu ergänzen wäre noch, dass es offenbar niemand problematisch findet, dass etwa der Gegendarstellungsanspruch nicht dem deliktischen Gerichtsstand unterliegt und daher stets am Gericht des Verlagssitzes geltend gemacht werden muss. In der Sache geht es da meist um die gleichen Rechtsfragen.

Zu ergänzen wäre auch, dass in den letzten Jahren die Gerichte den fliegenden Gerichtsstand nicht mehr so exzessiv wie früher zulassen. So müsste heute etwa der Bischof von Regensburg, wenn er wieder das Blog Regensburg Digital an der Alster verklagen will, schon darlegen, warum das bayrische Fingerhakeln in Hamburg jemanden interessieren sollte.

2. November 2016

Landgericht Hamburg: Erdoğan vs. Böhmermann

Heute bin ich in Gedanken um 10.00 Uhr im Saal A 337 im Landgericht Hamburg. Da nämlich verteidigt Herr Erdoğan seine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen meinen Ehrenfelder Nachbarn Herrn Böhmermann.

Während die Staasanwaltschaft den Beleidigungsvorwurd am fehlenden Vorsatz hat scheitern lassen, kommt es für den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht auf ein Verschulden an. Daher wird nach Hamburger Landrecht von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen sein. Damit aber ist noch nicht das urteil gesprochen:

Es liegt nun in der Hand der Vorsitzenden Frau Simone Käfer, das Grundrecht auf Achtung des Persönlichkeitsrechts gegen das Grundrecht auf Meinungs- und Kunstfreiheit abzuwägen. Dies gelang ihr einst in der Sache ZEIT-Pozesshanseln ./. Die Anstalt.

Doch in der Berufungsinstanz am OLG Hamburg wurde der Anstalt jene Satire doch noch ganz humorbefreit verboten.

Wie auch immer, Böhmermann wird jedenfalls inzwischen ja prominent vertreten … ;)

4. Oktober 2016

Déjà-vue mit einem Geheimagent

Letzte Woche hatte ich mir am Landgericht Bochum den Auftakt des Steuerprozesses gegen den sagenumwobenen Geheimagenten Werner Mauss angesehen. Leider ging es nur um Geplänkel zur örtlichen Zuständigkeit. Dass Mauss sich öffentlich zur Herkunft der aufgetauchten Millionen äußert, ist eher nicht zu erwarten. Eine bisher zu den Akten gereichte und an die Öffentlichkeit gesickerte, allerdings ziemlich abenteuerlich anmutende Geschichte hierzu kann derzeit noch nicht bewertet werden. Bislang sind neun Termine angesetzt.

Mauss kam durch den „Künstlereingang“ und hüllte sich in einen Anorak, offenbar in der Hoffnung, Bildberichterstattung zu erschweren. Sein Medienanwalt Prof. Dr. Gero Himmelsbach (Kanzlei Romatka & Kollegen) versandte nach dem Termin eifrig Schreiben an Redaktionen, in denen er auf Achtung des Persönlichkeitsrechts pochte.

Inzwischen bestätigte der Kollege Himmelsbach gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass es von Mauss verschleierte Parteispenden an die CDU gegeben hat. Dies zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen, denn auch in meinem Roman Das Netzwerk geht es u.a. um einen in die Jahre gekommenen Privatermittler aus dem Dunstkreis deutscher Geheimdienste, der mit verdeckten Finanziers einer konservativen Partei zu tun hat. ;)

2. September 2016

Wie man auf Filesharingabmahnungen richtig reagiert – und wie besser nicht

Ist fachliche Kritik Werbung?

Zunächst möchte ich eines klarstellen: Ich habe nie Werbung für anwaltliche Filesharingabwehr gemacht und dieses Feld bewusst den Kollegen überlassen, schon wegen meiner Nähe zur Piratenpartei. Selbstverständlich schicke ich niemanden weg, der ein rechtliches Problem hat, schon gar nicht im Fall einer Klage. Fast alle Filesharingmandate, die ich betreue, resultieren aus Mund-zu-Mund-Propaganda.

Wenn mich jemand angefragt hat, habe ich den Leuten früher auch stets erklärt, dass ein Ignorieren eine ausreichende Strategie sein kann und daher anwaltliche Tätigkeit vorgerichtlich nicht nötig ist. Dennoch ist es mir in keinem einzigen Fall gelungen, Mandanten davon abzuhalten, mich vorgerichtlich mit Filescharingfällen zu mandatieren.

Wenn ich mich zu einem Rechtsthema fachmännisch äußere, und mir CCC-Leute „Eigenwerbung“ unterstellen, fordere ich, dass sich IT-Experten bitte auch nicht mehr öffentlich zu Sicherheitsthemen äußern sollten. Das können Laien doch sicherlich viel besser …

Wie reagiert man auf eine Abmahnung?

Das Abmahngeschäft funktioniert, indem man dem Abgemahnten Angst macht und hierdurch zur Zahlung stimuliert. Damit verdient man Geld, Gerichtsverfahren sind hingegen riskant, weil der Abmahner nicht weiß, ob und wie sich ein Gegner verteidigen kann und ob er überhaupt greifbar ist oder Geld hat.

Von den Abmahnungen, bei denen sich das Abmahnopfer nicht einschüchtern lässt, wird nur ein sehr geringer Anteil vor Gericht gebracht. Nach Erfahrungen von Anwälten sind dies knapp 3%.

Ob die Klagequote bei Abmahnopfern, die keinen Anwalt einschalten, höher ist, weiß ich nicht. Ich nehme aber an, dass Abmahner lieber Leute vor Gericht ziehen, die keine professionelle Gegenwehr signalisiert haben. Bei mir ist es so, dass bis auf eine Kanzlei 100% aller Abmahner Ruhe gegeben haben.

Ob irgendwelche Privatschreiben an Abmahner diese vom Klagen abhalten, ist genauso wenig auszuschließen wie die Wirkung von Homöopathie. Bei einer Verfallquote von ca. 97% auch ohne Schreiben kann man über die Wirkung nur spekulieren.

Sollte man dem Abmahner vorgerichtlich erklären, warum die Abmahnung unberechtigt ist?

Wenn man eine 300% robuste Rechtsposition hat, kann man das tun. Aber bei einem Klagerisiko von weniger als 3% rate ich dazu, gelassen abzuwarten. Denn der Abmahnanwalt muss sich für seine 3% diejenigen Abmahnopfer heraussuchen, von denen er sich Erfolg verspricht. Wer vorgerichtlich sein Pulver verschießt, macht sich für Abmahnanwälte im Gegenteil interessant.

Wenn man darlegen und beweisen kann, dass Dritte als Täter infrage kommen, macht eine entsprechende Einlassung nur Sinn, wenn man diese Personen auch dem Gegner namhaft macht. Zudem fordern etliche Gerichte unter Hinweis auf die BGH-Entscheidung „Tauschbörse I“, dass man diese Personen befragt hat und auch über deren Internetgewohnheiten Auskunft gibt.

Besonders delikat wird es, wenn es um Pornofilesharing geht, denn dann müsste man seinen Bekanntenkreis nach entsprechenden Vorlieben befragen und dem Abmahner denunzieren. Ich persönlich würde über meine Freunde Dritten frühestens dann Auskunft geben, wenn ich vor Gericht stehe. Dass ich irgendwelchen windigen Abmahnern ohne Not solche Daten preisgäbe, käme für mich nicht in die Tüte.

Sollte man denn nicht eine modifizierte Unterlassungserklärung abgeben?

Bis vor ein paar Jahren haben das standardmäßig die meisten Anwälte so gemacht, um Kosten für den teuren Unterlassungsanspruch zu vermeiden. Erfahrungsgemäß wird der Unterlassungsanspruch allerdings nie eingeklagt. Insbesondere habe ich in Fällen dieser Art nie eine einstweilige Verfügung gesehen.

Im Gegenteil hat es ein Abmahnopfer, dass keine solche Erklärung abgibt, in der Hand, bei einer Zahlungsklage im Wege der Widerklage eine negative Feststellungsklage einzureichen, dass kein Unterlassungsanspruch besteht. Dadurch erhöht sich bei einem Abmahner das Kostenrisiko.

Sollte man dem Abmahner einen kleineren Betrag überweisen, um ihn milde zu stimmen?

Auf gar keinen Fall. Denn der Abmahner wertet das als Schwäche und weiß dann außerdem, dass das Abmahnopfer Geld hat. Das steigert das Klagerisiko auf 100%.

Gilt das alles auch für Freifunk?

Freifunker können sich zusätzlich auf § 8 TMG berufen, bewegen sich aber bis zur für den 15.09.2016 erwarteten Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofs in Straßbourg in einer Grauzone. Meines Erachtens müsste § 8 TMG auch für Privatleute gelten, aber ob Gerichte dem folgen, wird man sehen.

Aber auch Freifunker können es bei einem Risiko von nur ca. 3% gelassen auf eine Klage ankommen lassen.

Kostet vorgerichtliche Abmahnabwehr immer mindestens 150,- €?

Nein. Außerdem ist die vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts aus den genannten Gründen nicht unbedingt notwendig, denn die Rechtsfragen kann man auch dann prüfen, wenn der Gegner wirklich ernst macht. Selbst in einem laufenden Prozess könnte man den Gegner noch deutlich herunterhandeln.

Sollte man mit einer negativen Feststellungsklage drohen?

Wenn man wirklich eine exzellente Rechtsposition hat, sollte man damit nicht nur drohen, sondern das sofort durchziehen. Als Mittel der Widerklage setze ich negative Feststellungsklagen offensiv ein. Einer Warnung hierzu bedarf es nicht.

Drohungen diesbezüglich kann man sich sparen. Jeder erfahrene Anwalt weiß, dass solche Drohungen meistens Bluffs sind, denn die wenigsten investieren Geld in so etwas, denn davon profitieren in erster Linie Anwälte.

Anders kann es liegen, wenn man auf § 8 TMG geht. Aber auch dann könnte man genauso gut auch eine Klage abwarten. Ein Pokerspieler deckt seine Karten nicht früher auf, als er muss

Wie gut sind die Chancen, einen Prozess zu gewinnen?

Es gibt sehr viele Ansätze, um es den Abmahnern schwer zu machen. In den Prozessen, die ich für Mandanten geführt habe, konnten wir über alle Instanzen die Ansprüche abwehren, was aber manchmal alles andere als ein Kinderspiel ist. Das liegt daran, dass die Gerichte in den Instanzen und an den verschiedenen Gerichtsorten die Rechtslage unterschiedlich interpretieren. Etliche Gericht verlangen ernsthaft, dass man Erwachsene (!), denen man Zugang zum WLAN eingeräumt hat, vorher über die Gefahren belehrt hat.

Allerdings möchte ich nicht verheimlichen, dass viele Mandanten solche langwierigen Prozesse als Belastung empfinden. Besser ist es, wenn man dafür sorgt, zu den 97% zu gehören. Und da rate ich nicht zu Geschwätzigkeit und Datenschleuderei, sondern eindeutig zum Poker.

Warum hast du dich so spöttisch über den „Abmahnbeantworter“ geäußert?

Eine eigentlich normalerweise sehr sympathische Berliner Rechtsanwältin, die offenbar Content für den Abmahnbeantworter geliefert hatte, hatte meine ursprünglich rein sachliche Kritik zum Anlass für wiederholte öffentliche Beleidigungen genommen. Das ist auch völlig in Ordnung, da in Berlin Pampigkeit und schlechtes Benehmen als „Berliner Schnauze“ sozial akzeptiert ist. Ich ziehe allerdings Humor und sei es auch nur Sarkasmus als Stilmittel vor.

Ich fand es auch befremdlich, dass die Medien den Abmahnbeantworter für eine große Sache hielten, denn ich fürchte, dass der gut gemeinte Abmahnbeantworter im Gegenteil den Abmahnern in die Hände spielt. Ich würde mich in diesem Fall sehr gerne irren.

Wie vermeide ich Abmahnungen am besten ganz?

Wer ein WLAN verwendet, sollte auch aus ganz anderen Gründen ein VPN dazwischenschalten. Dann nämlich wird es für die Abmahner schwierig, einen Upload nachzuweisen. Das ist insbesondere Leuten zu empfehlen, die ihr WLAN ganz offen halten.