Weil der Kollege Schertz und dessen Mandantschaft die Serie „Legal Affairs“ durch Cameo-Auftritte aufzuwerten versuchen, habe ich der Serie eine zweite Chance gegeben und mir in der Mediathek inzwischen alle Folgen angesehen. Es wurde leider nicht besser.
Juristisch konnte sich die Serie noch einmal unterbieten: So wird dort eine offenbar strafrechtliche Verhandlung gezeigt, in welcher Gegenspielerin nicht etwa die Staatsanwaltschaft, sondern eine konkurrierende Anwältin sein soll. Eine angeblich geniale Verteidigerin lässt sich ohne Not auf standeswidrige Interessenkonflikte ein. Die Anwälte verhalten sich insgesamt nicht wie Akademiker und abgekochte Taktiker, sondern wie Vollproleten mit kurzer Zündschnur.
Was genau soll die Serie eigentlich? Unterhaltsam im Sinne von lustig ist sie nicht, denn Humor ist der Geist auf Reisen, was einen solchen voraussetzt. Obwohl es bei Gericht jede Menge Situationskomik, Kläger wie den Papst persönlich und Beklagte wie Google gibt, wurde das gesamte Potential verschenkt. Der Streit darum, was bei Verdachtsberichterstattung gesagt werden darf und was nicht, Rechtsmissbrauch und auch die Persönlichkeiten skurriler Kollegen wären spannendere Stoffe gewesen.
Stattdessen folgen die drögen Drehbuchautoren den vertrauten Krimimustern und überfrachten die Story dann noch mit einem völlig überflüssigen Handlungsstrang über eine Pistolenkugel im Kopf der Anwältin, den man bereits besser in einem James Bond-Film sah. Danke, aber dass die einen Schuss hat, konnte man auch ohne Computertomographen merken.
Gesellschaftskritik erscheint nur am Rande. Mit der Realität hat das Ganze nicht ansatzweise zu tun. Juristisch ist die Serie ein Totalausfall. Auch die Interessenkonflikte, die Anwälte bei politischer extremer Mandantschaft oder Querulanten haben, werden nur sehr oberflächlich gestreift. Stattdessen glaubt man bei der ARD, dass sich die Leute lieber zickige Anwältinnen ansehen, die sich bespucken lassen und sich gegenseitig ohrfeigen (um sich dann Sekunden später wieder in den Armen liegen)?
Nicht nur die Drehbuchautoren beherrschen nicht ihr Handwerk, auch die Kameraleute, Regisseure und karrikaturhaften Schauspieler dilletieren durch die Richterbank weg, die unterlegte Musik ist unfreiwilig komisch. Im Schnittraum hat man wohl versucht, die fehlende Dramaturgie durch Tempo zu ersetzen – dann hat man es wenigstens schneller hinter sich. Ich kann deutsche TV-Serien nicht beurteilen, da ich kaum welche sehe, aber ein so schwaches Produkt hätte ich nicht einmal bei einem Billig-Privatsender erwartet. Welches Publikum will die ARD damit eigentlich bedienen?
Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man so einen Stoff dermaßen armselig verschenken kann. Bei aller Bescheidenheit, aber allein dieses Blog hier wäre für Storys eine Fundgrube gewesen.
Gestern lief in der ARD eine TV-Serie über eine Medienanwältin an.
Wenn ich mir die Dramen und Komödien so ansehe, die hier täglich passieren, sowie die bunte Klientel von Medienanwälten (Straftäter, Comedians, Politiker, Wissenschaftler, Industrielle, investigative Journalisten, Geheimagenten, untergetauchte Mandanten …), würden sich die Geschichten fast von selbst schreiben. „Kir Royal“ trifft „Liebling Kreuzberg“ – zwei Serien, die vor allem von brillant recherchierten Drehbüchern lebten.
Beim Vorspann der Serie hatte ich noch ein Lächeln auf den Lippen, denn die Musik erinnerte mich an einen Gangster-Rapper, den ich ständig verklage. Die Gesichtszüge entglitten mir allerdings schon beim ersten Text der schicken Anwältin. So verkündete sie, dass sie 250.000,- € „Schadensersatz haben“ wolle. Dieser Betrag steht in jedem Unterlassungstitel und bezeichnet die maximale Höhe des Ordnungsgeldes, das man bei einem Verstoß an die Staatskasse zahlen muss. Offensichtlich also hat sich das Drehbuch nicht einmal bei der Endredaktion ein Jurist angesehen. Das ist in etwa so peinlich wie eine Tatort-Kommissarin, die nach zwei Jahrzehnten Totschlag für „Mord ohne Vorsatz“ hält (wie neulich Ulrike Folkerts).
Die Drehbuchautoren verwechseln denn auch eine Anwältin mit einer Journalistin, die Redaktionskonferenzen abhält, zu den Gegnern fährt und Mandanten im Krankenhaus betreut. Arbeitsplätze von Anwälten sind jedoch Schreibtisch, Gerichtssaal und ICE. Ansprechpartner sind ab der Abmahnung auch nicht die Gegner persönlich, sondern deren Anwälte. Gerade hier hätte Potential gelegen, denn die Schlagabtausche von Anwälten in Mediensachen haben es bisweilen in sich.
Was gäbe es im Medienrecht für gute Storys! Schachspiel mit Schriftsätzen, Intrigen, Täuschung oder diverse Kollegen mit eigenwilligem Auftreten, Fristende bei nicht funktionierenden Faxgeräten, anonyme Gegner im Internet, skurrile Richter …! Die Drehbuchautoren haben mit einer Recherche nicht einmal begonnen.
Bei meinen Romanen hätte ich mir eine so banale Herangehensweise nicht ansatzweise erlaubt.
Update: Offenbar ist der Kollege Schertz „Equity Partner“ der Serie und einen Cameo-Auftritt. Dann aber bleiben die Drehbuchautoren dann aber erst recht hinter ihren Möglichkeiten, denn der Kollege hätte etliche spannende Fälle zu bieten gehabt.
Letztes Jahr ließ ein offenbar aus Italien stammender Fotograf ohne Anschrift einen Schweizer durch die deutsche Anwaltskanzlei FECHNER Legal (Berlin, nicht zu verwechseln mit anderen Anwälten namens Fechner) abmahnen, weil dieser auf seiner Homepage ein kitschiges Foto von Heißluftballons eigenmächtig genutzt hatte. Dafür wollte er Lizenzschaden iHv 22.015,92 € und Anwaltskosten iHv 1.564,26 €.
Das war für den Schweizer schon insoweit irritierend, als dass dort bis letztes Jahr bloße Lichtbilder, die keine Kunstwerke sind, überhaupt nicht überheberrechtlich geschützt waren. Außerdem bestand kein Bezug zu Deutschland, in der Schweiz gibt es kein vergleichbares Abmahnrecht.
Bei derart überzogenen Abmahnungen geht bei mir unverzüglich eine negative Feststellungsklage raus.
Die Kosten für die Abmahnung waren schon deshalb unberechtigt, weil die Abmahnung unfachmännisch und damit unwirksam war. In einem solchen Fall verfällt der Aufwendungsersatzanspruch des Abmahners und im Gegenteil muss der Abwehr-Anwalt bezahlt werden (in dem Fall ich).
Auch die astronomische Lizenzforderung dampfte das Gericht um ca. 95 % auf 1.113,05 € zzgl. Zinsen ein. Aber selbst die ist uns noch zu hoch, denn anders als das Gericht bewerten wir weder das Kitsch-Foto als Lichtbildwerk noch sehen wir durch die Bildnutzung einen Schaden oder wirtschaftlichen Vorteil in vierstelliger Größenordnung. Ein ähnliches Foto, das denselben Zweck erfüllte und ansprechender sein dürfte, gab es kostenlos.
Aktuell macht in den Blogs der Fall einer Foto-Abmahnung aus Österreich die Runde. Nutzer in Deutschland hatten offenbar rechtswidrig ein Lichtbild eines Urhebers aus Österreich verwendet, erhielten eine Abmahnung (Lizenzschadensforderung iHv 242,- € und Anwaltskosten iHv 1.128,42 €) und gerieten an eine Rechtsanwältin, die mit urheberrechtlichen Abmahnungen aus Österreich offenbar unerfahren war. Deren Abwehrschreiben provozierte im Gegenteil eine Klage in Österreich mit einer gegnerischen Kostenforderung iHv 3.448,40 € sowie weiteren Kosten für einen eigenen Rechtsanwalt in Österreich. Die Kollegin hat also aus einem kleinen Problem ein großes gemacht.
Im Blog netzpolitik.org wird der Fall zum Anlass für eine Fundamentalkritik am Abmahnsystem genommen, was auf vielen Ebenen unschlüssig ist.
1. Die Forderung eines „Ende des Abmahn-Unwesens“ betrifft in diesem Fall allein Österreich, was im Artikel nur indirekt anklingt. In Deutschland ist das Abmahnunwesen vielfach entschärft worden.
2. Die Abmahnung war vorliegend gar nicht das Problem, sondern die Klage, was in Österreich nun einmal mit absurd hohen Streitwerten einhergeht. Die haben da ein gänzlich anderes Prozessrecht (was das eigentliche Aufreger-Thema gewesen wäre). Was hat das mit der Abmahnung zu tun? Nichts – außer, dass eine akzeptierte Abmahnung eine Klage vermieden hätte und selbst bei akzeptierten Kosten nur ein Bruchteil der Kosten verblieben wäre.
3. Der Kollegin unterlief ein anwaltlicher Kunstfehler: Eine qualifizierte Reaktion wäre gewesen, sofort in Deutschland eine negative Feststellungsklage zu erheben und damit einer Klage zuvorzukommen. Denn eine solche „Torpedoklage“ hätte den Gerichtsort gebunden, damit eine Klage in Österreich ausgeschlossen und Prozesskosten auf deutsches (ungleich günstigeres) Gebührenrecht beschränkt.
Wie man auf Abmahungen aus Österreich professionell reagiert, habe ich mal hier beschrieben.
Im Fotorecht bin ich zu über 99 % mit Forderungsabwehr befasst. Um Abzockern und Abmahnmissbrauchern auf die Finger zu hauen, ist mir in diesem Bereich kein Weg zu weit. Meine Haltung gegen Urheberrechtsextremismus ist wohlbekannt. Aber ab und zu vertrete ich auch Rechteinhaber, denn grundsätzlich ist Urheberrecht nun einmal eine berechtigte Sache.
Der damalige Pressesprecher der Bundestagsfraktion der AfD fing sich von mir eine Abmahnung ein, weil er auf seinem offiziellen Twitter-Account rechtswidrig mit dem Porträt meines Mandanten gepöbelt hatte. Hierzu hatte er das im Internet aufgefundene Bild sogar bearbeitet und eigens bei Twitter hochgeladen. Die Bildrechte gehörten jedoch meinem Mandanten, da er vom Fotograf das ausschließliche Verwertungsrecht (§ 31 Abs. 3 UrhG) erworben hatte. Er allein durfte darüber bestimmen, wer das Bild bearbeiten, vervielfältigen oder zum öffentlichen Zugänglichmachen im Internet hochladen durfte.
Der damalige AfD-Sprecher löschte das Bild auf die Abmahnung hin, gab zerknirscht eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab und verweigerte die Abmahnkosten. Ein Rechteinhaber hat aber nun einmal im Fall einer kunstgerechten Abmahnung Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten. Der AfD-Pöbler verstand das nicht und wollte verklagt werden. Es verstand jedoch schließlich dessen Anwalt.
Ein anderer Zeitgenosse, der nach einer Karriere als Journalist nun als politischer Influencer von sich reden macht, hatte inzwischen nicht lediglich den Pöbel-Tweet retweetet, sondern einen eigenen Pöbel-Tweet verfasst und ebenfalls mit der Kachel illustriert. Dabei wurde die Datei automatisch vervielfältigt, die Kopie bekam eine neue URL und wurde unabhängig vom ursprünglichen AfD-Pöbel-Bild zum Abruf bereit gehalten. Das Ganze geschah außerdem in der eigenmächtig bearbeiteten Form.
Nach Abmahnung löschte der Influencer endlich das Bild, gab nach gutem Zureden auch eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab und meinte zunächst, er wohne in Moskau. Ich konnte ihn aber davon überzeugen, dass er in Berlin wohnte.
Der Influencer weigerte sich standhaft, die Kosten für die Abmahnung iHv 571,44 € zu bezahlen, und drohte mit Shitstorm. Er glaubte außerdem, dass alles, was er auf Twitter so fände, auf magische Weise vom Urheberrecht befreit sei. Dadurch, dass der AfD-Mensch das Bild bei Twitter hochgeladen hatte, soll mein Mandant seine Rechte verloren haben. Aha. Soso.
Nach Klageerhebung meldete sich ein Anwalt für Pferderecht. Erstaunlicherweise schickte der Kollege seine (vorgeblich von ihm stammenden) Schriftsätze und Abschriften nicht, sondern faxte sie lediglich. Für angebliche Anwaltsschriftsätze wirkten sie auch, ähm, eigenartig. Der eigentliche Autor verriet sich, denn der vorgeblich Vertretene wechselte manchmal in die ich-Form …
Der Influencer hielt es für unfair, dass mein Mandant den „Rechtsanwalt Kompa“ beauftragt habe, der „einer der besten der Zunft“ sei. Ich habe letzteres sogleich sachkundig bestritten … Außerdem ist Foto-Abmahnen die trivialste und ödeste Sache, die ein Medienrechtler sich vorstellen kann (außer Filesharing-Abwehr).
Der Influencer meinte, mein Mandant hätte durch seine Teilnahme am Internet sein Bild sozusagen freigegeben. So würde es ja in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Twitter stehen.
Weder hatte mein Mandant das Bild auf Twitter hochgeladen (das war der AfD-Sprecher) noch wären überraschende Geschäftsbedingungen, denen zufolge man seine Rechte am Foto quasi aufgibt, mit deutscher Rechtslage zu vereinbaren. Dass sich der Beklagte gegen die Kosten wehrte, war reiner Trotz. Auch sein Pferderechts-Anwalt gallopierte irgendwann davon.
Der Influencer machte im Internet die Welle und bat um Spenden für seinen Prozess. Wir reden hier von jeweils maximal 285,60 € Anwaltskosten pro Seite und 174,- € Gerichtskosten … Offenbar fand der Influencer aber ausreichend Gemüter, um für die gute Sache zu spenden, so dass er sich für die mündliche Verhandlung einen Kölner Anwalt leisten konnte (Terminsgebühr: 105,60 € netto).
Der Influencer brachte es tatsächlich fertig, ernsthaft die Rechteübertragung vom Fotograf an den Kläger ins Blaue hinein zu bestreiten. Der Mann wurde eigens aus Hamburg nach Köln geladen, bestätigte wenig überraschend die Rechtseinräumung und fuhr wieder zurück. Zur „spannenden“ Beweisaufnahme reiste der Influencer eigens aus Berlin an.
Während bei urheberrechtlichen Prozessen normalerweise nie Zuschauer da sind, hatte der Influencer für die um 8.45 Uhr angesetzte Verhandlung ca. 30 Frühaufsteher organisiert, darunter ein Typ mit RTL-Aufklebern auf seiner Kamera, sodass die Verhandlung ad hoc in einen großen Saal verlegt wurde. Außerdem blieb ein stabil gebauter Wachtmeister im Raum. Wegen einer Klage auf ein Abmahnhonorar …
Das Amtsgericht Hamburg hat vier nahezu gleichlautende Urteile gegen den bekannten Creative Commons-Foto-Abmahner Christoph Scholz erlassen. Herr Scholz ist ein durchaus talentierter CGI-Designer und macht rein persönlich einen sympathischen Eindruck. Im Kontrast hierzu hat er sich seit Jahren einen Namen als Urheberrechts-Troll gemacht, der Fotos etwa auf Flickr unter kostenlosen Creative Commons-Lizenzen streut und bei den geringsten Verstößen beinhart zur Kasse bittet, und sei es auch nur eine fehlende Verlinkung der durchaus genannten Lizenzbedingungen.
Das Amtsgericht Hamburg hat, wie schon zuvor, festgestellt, dass Herrn Scholz keine höheren Schadensersatzansprüche wegen Lizenzverletzung als 0,- € zustehen. So vermochte Herr Scholz keinen potentiellen Einnahmeverlust plausibel zu machen, da er nun einmal keine nennenswerte Umsätze als Fotograf nachweisen konnte.
Erstmals nun hat ihm das Amtsgericht Hamburg die Abmahnkosten mit dem Argument verwehrt, dass die Abmahnungen rechtsmissbräuchlich seien. Anders als die meisten Mitbewerber schaltet Herr Scholz nämlich immer sofort einen Rechtsanwalt ein, dessen Abmahnung nicht nur mehr Autorität ausstrahlt, sondern auch Anwaltskosten verursacht, die der Abgemahnte ausgleichen soll.
Mit der Annahme von Rechtsmissbrauch sind Gerichte im Urheberrecht sehr zurückhaltend, da es anders als etwa bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen keine ausdrückliche Vorschrift hierfür gibt. Das Amtsgericht Hamburg folgte unserer Rechtsauffassung:
„In der hierbei erforderlichen umfassenden Gesamtabwägung ist die Rechtsmissbräuchlichkeit zu bejahen, da die Umstände des Falls klar und deutlich dafür sprechen, dass die überwiegende Motivation für die Abmahnungen nicht darin lag, weitere Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, sondern darin, Gebühreneinnahmen und unberechtigte fiktive Lizenzgebühren zu erzielen. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei, dass die Abmahntätigkeit des Beklagten in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu seiner gewerblichen Tätigkeit steht.(…)
Der beachtlichen Behauptung der Klägerin ist der Beklagte trotz Hinweis des Gerichts nicht hinreichend entgegengetreten. Dabei kann dahinstehen, ob dem Beklagten – wie im Hinweis angenommen – eine sekundäre Darlegungslast zu seinem Abmahnverhalten oblag. Jedenfalls hätte dieser Vortrag im Rahmen seiner Substantiierungslast (allgemein dazu: Musielak/Voit/Stadler, 17. Aufl. 2020 Rn. 10, ZPO § 138 Rn. 10) erfolgen müssen. Gleiches gilt für den Vortrag der Klägerseite zu einer unverhältnismäßig geringen gewerblichen Tätigkeit des Beklagten. (…)
Darüber hinaus hat die Art und Weise der Organisation des Abmahnwesens das Gepräge einer Einkommensgenerierung durch provozierte Rechtsverletzungen und spricht gegen eine redliche Rechtsverteidigung. Auch wenn all die folgenden Umstände jeweils für sich genommen erklärlich sein mögen, tragen sie doch in der Gesamtschau und in Verbindung mit dem unverhältnismäßigen Umfang der Abmahntätigkeit den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Der vorgerichtliche Vertreter des Beklagten versendet nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung regelhaft Gebührenrechnungen an den Gegner, obwohl eine Abrechnung im Innenverhältnis (noch) nicht erfolgt.“
Herr Scholz hat damit weder Anspruch auf Ersatz eines Lizenzschadens noch auf Ersatz von Anwaltskosten. Umgekehrt muss Herr Scholz den Abgemahnten die Kosten vorgerichtlicher Abmahnabwehr ersetzen sowie alle Prozesskosten.
Diese aktuellen Urteile sind weitere Sargnägel für das Abmahn-Business der Urheberrechtsfallensteller.
Amtsgericht Hamburg, Urteile vom 11.12.2020, Az: 9 C 509/19, 9 C 510/19, 9 C 512/19, 9 C 521/19, alle nicht rechtskräftig.
Dem US-amerikanischen „Kollegen“ Richard Liebowitz, der in den USA u.a. Herrn Marco Verch wegen angeblicher Lizenzforderungen anwaltlich vertrat, wurde vom Beschwerdekommitee des Southern District of New York am 30.11.2020 vorläufig die Anwaltszulassung entzogen.
Liebowitz begann 2016 eine Karriere als Abzock-Anwalt im Bereich Fotorecht, den selbst Richter als „Copyright Troll“ bezeichneten. Der Anwalt rechnete auf Erfolgsbasis ab, trat aggressiv auf und wurde mehrfach beim Lügen vor Gericht erwischt. Liebowitz überzog in Tausenden Fällen Gegner wie Yahoo.com, Verizon.com, MSN.com, MTV.com und Gawker.com mit Klagen wegen angeblicher Verstöße gegen Urheberrechte. In einem Fall musste ein Mandanten an zu Unrecht verklagte Medienhäuser 120.000 $ Schadensersatz leisten. Er selbst wurde dieses Jahr wegen wiederholten Verstößen gegen Court Orders zur Zahlung von 103.517.49 $ sowie zur Bekanntgabe seiner Verurteilung an seine Mandanten verurteilt.
Letzteres kriegte er allerdings in 113 Fällen nicht gebacken. Da nicht mit Besserung zu rechnen war, soll die Gesellschaft nunmehr vor Liebowitz Anwaltskünsten einstweilen verschont werden. 113 Fälle von Nachlässigkeiten ließen die Richter auf eine für einen Anwalt zu schwache Organisation schließen.
In den USA führte Liebowitz auch für Herrn Verch Urheberrechtsklagen mit beachtlichen Streitwerten. Wie neulich bekannt wurde, ist Herr Verch jedenfalls vom Großteil „seiner“ Fotos nicht einmal der Urheber. In von mir betreuten Prozessen war Herr Verch nicht in der Lage gewesen, Richter von einer ernsthaften Tätigkeit als Berufsfotograf zu überzeugen. Mithin fehlte es an einer Basis für seine überzogenen Lizenzforderungen.
(Die alberne Kopfbedeckung im verlinkten Video ist ein Running Gag des dortigen Anwalts, der seine Hüte in einer Serie an Videos über Liebowitz jeweils wechselt.)
Marco Verchs deutscher Urheberrechts-Anwalt arbeitet deutlich seriöser als der US-Kollege, hat allerdings auch einen dunklen Fleck im Lebenslauf. So arbeite Herr Verchs heutiger Anwalt seinerzeit in der berüchtigten Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U+C Rechtsanwälte), die 2013 durch die Affäre mit den RedTube-Abmahnungen bekannt wurde. Urmann wurde zivilrechtlich wegen sittenwidriger Schädigung durch Massenabmahnungen verurteilt. Ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Betrugs in 43.000 Fällen wurde mangels nachweisbarem Vorsatz eingestellt, allerdings wurde er wegen Insolvenzverschleppung verurteilt. Der mit einer halben Million Euro verschuldete Urmann musste dementsprechend seine Anwaltszulassung zurückgeben.
Kann jemand sachdienliche Angaben zur Anschrift von Herrn Cem Özdemir machen? Der Diplom-Sozialpädagoge, der sich gerade als künftiger Innenminister empfiehlt, ist nämlich derzeit juristisch sozusagen untergetaucht.
Dreimal versuchte das Landgericht Hamburg vergeblich, Herrn Özdemir eine Klageschrift an sein Büro im Bundestag zuzustellen. Das ist nämlich die (einzige) Anschrift, die Herr Özdemir in seinem Impressum angibt. Sein vorprozessual bestellter Anwalt streitet eine Zustellungsbevollmächtigung ab.
So professionell derartiges Taktieren auch sein mag, so steht die Angabe einer nicht zustellungsfähigen Anschrift in fundamentalem Widerspruch zum politischen Programm der Grünen, Hass usw. im Internet effektiv zu bekämpfen. Ein grüner Landesjustizminister hatte sogar vorgeschlagen, Shitstorms künftig als „bandenmäßige Straftaten“ zu bestrafen. Müsste da nicht ein Bundesinnenminister in spe mit gutem Vorbild vorangehen?
Gerne können wir den Prozess ins kommende Wahljahr tragen, wenn es der skandalerprobte Berufspolitiker so haben möchte.
Einen neuen Rekord für Abmahnungen wegen Verstoß gegen kostenlose Lizenzen setzte wohl ein freundlicher Fotograf aus Franken. Vor einem Jahrzehnt hatte der damalige Teenager ein Wald-Motiv u.a. auf der Plattform deviantart.com eingestellt und erlaubt: „You are free to use/share the wallpapers but you are not allowed to edit them or to use them for commercial purposes. Don’t forget to mention my copyright, too.“
Ein kleiner Sportverein hatte damals eine Nutzung begonnen, jedoch die Namensnennung vergessen. Der Fotograf verlangte nun für die zehnjährige Nutzung sagenhafte 23.951,25 € Schadensersatz. Für seine Anwaltskünste wollte der Kollege von Weidner & Rößler Rechtsanwälte GbR, Regensburg, außerdem Abmahnhonorar iHv 1.564,26 € sehen.
Wir drehten den Spieß herum, erhoben eine negative Feststellungsklage und forderten wegen unberechtigter Abmahnung Ersatz der eigenen Aufwendungen für die Abmahnabwehr nach § 97a Abs. 4 UrhG.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach dem forschen Abmahner einen Lizenzschaden iHv 0,- € zu. Hierzu schreibt das Gericht:
„Bei Berechnung der Lizenzgebühr im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 23 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 – Einzelbild). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 407 Rn. 25 – Whistling for a train; BGH, GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild und jüngst BGH GRUR 2019, 292, Rn. 18 – Foto eines Sportwagens).
Maßgebliche Bedeutung kommt hierbei zunächst einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (BGH GRUR 2019, 292, Rn. 19 – Foto eines Sportwagens; Forch, GRUR-Prax 2016, 142, 143). Fehlt es daran, liegt es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nahe, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (vgl. BGH GRUR 2019, 292, Rn. 19 – Foto eines Sportwagens; BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 27 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild, stRspr). Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gem. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (BGH GRUR 2019, 292, Rn. 24 – Foto eines Sportwagens).“
Da der Abmahner keine berufliche Tätigkeit als Fotograf nachweisen konnte, das Bild grundsätzlich kostenfrei lizenzierbar war und es auch der Verein nicht kommerziell genutzt hatte, kam das Landgericht zu dem Schluss, „dass der objektive Wert der nicht-kommerziellen Nutzung des Bildes mit Null anzusetzen ist“.
Die Abmahnung sah das Gericht nur wegen der Unterlassung berechtigt, allerdings nur zum halben Gegenstandswert. Mithin war die Abmahnung zu 90% unberechtigt und musste daher nur zu 10 % vergütet werden (156,51 €). Der Abmahner muss die gesamten Prozesskosten iHv rund 6.000,- € tragen und dem Abgemahnten Aufwendungsersatz für die vorgerichtliche Abmahnabwehr iHv 1.564,26 € zzgl. Zinsen leisten.
In einem Schriftsatz hatte der gegnerische Kollege (er nannte sich in indianischer Tradition „der Unterfertigte“) geschrieben:
„Mit einiger Belustigung nehmen wir zur Kenntnis, dass der Klägervertreter eine derart hohe Meinung von sich zu haben scheint, dass seiner Auffassung nach die Äußerung seiner höchst fragwürdigen Rechtsauffassung geeignet sein soll, das außergerichtliche Verfahren für den Gegenanwalt zu beenden. (…) Die Klägerin wird sich aber sicher ausführlich Gedanken darüber gemacht haben, ob sie dort gut und zutreffend beraten wurde (…).“
Angesichts der Differenz zwischen dem von seiner Partei erhofften Betrag iHv 25.515,50 € und den nun von ihr aufzubringenden Kosten von iHv ca. 7.600,- € dürfte sich die Belustigung der Gegenseite gelegt haben.
Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 12.10.2020, Az.: 19 O 73/20.
Das wohl dreisteste Abmahngespann im Bereich Creative Commons-Abzocke bilden derzeit der Wikipedia-Fotograf Herr Ralf Roletschek und sein Anwalt, der langjährige Österreicher Wikimedia-Vorsitzende Herr Magister Kurt Kulac. Deutsche Fotonutzer erhalten wirre Abmahnungen nach vorgeblich verletztem Österreicher Recht wegen unterlassener Namensangabe. Für die fehlerhafte Nutzung fordern Roletschek/Kulac ein Honorar, obwohl die Bilder unter einer kostenlosen Lizenz stehen, also kein wirtschaftlicher Schaden plausibel ist.
Herr Kulac hatte sich einen fragwürdigen Namen mit entsprechenden Abmahnungen gemacht, in denen er für diverse Mandanten vorgab, es sei Österreicher Recht verletzt worden. Dabei fühlte er sich an das deutsche Gesetz, mit dem Missbrauch im Abmahnunwesen eingedämmt werden sollte, nicht gebunden. In den meisten hier bekannten Fällen waren die Abmahner, deren Anschriften Kulac grundsätzlich verschweigt, stets Deutsche, so dass gar kein Bezug zu Österreich vorlag.
Das Ganze grenzte an einen Nigerian Scam, zumal wir in einem Fall nachweisen können, dass sich Herr Magister Kulac eine Art Kaperbrief ausstellen ließ und auf eigene Rechnung abmahnte. Nach deutschem Recht wäre dies standeswidrig und vielleicht sogar auch strafrechtlich relevant, denn wenn Honoraransprüche eingeklagt werden, obwohl in Wirklicheit keine Honorare berechnet werden sollten, ist das mindestens anrüchig.
Herr Roletschek allerdings ist tatsächlich wohl in Wien ansässig. Dies ermöglichte es, weitere Rechtsunsicherheit zu produzieren. Durch den grenzüberschreitenden Sachverhalt sind Roletschek und Kulac in der Lage, in Österreich zu klagen, wo ein gänzlich anderes Prozessrecht praktiziert wird. Insbesondere bei geringen Streitwerten werden Rechtstreite durch hohe Prozesskosten schnell unwirtschaftlich, so dass sich die Parteien leicht zu Vergleichen drängen lassen.
Doch Klagen in Österreich lassen sich in Abmahn-Fällen durch eine Torpedo-Klage in Deutschland vermeiden. Wenn der Abgemahnte nämlich zuerst in Deutschland eine sogenannte negative Feststellungsklage erhebt, wird hierdurch der Gerichtsort gebunden, sodass eine künftige Klage des Abmahners in dieser Sache in Österreich dann automatisch unzulässig würde. Die deutschen Gericht müssen dann auch ggf. Österreicher Recht anwenden, was man nach deutschem Prozessrecht aber sehr viel kostengünstiger bekommt. Das Manöver ist also in jeder Hinsicht elegant.
Auch am Amtsgericht Koblenz kaufte man Roletschek die Behauptung, er sei ein professioneller Fotograf, dem durch fehlerhafte Nutzung der sonst kostenlosen Lichtbilder finanzieller Schaden entstehe, nicht ab. Die Beweisangebote für eine vorgebliche Berufstätigkeit als Fotograf waren unfreiwillig komisch. Daher gab es mal wieder nur 0,- €. Die Frage, wer für eine derart miserabele Leistung überhaupt Geld bezahlen würde, stellte sich daher gar nicht erst.
Amtsgericht Koblenz, Urteil vom 29.10.2020 – 152 C 2020/19 (nicht rechtskräftig)