Wie mir nunmehr bekannt wurde, hat das Landgericht Bonn das Urteil des Amtsgerichts Bonn gegen den fotofreudigen Hilfssheriff bestätigt. In Bonn sieht man es als unrechtmäßig an, Personen ohne deren Einwilligung zu fotografieren, selbst wenn dieses unverfänglich oder nicht belästigend (weil heimlich) geschieht.
Über das Ergebnis kann man sich streiten. Rechtstechnisch ist die Begründung nicht überzeugend. Das Landgericht subsummiert den Fall unter das „Recht am eigenen Bild“ aus §§ 22 KunstUrhG. Dieses Gesetz regelt aber nicht das Anfertigen von Fotos, sondern nur das Verbreiten und zur Schau stellen von solchen.
Das historische KunstUrhG stammt aus einer Zeit, als man zum Anfertigen eines Fotos einen großen Aufwand wie einen Magnesiumblitz hatte und auch das Ausstellen und Verbreiten nicht ohne weiteres möglich war. Heute allerdings kann jeder Handybesitzer seine Bilder sofort weltweit twittern. Dazu braucht man andere Gesetze als die aus dem Postkutschenzeitalter.
Seit Entdeckung des allgemeinen Perönlichkeitsrechts durch das Bundesverfassungsgericht wissen wir, dass § 22 JunstUrhG und andere Gesetze nur die Ausprägung eines „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ sind. Eingriffe in gesetzlich ungeregelte Sachverhalte sind daher hieran und nicht am KunstUrhG zu messen, das insoweit auch kein lex specialis ist.
Hier stellt sich die Frage, ob tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers vorliegt. Das ist aus meiner Sicht nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat sich gerade erst kürzlich mit dem Recht der Fotofreiheit befasst, wenn auch im strafrechtlichen Zusammenhang. So wurde § 201a StGB verschärft, der das Anfertigen von Fotos in den in Abs.1, Nr. 1 und 2 und Abs. 3 Nr. 1 genannten Fällen untersagt. Bei dieser Gelegenheit hätte der Gesetzgeber auch ein ggf. weitergehendes zivilrechtliches Verbot für solches Fotografieren formulieren können, das zwar nicht bestraft werden muss, jedoch zivilrechtlich zu unterlassen ist. (Die Neufassung von § 201a StGB trat erst zwei Wochen nach diesem Urteil in Kraft.)
Das ist nicht geschehen. Auch die Abs. 2 erfassten Fotos mit der Eignung, „dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“, betreffen nur das Zugänglich-Machen, nicht aber die Anfertigung. Sofern der Bonner Fotograf nicht auf Privatgelände oder in einem FKK-Bereich knipst oder auf nackte Minderjährige oder gar auf militärische Sicherheitsbereiche draufhält, dürfte seine Fotofreude von der allgemeinen Handungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sein.
Die Bonner Gerichtevertreten allerdings vertreten die Rechtsauffassung, dass man zusätzlich zur allgemeinen Handlungsfreiheit auch ein „schützenswertes Eigeninteresse“ benötigt. Dem liegt wohl auf der Wertungsebene das Unbehagen darüber zugrunde, dass sich der Fotograf gewissermaßen als Hilfssheriffs aufführt und verdeckte Überwachung durchführt. Man assoziiert quasi Amtsanmaßung, die bei entsprechend ernsthaftem Auftreten sogar strafbar wäre (was vorliegend nicht der Fall ist). Denn dem Fotograf ging es um den Nachweis von Ordnungswidrigkeiten.
Nun gibt es durchaus Entscheidungen, in denen wahrnehmbare Kameras aus Gründen des Datenschutzes, wegen Schikane und Belästing usw. abgebaut werden mussten. Aber dass man Fotografen vorschreibt, aus welchen Motiven sie ihre Motive bannen, ist einigermaßen neu. Auch für heimliches Fotografieren hat der Gesetzgeber bislang keine anderen Regeln aufgestellt als für konventionelles.
Die Entscheidung sollte Privatdetektiven und investigativen Journalisten zu denken geben, die sich ggf. aus § 201a Abs. 4 StGB analog rechtfertigen müssen.
Landgericht Bonn, Urteil v. 07.01.2015 – Az.: 5 S 47/14.
Im letzten Jahrhundert haben wir in Deutschland eine Auswahl an totalitären Systemen durchgemacht, in denen Meinungs- und Demonstratinsfreiheit keinen allzu hohen Stellenwert genoss. Der Wert der Demonstrationsfreiheit ist kaum zu überschätzen, waren es doch friedliche Demonstrationen, die 1989 sogar den Kalten Krieg beendeten.
Ich halte es daher für sehr wichtig, dass der Staat das Demonstrationsrecht aus Artikel 8 Grundgesetz garantiert. Meinungsfreiheit ist allerdings nur dann gewährleistet, wenn ich Meinungskundgaben toleriere, die ich eigentlich nicht hören will. Daher sollte sich der Staat auch gegenüber unpopulären Meinungen so neutral wie möglich verhalten. Gerade unsympathischen Zeitgenossen sollte man ruhig ein Podium lassen, auf dem sie sich blamieren.
Während ich es gut finde, wenn Privatleute und Unternehmen in der Ablehnung von widerwärtigen Meinungen ein Zeichen setzen, indem sie etwa die Außenbeleuchtung abschalten, habe ich Bauchschmerzen, wenn öffentliche oder von der öffentlichen Hand kontrollierte Einrichtungen darüber befinden, welche Demonstration im Licht stattfinden dürfen und welche in den Schatten gestellt werden.
2009 etwa war es unpopulär und vom Staat unerwünscht, für die Internetfreiheit zu demonstrieren. Wer sich gegen das Zugangserschwerungsgesetz aussprach, wurde von der Regierungspropaganda als Befürworter von Kinderpornographie denunziert. Wer gegen den Überwachungsstaat eintritt, wird vermutlich bald zum „Terroristenversteher“ ausgerufen. Soll der Staat jetzt darüber bestimmen, wer erwünschter Demonstrant ist und wer stört?
Nunmehr wurde eine (verständlicherweise) unerwünschte Demonstration wegen einer Anschlagsdrohung verhindert. Anders als bei Licht- und Schattenspielereien geht es hier um eine Gefahrprävention für die Allgemeinheit, von der nicht nur die Provozierer, sondern auch Passanten, provozierte Gegendemonstranten und dienstverpflichtet Polizeibeamte betroffen sind. Ob die Gefahr wirklich konkret ist, wissen nur die Beteiligten. Ich würde auf ein bellende Hunde wetten, die bekanntlich nicht beißen.
Ab sofort also kann man Demonstrationen mit einer angeblichen Bedrohung abschalten. In Zeiten des Linksterrorismus wollte sich die „wehrafte Demokratie“ nicht von Terroristen erpressen und kalkulierbar machen lassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese harte Linie der Politik in der Schleyer-Entscheidung ausdrücklich gebilligt. Die Terrorhysterie vor Islamisten hingegen scheint nicht ungelegen zu kommen.
Der Abbau von Bürgerrechten geschieht schleichend, aber effizient. In Spanien etwa müssen Demonstranten mit Bußgeldern von bis zu 600.000,- € und hierzu eingeschleusten Agents Provocateurs rechnen.
Eigentlich wäre die Verfassungsbeschwerde gegen die Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes eine spannende Sache gewesen. Der Berliner Kollege, der die Verfassungsbeschwerde in eigener Sache führte, sah sich nun aufgrund eines formalen Fehlers veranlasst, die Verfassungsbeschwerde zurückzunehmen.
Wäre er bei gewöhnlichen Gerichten gewesen, hätte er alles richtig gemacht. So hatte er die Verfassungsbeschwerde fristwahrend vorab per Fax eingelegt und das Original nebst Abschriften und Anlagen nachgesandt. Normalerweise reicht es zur Fristwahrung aus, wenn man den Schriftsatz faxt. Es würde sogar reichen, wenn man die Seite mit den Anträgen und dann die letzte Seite mit der Unterschrift faxt. Wer etwa am letzten Tag der Frist um 23.58 Uhr ein 100-Seiten-Fax abschicken will, hätte andernfalls ein Problem.
Nun fragt man sich als Anwalt, ob man denn auch den Karton mit den 300 Anlagen faxen soll, auf die man Bezug nimmt. Derartige Inanspruchnahme fremden Papiers ist nicht nur uverschämt, sondern blockiert auch das Gerichtsfax, was den anderen „Fristwahrern“ den Nerv raubt. Zur Fristwahrung sind die Anlagen nicht notwendig (im einstweiligen Rechtsschutz ist das aber schon sinnvoll). Die Gerichte stehen nicht auf Fax-Spammer und legen gerne mal Merkblätter in den Korrespondenz, dass man bitte nur unbedingt fristwahrende Schriftsätze faxen soll. Während mir mein Hamburger Lieblingsrichter solche Ermahnungen nur bei Veranlassung einpackte, wird man am Landgericht München präventiv zur Enthaltsamkeit gemahnt, verbunden mit der Drohung, dass man den Papierverbrauch dem Anwalt in Rechnung stelle.
Andere Behörden, etwa das Patent- und Markenamt, sind hingegen so technikaffin, dass man bei der Markenanmeldung nur die Telekommunikation benutzen und sich die Briefpost gleich ganz sparen soll.
Bei Verfassungsbeschwerden ist das aber anders. So hatten die Karlsruher Verfassungshüter 2000 eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil in der fristwahrend vorab gefaxten Version ebenfalls die Anlagen fehlten, darunter auch das angegriffene Urteil selbst. Damit war die Verfassungsbeschwerde nicht schlüssig innerhalb der Frist erhoben worden:
(…) Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und ihre Annahme daher mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in einer den Darlegungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert begründet (vgl. BVerfGE 5, 1 <1>; 18, 85 <89>; 88, 40 <45>). Die fristgemäße Begründung erfordert insbesondere, dass die angegriffene Entscheidung selbst vorgelegt oder doch wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt oder sich mit diesem Inhalt auseinandergesetzt wird (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Nur so wird der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang vollständig in einer der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglichen Weise aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar dargelegt (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>). Nimmt die Verfassungsbeschwerde auf Ausführungen in anderweitigen Schriftsätzen oder Dokumenten Bezug, ist dem Formerfordernis im Übrigen nur genügt, wenn diese beigefügt werden (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>), bzw. die Begründungsfrist nur dann eingehalten, wenn die Schriftsätze dem Bundesverfassungsgericht innerhalb der Frist vorliegen. Daran fehlt es hier. (…)
Der Berliner Kollege wird sich für einen Moment gefragt haben, ob man den Missgriff irgendwie heilen könnte. Er beriet sich jedoch weise, das zu lassen. Denn 2011 waren die Verfassungsrichter wegen einer pampigen Turnbeutelvergesserin so brastig, dass sie der Beschwerdeführerin eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 1.000,- € aufdrückten (BVerfG, 2 BvR 751/11 vom 25.10.2011).
Mehrfach kam die Frage auf, ob das Agitprop-Magazin DER SPIEGEL für seinen aktuellen Titel die privaten Fotos der beim Flug MH 17 getöteten Menschen benutzen durfte.
Zivilrecht
Sofern nicht die Angehörigen eingewilligt haben: NEIN.
Wer in Deutschland Fotos verbreiten oder zur Schau stellen will, auf denen Gesichter zu erkennen sind, benötigt grundsätzlich nach § 22 KunstUrhG die Einwilligung entweder des Abgebildeten oder nach dessen Tod die von den Angehörigen (bis zum Ablauf von zehn Jahren).
Eine solche Einwilligung wäre entbehrlich in Fällen eines gewichtigen Berichtsinteresses der Öffentlichkeit, § 23 KunstUrhG. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, denn DER SPIEGEL hat kein Flugzeugunglück berichtend illustriert, sondern „Stoppt Putin“ bebildert. Wenn die Betroffenen oder deren Angehörige diesen politischen Apell nicht teilen, liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor.
Etwas anderes könnte aber gelten, wenn Bildrechte nach § 22 KunstUrhG wirksam übertragen wurden. Dem Vernehmen nach soll sich DER SPIEGEL aus sozialen Netzwerken bedient haben. Wenn man selbst Fotos von sich ins Netz stellt, gibt man insoweit ein Stück Privatsphäre von sich faktisch auf. Dies beinhaltet jedoch nicht automatisch die Erlaubnis, dass auch Dritte solche Fotos nutzen dürfen (zumal auch das Urheberrecht des Fotografen geschützt ist, sogar gegenüber dem Abgebildeten). Die Einwilligung nach § 22 KunstUrhG reicht grundsätzlich nur soweit, wie es dem Betreffenden vernünftigerweise erkennbar war. Wird man z.B. bei einem nicht öffentlichen Anlass gefilmt und lässt die Aufnahmen zu, bedeutet dies nicht, dass man pötzlich im landesweiten TV zu sehen sein will. Die Reichweite einer Einwilligung nach § 22 KunstUrhG ist regelmäßig Streitfrage am Richtertisch und wird in den Instanzen unterschiedlich beurteilt.
Bei Facebook heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedinungen:
(…) Du erteilst uns deine Erlaubnis zur Nutzung deines Namens, Profilbilds, deiner Inhalte und Informationen im Zusammenhang mit kommerziellen, gesponserten oder verwandten Inhalten (z. B. eine Marke, die dir gefällt), die von uns zur Verfügung gestellt oder aufgewertet werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass dueinem Unternehmen bzw. einer sonstigen Organisation die Erlaubnis erteilst, uns dafür zu bezahlen, deinen Namen und/oder dein Profilbild zusammen mit deinen Inhalten oder Informationen ohne irgendeine Entlohnung für dich zu veröffentlichen. (…)
Außerdem ist Facebook der Ansicht, dass jedweder Anspruch, Klagegegenstand oder Streitfall (Anspruch), den man gegenüber Facebook Ireland Limited hat und der sich aus der Erklärung gegenüber Facebook oder in Verbindung mit dieser bzw. mit Facebook ergibt, ausschließlich vor dem für den nördlichen Bezirk von Kalifornien zuständigen US-Bezirksgericht oder vor einem Staatsgericht in San Mateo County zu verhandeln sei, wobei die Gesetze des Bundesstaates Kalifornien unter Ausschluss der Bestimmungen des internationalen Privatrechts anzuwenden seien.
Das Landgericht Berlin teilte allerdings 2010 freundlich mit, dass in Deutschland deutsches Recht anzuwenden sei und auch hierzulande geklagt werden könne. Das Urteil wurde dieses Jahr vom Kammergericht bestätigt.
Die Frage also, inwieweit ein Verlag für einen Printtitel von Facebook wirksam Rechte Dritter nach § 22 KunstUrhG erwerben kann, wäre daher auch hierzulande justiziabel. Wie gesagt, die Reichweite solcher Einwilligungen ist im Einzelfall eine diffizile Angelegenheit. Die Rechtsansicht, dass man auf Facebook wirksam darin einwilligt, in politische Kampagnen eingespannt zu werden, halte ich für abwegig.
UPDATE:
BILDblog hat sich die SPIEGELBILDerei vorgenommen. Dort ließen sich die SPIEGEL-Leute wie folgt ein:
„Wir halten die Optik für angemessen, denn es handelt sich um Opfer der ruchlosen Machtpolitik des russischen Präsidenten Putin. Dies rechtfertigt nicht nur eine so starke, emotionale Optik, es macht sie geradezu notwendig – und zwar im Interesse der Opfer und ihrer Angehörigen.“
UPDATE: Unabhängig vom Aspekt der Persönlichkeitsrechte sind natürlich auch die Urheberrechte der Fotografen betroffen.
Pressekodex
Der Verlag des SPIEGEL hat sich dem – nicht vor ordentlichen Gerichten justiziablen – Pressekodex unterworfen:
§ 1 (…) Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.
§ 8 (…)
Richtlinie 8.2 – Opferschutz
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.
Richtlinie 8.3 – Kinder und Jugendliche
Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.
§ 11 (…)
Richtlinie 11.3 – Unglücksfälle und Katastrophen
Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.
§ 13 (…)
Richtlinie 13.1 – Vorverurteilung
Die Berichterstattung über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren dient der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit über Straftaten und andere Rechtsverletzungen, deren Verfolgung und richterliche Bewertung. Sie darf dabei nicht vorverurteilen. Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind.
Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines „Medien-Prangers“ sein. Zwischen Verdacht und erwiesener Schuld ist in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.
Als Wulf vor einiger Zeit mal Herrn Dieckmann auf die Mailbox sprach und der das leakte, war das für die Medien eine Riesensensation. Tatsächlich schätzen gut informierte Journalisten, dass es in Berlin täglich 20 Versuche gibt, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Auch Nikolaus Brender berichtet über die mäßig subtilen Wünsche nach Hofberichterstattungen im ZDF.
51 Jahre nach der deutschen SPIEGEL-Affäre erleben nun die Überwachungsfanatiker von der britischen Insel den Tiefpunkt ihrer Pressefreiheit. So war der Guardian vom Abhörgeheimdienst GCHQ praktisch gezwungen worden, Festplatten zu vernichten.
Es wird höchste Zeit, die ganzen bürgerrechtsfeindlichen „Sicherheitsgesetze“ auf den Prüfstand zu stellen und die Befugnisse auf ein angemessene Maß einzudampfen.
Auch hierzulande überschreiten die Behörden auf Zuruf der US-Geheimdienste ihre Kompetenz. So wurde am vergangenen Samstag von der Polizei ohne Nennung einer gesetzlichen Grundlage eine kamerabestückte Drohne einkassiert, die Piraten neben dem Dagger Complex hatten aufsteigen lassen. Später hat man dann kleinlaut Unsinn über „Persönlichkeitsrechtsverletzungen“ verzapft. Gestern nun haben die Darmstädter Behörden wissen lassen, die Benutzung des Quadrocopters sei zulassungsfrei nur zu Sport und Spiel gestattet, was ja wohl nicht der Fall gewesen sei. Nachträgliches Erfinden von Verboten kennt man eigentlich nur aus dem Polizeistaat.
Es stellt sich die Frage, seit wann die Polizei darüber zu befinden hat, wer Sport und Spiel treibt. Selbstverständlich ist es ein Spiel, symbolisch gegen Spione zurückzuspionieren. Das Steuern von Drohnen ist selbstverständlich auch ein Sport. Eine Regel, dass man neben dem Dagger Complex kein Sport und Spiel treiben dürfe, ist mir nicht bekannt. Seit der Entscheidung „Reiten im Walde“ des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass man Sport und Spiel nach Art. 2 Abs. 1 GG da nachgehen kann, wo es einem beliebt, solange man keine Bestimmungen verletzt. Das Aufsteigen der Drohne war vermutlich auch als Meinungskundgabe geschützt, die jedem Deutschen in Wort und Bild zusteht. Da der Grundgesetzgeber noch keine Quadrocopter kannte, fällt ein solches Symbol unter „Bild“.
Ich schlage vor, kommenden Samstag am Dagger Complex offizielle Luft-Spiele auszurichten. Toll wäre es, wenn anerkannte Quadrocopterpiloten dort ihr Können beweisen. Um zu verhindern, dass die Drohnen den Luftraum des Dagger Complex überflliegen, etwa aufgrund von Seitenwind, wären Rauchsäulen hilfreich. Als Pyrotechniker schlage ich den Bundestagskandidaten Sven Krohlas vor. ;-)
Nachdem es den Gesetzgebungsorganen mal wieder nicht gelungen ist, verfassungsgemäße Gesetze zu erlassen, diesmal bzgl. der Bestandsdatenauskunft, müssen wir es halt selber richten. Genauer: Richten lassen, nämlich vom Bundesverfassungsgericht.
Sie haben die Möglichkeit, sich für die Kosten einer Briefmarke an einer möglicherweise historischen Verfassungsbeschwerde zu beteiligen. Wem Freiheit und Kampf gegen den Überwachungswahn etwas bedeuten, bitte einmal hier entlang!
Derzeit arbeite ich an einem Konzept, wie man durch Vernetzung Blogger etc. vor den Auswüchsen weltfremder Rechtsprechung schützen kann.
Ein ähnliches Anliegen verfolgt Hardy Prothmann, der einen Verein gegen den Abmahnwahn gründen will. Prothmanns Heddesheim-Blog ist vor allem durch den juristischen Amoklauf des GRÜNEN-Politikers Ströbele in Erinnerung, dessen Ehefrau mit Fischfutter attackiert wurde. Prothmanns Idee ist so eine Art „ADAC“, bei der Mitgliedern Rechtsberatung vermittelt und ggf. finanziert wird und Gängel-Abmahner transparent gemacht werden.
Bei meinem Projekt geht es mehr darum, dass konkrete Urteile aus den unteren Instanzen, die von der meinungsfreiheits-freundlichen Linie von BGH und Bundesverfassungsgericht abweichen, durch Finanzierung des Rechtswegs korrigiert werden. Die Mitgliedschaft in einem Verein wäre hierfür keine Voraussetzung, die Förderung würde allerdings erst im Prozessstadium Stadium ansetzen.
Sinnvoll wäre eine Kombination beider Anliegen. Den Projekten ist gemein, dass ein Gremium an Juristen und Publizisten benötigt wird, die über förderungswürdige Fälle entscheiden.
Was mein Projekt betrifft, werde ich kommende Woche die Entscheidungen über die Rechtsform treffen. Kritik, Anregungen und Partner sind willkommen!
Ich bin der Meinung, dass man die Kontrolle der Meinungsfreiheit nicht Lügnern überlassen sollte. Dieser Befund entspricht allerdings den gegenwärtigen Verhältnissen im Presserecht, wo Anwälte und Richter willkürlich Meinungsäußerungen in Tatsachenbehauptungen umdeuten und die Beweislastumkehr für solche in absurder Weise auf die Spitze treiben. Nicht nur das Äußern ungeliebter Meinungen ist inzwischen eine heroische Tat, sondern bereits das Verlinken von Videos, die irgendwelche Nebensächlichkeiten enthalten, die zu beweisen wären. Die Missstände sind u.a. Folge asymmetrischer „Kriegskassen“, mit denen Industrie, Politiker und Scharlatane ihre Kritiker juristisch mundtot zu machen pflegen. Es wird Zeit, die willkürliche Missachtung der Rechtsprechung aus Karlsruhe durch die Instanzgerichte zu beenden.
Mein Konzeptvorschlag für die Kriterien einer „Stiftung Bloggerhilfe“ (Arbeitstitel):
Der Rechtshilfefonds soll den Rechtsweg gegen meinungsfreiheitsfeindliche Rechtsprechung aus den unteren Instanzen finanzieren.
Grund: Urteile aus den Instanzgerichten, die im Widerspruch zur Rechtsprechung aus Karlsruhe stehen, führen zu Rechtsunsicherheit und Selbstzensur. Meinungsfreiheit ist für Privatpersonen nicht finanzierbar, wird von keiner Rechtsschutzversicherung gedeckt und nur selten von Prozesskostenhilfe unterstützt.
Gefördert werden nur Fälle, in denen bereits ein Gericht befasst ist (einstweilige Verfügung, Klage).
Grund: Der Großteil aller Abmahnungen ist ohnehin Bluff. Der Rechtshilfefonds soll keine anwaltliche Beratung ersetzen, sondern die Finanzierung von Maßnahmen gegen konkrete Rechtsprechung ermöglichen.
Seinen Anwalt wählt der Betroffene.
Grund: Das ist nun einmal das gute Recht eines Beklagten.
Über die Förderung eines Falles entscheidet ein Gremium an Experten (Anwälte etc.).
Grund: Die Mittel sollen gezielt für wichtige Anliegen der Meinungsfreiheit im Internet eingesetzt werden, um ggf. Grundsatzurteile zu erstreiten. Aufgrund der Vielzahl an Fallgestaltungen und unbekannten Entwicklungen wäre eine enge Definition förderungswürdiger Fällen nicht sachgerecht.
Das Experten-Gremium wird umfassend in die Rechtsverteidigung eingebunden. Alle kostenauslösenden Schritte werden mit dem Experten-Gremium abgestimmt.
Grund: Es geht um Geld.
Soweit mein grober Vorschlag. Erste Kollegen haben bereits Interesse an der Mitwirkung signalisiert. Wer wäre noch bereit, ehrenamtlich in einem Expertengremium mitzuwirken?