12. Oktober 2014
In der Legal Tribune Online hatte ich letzte Woche die Rechtslage zum Unterlassungsbegehren des Herrn Dr. Kohl skizziert.
Wie erwartet, hatten die Kohl-Anwälte in ihrem ursprünglichen Antrag am Dienstag zunächst keine konkreten Äußerungen angegriffen, denn die kannten sie vermutlich noch gar nicht, da das Buch erst am Dienstag erschien. Da half es auch nichts, dass in der Kanzlei der Kohl-Anwälte der vormalige Geheimdienstkoordinator mitberät, die Geheimhaltung hat offenbar funktioniert.
Ein sogenanntes Totalverbot ist vor allem im Urheberrecht möglich, wenn ein Werk zu viele fremde Anteile enthält und es mit „Schwärzen“ von einzelnen Stellen nicht getan ist, im Persönlichkeitsrecht sind solche pauschalen Anträge aber häufig unzulässig. Selbst die Hamburger Pressekammer mag solche Anträge nicht, und auch in Köln wollte man es etwas genauer.
Nun meldet der FOCUS, dass Kohls Anwälte in den letzten Tagen fleißig waren und 115 konkrete Kohlzitate beanstanden. Da es sich wieder um einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz handelt, bietet die Zivilprozessordnung bei einem zulässigen Antrag gewisse Möglichkeiten, ein Verbot selbst dann durchzusetzen, wenn sich in einem späteren Verfahren die Äußerungen in ca. acht Jahren als rechtmäßig herausstellen sollten. Sofern einer von Kohls 155 Pfeilen trifft, wird mindestens die zweite Auflage mit schwarzen Balken erscheinen.
Die Erstauflage soll 100.000 Exemplare betragen, was einem Umsatz von rund 2 Millionen Euro entspricht.

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10. Oktober 2014
Der am Dienstag vorhergesagte Pfeil aus Oggersheim ist nach Köln geflogen, verfehlte aber sein Ziel. Da die Kohl-Anwälte bei ihrem am Dienstag gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung das Schwan-Buch – wenn überhaupt – erst frisch auf dem Tisch hatten, wird der Antrag mit heißer Nadel gestrickt gewesen sein. Auf dem Weg von der Luxemburger Straße zum Reichensperger Platz hatten die Kohl-Anwälte Gelegenheit zum Nachbessern. Ob das Oberlandesgericht Köln dem Schwarzen Riesen recht geben und den Schwan schwarz machen wird?
Zu den Rechtsfragen bei indiskretem Journalismus habe ich heute in der Legal Tribune Online publiziert:
Heribert Schwans Ko(h)lportage
Der Ghostwriter, den er rief
Update: Kohl hat nach richterlichem Hinweis des OLG Kön zurückgezogen.

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3. Oktober 2014
Günter Wallraff wurde gestern für „Team Wallraff“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Ich habe bislang keinen beeindruckenderen Journalist kennen gelernt. Die Hälfte seiner Arbeitszeit wurde durch Gerichtsprozesse verschwendet.
Als der Kollege Höcker mir letztes Jahr mit einem Prozess drohte, bot mir Wallraff spontan an, sich an möglichen Prozesskosten zu beteiligen. ;)
Hier die vollständige Aufzeichnung der sehenswerten Wallraff-Ausgabe von „Ich stelle mich (WDR)“ vom 17.08.2014.

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1. Oktober 2014
Ein Hamburger Arzt hat gegen den NDR (vermutlich am Landgericht Hamburg) eine einstweilige Verfügung wegen eines Berichts erwirkt, der mit versteckter Kamera gedreht wurde. Der christliche Medizinmann hatte seine Künste als „Schwulenheiler“ angeboten, die ein schwuler Journalisten in Anspruch nahm, obwohl er vermutlich nicht wirklich „geheilt“ werden wollte.
Aufnahmen mit versteckter Kamera sind im Presserecht ein Klassiker, da es sich beim Verhältnis zwischen Arzt und Patient um einen vom Gesetzgeber besonders geschützten Bereich handelt. Arzt und Patient sollten vertrauensvoll und offen reden können. Das ist dann nicht unbefangen möglich, wenn man mit verdeckten Aufnahmen rechnen muss. Daher ist es relativ einfach, in der ersten Instanz eine Unterlassungsverfügung zu erwirken.
Allerdings ist eine Rechtsverteidigung durchaus möglich. RTL etwa wehrte sich erfolgreich gegen eine Unterlassungsverfügung, weil der dort betreffende Azrt anonymisiert war.
Dieses Jahr hob das Oberlandesgericht Hamburg eine Unterlassungsverfügung von Krebs-Behandler und Dauerkläger Dr. Nikolaus Klehr gegen das ZDF auf. Die Aufnahmen hatten nur den Eingangsbereich seiner Praxis sowie ein verpixeltes Beratungsgespräch ohne Originalton gezeigt. Entgegen dem Landgericht Hamburg vermochte das OLG darin keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung zu erkennen.

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30. September 2014
Der BGH hat sich erneut mit der pressemäßigen Nutzung von fremden E-Mails beschäftigt. Vor ein paar Jahren hatte ich den BGH davon überzeugt, die Revision gegen ein Urteil des OLG Stuttgart nicht zur Entscheidung anzunehmen, das die Nutzung von E-Mails aus einer vermeintlich privaten Mailingliste erlaubte.
Nunmehr ging es um E-Mails eines Politikers, die auf einem ihm abhanden gekommenen Rechner gefunden wurden. (Passiert häufig: Allein in London werden jährlich an die 1.000 Notebooks allein in Taxen vergessen …) Der Unglücksvogel war außerehelicher Vater eines Kindes geworden, für das offenbar Sozialleistungen beantragt waren. Für einen Finanzminister war das halt schon ein bisschen peinlich.
Während die Vorinstanzen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erkannten, ließ heute nun der BGH die Äußerungen zu (via Beckmann & Norda):
Zwar greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und seiner Geliebten gewechselten E-Mails stützt, in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig. Das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen.
Und:
Die Informationen, deren Wahrheit der Kläger nicht in Frage stellt, haben einen hohen „Öffentlichkeitswert“. Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielten E-Mails belegen, dass sich der Kläger über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Er hat es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezog, obwohl die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nicht gegeben waren. Denn die Kindesmutter hatte der zuständigen Behörde den Kläger pflichtwidrig nicht als Vater von E. benannt.

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22. September 2014

Foto: Segelschiff am Zingster Strom, Hafen von Zingst, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0
In den letzten Jahren häufen sich die Fälle, in denen gewisse „Fotografen“ das Internet mittels Wikipedia, Flickr, eigenen Websites usw. Google-trächtig mit Fotos fluten, die unter einer Crative Commons-Lizenz stehen, zz. CC BY 3.0. Entgegen einem häufig erweckten Eindruck sind solche Bilder aber nur dann frei, wenn Urheber und Lizenz genannt werden. Es hat den Anschein, dass es bestimmte Fotospammer darauf anlegen, fahrlässige Missverständnisse zu provozieren, um dann mit feisten Lizenzforderungen abzukassieren. Im Patentwesen wird dieses anrüchige Geschäftsmodell Patent-Trolling genannt.
Auch der Kläger, der Lizenzzahlungen für die Nutzung des obigen Lichtbilds eines Boots in Zingst einforderte, ist insoweit ein alter Bekannter. Seine Standard-Drohung, bei Nichtzahlung seiner unverschämten Forderungen einen „Fachanwalt für Urheberrecht“ zu beauftragen, ist bis heute offenbar ein Bluff geblieben. Im einzig mir bekannten und wegen zunächst falscher Gerichtsortswahl vermutlich ersten Prozess, den er gegen einen Nutzer anstrengte, vertrat sich der stolze Hobbyjurist lieber selbst.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 1.397,18 € zzgl. Zinsen für das nur wenige Wochen in geringer Größe und Auflösung genutzte Foto. Der Kläger bezeichnete sich in der Klageschrift selbstbewusst als „professioneller Fotograf“ und nahm für sich Geltung der „Honorarempfehlung der Mittelstandsvereinigung Foto-Marketing (MFM)“ in Anspruch. Dabei berechnete er gleich die Kosten für ein ganzes Jahr Nutzung, frei nach dem Motto: „Draußen nur Kännchen“.

Foto: Wikingerfest 2010, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0
Diese berühmten Empfehlungen der MFM werden allerdings allenfalls bei wirklich professionellen Fotografen anerkannt, die Kosten für Fotostudios, teure Ausrüstung, Models, Reisen, Nachbearbeitung usw. aufwenden, in die Künstlersozialkasse einbezahlen, bei der IHK als gewerbliche Fotografen gemeldet sind, usw.. Allerdings sind auch diese Empfehlungen kein anerkannter Tarif, sondern bloße Wunschvorstellungen der Lobby. Bei den großen Verlagen, die tatsächlich den Marktpreis gestalten, sind sie nicht durchsetzbar. Nicht einmal das als scharf geltende Landgericht Hamburg nimmt die Empfehlungen der MFM ernst, sondern kennt die Marktpreise.
Die angebliche Professionalität des Klägers stand jedoch in gewissem Widerspruch zu seiner steuererechtlichen Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG. Ein Hinweis auf eine Mitgliedschaft in der IHK des angeblich gewerblich tätigen Fotografs suchte man vergeblich. Die vom Kläger verwendete Kamera, eine Canon EOS 50D (ca. 333,- € Wert) ist eher kein professionelles Gerät. Demgegenüber versehen professionelle Fotografen und Fotostocks entsprechende Bilder mit Urheberstempel bzw. Wasserzeichen. Es mehren sich aufgrund des Prozessverhaltens des Klägers auch in anderen Verfahren die Indizien, dass der Kläger damals nicht eine einzige Bildlizenz im Wege einer regulären Nachfrage verkauft hatte.
Nach § 97 UrhG kann die Höhe eines Schadensersatzes bei Urheberrechtsverletzungen auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Man kann die Ansicht vertreten, dass diese Vergütung bei Fotos, die unter CC-Lizenzen kostenfrei genutzt werden dürfen, ziemlich genau bei 0,- € zu taxieren ist. Kein vernünftiger Mensch würde für etwas Geld ausgeben, was er umsonst bekommt, falls er die gewünschte Form einhält. Zwar mag es in der Profi-Werbebranche wertsteigernd sein, Fotos in Anzeigen ohne Urheberbenennung benutzen zu dürfen, doch auf einem solchen anspruchsvollen Markt war der Kläger mit seinen mäßig gelungenen Werken nicht wirklich tätig.
Der Marktpreis ist auch aus anderen Gründen zweifelhaft. So kann man vergleichbare Motive sehr günstig erstehen, etwa hier ein Foto des wohl gleichen Schiffes bei Fotolia.
Meines Erachtens verhält sich der Kläger als agent provocateur treuwidrig und muss sich mindestens Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen, da er durch Betreiben sogenannter „Honeypots“ bei der Entstehung des angeblichen Schadens schuldhaft selbst mitwirkte. Das hätte ich gerne einmal durchgefochten.
Das Amtsgericht Bochum sah es zwar etwas anders, mochte dem Kläger jedoch gerade einmal 16% seiner stolzen Forderung zubilligen. Da wegen der geringen Beschwer eine Berufung gegen ein Urteil nicht möglich gewesen wäre, ließ sich der Beklagte auf den Vergleich ein. Da der Kläger allerdings 80% der Prozesskosten zu tragen hatte, konnte der Beklagte mit seiner Ausgleichsforderung aufrechnen. Unterm Strich musste der Kläger wegen seines höheren Prozesskostenanteils sogar draufzahlen.
Letztlich musste der forsche Lizenzeintreiber also den Heimweg wie ein begossener Pudel antreten, zumal es an diesem Tag in Bochum regnete. Auch zum Fotografieren des Amtsgerichtsgebäudes eignete sich diese Beleuchtung nicht.

Foto: Regenwetter, Urheber: Dirk Vorderstraße, Lizenz: CC BY 3.0
21. August 2014
Einen unfreiwillig komischen Beitrag leistete sich das gebührenfinanzierte ARD-Wirtschaftsmagazin plusminus. Unter dem grob irreführenden Titel „Abmahnanwälte nicht zu stoppen“ lieferte der öffentlich-rechtliche Sender zu melodramatischer Musik Propaganda vom Feinsten.
Beginnen wir beim Titel: Abmahnanwälte sind sehr wohl zu stoppen. Bei den von mir vertretenen Mandaten gab es genau einen Fall, bei dem sich der Abmahner überhaupt vor Gericht traute – und diesen Schritt vermutlich bereut hat. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Ansprüche an den Nachweis von rechtswidrigem Filesharing deutlich erhöht. Etliche Gerichte machen die grotesk hoch bemessenen Schadensersatzforderungen nicht mehr mit.
Zu Beginn behaupten die plusminusser, Filesharing sei für die Musikindustrie wie Diebstahl einer Sache im Laden. Die Lizenzforderungen werden aber nicht für den mit Diebstahl wirtschaftlich halbwegs vergleichbaren Download gefordert, sondern für den gleichzeitigen Upload, also die Weitergabe. Anders als beim Diebstahl verbleibt beim Up-/Download aber die Ware im Geschäft – genauso, wie beim Abspielen eines Musikstücks im Radio. Während das Aufzeichnen von im Radio laufender Musik oder von im TV ausgestrahlten Filmen legal ist, meinen die Content-Industriellen, dass das beim online-Tauschen anders wäre. Juristisch ist das der Fall. Wirtschaftlich allerdings ist die Verbreitung über Filesharing genauso eine Werbung für die Produkte wie der Konsum von Radio und Fernsehen. Den Nachweis eines wirtschaftlichen Schadens im Musik und Filmbereich hat die Industrie bis heute nicht erbracht. Im Gegenteil geht es der Film- und Musikindustrie heute besser als zu Zeiten vor Filesharing. Wer „Planet der Affen“ online gut fand, der sieht sich die Fortsetzung im Kino an. Bei E-Books usw. mag das anders sein, doch im Abmahnbusiness geht es vorrangig um Musik und Filme.
„Doch wer sich im Internet bewegt, der tut dies nicht unbeobachtet“
Sollte er aber. Es gibt etliche Möglichkeiten, die IP-Adresse zu anonymisieren, etwa VPN-Tunnel oder TOR. Es gibt 1000 seriöse Gründe, um seine Identität im Internet zu verbergen und Privatsphäre zu sichern. Wer sich heute noch beim Filesharing erwischen lässt, begeht einen Kunstfehler.
„Aus Versehen kann das nicht passieren, weil ich bewusst ein Programm auf meinem Rechner installieren muss (…)“
Hä? Filesharing ist grundsätzlich eine seriöse Technologie – genauso, wie man Dateien per E-Mail oder FTP verbreiten kann. Manche Dateien sind urheberrechtlich geschützt, manche eben nicht. Es kann auch durchaus sein, dass eine falsch deklarierte Datei doch geschütztes Material enthält. Zur Verbreitung größerer Dateien ist Filesharing nun einmal technisch sinnvoll.
So richtig klebrig wird das Propaganda-Filmchen aber am Schluss, wo der geläuterte Filesharer wie ein im Bootcamp geläutertes Ghetto-Kid oder ein Reborn Christ brav „begriffen“ hat:
„Tauschbörsen lohnen sich nicht. Nachdem er das zweite Mal erwischt wurde, will er nun endlich die Finger davon lassen.“
Nein, will er nicht. In Wirklichkeit hat er jetzt eine Stinkwut auf die Contentindustrie und auf die Anwälte und zahlt den Verwertern aus Prinzip nichts mehr. Stattdessen hat er nach seinem pädagogischen Erlebnis inzwischen seine Kumpels gefragt, wie man sich einen VPN-Tunnel bauen kann und fileshart jetzt erst recht. Plusminus hat davon wohl noch nie gehört.
Mich würden ja mal die Beweggründe für diesen albernen Propaganda-Beitrag interessieren, der mangels aktuellen Informationen keinen Nachrichtenwert hat. Filesharing war vor über drei Jahren ein Medienthema – auch bei plusminus. 2011 brachte plusminus die gleiche Thematik – damals noch mit dem Spin Verbraucherschutz. Inzwischen muss in der Redaktion irgendetwas Schreckliches passiert sein. Wenn plusminus Mangel an IT-Themen hat, einfach mal bei heise.de lesen, was gerade aktuell ist. Kostet nichts und wird auch nicht abgemahnt.

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6. August 2014
Wie gestern das OLG Köln entschied, darf der Verlag Voland & Quist für das aktuelle Werk von Julius Fischer weiterhin den Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ benutzen. Der Verlag der mittelalterlichen Mitbewerberin „Wanderhure“ hatte das Nachsehen, da der Titel selbst Kunst sei und vorliegend die Kunstfreiheit vor Markenfreiheit gehe („Wanderhuren müssen sich Revier teilen“).
Die vom Verlag eingesammelten Spendengelder gehen wie geplant an das Kurt-Tucholsky-Museum in Rheinsberg.
Az.: OLG Düsseldorf, I-20 U 63/14
16. Juli 2014
Dr. Nikolaus Klehr und sein tapferer Hamburger Rechtsanwalt Dr. Sven Krüger haben am Hanseatischen Oberlandesgericht gegen das ZDF verloren. Klehr hatte 18.01.2011 am Landgericht Hamburg gegen das ZDF eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen eines angeblich rechtswidrigen Beitrags in WISO über die fragwürdige Praxis des selbsternannten Krebsbehandlers erwirkt. So wehrte sich Klehr gegen angeblich aufgestellte Behauptungen und die (gesichtsverpixelte) Aufnahmen aus seiner Praxis.
Das ZDF ließ sich nicht lumpen und wehrte sich zunächst erfolglos am Landgericht Hamburg. Weil es den Beitrag auch auf YouTube zu sehen gab, nahm Klehr auch Google (YouTube) und einen Blogger in Anspruch, der das Video über einen Link embedded hatte.
Nach über drei Jahren ertrotzter Unterlassungsverfügung hob im Mai 2014 das Oberlandesgericht Hamburg das Verbot gegen das ZDF auf. In der Zwischenzeit nämlich war der Bundesgerichtshof Ende 2012 mal wieder mit den Hamburgern hart ins Gericht gegangen und hatte den Hanseaten in einem anderen Fall, bei dem ebenfalls Klehr-Anwalt Dr. Krüger die Presse gegängelt hatte, mit sehr deutlichen Worten den ><((((*>
gezeigt:
„Die von ihm vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt. Das Berufungsgericht hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint.“
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 – VI ZR 314/10.
Das hat offensichtlich gesessen. Der Hamburger Pressesenat, dem inzwischen der mir so ans Herz gewachsene Richter Buske vorsitzt, bezog sich ausdrücklich auf dieses BGH-Urteil. Die Karlsruher Kritik an den Hanseaten hat eine lange Tradition.
Das OLG Hamburg befand nun, dass das ZDF inzwischen für seine Behauptung über eine in Deutschland rechtswidrige Arbeitsweise Klehrs genug Glaubhaftmachung aufgeboten hat. So hatte Klehr zunächst das ZDF der Lüge geziehen und mit eidesstattlichen Versicherungen seiner „Klehriker“ in Beweisnöte gebracht. Da aber die Version des ZDF von so vielen unabhängigen Zeugen plausibel gestützt wird, sieht auch der Senat „keine durchgreifenden Zweifel“ mehr:
„Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für die Überzeugungsbildung, nach denen eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht gefordert werden darf, sondern sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss (BGH, Urt. v. 11. 12. 2012, NJW 2013, S. 790 ff., 791), sind die von der Antragsgegnerin vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel daher auch unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller vorgelegten Glaubhaftmachungs- und Beweismittel ausreichend, um ihren Vortrag als glaubhaft gemacht anzusehen.“
OLG Hamburg, Az.: 7 U 47/12, Urteil vom 06.05.2014, Rechtskraft nicht bekannt.
War das jetzt wirklich so schwer?
Auch die mit versteckter Kamera hergestellten Aufnahmen in der Azrtpraxis waren zulässig, weil diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der nunmehr als wohl doch nicht so falschen Behauptung stehen und der gute Herr Dr. Klehr durch deren Verbreitung demgegenüber nicht schwerwiegend in seinen Rechten verletzt wird, da die Praxisräume ohnehin einem größeren Personenkreis einsehbar sind und er nur in seiner Berufssphäre betroffen ist. Auch dazu hatte der BGH schon 2006 etwas gesagt, was längst herrschende Meinung ist – außerhalb des Landgerichts Hamburg, das immer wieder eine Nachhilfe aus Karlsruhe benötigt.
Damit darf das ZDF den Beitrag wieder zeigen. Gewonnen hat aber vor allem das Team Dr. Klehr/Dr. Krüger, denn über drei Jahre lang konnte das ZDF Krebspatienten im Endstadium nicht vor Klehrs möglicherweise doch nicht so hilfreicher, dafür aber schweineteuren Behandlung warnen. Auch die Hamburger Pressekammer darf stolz auf sich sein. Die Prozesskosten bezahlt Klehr, der von todkranken Krebspatienten für seine Künste exorbitante Honorare nimmt, aus der Portokasse.
Vermutlich wird auch YouTube/Google in gleicher Sache obsiegen. Und vielleicht darf irgendwann dann auch der Blogger wieder das Klehr-Video verlinken. Hätte der finanziell nicht so gut wie das ZDF und Google aufgestellte Blogger aus Kostengründen die Notbremse gezogen und auf die Berufung verzichtet, so wäre das Verbot längst rechtskräftig. Seit über zwei Jahren wartet der Blogger auf den Termin zur Berufungsverhandlung. Der Prozess mit einer schlussendlich drohenden Kostenlast von 20.000,- € wurde durch die „Klehranlage“ finanziert. Weit über 1.000 Menschen haben den Hamburger Landrichtern gezeigt, was sie von dem weltfremdem Umgang mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit halten.
Ach so: Der Blogger bin ich. Danke an euch Klehranleger! Venceremos! :)

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7. Juni 2014
Die Schauspielerin Corinna Drews brachte es 1986 zu einer gewissen Bekanntheit in „Kir Royal“, wo sie ausgerechnet ein Starlet spielte, das von einem Klatschreporter berühmt gemacht werden wollte. Dreimal posierte sie auf dem Titel des Anatomie-Fachmagazins „Playboy“, wo sie ihr Gesicht und andere Körperteile in die Kamera schwenkte (bei Interesse bitte selber googeln …). Erstmals hatte sie 1981 für das Fachblatt blank gezogen und darüber informiert, ihr Sport seien Männer.
33 Jahre später war dem gereiften Nackedei die Aktion irgendwie peinlich, was deshalb verwunderlich ist, weil sie das peinlichste machte, was man tun kann: In eine RTL-Containercampwasweißichprollshow zu gehen. Sauer wurde Frau Drews, als eine für BILDberichterstattung bekannte Boulevardzeitung dieses Ereignis mit einem historischen Playboyfoto von 1981 illustrierte. Sie zog vor das Landgericht München, wo sie anders als aus der Show nicht bei der ersten Gelegenheit rausflog, und begehrte Unterlassung. Und Geld hätte sie dafür natürlich auch gerne.
Grundsätzlich ist eine nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligungserklärung in das Verbreiten und Zur-Schau-Stellen eines Portraitfotos unwiderruflich. Ob man beim Foto bekleidet war oder nicht, spielt normalerweise keine Rolle. Anders als etwa im Urheberrecht gibt es kein „Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung“. Andernfalls wäre jedes Foto, auf dem jemand erkennbar ist, mit unkalkulierbaren Rechtsunsicherheiten belastet. Der Playboy hatte damit grundsätzlich das zeitlich unbegrenzte Recht zur Auswertung erworben, soweit nichts anderes vereinbart war. Möglicherweise war der Verlag sogar zur Weiterlizenzierung berechtigt.
Gerichte legen den Umfang von Einwilligungserklärungen nach § 22 KunstUrhG allerdings einschränkend aus. Wer etwa gefilmt wird, muss eine ungefähre Vorstellung haben, wofür die Aufnahmen verwendet werden. Zur klassischen Frage, welche Rechte einem Nacktmodell zustehen, das inzwischen zur Tugend gefunden hat und nur noch züchtig bekleidet durch den Blätterwald rauschen will, gibt es nur wenig bekannte Entscheidungen, weil in solchen Fällen meist Vergleiche geschlossen werden.
Das Landgericht München nun entschied der Süddeutschen Zeitung zufolge, die zu Beginn der 1980er Jahre erklärte Einwilligung Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotostrecke Anfang der Achtzigerjahre gelte nicht auch für eine Bildveröffentlichung 2014. Zumal keinerlei Zusammenhang zwischen der seinerzeitigen Veröffentlichung und dem umstrittenen Bericht bestehe. Die bloße Assoziation, Dschungelcamper entblößten sich regelmäßig im wörtlichen oder übertragenen Sinne, ließen sie nicht gelten. Ebenso wenig käme es darauf an, dass die Zeitung eine Lizenz beim Playboy erworben hätte.
Unverkennbar schwingt bei dieser Sicht die Caroline-Entscheidung mit, die bei unfreiwilliger Bildberichterstattung stets einen konkreten Anlassbezug fordert. Die Münchner Richter gingen offenbar so weit, dass man es nach 33 Jahren nicht mehr hinnehmen müsse, mit einer Jugendsünde konfrontiert zu werden. Dem zufolge hätte die Zeitung selbst dann keine lizenzierten Bilder verwenden dürfen, wenn sie inhaltlich über das Fotoshooting von 1981 berichtet hätte. Konsequenterweise dürfte nun nicht einmal der Playboy die Aufnahmen von Frau Drews aus dem Archiv wieder ins Blatt holen. Wenn das Urteil Schule macht, wird die Zweitverwertung älterer Nacktaufnahmen ein medienrechtliches Risiko.
Nun möchte Frau Drews in einer weiteren Klage auch noch Geld für die Reaktualisierung sehen. Das halte ich für optimistisch, aber nicht für ausgeschlossen.
Der Zeitungsverlag könnte allerdings versuchen, im Gegenteil sogar selbst von Frau Drews Geld zu verlangen, nämlich Schadensersatz. Denn etwa auch ein launischer Künstler, der sein Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung geltend macht, muss für seine Eigenwilligkeit den Inhaber eines Nutzungsrechts „angemessen entschädigen“, § 42 Abs. 3 UrhG . Allerdings hat das Landgericht München offenbar die Einwilligung als von vorneherein beschränkte ausgelegt. Bei dieser Konstruktion aber wäre nicht einmal ein Widerruf nötig, wobei unter uns Pfarrerstöchtern wohl eher anzunehmen ist, dass Frau Drews der Gedanke nachträglich kam.
Ich wäre nicht überrascht, wenn der Verlag diese Sache durch die Instanzen treibt. Möglicherweise handelt es sich bei dem Fotoshooting durchaus um ein zeitgeschichtliches Ereignis, denn die B.Z. spricht immerhin vom „schönsten Busen der 80er“. Den mir bekannten Fotos nach zu urteilen könnte das hinkommen. Ich hoffe jedenfalls auf weitere aussagekräftige Abbildungen in den juristischen Fachzeitschriften. ;)
Eines allerdings ist sicher: Ab Montag wird jeder professionelle Aktfotograf seinen Models eine deutlich ausführlichere Einwilligungserklärung abfordern.
Ironie am Rande: Frau Drews ist inzwischen Textilunternehmerin. Da senden Nacktfotos eher die falsche Botschaft … ;)
Via Strafakte.

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