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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


28. Juni 2009

„Durchgeknallt“ muss keine strafrelevante Beleidigung sein

Es bedurfte mal wieder den Gang vor das Bundesverfassungsgericht, um unsere „im Namen des Volkes“ urteilenden Spruchkörper daran zu erinnern, dass es im Grundgesetz eine garantierte Meinungsfreiheit gibt. Wenn jemand einen Generalstaatsanwalt als „durchgeknallt“ bezeichnet, muss diese Äußerung jeweils im Kontext geprüft werden, um zu entscheiden, ob sie vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist oder lediglich eine Beleidigung darstellt.

„Im Kontext auslegen“? Nun ja, das hat man in Karlsruhe oft verlangt. Es soll aber in Hamburg ein durchgeknalltes Gericht geben, das den Kontext ganz gerne mal im Urteil gänzlich unterschlägt. Insbesondere Links scheinen dort kein Kontext zu sein, der entsprechende Entlastung bringen könnte, „da ja nicht jeder Leser den Link anklickt“.

Vorsicht: Wenn sich hinter einem Link Schändliches verbirgt, dann wird sehr wohl zugerechnet.

25. Juni 2009

Prof. Hoeren: „Wir haben es mit bestochenen Abgeordneten und mit bestochenen Gutachtern zu tun…“

1996 bin ich Prof. Hoeren das erste mal begegnet. Mit seinem späteren Institutspartner Prof. Holznagel hatte er damals an der Uni Münster eine sehr weitsichtige Podiumsdiskussion zur Freiheit im Internet und den sich abzeichnenden Problemen organisiert. Auch der Strafrechtler Prof. Welp war dabei. War damals Internet noch eher eine Domäne von NERDs und Studenten, haben sich die damaligen Visionen erfüllt – auch hinsichtlich des Konfliktpotentials.

Hoeren war schon immer ein Freund deutlicher Worte und provoziert ganz gerne mal. Vielleicht verstehen wir uns ja deshalb so gut! Die Äußerung, die er jetzt allerdings beim Medienforum in Köln vom Stapel gelassen hat, hätte selbst ich mich nicht getraut:

„Wir haben es mit bestochenen Abgeordneten und mit bestochenen
Gutachtern zu tun…“

Damit meine Freunde in Hamburg nicht nervös werden, möchte ich mich von dieser Äußerung, die gemäß der Stolpe-Entscheidung als „Tatsachenbehauptung“ auszulegen und damit vom Äußernden zu beweisen ist, natürlich in aller Form distanzieren. Aber wenn Hoeren – übrigens Richter im Nebenamt am „EDV-Senat“ des OLG Düsseldorf – vor irgendwelche Pressekammern gebeten wird, würde ich ihn natürlich vertreten …

Hoeren bekam in Köln Widerworte von seinem Kollegen Ladeur, der einen „nomadisierendem Individualismus“ geißelte. Ladeur wirkt übrigens in der Freihen und Hansestadt Hamburg, wo man Individualisten und Freiheiten anscheinend nicht ganz so zu schätzen weiß wie andernorts.

UPDATE:

Hoeren hat inzwischen in seinem Blog nachgelegt und seine Kritik auf den abgebrochenen Jura-Student Elmar Brok konkretisiert, der im Verdacht steht, Lobbyist von Bertelsmann zu sein – um es mal höflich auszudrücken. Gut, dass Hoeren ihn nicht „alter Bertelsmann“ genannt hat … ;-)

Boykott: Das Recht ist mit den Wachen …

… Also mit denen, die wachsam sind.

Wer eine einstweilige Verfügung beantragen will, muss halt in die Gänge kommen, sonst fehlt es an der insoweit erforderlichen „Eilbedürftigkeit“. So lag es im aktuellen Fall, als Contergan-Geschädigte 2007 zum Boykott einer Firma aufriefen, die erst 2009 auf die Idee kam, sich juristisch zu wehren.

Die beantragte einstweilige Verfügung hatte die Firma zwar vom Landgericht Köln bekommen, doch das ist kein Kunststück: Eine einstweilige Verfügung wird im Regelfall allein aufgrund des Vortrags des Antragstellers erlassen, der Anspruchsgegner wird gar nicht angehört und erfährt von dem Verfahren erst, wenn ihm die erlassene Verfügung zugestellt wird. Da darf dann der Antragsteller lügen und auslassen, wie es ihm beliebt. Und hier will man erst 2009 etwas von dem Boykott bemerkt haben …

Hier haben sich die Gegängelten gewehrt, das Landgericht Köln musste die eV aufheben. Triviale Sache. Keineswegs handelt es sich um eine „historische Entscheidung“, wie der Antragsgegner meint. In der Sache wurde ja nichts entschieden.

Boykottaufrufe bleiben weiterhin problematisch. Unzulässig sind sie vor allem dann, wenn die Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen. Ideologisch begründete Boykottaufrufe wie der vorliegende hingegen haben vor Gericht gewisse Chancen.

24. Juni 2009

Rheinland-Pfalz: Finanzminister Ingolf Deubel mag die Presse nicht leiden

Was man zur Zeit über die Freunde des Nürburgrings lesen muss, gibt zu denken. Daher schreibe man besser nichts zu dem Thema, wenn man keine Hausdurchsuchungen zu schätzen weiss.

23. Juni 2009

BGH: Lehrer-Bewertung ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt – auch anonym

Heute hat der BGH eine wichtige Entscheidung in Sachen Abwägung Meinungsfreiheit einerseits gegen Persönlichkeitsrecht bzw Datenschutz (sic!) andererseits getroffen.

Die Einzelheiten sind bei SPIEGEL online brauchbar zusammengefasst, hier ein Kommentar von SZ-Chef (und Ex-Richter) Heribert Prantl.

Bereits die unteren Instanzen – sogar die der Sachkenntnis bzgl. Internet ansich unverdächtige Pressekammer Köln – hatten hier keinen Zensurbedarf gesehen.

Angesichts des Totalversagens gewisser norddeutscher Pressekammern und des Totalausfalls des Gesetzgebers hat wenigstens Karlsruhe nicht vergessen, dass es mal so etwas wie Meinungsfreiheit gab. Wie die lernunwilligen Lehrrer ankündigten, will man das Bundesverfassungsgericht anrufen. Gute Idee: Dann bekommt die frohe Botschaft eben noch mehr Gewicht!

Fliegender Gerichtsstand bleibt – Kommunikationskultur verfliegt.

Richter Buske und der Hamburger Fremdenverkehrsverein dürfen sich freuen: Auch weiterhin werden Teilnehmer am Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nach Hamburg pilgern müssen, wenn sie von selbigem Gebrauch machen. Der hier im Blog und anderswo regelmäßig kritisierte „fliegende Gerichtsstand“ wird bleiben, und auch die von vom Landgericht Hamburg augestellten „Regeln“ zur Verantwortlichkeit von Inhalten Dritter User (Foren, Blogs, Wikis), welche in der Rechtswissenschaft fast einhellig als weltfremd abgelehnt werden, werden weiterhin Rechtspraxis bleiben.

Die FDP-Fraktion hatte in Übereinstimmung mit den Branchenverbänden Änderungen gefordert. Doch die Damen und Herren Politiker, die das Internet nur aus der Zeitung kennen, waren gerade zu beschäftigt mit anderer Lobby-Arbeit. Jedenfalls wurde der Gesetzenturf letzte Woche abgelehnt – an dem Tag, als die Internetsperren beschlossen wurden.

Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen wird sowohl mit den Mitteln des öffentlichen als auch mit den Mitteln des Privatrechts erschwert und zum finanziell unkalkulierbaren Risiko gemacht. Wir nähern uns in großen Schritten wieder Orwellschen Informationsmonopolen, wie wir sie in den 80er Jahren hatten.

20. Juni 2009

Parteien-politisches

Was würden Sie tun, wenn Sie Wahlkampf für eine Partei machen, deren Wähler sich vor jedem Essen anstatt bei ALDI bei ihrem Gott bedanken und dessen außerehelichen Sohn zum Mitessen einladen – 2.000 Jahre nach dessen Ableben? Wie man aus repräsentativen Meinungsumfragen weiß, wird Ursula von der Leyens Internetsperrengesetz in erster Linie von bildungsfernen und älteren Bürgern getragen. Zensursula hat also bzgl. ihrer CDU-Klientel alles richtig gemacht.

Was man von Sozis in dieser Frage halten muss, beantwortet der Rückzug des Arbeitskreises Zensur, der Austritt junger SPD-Mitglieder und der eines Bundestagsabgeordneten.

Wen soll man denn eigentlich dieses Jahr wählen? Die Grünen, die während ihrer Regierungszugehörigkeit neue Rekorde in Sachen Doppelmoral gebrochen hatten? Oder die Liberalen, die sich nicht einmal eine Moral leisten? Völlig egal, denn die vier genannten Parteien werden von den gleichen Lobbyisten beliefert, also kommt auch das gleiche raus.

Bliebe übrig die Linkspartei, die in ihrer Struktur allerdings auch nichts anderes als eine konventionelle Partei ist, die sich mit Postenschachern, Geldverteilen und innerer Auseinandersetzung aufreibt – und bei Regierungsbeteiligung nichts Beeindruckendes geleistet hat.

Ich habe neulich bei der Europawahl von meinem Wahlrecht Gebrauch gemacht, in dem ich nicht gewählt habe. Von den gegenwärtigen Bewerbern ist kein einziger meine Stimme wert. Aber seit heute hat ja die Piratenpartei ja nun ein Bundestagsmandat. Könnte interessant werden.

UPDATE:

Meine Einschätzung der Oppositionsparteien war offenbar noch zu optimistisch: Wie Telepolis berichtet, haben sich viele Grüne enthalten, der FDP-Chef hat ebenfalls versagt, die Linkspartei glänzte in dieser wichtigen Abstimmung zum erheblichen Teil durch Abwesenheit.

DAFÜR muss ich niemanden wählen. Sie?

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19. Juni 2009

Kein Recht auf anonymes Blogging in Großbritannien

Ein englischer Polizist hatte es im Schutze der Anonymität zu einem der bemerkenswertesten Blogger überhaupt gebracht, in dem er polizeiliche Einsätze kritisierte und in politische Zusammenhänge stellte. Jetzt wurde er selbst enthüllt.
Sein Versuch, selbiges gerichtlich verbieten zu lassen scheiterte, woraufhin der gute Mann sein Blog löschte. In der britischen Bloggerszene herrscht derzeit breites Entsetzen.

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17. Juni 2009

Landgericht und hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg abermals vom BGH gemaßregelt

Der Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin hat Grund zur Hoffnung, dass Karlsruhe abermals die absurden Redeverbote der Hamburger Gerichte, über die speziell dieses Blog häufig berichten muss, aufheben wird:

Der Bundesgerichtshof lässt Revision im Rechtsstreit
Schrempp ./. Grässlin in der Frage der Meinungsfreiheit
gemäß Art 5 Grundgesetz zu / Teilerfolg für die Meinungsfreiheit:
Schrempp-Rücktritt wird öffentlich vor dem BGH verhandelt ++

Entgegen dem Willen der Hamburger Justiz geht der Meinungsfreiheitsprozess des früheren Daimler-Vorsitzenden Schrempp gegen mich in die nächste Runde: Über einen am Bundesgerichtshof (BGH) zugelassenen Anwalt hatte ich einen Antrag auf Zulassung der Revision gegen Urteile des Hamburger Landgerichts und das Hanseatische Oberlandesgericht eingelegt. Aktuell teilte der Bundesgerichtshof (BGH) mit: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten (Grässlin) wird die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 18. Dezember 2007 zugelassen.

Der Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer, der mich in den Verfahren gegen Schrempp und auch gegen Zetsche vertritt, begrüßte den Beschluss des BGH ausdrücklich: »In Karlsruhe vor dem höchsten deutschen Zivilgericht steht nicht nur mein Mandant, sondern auch die grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit vor Gericht. In diesem Sinne stellt die Zulassung der Revision auch einen Teilerfolg für die Meinungsfreiheit in Deutschland dar.« Weitere Informationen siehe Pressemitteilung der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) »Teilerfolg für die Meinungsfreiheit in Deutschland!« vom heutigen Tage.

Zur Finanzierung der vielfachen juristischen Auseinandersetzungen mit dem Daimler-Konzern haben die Kritischen Daimler-AktionärInnen einen Unterstützerkreis gegründet, einen Finanzfonds eingerichtet und bitten um Spenden (siehe hierzu www.daimler-prozesse.net).

Weitere wichtige Informationen siehe
www.juergengraesslin.com >> »Daimler/EADS« und
www.kritischeaktionaere.de

Grässlin weist auf etwas sehr wesentliches hin: Recht bekommen kostet Geld, Energie und Ausdauer. Die notorische Bevorzugung solcher Hirngespinste wie das angeblich existierende „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ gegenüber der ungleich wichtigeren Meinungsfreiheit echter Menschen führt zu einer permanenten Nötigung von Kritikern, die durch finanziellen Druck von Prozesskosten an der Wahrnehmung ihrer verbrieften Grundrechte gehindert werden. Was muss eigentlich passieren, bis das mal die Politik begreift?

15. Juni 2009

Petition unterzeichnen! Jetzt gleich!


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Demnächst läuft die Frist zur Unterzeichnung der Online-Petition gegen die Internet-Sperren aus.

Mal unter uns: Angesichts der gegenwärtigen Realität der elektronischen Überwachung usw. sind diese lächerlich leicht zu umgehende Pseudo-Sperre und der Protest eher ein Symbol – aber auch ein Test: Wieviel lassen sich die Leute bieten?

Hier kann man online petieren!