Eigentlich wäre die Verfassungsbeschwerde gegen die Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes eine spannende Sache gewesen. Der Berliner Kollege, der die Verfassungsbeschwerde in eigener Sache führte, sah sich nun aufgrund eines formalen Fehlers veranlasst, die Verfassungsbeschwerde zurückzunehmen.
Wäre er bei gewöhnlichen Gerichten gewesen, hätte er alles richtig gemacht. So hatte er die Verfassungsbeschwerde fristwahrend vorab per Fax eingelegt und das Original nebst Abschriften und Anlagen nachgesandt. Normalerweise reicht es zur Fristwahrung aus, wenn man den Schriftsatz faxt. Es würde sogar reichen, wenn man die Seite mit den Anträgen und dann die letzte Seite mit der Unterschrift faxt. Wer etwa am letzten Tag der Frist um 23.58 Uhr ein 100-Seiten-Fax abschicken will, hätte andernfalls ein Problem.
Nun fragt man sich als Anwalt, ob man denn auch den Karton mit den 300 Anlagen faxen soll, auf die man Bezug nimmt. Derartige Inanspruchnahme fremden Papiers ist nicht nur uverschämt, sondern blockiert auch das Gerichtsfax, was den anderen „Fristwahrern“ den Nerv raubt. Zur Fristwahrung sind die Anlagen nicht notwendig (im einstweiligen Rechtsschutz ist das aber schon sinnvoll). Die Gerichte stehen nicht auf Fax-Spammer und legen gerne mal Merkblätter in den Korrespondenz, dass man bitte nur unbedingt fristwahrende Schriftsätze faxen soll. Während mir mein Hamburger Lieblingsrichter solche Ermahnungen nur bei Veranlassung einpackte, wird man am Landgericht München präventiv zur Enthaltsamkeit gemahnt, verbunden mit der Drohung, dass man den Papierverbrauch dem Anwalt in Rechnung stelle.
Andere Behörden, etwa das Patent- und Markenamt, sind hingegen so technikaffin, dass man bei der Markenanmeldung nur die Telekommunikation benutzen und sich die Briefpost gleich ganz sparen soll.
Bei Verfassungsbeschwerden ist das aber anders. So hatten die Karlsruher Verfassungshüter 2000 eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil in der fristwahrend vorab gefaxten Version ebenfalls die Anlagen fehlten, darunter auch das angegriffene Urteil selbst. Damit war die Verfassungsbeschwerde nicht schlüssig innerhalb der Frist erhoben worden:
(…) Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und ihre Annahme daher mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in einer den Darlegungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert begründet (vgl. BVerfGE 5, 1 <1>; 18, 85 <89>; 88, 40 <45>). Die fristgemäße Begründung erfordert insbesondere, dass die angegriffene Entscheidung selbst vorgelegt oder doch wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt oder sich mit diesem Inhalt auseinandergesetzt wird (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Nur so wird der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang vollständig in einer der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglichen Weise aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar dargelegt (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>). Nimmt die Verfassungsbeschwerde auf Ausführungen in anderweitigen Schriftsätzen oder Dokumenten Bezug, ist dem Formerfordernis im Übrigen nur genügt, wenn diese beigefügt werden (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>), bzw. die Begründungsfrist nur dann eingehalten, wenn die Schriftsätze dem Bundesverfassungsgericht innerhalb der Frist vorliegen. Daran fehlt es hier. (…)
Der Berliner Kollege wird sich für einen Moment gefragt haben, ob man den Missgriff irgendwie heilen könnte. Er beriet sich jedoch weise, das zu lassen. Denn 2011 waren die Verfassungsrichter wegen einer pampigen Turnbeutelvergesserin so brastig, dass sie der Beschwerdeführerin eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 1.000,- € aufdrückten (BVerfG, 2 BvR 751/11 vom 25.10.2011).