Zum gestrigen Tod von Manfred Rommel hätte ich eine Anekdote beizusteuern. Sie stammt von meinem ersten Mandanten überhaupt, dem einst sehr bekannten Zauberer Marvelli. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere spielte Marvelli in einem eigenen Zelttheater in Stuttgart, das sich auf einem zur Bebauung vorgesehenen Parkplatz befand. Da der Publikumsandrang bei Marvellis Show die Erwartungen bei weitem sprengte, zog der Magier bei Oberbürgermeister Rommel alle Register, um seine Spielgenehmigung immer wieder zu verlängern. Mehrfach waren die Baumaschinen bereits angerückt und zurückgepfiffen worden.
Rommel hatte seiner Sekretärin eigens Anweisung gegeben, den selbstbewussten Zauberer nicht noch ein weiteres Mal vorzulassen. Jetzt werde gebaut! Als Marvelli vorsprach, versicherte der Trickexperte, er wolle nichts, außer sich zu bedanken. Rommel ließ sich auf die Audienz ein. Bei diesem Gespräch überreichte Marvelli Rommel ein Foto, das diesen offenbar sehr bewegte.
Marvellis Vorgänger, Fredo Marvelli, war während des Kriegs der Boden in Berlin zu heiß geworden. Insbesondere pflegte Fredo Marvelli Feindschaft bis aufs Messer mit dem Filmproduzenten („Jud Süß“) und Zauberer Helmut Schreiber („Kalanag“). Während Marvelli mit jüdischen Zauberern befreundet war, denen die Nazis per Reichskulturkammer ihre Berufsausübung verboten hatten, zauberte Kalanag für seinen Führer sogar privat auf dem Obersalzberg. Nachdem Fredo Marvelli offenbar englisches Radio gehört hatte, wollte ihn die Gestapo abholen. Freunde hatten ihn jedoch gewarnt und ihm einen Job bei der Truppenbetreuung in Nordafrika besorgt.
In letzter Minute also hatte Fredo Marvelli Berlin verlassen und wurde beim sogenannten „Afrikafeldzug“ Generalfeldmarschall Erwin Rommel vorgestellt. Der „Wüstenfuchs“ hatte (anders als die Gegenseite) für Zauberer keine militärische Verwendung, setzte ihn jedoch zur Aufmunterung Verwundeter in Lazaretten ein. Mit seinen Kunststücken brach der weltmännische Zauberkünstler auch das Eis bei Verhandlungen mit eher unzugänglichen Arabern. Der Afrikafeldzug geriet zum Desaster. Hitler verdächtigte Rommel der Beteiligung am Attentat vom 20.Juli und zwang ihn im Oktober 1944, sich zu vergiften, wenn die Familie geschont werden solle.
Das Foto, das Marvelli Manfred Rommel schenkte, zeigte dessen Vater als Zuschauer von Fredo Marvellis Fronttheater, und zwar lachend. Rommel, der den Tod des Vaters als 13jähriger erleben musste, war sichtlich gerührt und schwieg eine Weile.
Marvelli bekam seine Verlängerung.