Elmar Theveßen, Geheimdienstexperte und stellvertretender Chefredaktuer des ZDF, hatte mich dieses Jahr eigentlich positiv beeindruckt. So war er diesen Sommer für seine sehenswerte Doku „World Wide War“ über Prism & Co eigens zu uns zur OHM in die Niederlande gereist. In Talkshows machte er zur NSA eine kompetente Figur.
Doch seit heute Abend hat Theveßen mit einer provokanten Aufforderung an Snowden Kritik auf sich gezogen. So erkennt er ihm Nobelpreis ab, verweigert ihm Asyl und verlangt vor allem, Snowden möge nicht mehr scheibchenweise leaken, sondern alle Dokumente ins Netz stellen und fertig.
Die Forderung Theveßens, alles auf einmal ins Internet zu stellen, erinnert jedoch genau an den Fehler, den WikiLeaks seinerzeit gemacht hatte. Das undosierte Leaken hatte zwei fatale Effekte:
1. Etliche wichtige Geschichten wurden im Windschatten „beerdigt“. Die Medien berichteten ausgiebig über die Boulevardstorys, wie sich die US-Diplomaten über die internationalen Politiker lustig machten.
2. Weil alle Medien plötzlich alle Daten hatte, machte es für Medien keinen Sinn, in eine vertiefte Recherche zu einzelnen Themen zu investieren. Denn wenn man es nicht exklusiv hat, muss man damit rechnen, dass ein Mitbewerber mit der Story einen Tag vorher rauskommt, also Zeit und Geld in den Sand setzt.
Hätte Snowden die Dokumente im Juni alles auf einmal platzen lassen, wäre das Thema nach einem Monat durch gewesen, und wir würden uns heute über andere Tagespolitik unterhalten. So ähnlich hatten es sich ja auch Pofalla & Co. vorgestellt, die ja schon den Skandal für beendet erklärt hatten.
Es gäbe übrigens noch jemanden, der alles auf den Tisch legen könnte: Die NSA. Daher wäre es doch ungleich cooler, die Aufforderung nicht an den mutigen Whistleblower, sondern an die NSA zu richten.
Was aber übel aufstößt, ist der negative Spin, den Theveßen gegen die Person von Snowden dreht. Das Timing ist insoweit erstaunlich, als dass sich diese Woche auch die BILD-Zeitung für die NSA positionierte und auf der Klaviatur des Terrorismus spielte. Das ist für einen öffentlich-rechtlichen Journalisten keine angemessene Gesellschaft.
By the way: Auf den unfassbar platten BILD-Artikel hatte ich mit dieser sarkastischen Parodie geantwortet.