Gestern konnte in einem soziologisch eindrucksvollen Moment getestet werden, wie es um die Lesekompetenz und Streitkultur von „Die Piraten(TM)“ steht. Etliche Twitteristen hatten einen anderen Text über Frau Beitzers Variante von Journalismus gelesen, als ich ihn geschrieben hatte.
Im Text hatte ich praktisch nur Argumente FÜR Feminismus gebracht. Ich vertrete nicht einmal die Meinung, dass die Quote grundsätzlich das falsche Instrument sei. Sehr wohl allerdings bin ich der Meinung – und das habe ich auch deutlich so geschrieben – dass beide Meinungen vertretbar sind. Und dass professionelle JournalistInnen respektieren sollten, wenn jemand nicht ihre Ideologie teilt. Zudem habe ich etlichen Piratinnen ausdrücklich meinen Respekt gezollt.
Dennoch habe ich in den Augen einiger LeserInnen einen „antifeministischen Text“ geschrieben. Das verrät mehr über die Perspektive der LeserIn, als über den Text.
Zum Mitschreiben: Ich habe nichts gegen intelligenten Feminismus. Im Gegenteil. Bei der Piratinnenkon hat Nicole von Horst eine entwaffnend starke Keynote gehalten, und ich hätte mir gewünscht, dass es den TeilnehmerInnen gelungen wäre, das Niveau zu halten. Wie nicht anders zu erwarten, legte die Presse den Focus auf die voraussehbaren Peinlichkeiten, die im Vorfeld, am Rande dieser Veranstaltung und danach passiert sind. Leider.
Jemand, der gerne Gegnerlisten auf Twitter führt, hat mich gestern auf eine Liste „rechts“ gesetzt. Als ich mich letzten Monat mit der NPD angelegt hatte, haben die mich zwar tagelang belästigt, aber soweit mir bekannt ist, hat mich von denen kein Blockwart auf eine öffentliche Liste gesetzt.
Der Sprachwissenschaftler(!) Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch war sich nicht zu schade, mir auf Twitter Äußerungen in den Mund zu legen, die ich so nicht gemacht hatte, um mich in Misskredit zu bringen. Mit einem ähnlichen Trick hatte neulich eine große Boulevardzeitung aus dem „Veggieday“ der Grünen ein angebliches Fleischverbot gemacht – die meines Erachtens erfolgreichste Manipulation dieses Wahlkampfs.
Positiv darf ich anmerken, dass mir beim gestrigen Shitstorm offenbar nur eine Person den Tod wünschte.
Mir wurde auch unterstellt, ich wolle der Presse vorschreiben, was sie zu schreiben hat. Im Gegenteil bin ich doch eigentlich als Aktivist für Pressefreiheit bekannt …
In meiner Eigenschaft als damaliger Bundestagskandidat bin ich während der Snwoden-Enthüllungen zu Piratenveranstaltungen durch die halbe Republik gereist – geschrieben wurde darüber so gut wie nichts. Die Pressemitteilungen, an denen ich mitwirkte, wurden gerade einmal vom „Neuen Deutschland“ aufgegriffen. Für Journalisten, die bisweilen aus unseren Tweets Headlines stricken, hatte ich ein NRW-Kandidatenblog eingerichtet, damit jeder vom Schreibtisch aus lesen konnte, wer wir sind und was wir wollen. Soweit mir bekannt, wurde nicht eine einzige Silbe übernommen. Frustrierend, aber als 2%-Partei hat man eben nichts zu melden.
Es ist Sache der Presse, was und wie sie berichten will. Wenn aber eine Journalistin zwei Jahre lang ständig Genderthemen haben will, obwohl wir uns mit anderen Dingen beschäftigen, und dann in ihrem Resümee den Eindruck erweckt, wir wären Sexisten und offen nach rechts, dann ist das nicht mehr nur schwacher Journalismus, sondern irgendwas ganz anderes. Wenn eine Redaktion da über zwei Jahre lang nicht eingreift, dann ist das eben kritikwürdig.
Gestern haben auf Twitter etliche Leute bewiesen, dass sie mit längeren Texten offenbar überfordert sind, vor allem dann, wenn – wie es gestern jemand formulierte – ein Pro-Feminist sich einen Millimeter zu weit von der Linie wegbewegt.
Wir waren mal eine Partei gegen Zensur und für Toleranz. Inzwischen haben wir auf Twitter reaktionäre Politkommissare und ideologische Blockwarte, die einzig die eigene Meinung gelten lassen und zur Durchsetzung zu unappetitlichen Mitteln greifen. Schade eigentlich.