Jeder Jurastudent kennt die berühmte Pflichtexemplar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1981 (oder sollte es …). Ein Buchverleger von limitierten Kleinstauflagen für Kunstliebhaber hatte gegen eine Verpflichtung geklagt, jeweils ein Exemplar kostenfrei an eine staatliche Bibliothek abliefern zu müssen. Das BVerfG hatte den Fall zum Anlass genommen, um der Welt zu erklären, was denn eigentlich Eigentum in Wirklichkeit sei und was es mit der Sozialpflichtigkeit desselben wohl auf sich habe. In heutigen Zeiten, in denen über Urheberrecht und „geistiges Eigentum“ gestritten wird, ein denkbar aktuelles Thema. Öffentliche Leihbibliotheken, mit denen jedermann kostenlos an urheberischen Leistungen partizipieren kann, könnte man ja durchaus als Vorläufer des Filesharings sehen … ;)
Doch kaum jemand kennt den damaligen Beschwerdeführer, der den Fall seinerzeit mit einem befreundeten Juristen eher so aus sportlichem Ehrgeiz durchzog. Der Mann, Volker Huber, ist ein Kunsthändler aus Offenbach, der u.a. bekannte bildende Künstler wie Paul Wunderlich, Bruno Bruni und Horst Antes exklusiv vertritt. Außerdem ist er international einer der bedeutendsten Sammler von Exponaten zur Geschichte der der Zauberkunst. In seinem Besitz befindet sich etwa das älteste Ölgemälde, auf dem Zauberkunst dargestellt ist (ca. 1460), was deshalb spektakulär ist, weil es Motive enthält, die Hieronymus Boschs geheimnisvollem Werk „Der Gaukler“ später auftauchten. Etliche Originalrequisiten von Zauberern vergangener Jahrhunderte, aber vor allem auch viele Zauberbücher, fanden in Hubers Privatmuseum einen würdigen und von großem Sachverstand geprägten Ehrenplatz.
Jener Beschwerdeführer der Pflichtexemplar-Entscheidung ist keinesfalls ein Zeitgenosse, der den kostenfreien Genuss von Büchern missgönnt. Im Gegenteil! Mein Kontakt mit Huber begann damit, dass ich in der Post unverhofft ausgerechnet ein Buch fand, das er mir spontan zum Geschenk machte. Er honorierte damit eine Biographie über einen historischen Zauberer, die ich aus reinem Interesse für eine Fachzeitschrift recherchiert hatte und nur mit wenigen insoweit interessierten Lesern rechnete. Das geschenkte Buch war eine Neuerscheinung zum Thema, die meine Literatursammlung vervollständigen sollte. Im Laufe der Zeit lieh Huber mir etliche Bücher zu unserem spleenigen Thema.
Den Regeln der Evolution folgend erschien vor einigen Tagen nun erstmals ein Buch, zu dem auch wir Beiträge beisteuerten. Anlass war die 100 Jahr-Feier des Magischen Zirkels, der seinerzeit in Hamburg gegründet wurde. Die Hardcover-Ausgabe ist auf genau 100 Exemplare beschränkt. Meine Ausgabe ist kein Pflichtexemplar, sondern das Autorenhonorar.
Auch mein Beitrag, der nun zwischen zwei Buchdeckeln verewigt ist, hatte mit dem Bundesverfassungsgericht zu tun. Es handelte sich um den in den 50er Jahren prominenten Großillusionisten Kalanag (Helmut Schreiber), der vor seiner Karriere als Profimagier im dritten Reich zwielichtiger Chef der Bavaria Film gewesen war und Anfang der 60er wieder ins Filmgeschäft zurückkehren wollte. So produzierte Schreiber für das Adenauer-Fernsehen in Vorwegnahme des Privatfernsehens Unterhaltungsfilmchen, die zwischen Kaufanreizen der Wirtschaft (vulgo: Werbeblöcken) laufen und damit Adenauers konservative Propaganda finanzieren sollten. Das Bundesverfassungsgericht ersparte der Nation mit seinem 1. Rundfunkurteil diesen kulturellen Rückschritt, heraus kam jedoch das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), das bis einschließlich der Ära Stolte ein konservatives Gegengewicht zu den als „links“ verteufelten Sendern der ARD setzte. Das ZDF benötigte Kalanags Dienste nicht, sodass durch das Bundesverfassungsgericht indirekt die Filmkarriere Schreibers beendet wurde. Ein versuchtes Comeback als Bühnenzauberer gelang dem kontroversen Künstler nicht mehr.
Zu Kalanags bemerkenswertesten Leistungen zählt seine Variation der schwebenden Jungfrau. Eine Silhouette eines seiner Werbefotos ziert unser Buch.