Der Kollege Garcia (de legibus, de jure) nimmt ein Reiseverbot Russlands für Oppositionelle zum Anlass, die legendäre Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu besprechen – wie stets: lesenswert. Damals ging es um den CDU-Mitbegründer und Oberbürgermeister von Mönchengladbach Wilhelm Elfes, der sich in den 50ern mit Adenauers Politik der Westbindung nicht so recht identifizieren mochte und im Ausland bzw. der DDR „den Eindruck erweckte, als ob die Bundesrepublik den Krieg vorbereite usw. Die Bundesrepublik hatte ihm mit dieser Begründung die Ausreise zu einem „Friedenskongress“ verweigert.
Der Zufall will es, dass ich gerade ein Buch über die deutsch-deutsche Politik lese, die zum Mauerbau führte. Es stammt von den Zeitzeugen Heinz Kessler und Fritz Streletz, die aus ihrer Perspektive als späterer DDR-Verteidigungsminister bzw. NVA-Chef ihre Sicht darstellen. Normalerweise hätten mich ideologische Autoren eher nicht interessiert, aber die dümmliche Polemik, welche neulich die Qualitätskontrolle der Süddeutschen Zeitung passierte, kam mir verdächtig vor. Ich wollte schon genauer wissen, warum ich das Buch nicht lesen soll.
Was die beiden Autoren zu sagen haben, kommt keineswegs als „unverbesserlicher Betonkommunismus“ daher, vielmehr bemühen sich die Autoren um eine sachliche Argumentation und schildern etliche Tatsachen und Zusammenhänge, die mir so bisher noch nicht bekannt waren, zumal einiges damals ja auch geheim war.
Auch aus sonstiger historischer Perspektive muss man Elfes recht geben: Tatsächlich hatten ultrarechte westlichen Strategen in den 50ern einen Angriffskrieg vorbereitet; etliche westliche Militärs waren während der Berlin-Krise und der Kuba-Krise hierzu bereit. Gefährlich waren insbesondere Adenauer und Strauß, die ein bemerkenswert naives Verhältnis zu Nuklearwaffen pflegten und nicht realisierten, dass jeglicher Schlagabtausch beide Teile Deutschlands erneut ruiniert hätte. Auch Bundeswehrhistoriker weisen auf Adenauers aus heutiger Sicht schwer verständliche Mentalität hin, Atombomben als moderne Form der Artillerie zu betrachten. Strauß etwa hielt den Atomgranatwerfer für unverzichtbar.
Auch planten die westlichen Strategen, im Kriegsfall entlang der Ostgrenze einen Korridor nuklear zu verseuchen, wobei man in der eigenen Zivilbevölkerung Opfer in Millionenhöhe in kauf nahm. Das perfide Verbrechen, deutsche Landsleute aufeinander schießen zu lassen, wurde als das geringere Übel zum Kommunismus angesehen. Elfes war übrigens ja nicht einmal Kommunist, sondern wollte fernab ideologischer Scheuklappen schlicht und ergreifend Frieden. Nach solchen Leuten, die Rückgrat bewiesen und unbequeme Wege gingen, sollten Straßen und Plätze benannt werden.