Wenn man das ZDF verstehen will, muss man sich mit dessen Geschichte beschäftigen. Anfang des Jahres schrieb ich auf Telepolis:
ZDF und CDU
Dass diese parteipolitische Einflussnahme Kochs ausgerechnet das ZDF betraf, ist historisch delikat, war die Gründung des ZDF doch das Ergebnis von Bestrebungen der CDU, den als unbotmäßig erkannten Sendern der ARD durch das ursprünglich geplante Adenauer-Fernsehen eine willfährige, von der Industrie bezahlte Konkurrenz entgegenzusetzen. Kanzler Adenauer hatte zuvor bereits den damaligen NWDR, der ihm zu kritisch erschien, in den NDR und den WDR aufspalten lassen. Während ihm die Protestanten im Norden suspekt waren, hatte sich der Bonner Stratege vom WDR im katholischen Rheinland Loyalität erhofft – und war vom „Rotfunk“ bitter enttäuscht worden. Der im Kaiserreich sozialisierte Adenauer hatte sich mit der Unabhängigkeit der Presse nie arrangieren können, was er unter anderem während der SPIEGEL-Affäre eindrucksvoll bewiesen hatte.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht damals das private Projekt „Deutschland-Fernsehen GmbH“ verboten hatte, gestand man schließlich ab 1963 mit dem ZDF eine bundesweite öffentlich-rechtliche Alternative zu den ARD-Sendern zu. Als Zugeständnis an die Kulturhoheit der Länder gestand man ihnen die Sitze im Verwaltungsrat zu, die Koch zur Schwärzung des ZDF missbrauchte.
Die Parteipolitiker waren bereits damals einflussreich genug, um ihre Kandidaten zu platzieren: Als erster Intendant des ZDF wurde der stockkonservative Karl Holzamer berufen, wie Adenauer Mitglied im katholischen Ritterorden zum Heiligen Grab zu Jerusalem. Der langjährige ZDF-Intendant Dieter Stolte verbannte aus seinem Sender politisches Kabarett, welches der Regierung Kohl nicht gefällig gewesen wäre, und bekommt heute Geld vom Axel Springer-Verlag sowie von der CDU-nahen DVAG. In die Redaktion „Geschichte“ berief Stolte einen Historiker, der seinen Professorentitel an einer obskuren konservativen Hochschule unter Leitung des Nazi-Scharfrichters Filbinger erworben hatte. 20 Jahre später ermöglichte Adenauers „Enkel“ Helmut Kohl seinem Freund Leo Kirch dann doch noch das Privatfernsehen. Adenauers Propaganda-Kalkül ging 40 Jahre später auf: 2003 wählten die ZDF-Zuschauer in einer von Guido Knopp moderierten Show ZDF-Gründer Konrad Adenauer zum „Größten Deutschen“.
Das bedeutet nicht, dass die ARD die Intelligenz gepachtet hätte. NDR-Veteran Ullrich Wickert etwa brachte dieses Jahr das Kunststück fertig, seinen Roman (urheberrechtlich geschütztes Werk) mit einer beweglichen Sache zu vergleichen, wobei er den rechtlich unsinnigen Begriff „geistiges Eigentum“ auch noch wörtlich nahm.
Aber was für einen Propaganda-Inzest sich gerade das ZDF leistet, um das Problem der Kinderpornografie und Kindermorde zur „Begründung“ der von der Content-Industrie herbeigesehnten Internetsperren zu instrumentalisieren, findet nicht nur netzpolitik.org befremdlich, sondern geht sogar der FAZ (Niggemeier) über die Hutschnur. Weiterer Kommentar beim Kollegen Stadler.
UPDATE: „Halt die Fresse Freifrau“ von Tim Renner
Kindesmisshandlungen passieren schon vor der Misshandlung « Rekursiv Paradoxon
[…] Endlich die Zensur durch die Hintertür. […]
#1 Pingback vom 21. September 2010 um 05:03