Normalerweise berichten die Medien über die Wikipedia-Community erstaunlich naiv. Vielleicht ist dieses Feature von Jan Böhmermann ja der Auftakt für eine kritischere Befassung mit dem vermeintlich so qualitativen Lexikonmonopol.
Vor einem Jahrzehnt hatte ich die Verhältnisse in der deutschen Wikipedia-Community untersucht und hierzu eine Serie bei Telepolis verfasst. Die „Fehlerkultur“ im inneren Kreis der Wikipedianer hatte jedoch zur Folge, dass man mich dort zum „Staatsfeind Nr. 1“ erkor, mit dem nicht kommuniziert wurde, sondern der knallhart zu bekämpfen sei.
Da ich damals der erste und einzige Journalist war, der den Manipulateuren der Wikipedianer etwas genauer auf die Finger sah, wurden etliche Insiderinformationen an mich herangetragen. Tatsächlich nämlich sind die Wikipedianer untereinander heftig zerstritten, so dass ich als vermeintlicher Feind hochwillkommen war, damit man sich an mir profilieren konnte.
Damals habe ich mir mal den Spaß gemacht und die ersten beiden öffentlichen Wikipedia-Veranstaltungen besucht. Bei der ersten wurde ich trotz unbeanstandeter Akkreditierung an der Tür abgefangen, bei der zweiten war ich mehr oder weniger undercover unterwegs.
Damals habe ich erkannt, dass die meisten der Menschen, die täglich 10 Stunden und mehr nichts Dringenders zu tun haben, als kostenlos eine Datenbank zu pflegen, große persönliche Probleme hatten, die sie mit dieser Machtstellung kompensierten. Bei manchen konnte man den schlechten Gesundheitszustand äußerlich sehen, von anderen erfuhr ich, dass sie schlicht und ergreifend psychisch krank waren.
Genau diese Leute sind es, die sich vom rauhen Betriebsklima nicht wegekeln lassen, sondern sich da offenbar sogar wohlfühlen. Das ist wie bei den naturgemäß intern zerstrittenen politischen Parteien, in denen sich zwangsläufig nicht etwa die guten Leute durchsetzen, sondern die mit dem dicksten Sitzfleisch. Die Währung, in der man in der Wikipedia bezahlt, ist in erster Linie Zeit, wovon Leistungsträger naturgemäß weniger haben als Menschen, die sonst nichts zu tun haben.
Schon damals war die Wikipedia ein Tummelplatz für professionelle PR und ideologische Weltverbesserer, seit den Snowden-Dokumenten ist unstreitig, dass die Geheimdienste intensiv in Social Media manipulieren, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Während ich das Thema damals aufgab und die Wikipedia als failed state abhakte, untersuchen der renommierte Dokumentarfilmer Dirk Pohlmann und der Privatmann Markus Fiedler die Verhältnisse in der deutschprachigen Wikipedia, wobei sie u.a. auf viele meiner „alten Bekannten“ trafen. Den beiden ist es insbesondere gelungen, einige der unappettitlichsten Wikipedia-Manipulateure zu enttarnen, die aus der Wikipedia wie Heckenschützen Rufmord an ihren Gegnern bzw. vermeintlichen Gegnern begehen.
Einer von diesen Serienrufmördern wehrte sich in neureicher Manier mit einem Promianwalt vor dem Landgericht Hamburg gegen seine Deanonymisierung, und erschlich hierzu mit fragwürdigen Prozesstricks eine einstweilige Verfügung. Vor zwei Monaten konnten wir die weitgehende Aufhebung einer einstweiligen Verfügung durchsetzen. Da dieser (noch laufende) Fall politisch und juristisch auf mehreren Ebenen spannend ist, werde ich hierüber in einer Serie berichten.
Hier mal eine Auswahl meiner „historischen“ Telepolis-Artikel:
- Satirisches Interview mit dem „Wikipedia-Dissidenten“ Eugen Driverman (2009)
- Interview mit dem Netzwerkforscher Christian Stegbauer (2009)
- Interview mit dem Kommunikationswissenschaftler Christian Pentzold über die Wikipedia-Regeln (2010)
- Meine Offline-Sperrung (2009)
- Die Wikipedia-Profiler (2010)
- Feuchtgebiete 2.0 (2010) (Glosse, wurde meistgeklicktester Telepolisartikel des Jahres …)
- Wikipedia und die Spieltheorie (2010)