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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


13. Dezember 2024

BGH: Blogger durfte den „stern“ als „Nachrichtenfälscher“usw. bezeichnen – stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (12)

Im Dezember 2016 war für den „stern“ die Welt noch in Ordnung: Die Auflage betrug knapp 700.000 Exemplare und man hatte keine größeren Sorgen, als einen kritischen Blogger mit einer absurden Abmahnung mit sechsstelligem Gegenstandswert zu überziehen. Der Blogger hatte dem stern eine „offenkundige Lügengeschichte“ attestiert – weil es sich um eine solche handelte.

Der stern – das Magazin mit den Hitler-Tagebüchern – fürchtete um seine Autorität und beantragte am Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nach damaliger – inzwischen vom Bundesverfassungsgericht abgestellter – Unsitte konnte man gegen einen Antragsgegner einseitig im Geheimen verhandeln und einen Unterlassungstitel erwirken.

Die damalige Kammervorsitzende Frau Dr. Käfer hatte die Unterlassungen abgelehnt, weil sie die Äußerung vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sah. Doch der Senatsvorsitzende Richter Andreas Buske im OLG Hamburg bewertete den Großteil der Kritik als Tatsachenbehauptung. Dem Blogger, dem in Abwesenheit der Prozess gemacht worden war, präsentierte man die Rechnung von zwei Instanzen.

Dem Blogger wurde verboten,

  1. a. den Antragsteller zu 1) als „Nachrichtenfälscher“ zu bezeichnen;
    und/oder
    b. der Antragsteller zu 1) produziere „Falschmeldungen zu Propagandazwecken“
    und/oder
    c. den Antragsteller zu 1) als „Fake-News-Produzent“ zu bezeichnen
    und/oder
    d. der Antragsteller zu 1) verbreite eine „offenkundige Lügengeschichte“:
    und/oder
  1. im Verhältnis zu beiden Antragstellern, die Äußerung, die Antragsteller verbreiteten
    ,,Lügen“, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen;

Dabei blieb man im Widerspruchsverfahren sowie dann in der Hauptsacheklage, der sich der Blogger in zwei Instanzen stellte.

Auch der vom Blogger angerufene Presserat – das überflüssigste Gremium, das man sich denken kann – war keine Hilfe.

Acht Jahre nach Beginn dieses absurden Medienprozesses nun hob der Bundesgerichtshof diese Posse auf ganzer Linie auf und erkannte auf Meinungsfreiheit.

Damit wurde vermutlich das letzte Fehlurteil von Andreas Buske neutralisiert. Hierzu beizutragen war mir Freude und Ehre zugleich.

Wer sich in den auf allen Ebenen absurden und politisch spannenden Fall einlesen möchte:

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (1) – Sachverhalt
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (2) – einstweilige Verfügung
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (3) – unlauterer Wettbewerb zwischen Privatleuten?
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (4) – strukturell unqualifizierter Journalismus
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (5) – Pressefreiheit und Narrenfreiheit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (6) – mehrdeutige Meinungen über mehrdeutige Meinungsäußerungen
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (7) – Journalist bekennt sich vor Gericht zur Unfähigkeit
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (8) – stern.de ist mit Tagesschau-Gucken überfordert
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (9) – Deutscher Presseunrat
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (10) – stern.de ist mit Recherche der eigenen Website überfordert
Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (11) – Das Oberlandesgericht Hamburg im Syrienkrieg

Acht Jahre später nun war für den stern der gesamte Prozessmarathon für die Katz. Wenn die Urteilsbegründung vorliegt, werde ich diese hier besprechen.

Die Auflage hat sich inzwischen mehr als halbiert und gehört inzwischen RTL. Richter Buske ist im Ruhestand. Diese Woche hatte des sterns einstiger Starreporter Gerd Heidemann das Zeitliche gesegnet. Ob Heidemann wirklich der allein Schuldige war, oder ob er nur das Bauernopfer gegeben hat, wird man wohl nie erfahren.

Journalist Herr Marc Drewello, der seine Leser zu verklagen pflegt, schreibt noch immer beim stern. Ein Scoop scheint ihm bislang nicht gelungen zu sein. Von Twitter/X, über das er einst sein Gebet für Bana verbreitete, hat er sich im November verabschiedet. Jetzt muss er sich seine Geschichten wohl selbst ausdenken.

Am Landgericht Hamburg arbeitet inzwischen eine neue Generation an Richtern, die durchweg zu sehr vernünftigen Urteilen finden. Diese Woche etwa war ich sehr zufrieden … ;-)

BGH VI ZR 230/23, Urteil vom 10.12.2024.