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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


29. Juni 2020

Geheimnisvolle Inlandsüberwachung

Das Wochenende habe ich 50 Jahre in der Vergangenheit verbracht. Inzwischen wurde nämlich ein streng geheimer Plan aus der Nixon-Ära freigegeben, mit dem ultrarechte Einflüsterer im Weißen Haus Oppositionelle wie etwa die Schwarzen-Bewegung unter Kontrolle bringen wollten. Federführend war ein rechter Polititaktivist Tom Huston, der den Geheimdiensten verfassungswidrige Methoden unterjubeln wollte, welche sie teils allerdings so ähnlich ohnehin schon praktizierten. Hier kann man ihn bei der Anhörung zur

Weiter hierzu auf TELEPOLIS: Die Black Bag Jobs des Richard Nixon

Die ultrarechten Strategen in Washington glaubten damals an ausländische Einflüsse aus dem Ausland, die das politische Klima in der 1970ern anheizten, obwohl es wohl eher der US-Rassismus und der Vietnamkrieg waren, welche die Leute auf die Straße brachten. Auch heute noch erzählt man uns ganz gerne, das für hausgemachte Probleme ausländische Desinformationskapmpagnen schuld seien.

Ebenfalls heute tagte für drei Stunden das parlamentarische Kontrollgremium öffentlich. Unsere drei Geheimdienstchefs machen einen ungleich besseren Eindruck als die Kollegen in der Nixon-Ära. Einen breiten Raum nahmen darin die Zustände auch im Kommando Spezialkräfte ein. Die sind auch ein Thema in meinem neuen Roman, und bei vielem, was ich vorhin heute, sehe ich mich in meiner Einschätzung bestätigt. „Innere Unsicherheit“ erscheint am 06. Juli, hier gibt es eine Leseprobe.

25. Juni 2020

Zulässiges Ausmaß eines urheberrechtlichen Zitats eines YouTube-Films

Wer sich mit urheberrechtlich geschützten Werken anderer auseinandersetzt, ist berechtigt, diese im Rahmen seiner Kritik wiederzugeben, sogenanntes urheberrechtliches Zitat. Die entsprechende Vorschrift § 51 Urheberrechtsgesetz lässt allerdings offen, in welchem Ausmaß dies zulässig ist. Auch die juristische Fachliteratur ist unergiebig, da es in diesem Bereich nur sehr wenig Urteile gibt. Sicher ist nur, dass ein Zitat kein Selbstzweck sein darf und der Zitierende sich auch tatsächlich mit dem angeführten Werk inhaltlich auseinandersetzen muss. Eine witzige Anmoderation wäre nicht ausreichend, ebenso wenig ist es erlaubt, fremdes Material nur zur Illustration zu nutzen.

Ein junger Influencer machte vorliegend urheberrechtliche Unterlassungsansprüche geltend, sein Anwalt beschwerte sich über einen angeblichen Zitierexzess, der nicht mehr vom Zitatrecht gedeckt sei. Vor allem störte er sich an Länge der wiedergebebenen Videos, die seiner Meinung nach nicht mehr vom Zitatzweck gedeckt sei.

Im Genre der YouTube-Videos muss meines Erachtens ein großzügiger Maßstab angewandt werden, weil es weder für die Erstmitteilung noch für das Zitat die für konventionelle Medien üblichen Zeitbeschränkungen gibt. Hierfür spricht auch das Bestreben, die Originaläußerung so authentisch wie möglich wiederzugeben.

Das sah das Landgericht Köln auch so und wies darauf hin, dass die geistige Auseinandersetzung sich nicht unmittelbar an einen Gedankengang anschließen müsse. Auch die Nutzung von fremdem Bildmaterial als Hintergrundbild sah das Landgericht Köln als gerechtfertigt an, wenn es insgesamt um eine Auseinandersetzung mit dem fremden Werk geht.

Vorliegend war neben dem angeblichen Zitatexzess noch gerügt worden, dass der Mandant formale Voraussetzungen wie die präzisen Angaben zur Urherberschaft nach § 63 Urheberrechtsgesetz nicht in vollem Ausmaß erfüllt hatte. Da der Querulant nicht zuvor abgemahnt hatte, haben wir diesbezüglich sofortiges Anerkenntnis erklärt, mit der Folge, dass er die gesamten Kosten tragen muss.

Landgericht Köln, Beschluss vom 15.05.2020 – 14 O 144/20 (nicht bestandskräftig).

23. Juni 2020

Viel Lärm um nichts – Eine schwache Satire belebt den Blätterwald

Der 22.06.2020 wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem absolut nichts passiert ist. Jedenfalls nichts, was für Medienschaffende und Social Media-Kommentierende wichtiger war als ein Gedankenfurz über eine irrelevante Strafanzeige. Ein Bundesinnenminister mit bayrischem Migrationshintergrund hatte über eine provokante taz-Kollumnistin ohne Benehmenshintergrund gepoltert, er denke über eine Strafanzeige nach. Sofort drehten die Spitzen des Medienbetriebs frei, Journalistenvertretern beklagten einen Angriff auf die Pressefreiheit, Satiriker Böhmermann twitterte gar Fotos von Gebirgsjägern.

Was würde passieren, wenn Horst Seehofer eine Strafanzeige erstatten würde?

Nichts. Gar nichts. Nichts, was nicht schon ohnehin passiert wäre.

Jedermensch kann eine Strafanzeige erstatten. Dies ist vorliegend bereits durch eine Vielzahl an Empörten geschehen, u.a. durch den Politclown Rainer Wendt. Sofern es für Beleidigungstatbestände erforderlich ist, können ca. 265.000 Polizistinnen und Polizisten und deren Dienstvorgesetzte einen Strafantrag stellen. Also muss die Staatsanwaltschaft ohnehin ermitteln, und die unterliegt nicht der Weisung des Innenministers. Ob also der Heimathorst zusätzlich eine Eingabe macht, interessiert die Staatsanwaltschaft nicht mehr als taz-Redakteure ein aufgerauchter Joint.

Das Strafermittlungsverfahren wird allerdings mit einer sehr schnellen Einstellung enden. Was die zur „Journalistin“ geadelte taz-Autorin da fabriziert hat, unterschreitet nämlich jedes Niveau, u.a. auch das der Strafbarkeit. Eine Kollektivbeleidigung wie die aller Polizisten erfordert den Bezug zu einer hinreichend überschaubaren und abgegrenzten Personengruppe, und das dürfte bei dem Werk der taz-Autorin schwierig werden. Darauf wird es aber nicht ankommen, denn das Pamphlet ist klar als Satire zu erkennen. Auf die Qualität von Satire kommt es insoweit nicht an.

Daher ist es sogar erfreulich, wenn Erfahrungsjurist Seehofer erst noch einmal über etwas nachdenkt, was Reaktionär Wendt reflexartig schon getan hat. Mit Blick über den Atlantik haben wir es bei unserem politischen Personal noch relativ gut getroffen. Die Gebirgsjäger wird Seehofer vermutlich nicht einsetzen, da ihm jemand vorher verraten wird, dass ihm auch insoweit die Zuständigkeit fehlt.

Einzig bemerkenswert ist, dass Seehofer seine unbedachte Äußerung offenbar Anlass genug war, bei der heutigen Vorstellung des Verfassungsschutzberichts fern zu bleiben. Da die Medien signalisiert hatten, dass ihnen die Farce über pauschal abgemeierte Polizistinnen und Polizisten wichtiger war als die reale Bedrohung durch Extremisten jeglicher Couleur, wollte er der Berichterstattung hierüber wenigstens diese Angriffsfläche nehmen.

22. Juni 2020

Die Creative Commons-Abmahnung der Katharina Surhoff, durchgeführt von Herrn Magister Kurt Kulac aus Österreich

Rohdiamant. Naturmuseum Senckenberg, Frankfurt am Main. Katharina Surhoff (K. Surhoff), Lizenzen: GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2; Creative Commons „Namensnennung-keine kommerzielle Nutzung-keine Bearbeitung 3.0 US“; Lizenz „Freie Kunst“

Eine Person mit dem angeblichen Namen Katharina Surhoff stellte ihren Rohdiamanten unter gleich drei Lizenzen, verwirrend genug. Wer nicht versteht, welche Angaben von ihm verlangt werden, bekommt Post von Herrn Magister Kurt Kulac aus Österreich. Der weiß es zwar auch nicht, will aber Geld für seine Abmahnung, und zwar nach ominösem Österreicher Urheberrecht.

Das ist deshalb lustig, weil weder die Abmahnerin noch mein Mandant noch der Fall einen Bezug zu Österreich aufweisen. Offenbar versuchte man, deutsches Urheberrecht über den Umweg Österreich zu umgehen und Nutzer zu verwirren.

Dass Frau Surhoff in Deutschland wohnt, konnte man allerdings nicht so ohne weiteres erkennen, denn Herr Kulac verriet nicht die Anschrift seiner Auftraggeberin. Die residiert übrigens nach wie vor konspirativ und nimmt es mit ihren Vornamen nicht so genau. Mit ein paar Kunstgriffen kriegten wir die Klage in Frankfurt anhängig. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ließ sich nicht einseifen und wandte natürlich deutsches Recht an.

Wie alle mir von Magister Kulac bekannten Abmahnungen verstieß auch diese gegen § 97a UrhG, mit der Folge, dass die unprofessionelle Abmahnerin die Anwaltskosten des Abgemahnten ersetzen muss. Und natürlich gibt es für ein Lichtbild, das unter einer kostenlosen Lizenz steht, auch keinen Lizenzschadensersatz, jedenfalls dann nicht, wenn die Fotografin keinen Umsatzausfall darlegen kann. In CC-Fällen ist dies wohl noch keinem gelungen.

Magister Kurt Kulac ist hier im Blog ein alter Bekannter. Bei Kulac-Abmahnungen ist es immer ratsam, sofort eine negative Feststellungsklage in Deutschland zu erheben, da andernfalls eine Klage in Österreich droht, und die ist prozessrechtlich äußerst nachteilig. Ist man Herrn Kulac zuvorgekommen, ist Deutschland als Gerichtsort gesetzt (Torpedoklage). Die waren bislang immer erfolgreich, so auch hier (nicht rechtskräftig).

Peinlicherweise ist der verehrte Herr Magister Kurt Kulac langjähriger Obmann von Wikimedia Österreich, hat also einen gewissen Interessenkonflikt. In einem Fall kann ich nachweisen, dass er sich von einem deutschen Fotografen eine Art Kaperbrief ausstellen ließ und auf eigene Rechnung abmahnt. In Wikipedia-Artikel wird permanent gegen die CC-Lizenz verstoßen, weil man dirt die Urheber und Lizenzen nicht benennt. Dritte, die das gleiche tun, bittet man dreist zur Kasse. Das Kammergericht sprach von einer „Urheberrechtsfalle“.

16. Juni 2020

Die Creative Commons-Abmahnungen des Marco Verch – heute: Keine Abzocke in der Schweiz

Seit Jahren flutet ein gewisser Marco Verch das Internet mit gefälligen Fotos, die zur Illustrierung von Beiträgen einladen, schon weil sie unter einer kostenlosen Creative Commons-Lizenz stehen. Doch macht man bei der komplizierten Benennung des (angeblichen) Urhebers Fehler, bittet Herr Verch zur Kasse und schickt seinen Anwalt.

Für Mandanten in Deutschland habe ich im Wege negativer Feststellungsklagen diverse Urteile erstritten, denen zufolge Verch – je nach zuständigem Gericht – an „Schadensersatz“ maximal 100,- €, eher aber 0,- € verlangen darf. Letzteres ist die klare Tendenz.

Verch kann es aber nicht lassen und versendet seine Rechnungen munter weiter, das sogar weltweit. In der Schweiz jedoch erteilte man ihm jüngst aug ganzer Linie eine Abfuhr. In vorbildlicher Anwendung deutschen Rechts erklärte ihm das Handelsgericht Zürich, dass er weder Anspruch auf Lizenzkosten noch auf Aufwendungsersatz für seinen Anwalt hatte.

Über den Fall sowie über „teutonische Gebührenschinderei“ berichtet mein Schweizer Kollege Martin Steiger.

Auf das Geschäfsmodell des Herrn Marco Verch werden wir hier im Blog demnächst noch zurückkommen …

9. Juni 2020

BöckIn zur GärtnerIn gemacht – Anna Gallina wird Justizsenatorin

Diesen Mittwoch wird in Hamburg die grüne Landesvorsitzende Anna Gallina als neue Justizsenatorin vereidigt. Die 36jähre Nichtjuristin wird dann als Leiterin der Justizbehörde Hamburg die Gerichte, die Staatsanwaltschaft und den Strafvollzug unter sich haben – sowie die Behörden für Datenschutz und Korruptionsbekämpfung.

Die fachfremde Berufspolitikerin führt dann die Aufsicht über Tausende Juristen, die eine anspruchsvolle Ausbildung mit zwei Staatsexamina insbesondere in methodischer Hinsicht absolviert haben. Juristen lernen das qualifizierte Bemühen um Objektivität durch Techniken wie Unschuldsvermutung, Anhören beider Seiten, Beweislehre und professionellen Umgang mit Interessenkonflikten (z.B. Befangenheit). Ob ausgerechnet Frau Gallina zu derartigem in der Lage wäre, erscheint anhand der nachfolgenden Arbeitsproben zweifelhaft.

In der oben verlinkten Rede sprach sich die Politikerin außerdem gegen Hass im Netz, Hetze gegen Andersdenkende und Rassismus aus. Damit könnte sie bei ihrem eigenen Umfeld anfangen.

Der Reihe nach:

Im Januar 2019 hatte Frau Gallinas damaliger Lebensgefährte Herr Dr. Michael Osterburg beim Aufstellungsparteitag für den Hamburger Bezirk Mitte überraschend schwach abgeschnitten. (Das Verfehlen seines innerparteilichen Wahlziels beendete offenbar andere Verfehlungen, denn gegen den vormaligen Fraktionsgeschäftsführer Herrn Osterburg ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue. Im Skat liegen 67.000,- €.)

Für seine Wahlniederlage machte Herr Osterburg neueingetretene Grüne verantwortlich. Das Hamburger Abendblatt schrieb:

Mobilmachung gegen Osterburg?

Dabei dürfte Osterburg auf parteiinterne Querelen anspielen. So scheiterte der Grüne im Wahlkreis Hamm in der vergangenen Woche bei der Kandidatur um Platz 2 für die Wahlen zur Bezirksversammlung mit 17:8 Stimmen. Dem Vernehmen nach soll es zahlreiche Neueintritte bei den Grünen in Mitte gegeben haben. Das hatten offensichtlich „Parteifreunde“ organisiert, die wenig Sympathie für Osterburg hegen.

Von diesen Neumitgliedern hatten viele einen Migrationshintergrund. Einen von ihnen hatte Osterburg sogar „befragt“, warum er „abgewählt“ woden sei, schrieb Die WELT.

Für die Dauer des Wahlkampfs waren diese Kandidaten den Grünen gut genug für das Werben um das Vertrauen von türkisch- und afghanischstämmigen Wählern – in Hamburg ein beträchtliches Potential. Doch nach der Wahl wurden sie von UnbekanntIn abserviert.

Inquisition

Ein/e UnbekanntIn schwärzte zwei Wahlkämpfer gegenüber den Hamburger Grünen mit haltlosen Gerüchten und konstruierten Vorwürfen an, um sie als vermeintliche Islamisten erscheinen zu lassen.

Einem Bezirksvertreter mit türkischen Wurzeln wurden islamistische Äußerungen in den Mund gelegt, obwohl er sogar deren Gegenteil gesagt hatte, und man warf ihm die Mitgliedschaft in einer (harmlosen) islamischen Studentenvereinigung vor – was bei einem Islamwissenschaftler allerdings nichts Ungewöhnliches ist. Einem Bezirksvertreter mit afghanischen Wurzeln warf man vor, dass dieser vor Jahren auf Facebook dreimal Spenden iHv 15,- € an eine islamische Hilfsorganisation kommuniziert hatte. Ihm war damals unbekannt, dass westliche Geheimdienste dieser die Unterstützung von Islamisten nachsagten (ohne eine solche jemals zu beweisen).

Die Parteispitze zitierte autoritär die beiden Grünen per unverschlüsselter (!) E-Mail wegen dieser nicht einmal halbgaren Vorwürfe binnen 10 Stunden (!) zum persönlichen Rapport (!). Der eine befand sich jedoch bei einer Beerdigung in der Türkei, wo man für islamkritische E-Mails ins Gefängnis kommen kann. Der andere bat vergeblich um zwei Stunden Aufschub, da er außerhalb Hamburgs arbeitstätig war. Eine Antwort bekam er nie.

Rufmord

Tags drauf waren beide ruiniert. Ein/e UnbekanntIn mit offenbar exzellenten Medienverbindungen und wenig Achtung vor Persönlichkeitsrechten und Datenschutz hatte diese Räuberpistolen an die Presse durchgestochen. Eine Boulevardzeitung wähnte daraufhin auf Seite 1 eine neue Hamburger Terrorzelle, die wohlfeile Hysterie fand bundesweiten Niederschlag.

Die beiden politisch unerfahrenen jungen Männer traf diese Hexenjagd unvorbereitet. Über Nacht verloren sie ihren Arbeitsplatz und ihre soziale Existenz, politisch wurden sie isoliert, einer erlitt ein Magengeschwür. Kein potentieller Arbeitgeber, der googlen kann, gibt ihnen eine Chance. Dass dieser Rufmord auch Familienmitglieder traf, versteht sich von selbst.

Zu keinem Zeitpunkt stellte sich die Parteichefin Frau Gallina schützend vor ihre (tatsächlich unbescholtenen) Parteifreunde oder forderte die Achtung vor der Unschuldsvermutung. Im Gegenteil beteiligte sich die Parteiführung an diesem Mobbing sogar aktiv, denn beide wurden ohne jede Klärung der offensichtlich haltlosen Vorwürfe von der Fraktionsgründung ausgeschlossen. Gegen den/die unbekannte/n VerleumderIn ermittelte Frau Gallina jedoch nicht, obwohl es sich hierbei eindeutig um parteischädigendes Verhalten handelte.

Ihren Interessenkonflikt, nämlich die Partnerschaft mit dem schlechten Wahlverlierer Herrn Osterburg, hatte Frau Gallina nicht offen gelegt oder einen Anlass gesehen, die Iquisition in unbefangene Hände zu legen.

„Im Zweifel gegen die Angeklagten“

Die angehende Justizsenatorin hielt von Unschuldsvermutung nicht allzu viel. Ohne die Angeschwärzten auch nur anzuhören, verkündete die Parteichefin öffentlich „begründete Zweifel“, ob sich die beiden in vollem Umfang zum Grundgesetz und unseren Grundwerten bekennen. Für eine Zusammenarbeit müssten die „Vorwürfe“ vollständig ausgeräumt werden. Wörtlich zitierte sie der NDR:

„Wir zeigen immer klare Kante gegen Rechts und geben auch sonst niemandem einen Rabatt aufs Grundgesetz.“

Kein Staatsanwalt und kein Richter dürfte sich derart vorverurteilend äußern, auch die Pressekammer des Landgerichts Hamburg versteht keinen Spaß bei einseitiger Verdachtsberichterstattung, wenn den Betroffenen keine zumutbare Gelegenheit zur Stellungsnahme geboten wurde.

Der unprofessionelle Umgang mit den schwerwiegenden Anschuldigungen fiel auch der seriösen Presse auf. Die ZEIT titelte sogar Im Zweifel gegen die Angeklagten.

Das fragwürdige Verfahren stieß vier weiteren Bezirksverordneten übel auf. Entsprechend dem Grünen Grundkonsens („Unsere Politik beruht auf Einmischung und Solidarität mit den Betroffenen und richtet sich gegen Gleichgültigkeit und Ignoranz.“) erklärten sie sich mit den beiden solidarisch. Eine weitere, eine Anwältin mit Migrationshintergrund, gab ihr Mandat gleich ganz zurück.

Die Hamburger Grünen bestraften jedoch solche Unbotmäßigkeit und schlossen auch die vier solidarischen Bezirksvertreter von der Fraktionsgründung aus. Als die insgesamt sechs ausgeschlossenen Bezirksvertreter daraufhin die Wählerinteressen notgedrungen in einer eigenen Fraktion vertreten wollten, wurde deren alternativlose Reaktion als parteischädigendes Verhalten gegeißelt. Die Parteispitze forderte nun alle unter Androhung von Parteiordnungsmitteln zum Parteiaustritt auf – darunter zur Hälfte Frauen, insoweit wahrte man/frau die Quote.

Während Frau Gallina viel Zeit darauf verwendete, ihr antrünniges Parteivolk zu disziplinieren und rauszumobben, ist hier nicht bekannt, dass sie gegen den/die unbekannte/n BüchsenspannerIn ermittelte, auch nicht, dass sie diese/n nicht kennen würde.

Wegen parteienrechtlicher Verfahren erteilten mir zunächst fünf der Bezirksverordneten damals ein Mandat. Der Grünen-Vorstand bat zu einem Gespräch, dem wir jedoch nur unter der Bedingung zustimmten, dass es konstruktiv zur Ausräumung von Missverständnissen und Differenzen dienen sollte, nicht aber zu einem Tribunal. Entgegen entsprechender Zusicherung wurde allerdings deutlich erkennbar, dass es einzig um die Vorbereitung von Parteiausschlussverfahren ging, die längst beschlossene Sache waren.

Was mich am meisten faszinierte, war die Bereitschaft des restlichen Grünen-Vorstands zum Mitläufertum, die ich bei den Grünen eher nicht erwartet hätte. Auch dieses Duckmäusertum wird gerade mit Pöstchenvergabe belohnt.

Grüne Unregelmäßigkeiten

Die bittere Ironie ist, dass es im Gegenteil ausgerechnet Parteichefin Frau Gallina war, die nicht nur eklatant gegen rechtsstaatliche Standards verstieß, sondern auch explizit gegen die Grünen Regeln Hamburg. Daher konterten meine inzwischen sechs Mandantinnen und Mandanten mit eigenen Anträgen auf Verhängung von Parteiordnungsmitteln gegen drei Grüne:

U.a. Frau Gallina verletzte den Grünen Grundkonsens, wie er am 16./17. Januar 1993 in Hannover beschlossen wurde und seit 14. Mai 1993 in Kraft ist:

  • Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 1.1 (6), da die vorverurteilende Hexenjagd nicht mit dem dort proklamierten Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip in Einklang zu bringen ist.
  • Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 1.1 (9) und (10), da die religiöse Diskriminierung nicht mit den dort proklamierten Menschenrechten auf Religion (Artikel 2 Abs. 1 und Artikel UN-Menschenrechtskonvention) vereinbar ist.
  • Frau Gallina nahm die Religiosität der Antragsteller zu 1) und 2) zum Anlass, um gegen diese mindestens indirekt zu hetzen.
  • Ferner ist auch die Unschuldsvermutung in Art. 11 ein Menschenrecht, dem Frau Gallina keine Bedeutung beimaß.
  • Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 2 (54), (60) und (61), da sie ihre politische Macht missbrauchte und sich unsachlich verhielt. Die Religion von Bezirksvertretern rechtfertigt keine öffentlichen Zweifel an deren Verfassungstreue oder absurde Verschwörungstheorien. Der Zugang zu Medienvertretern durch Parteifunktionäre läßt einen verantwortungsvollen Umgang vermissen.
  • Frau Gallina verletzte den Grundkonsens 3 (64), da sie die innerorganisatorischen Abläufe intransparent gehalten und den Minderheitenschutz nicht beachtet hat.

Die angehende Justizsenatorin hatte es also in erstaunlichem Maße an Empathie und Sensibilität fehlen lassen.

Verbrannte Erde

Sämtliche Verfahren erledigten sich jedoch, nachdem meine Mandantinnen und Mandanten infolge ausbleibender Solidarität der Hamburger Grünen angewidert zur SPD übertraten, die nunmehr im Hamburger Bezirk Mitte stärkste Kraft ist. Frau Gallina hat mit ihrer kurzsichtigen Taktik erstaunlich viel Porzellan zerschlagen und bei der Wählerschaft mit Migrationshintergrund verbrannte Erde hinterlassen.

Aufgrund des Greta-Hypes konnten die Grünen ausbleibende Stimmen verprellter Wähler kompensieren. Die ökologischen Wahlversprechen allerdings haben sich die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen weitgehend heraus verhandeln lassen, trotz des nahezu verdoppelten Wahlergebnisses. Statt ökologischer Sachpolitik hat man stattdessen einen zusätzlichen Senatorenposten erwirtschaftet, der im Ergebnis nun Frau Gallina zugute kommt. Alles richtig gemacht!

Mitläufer Cem Özdemir

Inzwischen hatte sich auch der grüne Berufspolitiker Cem Özdemir in die Hexenjagd gegen meine Mandanten verstricken lassen – die für und mit ihm persönlich Wahlkampf gemacht hatten. In einer in türkischer Sprache erscheinenden Online-Zeitung ordnete er sie Islamisten zu. Im ausführlichen O-Ton-Interview konnte man die unwahre Behauptung lesen, meine Mandanten hätten sich nach der Wahl anders als vorher geäußert.

Vor Gericht ließ Herr Özdemir behaupten, das Interview sei in deutscher Sprache geführt und nicht mitgeschnitten und autorisiert worden, es müsse sich um einen Übersetzungsfehler handeln. Warum der türkische Journalist mit dem türkisch sprechenden Herrn Özdemir für ein in türkischer Sprache erschienenes Interview deutsch gesprochen haben sollte und wie er in der Lage gewesen sein könnte, das sehr lange Interview ohne Aufzeichnung wörtlich wiederzugeben, bleibt hier rätselhaft.

Außerdem trug Herr Özdemirs Anwalt vor, ihm hätten zwei Hamburger Grüne aus erster Hand bestätigt, dass sich einer meiner Mandanten bei der Aufstellungsversammlung wie von Herrn Özdemir unterstellt geäußert hätten (was ja dann allerdings vor der Wahl gewesen wäre …). Mit wem der Anwalt gesprochen hatte, wollte er nicht verraten, aber es wäre wohl unprofessionell, wenn er ausgerechnet die Hamburger Parteispitze übergangen hätte.

Was Herr Özdemir tatsächlich gesagt haben will und warum er gegen das angeblich falsch übersetzte Interview nicht vorgeht, wird er demnächst vor dem Landgericht Hamburg erklären müssen.

Strafanzeige

Gegen Frau Gallina und zwei weitere Grüne hatte ich am 04.11.2019 im Auftrag meiner Mandanten Strafanzeige wegen des Verdachts auf Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung sowie Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens erstattet. Den naheliegenden Verdacht, dass die Karrierepolitikerin selbst hinter dieser Intrige stehen könnte, vermochte Frau Gallina auch nach einem halben Jahr nicht auszuräumen.

Die von uns befasste Staatsanwaltschaft ermittelt also gegen eine Person, die nunmehr deren übergeordnete Behörde leiten will, was selbst die taz als „pikant“ bewertete. Wie ernst man ein Justizprüfungsamt nehmen soll, dessen Chefin nicht einmal zur Prüfung zugelassen würde, ist unerfindlich.

An der Hamburger Juristenspitze steht ab Mittwoch keine Spitzenjuristin, sondern eine opportunistische Selbstoptimiererin, die sich nicht scheut, Ressentiments gegen Menschen mit Migrationshintergrund politisch einzusetzen. Weder in der Justiz und schon gar nicht bei den Grünen sollte derartiges salonfähig sein.

3. Juni 2020

Jason Monroe sucht verdeckte Influencer

Aus meiner Mailbox (mal wieder):

Guten Tag,

Wir arbeiten derzeit im Auftrag eines Kunden in der Spieleindustrie daran
seine Marke mit redaktionellen Inhalten zu fördern.

Bei der Suche nach Gelegenheiten sind wir dabei auf Ihre Webseite gestoßen
kanzleikompa.de.

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns über Ihre Preise und Möglichkeiten
bezahlte und relevante Inhalte auf Ihrer Webseite zu veröffentlichen, die
jedoch einen Link auf eine Webseite aus der Spiele Industrie enthalten
würden, informieren könnten. Weitere Informationen:

-          Wir würden Ihnen zusätzlich eine einmalige Provision für den
administrativen Aufwand für die Veröffentlichung und Wartung der Inhalte
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-          Im Beitrag selbst sollten Sie keine Erwähnung machen, dass es
sich bei dem Artikel um bezahlten Content bzw. um Werbeinhalte handelt

-          Wir würden Ihnen einen redaktionell wertvollen Artikel mit
Zitaten und Bildern liefern und darum ersuchen, dass diese für den Artikel
bei und nach seiner Veröffentlichung verwendet werden

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung, damit wir Ihnen sowohl die Inhalte,
als auch die entsprechende Bezahlung bereitstellen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Mit freundlichen Grüßen,

Jason Monroe

Lieber Herr Monroe,

vielen Dank für das nette Angebot, aber zuvor sollten wir uns noch einmal über rechtliche Details Gedanken machen. Bitte senden Sie mir doch Ihre volle Anschrift, dann bekommen Sie von mir ein Schreiben. Es lohnt sich!

Herzliche Grüße aus Köln

Markus Kompa