Dem türkischen Staatspräsident Erdoğan bietet sich für seinen juristischen Amoklauf ein weiteres Ziel: Das Berliner Verwaltungsgericht.
Die Berliner Polente hatte befürchtet, dass auf einer Demo vor der türkischen Botschaft das Gedicht „Schmähkritik“ rezitiert würde. Dort hatte die Piratenpartei nach der Extra3-Satire eine (übrigens von mir angeregte) wöchentliche Demo etabliert. Die Polizei machte zur Auflage:
„Das öffentliche Zeigen oder Rezitieren des Gedichts ‚Schmahkritik‘ von J… B… oder einzelner Textpassagen daraus wird untersagt. Ausgenommen hiervon ist die bloße Namensnennung des Titels ‚Schmähkritik‘. Diese bleibt in Wort oder Schrift im Rahmen der Versammlung ausdrück ich erlaubt.“
Einen hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 14. April 2016, Az. 1 L 268.16 ab. Dabei kam das Gericht nicht umhin, das komplette Gedicht in seinem Beschluss zu zitieren. ;)
Dabei ließen die Berliner Verwaltungsrichter ausdrücklich offen, ob eine Aufführung des Gedichts, die in den quasi-edukatorischen Kontext eingebettet ist, zulässig wäre.
Danach stellt die vom Antragsteller beabsichtigte Zitierung des Gedichts von J… B… eine Beleidigung dar. Hierbei bleibt ausdrücklich offen, ob die von J… B… selbst getätigten Äußerungen ihrerseits einen Straftatbestand erfüllen oder wegen ihres Kontextes noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Entscheidend dürfte insoweit der Umstand sein, dass B… sein Gedicht in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext einbettet-, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen (Thiele in: http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtliche-dimension-der-causa-jan-boehmermann/).
(Ja, die Richter haben den Bloggerkollegen Thiele zitiert.)
Jedenfalls die isolierte auszugweise Wiedergabe des Gedichts erfüllt die Voraussetzungen einer beleidigenden Schmähkritik. Trotz der öffentlichen Diskussion über den Beitrag von Herrn B… wird ein unbefangener Dritter, der die mit Ziegenmasken auftretenden Versammlungsteilnehmer und die Texttafeln wahrnimmt, dies nicht als eine zulässige Form der Meinungsäußerung verstehen. Denn es fehlt die distanzierende Einbettung in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext-, wie dies bei der Satire von J… B… erfolgt ist. Deshalb stellt sich das Gedicht bzw. Auszüge daraus nur als eine Aneinanderreihung abwertender Verunglimpfungen des türkischen Staatspräsidenten dar. Dies gilt insbesondere für die vom Antragsteller aufgrund der Masken und des angemeldeten Themas der Versammlung dem Staatspräsidenten unterstellten massiven sodomitischen Handlungen.
d) Für die versammlungsrechtliche Beurteilung eines Verhaltens, das zugleich einen Straftatbestand – hier den des § 185 StGB – verwirklicht, ist unbeachtlich, ob eine beleidigte Person ein persönliches Interesse hat. den Beleidiger bestraft zu sehen und deshalb einen Strafantrag stellt (BVerfG, Beschluss vom 21. März 2007, a. a.
Es wäre für die Rechtswissenschaft von unschätzbarem Wert gewesen, wenn der Veranstalter genau das gemacht hätte … :P
Spaß beiseite: Die Richter haben natürlich nichts zu befürchten, nicht einmal urheberrechtlich.