Es ist immer wieder aufschlussreich, wie ein und dieselbe Meldung von verschiedenen Medien wiedergegeben wird. Heute war ich mal selbst beteiligt. So hatte ich gestern Abend die freigegebenen Studie von 1956 zu den Atombombenzielen der Air Force entdeckt, einen Beitrag hierzu geschrieben und nach Mitternacht bei Telepolis freigeschaltet.
Journalisten, die etwa bei Telepolis auf die Meldung stießen, hatten alle wesentlichen Details der Meldung präsent und schöpften aus der gleichen Quelle, wo die meisten wichtigen Details zuvor von Historiker William Burr herausgearbeitet wurden. Um 11 Uhr zog SPIEGEL Online mit ähnlichem Aufbau (und eigenen Recherchefehlern) nach, benutzte jedoch eine andere Sprache.
Kalter Krieg: USA wollten im Ernstfall 91 Ziele in Ost-Berlin treffen
Der Begriff „Ernstfall“ wurde meiner Erinnerung nach immer synonym mit „Verteidigungsfall“ benutzt. Im SPON-Artikel findet man kein Wort davon, dass es den rechtsgerichteten Planern im Pentagon damals nicht um Verteidigung, sondern um Angriff ging. General LeMay hatte seit Ende der 1940er Jahre nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er einen offensiven, präventiven Atomkrieg führen wollte. SPON unterschlägt auch, dass sich die Angriffe etwa auch gegen Penicilin-Fabriken richteten, man also gezielt die Bevölkerung dahinsiechen lassen wollte. Vergleichbar Zynisches kennt man von den Nazis und Stalin, die künstliche Hungersnöte in Osteuropa provozieren wollten bzw. dies taten.
Einen ähnlichen Duktus wie SPON präsentiert die Süddeutsche um 13.44 Uhr:
und spricht ebenfalls von „Ernstfall“.
Deutlich inkompetenter berichtet FOCUS um 13.23 Uhr:
USA hätten im Kriegsfall in Deutschland 91 Ziele mit Atombomben angegriffen
Die Zahl 91 bezieht sich nur auf Ost-Berlin und Vororte. Tatsächlich gab es in der DDR Hunderte militärische Ziele, die mit bis zu 9 Megatonnen-Bomben vernichtet werden sollten. Nach Meinung von FOCUS befanden sich „in Ost-Berlin große sowjetische Luftwaffenstützpunkte“. Nein, die befanden sich außerhalb. Die 91 Bömbchen waren für zivile Ziele in Berlin gedacht.
Stramm auf US-Linie berichtet natürlich Axel Springers WELT:
Markus Kompas Artikel zu US-Atombomben auf Deutschland und wie Medien diese Infos verfälschten | Blauer Bote Magazin
[…] wie sie die Tatsachen teilweise verfälschten, das berichtet Kompa in seinem Blogbeitrag “Verstrahlte Medien“. Zitat: “Alle Blätter unterschlagen die Tatsache, dass die Sowjets damals über keine […]
#1 Pingback vom 23. Dezember 2015 um 23:09