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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


11. Oktober 2013

Sven Krohlas ist von uns gegangen

Liebe Internet-Trauergemeinde (TM),

wir gedenken heute dem Piraten Sven Krohlas.

Sven war ein Pirat der ersten Tage. Der Informatiker wusste 2006 nicht mehr, welcher Partei er noch guten Gewissens seine Stimme geben konnte. Schon damals lehnte er die immer weiter ausartenden Überwachung ab, engagierte sich für die Förderung freier Software und kämpfte gegen Softwarepatente – Themen, die keine andere Partei besetzte.

Sven machte so etwas verrücktes wie die Mitgliedschaft in einer Minipartei, die vielleicht nie, vielleicht in einem Jahrzehnt das erste Landesparlament entern würde. Er nahm es in Kauf, für so eine Partei belächelt zu werden, die der Karriere eher hinderlich als förderlich war; die Engagement nicht vergütete, sondern mit Shitstorms strafte.

Sven war bereit, sich in Fußgängerzonen bespucken zu lassen, als Zensursula das Internet diskreditierte, um es zu zensieren. Wenn man ihn rief, war er da. Die Partei, für die sich Sven engagierte, hat viel Wichtiges bewirkt. Sie hat 2009 die Internetsperren gelöscht, sie hat ACTA zumindest im ersten Level besiegt, und sie hat in der deutschen Parteienlandschaft für Aufsehen gesorgt, und sei es auch nur das Einfordern von Partizipation und Transparenz.

Ich selbst wurde auf Sven das erste Mal aufmerksam, als er zu Beginn der Snowden-Enthüllungen äußerte, er wolle die NSA brennen sehen, was seinen Weg in die Medien fand. War ich im ersten Moment ob der assoziierten Billigung von Straftaten irritiert, so merkte ich erst im zweiten Moment seiner Brillanz: Als einer der ganz, ganz wenigen hatte es Sven geschafft, in diesem wenig ruhmreichen Wahlkampf die Filterbubble zu verlassen und außerhalb seiner Twitter-Timeline zu kommunizieren, dass wir Piraten etwas gegen Überwachungsstaaten haben. Und hatten wir uns nicht alle diese Woche gefreut, dass im Datenklo in Utah wegen Stromschwankungen die Platinen abrauchen?

Sven hatte immer alles gegeben. Als Basispirat, bei der Programmentwicklung, beim Aufbau von Stammtischen, als Landtagskandidat, als Politischer Geschäftsführer des Landesverbandes und dann als Bundestagskandidat. Jüngst trug man ihm eine Kandidatur zum Bundesvorstand an. Doch Sven wurde schon länger von Zweifeln geplagt. Seine Freunde wussten es schon lange, dass er dem Projekt keine Chance mehr gab. Wie das Orchester auf der Titanic, das spielte, bis das Wasser kam, hat er seine Rolle tapfer bis zum Schluss gespielt.

Nach sieben Jahren Mitgliedschaft hat er uns heute verlassen.

CC-by Bastian Paeper, Blattgrün Fotografie, http://www.blatt-gruen.de

Hannah Beitzer – JournalistIn – Presse unter Piraten (2)

UPDATE: Bitte beachten Sie vor Lektüre unbedingt diesen Lesehinweis. Danke.

UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser Wahlergebnis verantwortlich. Das hatte ich vorher hier klargestellt. Ich bin Medienkritiker. Ich kritisiere eine nachhaltig schwache journalistische Leistung.

(more…)

10. Oktober 2013

Geheimdienst-Whistleblower besuchen Snowden

Vor zwei Monaten hatte ich das Vergnügen, auf dem europäischen Hackertreffen OHM 2013 in den Niederlanden die Geheimdienst-Whistleblower Ray McGovern (CIA), Coleen Rowley (FBI), Thomas Drake (NSA), Jesselyn Radack (State Dempartment) und Annie Machon (MI5) zu erleben und interessante Gespräche zu führen. Der CIA-Mann beeindruckte mich damit, dass er Sebastian Haffner las. Die Whistleblower nutzten die Gelegenheit, um Edward Snowden ihren größten Respekt zu zollen und forderten die Hacker auf, der Gesellschaft wieder zu Bürgerrechten zu verhelfen.

Diese Woche reisten die US-amerikanischen Whistleblower nach Russland, um Snowden den Sam Adams Award zu überreichen. Gut zu hören, dass es ihm offenbar gut geht, auch seelisch. Keiner der Whistleblower, die ich kenne, hat den Dank erfahren, den ihnen die Gesellschaft meiner Meinung nach schuldet, insbesondere nicht finanziell. Drake etwa, vormals Professor für Informatik in Diensten der NSA, hält sich mit einem Job in einem Apple-Shop über Wasser. Wir benötigen dringend Strukturen, um Whistleblowing attraktiv zu machen. Die Tatsache, dass es der letzte Bundestag nicht geschafft hat, sich auf ein Hinweisgeberschutzgesetz zu verständigen, ist eine Schande. Schade, dass die Medienvertreter insoweit keinen nennenswerten Druck gemacht haben.

Das Thema lässt sich leider nicht so einfach auf dem Boulevard platzieren wie ein etwas zu weltlicher Geistlicher, obwohl es dramatisch wichtiger wäre.

UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser schwaches Abschneiden verantwortlich. Das hatte ich in meinem ersten Beitrag klargestellt. http://www.kanzleikompa.de/2013/10/09/seemannsgarn-gallionsfiguren-und-mehr-frauen-hauptstadtjournalisten-unter-piraten/

Vereinsausschluss im Falschspielersyndikat

Als Vorsitzender des Falschspielersyndikats Hells Aces muss ich leider den sofortigen Ausschluss eines Vereinsmitglieds bekanntgeben. US-Vize-Admiral Timothy Giardina, vormals stellvertretender Chef des Strategischen Kommandos, also den Leuten, die für einen flächendeckenden Atomschlag zuständig sind, hat sich beim Poker mit gefälschten Spielchips erwischen lassen. Solche Stümperei können wir nicht durchgehen lassen. Was hätte Lemnitzer dazu gesagt?

In den 1950er Jahren hatte der legendäre Trickspezialist John Scarne etliche Armeestützpunkte bereist, um die Soldaten vor betrügerischem Kartenspiel zu warnen. Da hätte man doch etwas mehr Ehrgeiz erwarten dürfen.

 

9. Oktober 2013

Seemannsgarn, Gallionsfiguren und „Mehr-Frauen“ – Hauptstadtjournalisten unter Piraten

https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&list=PLB0D0D18AEDC55D0B&v=eMagGx9JPAc

 

Vorab:

Ich lege gesteigerten Wert auf die Feststellung, dass ich den Medien keine bis wenig Schuld am Abstieg der Piraten gebe.

Im Gegenteil beklage ich sogar, dass Journalisten 2011/2012 überhöhte Erwartungen weckten und nicht früher kritischer über das Piratenprojekt urteilten, wo es angebracht war, um absehbare Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren. Der Verlust an Wohlwollen und Aufmerksamkeit ab Sommer 2012 ist definitiv hausgemacht und von den Verantwortlichen, und denen, die sie gewähren ließen, wohlverdient. Nach der Niedersachsenwahl mit 2% ging es in erster Linie um Haltung. Der Bundestagswahlkampf war spätestens im Frühjahr 2013 definitiv zu Ende, nachdem feststand, dass die Kommunikationsstrukturen nicht ansatzweise funktional waren und bleiben würden. Selbst eine noch so wohlwollende Presse hätte uns so nicht mehr über 5% gehoben. Nicht einmal während der Snowden-Enthüllungen gelang es der Piratenpartei, das Thema medienwirksam zu besetzen oder Expertise zu kommunizieren. Die einstige „Internetpartei“ spielte sich als Sozialreformerin auf, warb mit den gleichen Themen wie die meisten Mitbewerberinnen, jedoch ohne Alleinstellungsmerkmale oder Persönlichkeiten. Gesichter der Partei im öffentlichen Gedächtnis waren skurrile Vorstände sowie unreife Herrschaften insbesondere in Berlin, von denen man nach einem Jahr Welpenschutz genug gesehen hatte.

Die Presse beschränkte sich 2013 im Wesentlichen auf Ignorieren der 2%-Partei, die Gegnern nicht einmal mehr das Bewerfen mit Dreck wert war. Die in der „kleinen Bundestagswahl“ während des NRW-Wahlkampfs von 2012 erlebten Peinlichkeiten wie die „Mein Kopf gehört mir“-Kampagne des HANDELSBLATTS, der „ZEIT-Aufruf“ und der irre Rant des CICERO-Herausgebers, die unfreiwillig PR für die Piraten machten, blieben 2013 aus. Pädo-Storys lancierte man diesmal über die Grünen und die FDP; auch eine kollektive Medienhysterie über eine halluzinierte Unterwanderung durch Nazis wurde uns dieses Jahr erspart. Eine nicht mehr allzu originelle Partei, die als einzige bei Verlagen weder Anzeigen schaltet noch Medienbeteiligung oder verwurzelte Redaktionskontakte pflegt, hat nun einmal nur geringe Ansprüche auf Aufmerksamkeit.

Nein, die Presse trifft keine bis wenig Schuld an der Misere der Piraten. Dennoch ist es eine Frage der Hygiene, das gelegentliche Foulspiel und mangelndes journalistisches Handwerk zu dokumentieren, denn politischer Journalismus ist für die Gesellschaft wichtig. Die Vollprofis aus dem Berliner Hauptstadtjournalismus, die ich demnächst hier in meinem Blog behandeln werde, hätte ich auch im Falle eines glorreichen Wahlsiegs öffentlich in gleicher Weise kritisiert. Sie hätten eigentlich die Aufmerksamkeit der Medienkritiker wecken müssen. In Berlin funktioniert politischer Journalismus keinen Deut weniger provinziell als anderswo. Nachdem wir nun die Wahlen des Herbstes 2013 hinter uns gebracht haben, ohne dass sich jemand des Themas annahm, fällt nun mir die Chronistenpflicht zu, der Nachwelt von diesen Glanztaten der „vierten Macht“ zu künden.

Die beißende Ironie an den hier demnächst zu erzählenden Geschichten ist, dass der Partei, die als „postgender“ startete und Pressefreiheit so hoch wie keine andere hielt, ausgerechnet die Kombination von beidem nicht bekam. Vielleicht gelingt es Regisseuren wie Helmut Dietl oder Sönke Wortmann, aus journalistischem Totalversagen einen satirischen Film wie etwa „Der Campus“ zu machen. Wie wir sehen werden, bietet der Stoff für eine Polit- oder Mediensatire mehr als genug Inspiration.

 

28. September 2013

Sternstunde im Wahlkampf

Bevor die Erinnerungen dieses Wahlkampfs verblassen, sei noch folgende Anekdote festgehalten. Ich begleitete eine Piratin bei einer Podiumsdiskussion in einem Gymnasium in Greven, Kreis Steinfurt III, wo Vertreter etlicher Parteien in Themenblöcken den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort standen.

Eine Schülerin drängte bereits beim Block „Energie“ auf eine familienpolitische Frage, die sie umtrieb, und die sie dann endlich offiziell stellen durfte: Wie es denn die CDU-Kandidatin mit der Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare halte. Wäre eine solche Frage in den 80ern gestellt worden, als Homosexualität nahezu tabuisiert war, wäre im Publikum mit einem Raunen zu rechnen gewesen. Ein solches setzte aber erst ein, als die CDU-Kandidatin ihre Weisheit zum Besten gab, ein Kind brauche einen Vater und eine Mutter. Damit ließen sich die jungen Leute nicht ansatzweise abspeisen.

Als schließlich die Kandidatin der Linkspartei an der Reihe war, bemerkte diese in aller Ruhe: Sie habe einen Sohn, und sie habe sich mit ihrem Mann Gedanken gemacht, was passieren solle, wenn ihnen beiden etwas zustoße. Für diesen Fall wünschte sich die Kandidatin, dass das Sorgerecht auf ihren Bruder und dessen Ehemann übergehe, was nach heutigem Recht nicht möglich sei. Peng! In diesem Moment ging der neben ihr sitzenden CDU-Frau vermutlich auf, wie dünn das Eis war, auf das sie sich mit ihrem frommen Sprüchlein begeben hatte. Die Meinung der Kids jedenfalls war eindeutig.

Die Kandidatin der Linkspartei, die aus der Friedensbewegung stammende Kathrin Vogler, ist erneut über die Landesliste in den Bundestag eingezogen, wozu ich sie sowohl beglückwünsche als auch bemitleide. Im Gegensatz zur CDU-Kandidatin aus dem Kreis Steinfurt III hat übrigens selbst ihre CDU-Kollegin aus Münster, die durchaus eine konservative Haltung bewies, in der Frage des Adoptionsrechts von Gleichgeschlechtlichen eine modernere, von der CDU-Meinung abweichende Auffassung.

26. September 2013

30 Jahre kein versehentlicher Atomkrieg

Vor 30 Jahren überlebten die beiden Supermächte den bislang gefährlichsten Fehlalarm in der Menschheitsgeschichte. Das genaue Datum, 26. oder 27. September 1983, steht nicht fest. In dieser Nacht bewahrte Stanislaw Petrow einen kühlen Kopf, als in Ost und West Wahnsinnige die Welt für den gegenseitigen Overkill vorbereitet hatten. Der Computer hatte die Signale der Spionagesatelliten, welche ca. 1.000 US-Startbasen überwachten, als „Angriff“ bewertet und fünf anfliegende ballistische Raketen gemeldet.

Ich hatte erstmals über Petrow 2008 zum 25. Jahrestag der RYAN-Krise geschrieben, die damals von deutschen Historikern noch nicht anerkannt worden war. Letztes Jahr hatte auch der konservative Publizist Guido Knopp Existenz und Brisanz der RYAN-Krise eingeräumt, wobei er dem NATO-Spion Rainer Rupp allerdings nicht ganz dessen wichtige Rolle zugestand. Etliche Journalisten bewerten den den Vorfall noch heute als den gefährlichsten nach der Kubakrise. Da es damals allerdings in Ost und West keine Tausende ballistische Raketen gab, die Reaktionszeit ungleich höher und nicht in dem Maße automatisiert war und die Nervosität bei den Russen von 1983 ihre eigene Existenz betraf, kommen Militärhistoriker zu dem Schluss, dass dieser Vorfall das riskanteste Ereignis in der Menschheitsgeschichte war.

2009 hatte ich das Privileg, Stanislaw Petrow persönlich kennenzulernen und mit ihm Freundschaft zu schließen. Seine Geschichte habe ich von Petrow aus erster Hand erfahren. Überwachung birgt nun einmal den Nachteil von Irrtümern und Phantomkonflikten.

Im Rahmen eines politischen Theaterprojekts in Düsseldorf und Berlin, bei dem sich die Darsteller selbst spielten, durfte ich ihm jeden Abend in der Vorstellung seinen „Preis für seine Verdienste um die Erhaltung der Welt“ überreichen, der ihm 2006 von einer „Vereinigung der Weltbürger“ vor der UNO in New York verliehen wurde. Außerdem assistierte mir Petrow dabei, die isländische Ex-NATO-Majorin Herdis Sigurgrimsdottir schweben zu lassen. Der Ingenieur hatte an den Zaubertricks großen Spaß.

25. September 2013

Europa!

Kommendes Jahr wird das Europaparlament neu gewählt – der für Netzpolitik wichtigste Schauplatz. Während der deutsche Gesetzgeber nur in sehr engen Grenzen am Urheberrecht etc. rumschrauben darf, nämlich innerhalb der EU-Richtlinien, werden ebendiese in Straßburg verhandelt. Es ist daher von großer Wichtigkeit, dass neben den ganzen Lobbyisten auch Netzthemen in Straßburg angemessen vertreten werden.

Dazu benötigen wir eine Partei, welche die Priorität auf die Netzpolitik legt und der die Autorität zugebilligt wird, für möglichst die ganze Netzgemeinde (TM) zu sprechen. Die tatsächlichen deutschen Netzbewohner dürften ein ähnliches Spektrum aufweisen wie das, welches uns die jüngste Bundestagswahl aufgezeigt hat. Auch in den anderen europäischen Staaten werden sich die dortigen Netzbewohner nicht auf eine bestimmte Strömung reduzieren lassen. Es macht daher wenig Sinn, nur einen bestimmten Ausschnitt der politischen Farbenlehre anzusprechen und damit umgekehrt 90% der möglichen Wähler auszuschließen.

Die Piraten werden sich Gedanken machen müssen, ob sie diese dringend benötigte Netzpartei sein wollen, oder ob sie weiterhin bereits vorhandene Parteien kopieren und diesen damit sogar das Wasser abgraben wollen.

22. September 2013

Piratenpartei legt um 0,2 % zu – eine Million Wähler

Die Piratenpartei hat sich im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 um 0,2 % gesteigert, wobei aufgrund der höheren Wahlbeteiligung der Stimmenzuwachs noch höher liegt. Insgesamt haben uns eine Million Menschen ihr wertvollstes demokratisches Recht anvertraut. (UPDATE: 958.507.)

Am heutigen Wahlabend ärgern sich vermutlich alle anderen Parteien, dass ihnen genau die 2,2 % der Stimmen fehlen. FDP und dieses alberne Gebilde hätten gerne 0,2 % davon abgehabt. Die Grünen und die Linkspartei liegen nunmehr gleichauf – beide wären jeweils mit unseren Stimmen zweistellig, was insbesondere bei der Linkspartei die v0n der SPD versagte Autorität hätte erhöhen können. Zwischen den Blöcken CDU/CSU und rot-rot-schwarz fehlen diese von uns gekaperten 2,2 % schmerzlich, die übrigens beinahe ein Zehntel der Volkspartei SPD ausmachen.

Wie schon 2009 fragen sich die Wahlstrategen, wie sie ihre Prozente von uns wieder zurück kriegen. Und wie schon beim Zensursula-Gesetz und bei ACTA werden die sich Gedanken machen müssen, wie man uns die Themen wieder entzieht. Nicht ganz zufällig etwa beeilte man sich letzten Freitag, dass Anti-Abzock-Gesetz endlich durch den Bundesrat zu bringen, welches das Kostenrisiko von uns so verhassten Filesharing-Abmahnungen deutlich reduziert. Wir waren insoweit mächtiger als die Lobbyisten der Musikindustrie, denen die rot-schwarze Koalition gefällig gewesen war.

Ob wir im Bundestag sitzen, oder ob wir sie von außen da kneifen, wo es sie am meisten weh tut, nämlich bei ihrem Machtanspruch, ist zweitrangig: Wir werden den Lebensraum Internet auch weiterhin verteidigen. Die 2,2 % Stimmen waren es wert.

Zu begrüßen ist ferner, dass es weder der FDP, noch den Deutschtümlern gelungen ist, mit massiven finanziellen Mitteln die 5%-Hürde zu knacken. Insbesondere bei der FDP haben die Leute sich von der dreistesten Kampagne nicht beeindrucken lassen, die ich je in einem Wahlkampf gesehen habe.

Der Partei Die PARTEI gratuliere ich zu 0,2 % der Wählerstimmen, was ebenfalls eine Steigerung um 0,2 % ausmacht. Auch die hätte die FDP gut brauchen können … ;)

21. September 2013

Danke, Piraten!

(Juli 2013, Demo gegen Prism in Frankfurt/Main)

Piraten!

Wenn morgen die Stimmen der Piraten ausgezählt werden, sind diese in erster Linie euer Verdienst. Die Leute wählen, weil ihr sie mit großem Enthusiasmus in den Fußgängerzonen überzeugt habt. Man wird uns nicht aus dumpfem Protest, nicht aus Taktik, nicht als Resultat einer teuer orchestrierten PR-Kampagne, nicht aus religiöser Verbundenheit und auch nicht wegen einer Präsenz in den Medien wählen. Anders als 2012 fanden wir in der Öffentlichkeit in diesem Wahlkampf praktisch gar nicht statt. Über die Gründe wird zu reden sein.

Wir waren schon einmal eine Partei ohne Lobby. Wir haben 2009 als nahezu unbekannte Partei auf der Straße gestanden, um für das einzutreten, was wir bedroht sahen: Die Freiheit des sozialen Raums Internet, dessen Potential die etablierten Parteien erst verschlafen hatten und dann das „Neuland“ kollektiv weltfremd bekämpften. CDU, SPD und die unzuverlässigen Grünen hatten sich unwählbar gemacht, die FDP war es aus anderen Gründen schon immer, und auch die Linkspartei liegt nun einmal nicht jedem.

Wir hatten die Politiker da gekniffen, wo es sie am meisten weh tat, nämlich bei den Wählerstimmen. Durch unseren außerparlamentarischen Protest haben wir die Netzsperren und sogar ACTA(!) gekippt. Das sind die Gründe, warum ich dieser Partei auch in schwierigen Zeiten die Treue halte, denn eine solche Kraft wird im politischen Spektrum nach wie vor gebraucht. Mit Datenschutz, Privatsphäre und Urheberrecht sind die anderen Parteien überfordert.

Ob wir uns einen Gefallen damit getan haben, unsere Kernthemen zu verlassen und uns ein Vollprogramm zu geben, wird unterschiedlich beurteilt. So gut unser Programm auch sein mag, so habe ich nicht verstanden, warum wir derzeit vor allem mit Themen werben, die auch andere, wesentlich stärker organisierte Parteien anbieten, und warum wir das Korruptionsthema nicht deutlicher kommunizierten. Mir waren vor allem unsere Kernthemen wichtig, und für diese hatte ich die Ehre, als Kandidat in diesem Wahlkampf einzutreten. Urheberrecht spielte in diesem Wahlkampf allerdings keine Rolle. Erstaunlicherweise wollte selbst während der NSA-Affäre über Geheimdienste niemand etwas von mir in meiner Eigenschaft als Pirat hören, obwohl ich mich mit diesen Organisationen seit einem Jahrzehnt ausgiebig befasse und in Experten- und Hackerkreisen gut vernetzt bin. Ohne die Partnerschaft mit den Medien war es für eine finanziell schwache Partei nicht möglich, den Leuten in der Breite zu kommunizieren, dass Überwachung und Datenschutz wichtige Themen sind. Wenig überraschend waren den Medien Köpfe wichtiger als Themen.

Ich danke jedem Wahlkämpfer, der sich nicht entmutigen ließ. Ich danke vor allem Katharina Nocun, dass sie gerade in schwierigen Zeiten nach vorne gegangen ist und mit beeindruckendem Enthusiasmus für die Sache eintrat. Ich danke insbesondere der NRW-Kandidatin Melanie Kalkowski, die leider in diesem Wahlkampf viel zu wenig in den Medien war, obwohl sie ihre Sache fantastisch gemacht hat. Ich danke speziell auch besonders meinem Kollegen Udo Vetter, der die Piraten exzellent vertreten hat. Ebenfalls danke ich Anke Domscheit-Berg, die trotz ihres aussichtslosen Listenplatzes im Flächenland Brandenburg einen beispiellosen Wahlkampf geboten und in den Medien das Kernthema Open Government kommuniziert hat. Ich danke auch Bruno Kramm, der Urheberrecht in den Medien besser darstellen konnte, als es uns Anwälten möglich gewesen wäre, und stets ein verlässlicher Partner war.

Ich danke für die nachhaltige Unterstützung auch den Piraten in Münster, die sich in den letzten Wochen keine Pause gegönnt haben. Sebastian Kroos und unsere Direktkandidatin Sasa Raber haben mich schwer beeindruckt.

Besonders danken möchte ich der Münsteraner Piratin Marina Weisband, welche für die positive Wahrnehmung der Piraten vermutlich mehr bewirkt hat, als alle anderen Piraten zusammen.