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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


16. Oktober 2013

NSA-Video

(via Süddeutsche Blog)

Außerdem hier ein starkes Video von 2007:

(via InsideX)

13. Oktober 2013

Courage gegen tödliche Daten

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Wtear7Nf3oU

Der NSA-Skandal scheint kaum noch Leute zu interessieren, obwohl die Überwachung für uns deutlich relevanter ist als ein abgedrehter Limburger Bimbam. Die Whistleblower, die Snowden gerade in Russland besucht und für seine Courage moralisch gestärkt haben, wurden heute in der US-Presse als „Verräter“ bezeichnet.

Unterdessen hat die couragierte Malala Herrn Obama ins Gesicht gesagt, was sie von seinem Drohnenkrieg in Pakistan hält. Viele der Zielpersonen werden auf Verdacht hin getötet, der auf Daten aus der NSA-Überwachung beruht. Ein faires Verfahren kriegen sie nicht. Etliche Begleiter solcher Zielpersonen, darunter Hunderte Kinder, wurden von Drohnen-gestützten Hellfire-Raketen ebenfalls getötet. Man sollte wissen, dass Obama jeden einzelnen Drohnen-Abschuss durch eigene Unterschrift genehmigen muss. Der Mann tötet pakistanische Kinder, wenn man sie ihm nicht gerade telegen aufs Sofa setzt, inzwischen schon 164.

Als ich diesen Sommer bei einer Protestkundgebung praktisch das gleiche sagte wie Malala, warfen mir irgendwelche faszinierenden Menschen im Berliner Piratenumfeld „Anti-Amerikanismus“ vor. Was genau an meiner Obama-Kritik anti-amerikanistisch gewesen sein könnte, habe ich nie verstanden. Auch bei der diesjährigen Freiheit-statt-Angst-Demo soll es „anti-amerikanistische Untertöne“ gegeben haben, die ich nicht wahrgenommen habe.

12. Oktober 2013

#Beitzergate – Lesekompetenz in 140 Zeichen

Gestern konnte in einem soziologisch eindrucksvollen Moment getestet werden, wie es um die Lesekompetenz und Streitkultur von „Die Piraten(TM)“ steht. Etliche Twitteristen hatten einen anderen Text über Frau Beitzers Variante von Journalismus gelesen, als ich ihn geschrieben hatte.

Im Text hatte ich praktisch nur Argumente FÜR Feminismus gebracht. Ich vertrete nicht einmal die Meinung, dass die Quote grundsätzlich das falsche Instrument sei. Sehr wohl allerdings bin ich der Meinung – und das habe ich auch deutlich so geschrieben – dass beide Meinungen vertretbar sind. Und dass professionelle JournalistInnen respektieren sollten, wenn jemand nicht ihre Ideologie teilt. Zudem habe ich etlichen Piratinnen ausdrücklich meinen Respekt gezollt.

Dennoch habe ich in den Augen einiger LeserInnen einen „antifeministischen Text“ geschrieben. Das verrät mehr über die Perspektive der LeserIn, als über den Text.

Zum Mitschreiben: Ich habe nichts gegen intelligenten Feminismus. Im Gegenteil. Bei der Piratinnenkon hat Nicole von Horst eine entwaffnend starke Keynote gehalten, und ich hätte mir gewünscht, dass es den TeilnehmerInnen gelungen wäre, das Niveau zu halten. Wie nicht anders zu erwarten, legte die Presse den Focus auf die voraussehbaren Peinlichkeiten, die im Vorfeld, am Rande dieser Veranstaltung und danach passiert sind. Leider.

Jemand, der gerne Gegnerlisten auf Twitter führt, hat mich gestern auf eine Liste „rechts“ gesetzt. Als ich mich letzten Monat mit der NPD angelegt hatte, haben die mich zwar tagelang belästigt, aber soweit mir bekannt ist, hat mich von denen kein Blockwart auf eine öffentliche Liste gesetzt.

Der Sprachwissenschaftler(!) Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch war sich nicht zu schade, mir auf Twitter Äußerungen in den Mund zu legen, die ich so nicht gemacht hatte, um mich in Misskredit zu bringen. Mit einem ähnlichen Trick hatte neulich eine große Boulevardzeitung aus dem „Veggieday“ der Grünen ein angebliches Fleischverbot gemacht – die meines Erachtens erfolgreichste Manipulation dieses Wahlkampfs.

Positiv darf ich anmerken, dass mir beim gestrigen Shitstorm offenbar nur eine Person den Tod wünschte.

Mir wurde auch unterstellt, ich wolle der Presse vorschreiben, was sie zu schreiben hat. Im Gegenteil bin ich doch eigentlich als Aktivist für Pressefreiheit bekannt …

In meiner Eigenschaft als damaliger Bundestagskandidat bin ich während der Snwoden-Enthüllungen zu Piratenveranstaltungen durch die halbe Republik gereist – geschrieben wurde darüber so gut wie nichts. Die Pressemitteilungen, an denen ich mitwirkte, wurden gerade einmal vom „Neuen Deutschland“ aufgegriffen. Für Journalisten, die bisweilen aus unseren Tweets Headlines stricken, hatte ich ein NRW-Kandidatenblog eingerichtet, damit jeder vom Schreibtisch aus lesen konnte, wer wir sind und was wir wollen. Soweit mir bekannt, wurde nicht eine einzige Silbe übernommen. Frustrierend, aber als 2%-Partei hat man eben nichts zu melden.

Es ist Sache der Presse, was und wie sie berichten will. Wenn aber eine Journalistin zwei Jahre lang ständig Genderthemen haben will, obwohl wir uns mit anderen Dingen beschäftigen, und dann in ihrem Resümee den Eindruck erweckt, wir wären Sexisten und offen nach rechts, dann ist das nicht mehr nur schwacher Journalismus, sondern irgendwas ganz anderes. Wenn eine Redaktion da über zwei Jahre lang nicht eingreift, dann ist das eben kritikwürdig.

Gestern haben auf Twitter etliche Leute bewiesen, dass sie mit längeren Texten offenbar überfordert sind, vor allem dann, wenn – wie es gestern jemand formulierte – ein Pro-Feminist sich einen Millimeter zu weit von der Linie wegbewegt.

Wir waren mal eine Partei gegen Zensur und für Toleranz. Inzwischen haben wir auf Twitter reaktionäre Politkommissare und ideologische Blockwarte, die einzig die eigene Meinung gelten lassen und zur Durchsetzung zu unappetitlichen Mitteln greifen. Schade eigentlich.

11. Oktober 2013

Sven Krohlas ist von uns gegangen

Liebe Internet-Trauergemeinde (TM),

wir gedenken heute dem Piraten Sven Krohlas.

Sven war ein Pirat der ersten Tage. Der Informatiker wusste 2006 nicht mehr, welcher Partei er noch guten Gewissens seine Stimme geben konnte. Schon damals lehnte er die immer weiter ausartenden Überwachung ab, engagierte sich für die Förderung freier Software und kämpfte gegen Softwarepatente – Themen, die keine andere Partei besetzte.

Sven machte so etwas verrücktes wie die Mitgliedschaft in einer Minipartei, die vielleicht nie, vielleicht in einem Jahrzehnt das erste Landesparlament entern würde. Er nahm es in Kauf, für so eine Partei belächelt zu werden, die der Karriere eher hinderlich als förderlich war; die Engagement nicht vergütete, sondern mit Shitstorms strafte.

Sven war bereit, sich in Fußgängerzonen bespucken zu lassen, als Zensursula das Internet diskreditierte, um es zu zensieren. Wenn man ihn rief, war er da. Die Partei, für die sich Sven engagierte, hat viel Wichtiges bewirkt. Sie hat 2009 die Internetsperren gelöscht, sie hat ACTA zumindest im ersten Level besiegt, und sie hat in der deutschen Parteienlandschaft für Aufsehen gesorgt, und sei es auch nur das Einfordern von Partizipation und Transparenz.

Ich selbst wurde auf Sven das erste Mal aufmerksam, als er zu Beginn der Snowden-Enthüllungen äußerte, er wolle die NSA brennen sehen, was seinen Weg in die Medien fand. War ich im ersten Moment ob der assoziierten Billigung von Straftaten irritiert, so merkte ich erst im zweiten Moment seiner Brillanz: Als einer der ganz, ganz wenigen hatte es Sven geschafft, in diesem wenig ruhmreichen Wahlkampf die Filterbubble zu verlassen und außerhalb seiner Twitter-Timeline zu kommunizieren, dass wir Piraten etwas gegen Überwachungsstaaten haben. Und hatten wir uns nicht alle diese Woche gefreut, dass im Datenklo in Utah wegen Stromschwankungen die Platinen abrauchen?

Sven hatte immer alles gegeben. Als Basispirat, bei der Programmentwicklung, beim Aufbau von Stammtischen, als Landtagskandidat, als Politischer Geschäftsführer des Landesverbandes und dann als Bundestagskandidat. Jüngst trug man ihm eine Kandidatur zum Bundesvorstand an. Doch Sven wurde schon länger von Zweifeln geplagt. Seine Freunde wussten es schon lange, dass er dem Projekt keine Chance mehr gab. Wie das Orchester auf der Titanic, das spielte, bis das Wasser kam, hat er seine Rolle tapfer bis zum Schluss gespielt.

Nach sieben Jahren Mitgliedschaft hat er uns heute verlassen.

CC-by Bastian Paeper, Blattgrün Fotografie, http://www.blatt-gruen.de

Hannah Beitzer – JournalistIn – Presse unter Piraten (2)

UPDATE: Bitte beachten Sie vor Lektüre unbedingt diesen Lesehinweis. Danke.

UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser Wahlergebnis verantwortlich. Das hatte ich vorher hier klargestellt. Ich bin Medienkritiker. Ich kritisiere eine nachhaltig schwache journalistische Leistung.

(more…)

10. Oktober 2013

Geheimdienst-Whistleblower besuchen Snowden

Vor zwei Monaten hatte ich das Vergnügen, auf dem europäischen Hackertreffen OHM 2013 in den Niederlanden die Geheimdienst-Whistleblower Ray McGovern (CIA), Coleen Rowley (FBI), Thomas Drake (NSA), Jesselyn Radack (State Dempartment) und Annie Machon (MI5) zu erleben und interessante Gespräche zu führen. Der CIA-Mann beeindruckte mich damit, dass er Sebastian Haffner las. Die Whistleblower nutzten die Gelegenheit, um Edward Snowden ihren größten Respekt zu zollen und forderten die Hacker auf, der Gesellschaft wieder zu Bürgerrechten zu verhelfen.

Diese Woche reisten die US-amerikanischen Whistleblower nach Russland, um Snowden den Sam Adams Award zu überreichen. Gut zu hören, dass es ihm offenbar gut geht, auch seelisch. Keiner der Whistleblower, die ich kenne, hat den Dank erfahren, den ihnen die Gesellschaft meiner Meinung nach schuldet, insbesondere nicht finanziell. Drake etwa, vormals Professor für Informatik in Diensten der NSA, hält sich mit einem Job in einem Apple-Shop über Wasser. Wir benötigen dringend Strukturen, um Whistleblowing attraktiv zu machen. Die Tatsache, dass es der letzte Bundestag nicht geschafft hat, sich auf ein Hinweisgeberschutzgesetz zu verständigen, ist eine Schande. Schade, dass die Medienvertreter insoweit keinen nennenswerten Druck gemacht haben.

Das Thema lässt sich leider nicht so einfach auf dem Boulevard platzieren wie ein etwas zu weltlicher Geistlicher, obwohl es dramatisch wichtiger wäre.

UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser schwaches Abschneiden verantwortlich. Das hatte ich in meinem ersten Beitrag klargestellt. http://www.kanzleikompa.de/2013/10/09/seemannsgarn-gallionsfiguren-und-mehr-frauen-hauptstadtjournalisten-unter-piraten/

Vereinsausschluss im Falschspielersyndikat

Als Vorsitzender des Falschspielersyndikats Hells Aces muss ich leider den sofortigen Ausschluss eines Vereinsmitglieds bekanntgeben. US-Vize-Admiral Timothy Giardina, vormals stellvertretender Chef des Strategischen Kommandos, also den Leuten, die für einen flächendeckenden Atomschlag zuständig sind, hat sich beim Poker mit gefälschten Spielchips erwischen lassen. Solche Stümperei können wir nicht durchgehen lassen. Was hätte Lemnitzer dazu gesagt?

In den 1950er Jahren hatte der legendäre Trickspezialist John Scarne etliche Armeestützpunkte bereist, um die Soldaten vor betrügerischem Kartenspiel zu warnen. Da hätte man doch etwas mehr Ehrgeiz erwarten dürfen.

 

9. Oktober 2013

Seemannsgarn, Gallionsfiguren und „Mehr-Frauen“ – Hauptstadtjournalisten unter Piraten

https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&list=PLB0D0D18AEDC55D0B&v=eMagGx9JPAc

 

Vorab:

Ich lege gesteigerten Wert auf die Feststellung, dass ich den Medien keine bis wenig Schuld am Abstieg der Piraten gebe.

Im Gegenteil beklage ich sogar, dass Journalisten 2011/2012 überhöhte Erwartungen weckten und nicht früher kritischer über das Piratenprojekt urteilten, wo es angebracht war, um absehbare Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren. Der Verlust an Wohlwollen und Aufmerksamkeit ab Sommer 2012 ist definitiv hausgemacht und von den Verantwortlichen, und denen, die sie gewähren ließen, wohlverdient. Nach der Niedersachsenwahl mit 2% ging es in erster Linie um Haltung. Der Bundestagswahlkampf war spätestens im Frühjahr 2013 definitiv zu Ende, nachdem feststand, dass die Kommunikationsstrukturen nicht ansatzweise funktional waren und bleiben würden. Selbst eine noch so wohlwollende Presse hätte uns so nicht mehr über 5% gehoben. Nicht einmal während der Snowden-Enthüllungen gelang es der Piratenpartei, das Thema medienwirksam zu besetzen oder Expertise zu kommunizieren. Die einstige „Internetpartei“ spielte sich als Sozialreformerin auf, warb mit den gleichen Themen wie die meisten Mitbewerberinnen, jedoch ohne Alleinstellungsmerkmale oder Persönlichkeiten. Gesichter der Partei im öffentlichen Gedächtnis waren skurrile Vorstände sowie unreife Herrschaften insbesondere in Berlin, von denen man nach einem Jahr Welpenschutz genug gesehen hatte.

Die Presse beschränkte sich 2013 im Wesentlichen auf Ignorieren der 2%-Partei, die Gegnern nicht einmal mehr das Bewerfen mit Dreck wert war. Die in der „kleinen Bundestagswahl“ während des NRW-Wahlkampfs von 2012 erlebten Peinlichkeiten wie die „Mein Kopf gehört mir“-Kampagne des HANDELSBLATTS, der „ZEIT-Aufruf“ und der irre Rant des CICERO-Herausgebers, die unfreiwillig PR für die Piraten machten, blieben 2013 aus. Pädo-Storys lancierte man diesmal über die Grünen und die FDP; auch eine kollektive Medienhysterie über eine halluzinierte Unterwanderung durch Nazis wurde uns dieses Jahr erspart. Eine nicht mehr allzu originelle Partei, die als einzige bei Verlagen weder Anzeigen schaltet noch Medienbeteiligung oder verwurzelte Redaktionskontakte pflegt, hat nun einmal nur geringe Ansprüche auf Aufmerksamkeit.

Nein, die Presse trifft keine bis wenig Schuld an der Misere der Piraten. Dennoch ist es eine Frage der Hygiene, das gelegentliche Foulspiel und mangelndes journalistisches Handwerk zu dokumentieren, denn politischer Journalismus ist für die Gesellschaft wichtig. Die Vollprofis aus dem Berliner Hauptstadtjournalismus, die ich demnächst hier in meinem Blog behandeln werde, hätte ich auch im Falle eines glorreichen Wahlsiegs öffentlich in gleicher Weise kritisiert. Sie hätten eigentlich die Aufmerksamkeit der Medienkritiker wecken müssen. In Berlin funktioniert politischer Journalismus keinen Deut weniger provinziell als anderswo. Nachdem wir nun die Wahlen des Herbstes 2013 hinter uns gebracht haben, ohne dass sich jemand des Themas annahm, fällt nun mir die Chronistenpflicht zu, der Nachwelt von diesen Glanztaten der „vierten Macht“ zu künden.

Die beißende Ironie an den hier demnächst zu erzählenden Geschichten ist, dass der Partei, die als „postgender“ startete und Pressefreiheit so hoch wie keine andere hielt, ausgerechnet die Kombination von beidem nicht bekam. Vielleicht gelingt es Regisseuren wie Helmut Dietl oder Sönke Wortmann, aus journalistischem Totalversagen einen satirischen Film wie etwa „Der Campus“ zu machen. Wie wir sehen werden, bietet der Stoff für eine Polit- oder Mediensatire mehr als genug Inspiration.