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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


4. September 2011

Verratenen Verräter, die verraten wurden

Was derzeit in Sachen CableGate vor sich geht, macht sprachlos wie betroffen. Derzeit fürchten etliche Informanten der USA mit Recht um Ihr Leben und ihre Freiheit, sowie um ihre Angehörigen.

Das Versagen begann bereits mit dem bodenlosen Leichtsinn, dass die US-Diplomaten in ihr Cable-System die Klarnamen ihrer Informanten einspeisten. Jeder professionelle Geheimdienst der Welt – und insoweit sind konspirativ ermittelnde Diplomaten nichts anderes – hätte diesbezüglich Pseudonyme wie z.B. CURVEBALL verwendet. Selbst den nachrichtendienstlichen Auswertern gegenüber wird häufig die Identität der Informanten aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gegeben. Auf die Cables jedoch hatten etliche US-Bedienstete in Militär, Geheimdienst oder Diplomatie unmittelbar Zugriff – ein Leck war nur eine Frage der Zeit, zumal auch die US-Dienst auf hohem Niveau unterwandert waren. Die Existenz dieser Klarnamen in einer Datei, die dann auch noch im Ergebnis einen kompletten Dump ermöglichte, verletzte nahezu alle Regeln der Konspiration und verriet damit die gutgläubigen Zuträger der USA.

Die Cables fanden ihren Weg über das WikiLeaks-Submissionssystem zu Julian Assange. Wie man nun von James Ball weiß, einem WikiLeaks-Aussteiger, der kürzlich an die Presse ging, hatte Assange bereits von Anfang an vor, jedenfalls langfristig die Cables unredigiert zu veröffentlichen. Dieser Plan formulierte nichts weniger, als die Informanten der USA ans Messer zu liefern. Bei vielen Namen, die in den Cables landeten, wird wie bei den „Informellen Mitarbeitern“ der Stasi nicht klar sein, ob die Informanten wissentlich den USA zutrugen, oder unter falscher Flagge angeworben oder schlichtweg nur abgeschöpft wurden. Manche werden auch unter Druck gehandelt haben. Gut möglich, dass auch Doppelagenten hierunter sind, die in Wirklichkeit den USA schaden wollten, nun aber der Öffentlichkeit als Verräter ihres eigenen Landes erscheinen.

Vielleicht erklärt dieses für Assange feststehende Ziel, warum er die Regeln der sicheren Kommunikation in einer Weise missachtete, die dem derzeit bekanntesten Hacker der Welt ein Armutszeugnis in Sachen IT-Sicherheit ausstellt. Statt jedem Journalisten die Cables individuell mit einem eigenen Password zu verschlüsseln und die Datei auf dem eigenen Server zu löschen, hatte er offenbar aus reiner Faulheit nur mit einem einzigen Master-Password verschlüsselt – das offenbar jeder Journalist bekam. Zudem soll Assange dem technisch unbeleckten Guardian-Journalisten David Leigh verklickert haben, das Password funktioniere nur für einen begrenzten Zeitraum. Derartige Scherze waren bei WikiLeaks an der Tagesordnung.

Assange befand es auch nicht für nötig, dem genasführten Journalisten zu erklären, warum man Passwörter auch nach deren „Ablauf“ nie veröffentlicht, etwa weil eine Datei zwischendurch mitgeschnüffelt worden sein kann oder generell verborgen bleiben soll, wie jemand Passwörter bildet. Aber auch ohne Instruktion hätte ein Journalist niemals so geschwätzig sein dürfen, derart sensible Daten wie ein Passwort freiwillig ohne den geringsten Nutzen zu veröffentlichen. Das von Assange gewählte Passwort ist unter dem Gesichtspunkt professioneller Datensicherheit schlichtweg saudumm, ein zum Geschichtenerzählen neigender Journalist kam kaum drumherum, dieses dreiste Passwort aufzugreifen.

Dies wirkte sich deshalb fatal aus, weil jemand die besagte Datei mal eben so in die Öffentlichkeit hochgeladen hatte. Nötig soll dies deshalb geworden sein, weil Assange seine eigenen Back Ups der Cables auf drei Notebooks gespeichert hatte, die ihm abhanden kamen. Dies passierte laut dem SPIEGEL-Buch deshalb, weil er die Rechner beim Fliegen nicht ins Handgepäck mitgenommen, sondern aufgegeben hatte und anschließend der Koffer „verschwunden“ war. Derartig brisante Informationen hätte ein Profi per Stick „am Mann“ getragen oder im Netz in einer versteckten, individuell verschlüsselten Datei platziert.

Nachdem Assange nun demonstrativ selbst die unredigierten Daten veröffentlichte, haben sich namhafte Unterstützer vom WikiLeaks-Projekt losgesagt. „Reporter ohne Grenzen“ schaltete die einst aus Solidarität eingerichteten Mirrors ab. Assange hat mit dem Hintern eingerissen, was er mit den Händen geschaffen hatte.

Selbst seine neuen Jünger, die nach dem Auseinanderbrechen der WikiLeaks-Besetzung vor ca. einem Jahr hinzugekommen waren, konnte Assange nicht für die Idee begeistern, das gesamte Material unredigiert zu veröffentlichen. Sogar Assange fragwürdigster Mitarbeiter, ein bekennender Holocaustleugner, den Assange unter einem Pseudonym eingeschmuggelt hatte, war dagegen. Da dieser Mensch laut James Ball jedoch unredigiertes Material selbst mitgenommen hatte, könnten die Motive auch geschäftliche gewesen sein. Auch andere Abflüsse können nicht ausgeschlossen werden. Eins jedenfalls war klar: Bei Assange und seiner WikiLeaks-Ruine waren Daten von Whistleblowern nicht sicher. Wer Assange in den letzten Monaten für einen verantwortungsvollen Partner hielt, muss sich mindestens „naiv“ schimpfen lassen.

Es war 100% korrekt, dass Daniel Domscheit-Berg dem unberechenbaren Hazardeur Assange und seinen eigenmächtigen Leuten kein weiteres Material mehr anvertrauen wollte. Es war 100% korrekt, dass der „Architekt“ das von ihm programmierte Submission-System ausgebaut und Assange damit ein mächtiges Instrument weggenommen hatte. Alles andere wäre unverantwortlich gewesen. Es war ebenfalls 100% korrekt, in seinem Buch „Inside WikiLeaks“ auf die Person des Julian Assange einzugehen und der Öffentlichkeit Hinweise zu geben, mit welchem Wirrkopf man es bei dem vermeintlichen Guru zu tun hat. Wenn man sich anguckt, welcher Unfug in den letzten Wochen über das Thema geschrieben wurde, jedes von Twitter-Junkie Assange noch so abwegige in den Äther gepustete Gerücht dankbar aufgesogen wurde, kommt man aus dem An-den-Kopf-Greifen gar nicht mehr heraus.

Das in seinen Ansätzen großartige Kapitel WikiLeaks, das der Informationsgesellschaft unendlich viel Nutzen hätte stiften können, dürfte nunmehr Geschichte sein.

RTL mahnt fernsehkritik.tv ab

Der Boulevard-Sender RTL findet es nicht witzig, dass fernsehkritik.tv T-Shirts verkauft und dabei das RTL-Logo im Zusammenhang mit einer Fäkalie verwendet. Holger Kreymeyer, dessen Website mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, lässt sich nicht einschüchtern. Gut so!

Gourméts des Markenrechts erinnern sich an die Urteile zu BMW und Lusthansa sowie Mars.

UPDATE: Ausführlicher Bericht im GULLI.

2. September 2011

Foul im Strafraum

Im Urheber- und Patentrecht kommt es immer wieder zu Fällen von Doppelschöpfungen, welche naturgemäß die Parteien in den Verdacht gegenseitigen Plagiierens bringen. Ein aktuelles Beispiel ist mein Kommentar zum Lehmann ./. Wiese-Urteil vom 28.08.2011, dem dieses heute erschienene Blogpost eines Kollegen nicht unähnlich ist.

Der Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung scheidet jedoch dann aus, wenn die Übereinstimmungen dergestalt sind, dass gewisse Wertungen und Formulierungen naheliegend sind und sich aus der Natur des Themas ergeben, sich geradezu aufdrängen. Insbesondere dann, wenn die konkrete Formgebung eine andere ist, also keine sogenannte „sklavische Kopie“ vorliegt, kann es durchaus sein, das zwei sachverständige Köpfe zur selben, nämliche zutreffenden Bewertung gekommen sind. Man wird dem Kollegen zugestehen müssen, dass sein Kommentar ja nicht alle Feinheiten aufweist, insbesondere das schöne Video fehlt.

Auch möglich, dass der Kollege von meiner Arbeit so begeistert ist, dass er sich dem Original nur mit großem Respekt nähert und sich keine Änderungen anmaßt … ;) In diesem Sinne: Herzlich willkommen in der Piratenpartei, gemeinsam schaffen wir in Berlin die 5%-Hürde!

Siegfried Kauder fordert Pressestrafrecht

Für einen Medienkritiker bietet sich im Blätterwald derzeit reichlich dankbares Anschauungsmaterial. Wenn ich mir die Berichterstattung etwa von SPIEGEL ONLINE zu WikiLeaks diese Woche ansehe, dann muss ich einräumen, dass man der BILD-Zeitung viel Unrecht getan hat …

Den aktuellen Daten-SUPER-GAU hat nun Siegfried Kauder zum Anlass dafür genommen, die Strafen für Geheimnisverrat zu verschärfen und distanziert sich insbesondere vom gegenteiligen FDP-Vorschlag, Journalisten rechtlich besser zu schützen.

Nach seinem Willen soll künftig „für klassische Medien wie für Internet-Plattformen jede Veröffentlichung tabu sein, die Menschen in Gefahr bringen kann“. In derart schwerwiegenden Fällen müsse es möglich sein, gegen die Verantwortlichen zu ermitteln und auch abschreckende Strafen zu verhängen.

schreibt NTV unter Bezug auf die Neue Osnabrücker Zeitung.

Im Klartext bedeutet dies, dass inländische Medien also nicht mehr über Dinge berichten dürfen, die man im Ausland und insbesondere durch die vom Internet geschaffene Daten-Globalisierung damit überall nachlesen kann. Hat der gute Mann eigentlich noch immer nichts verstanden?

Nicht, dass ich falsch zitiert werde: Ich halte überhaupt nichts davon, durch Leaks und bodenlose Schlamperei Menschenleben zu gefährden, insbesondere müssen in den Cables aufgeführte Informanten nicht notwendig Verräter gewesen sein, welche wissend oder gar freiwillig ein Risiko eingegangen sind. Aber die Mittel des Strafrechts gegen die Presse sind diesbezüglich jedoch offensichtlich untauglich, insbesondere in einer Informationsgesellschaft, in der schädliche Informationen so oder so fließen.

Herr Kauder, wo ist denn Ihrer Meinung nach die inhaltliche Grenze für das Gefährden von Menschenleben? Wenn ein US-Präsident zum Hass gegen arabische Völker aufstachelt und Kriegslügen verbreitet, die zum Tod von Hundertausenden Menschen führen, darf darüber nicht, auch nicht kritisch berichtet werden? Was Sie da fordern, ist auf der juristischen Ebene nicht ansatzweise praktikabel. Jegliches Gesetzeswerk dürfte am im Strafrecht geltenden Bestimmtheitsgrundsatz scheitern.