Netzwerk Recherche 2011
Das Programm des ersten Tages des diesjährigen Jahrestreffens der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche war definitiv hochkarätig, jedenfalls in den Panels, die ich besucht habe. Die Veranstaltung war diesmal nicht so überlaufen wie im letzten Jahr. Sie begann mit einer Eefantenrunde aus Mascolo, di Lorenzo, Leyendecker und Pohl, die mit Tom Schimmeck über die Gegenwart des Journalismus räsonierten.
Im Kachelmann-Panel konnten mich ausgerechnet der Kollege Höcker und die Zeit-Journalistin Sabiene Rückert positiv beeindrucken. Neu war mir, dass Frau Rückert über den Kachelmann-Fall erst schrieb, als es ohnehin schon alle taten, obwohl sie zum Fall bereits Zugang hatte. Rückert behauptet, der ursprüngliche Kachelmann-Verteidiger Birkenstock hätte ihr Akteneinsicht angeboten, was der laut Höcker vehement bestreitet. Rückert hatte dann den Wechsel zu Schwenn empfohlen, mit dem Rückert gute Erfahrungen in einem von ihr journalistisch betreuten Fall gemacht hatte. Überraschenderweise hat Schwenn der Journalistin keine Informationen gegeben, was aufgrund Aktenkenntnis auch gar nicht nötig gewesen sei.
Höcker vermochte die Anzahl der von ihm erwirkten einstweiligen Verfügungen im Kachelmann-Fall nur zu schätzen, was er bei „über 100“ taxierte. Auch Höcker ist nur Anwalt, nicht PR-Berater seines Mandanten, dessen eigenmächtige Kommunikation ihm offensichtlich nicht durchgehend behagte.
Die für den Weser-Kurier tätige Journalistin Claudia Kröger berichtete über ihre Recherchen im Hannoveraner Rocker- und Rotlicht-Millieu, bei der ihr ein Wistleblower über einen Staatsanwalt berichtete, der in einem Etablissement in Naturalien geschmeidig gemacht wurde. Frau Kröger bereute, nicht Jura zu Ende studiert zu haben, was ihr das Aktenlesen erleichtert hätte.
Zum Thema „Früher war alles besser“ diskutierte über politische Magazin unter anderem Anja Reschke, die Talent zum temperamentvollen Streiten bewies. Altmeister Franz Alt stritt trotz seines Alters sehr schlagfertig und geistreich.
In einem viel zu kleinen Raum hatten die Veranstalter eines der brisantesten Panels untergebracht: Zu Information und Desinformation in Afghanistan diskutierten u.a. Ulrich Tilgner sowie ein Presseoffizier der Bundeswehr, nach dessen Angeben die Bundeswehr 1000 Leute mit Kommunikation beschäftigt – eine stolze Zahl.
Action gab es in einem Panel zur anrüchigen Welt der PR, die unter anderem von Klaus Kocks repräsentiert wurde, der die Show mit allerhand Sticheleien und geistreichen Bonmonts dominierte. Ausgerechnet Berufsschwindler Kocks beklagte die nachlassende Qualität im Journalismus – schließlich hätte die PR-Branche ein vitales Interesse an der Gesundheit des Wirtstieres. Der PR-Profi ärgerte sich über Journalisten, die PR-Dienstleistungen anböten, nannte sie gar „Schwarzarbeiter“. Man muss nicht immer seiner Meinung sein, unterhaltsam ist er in jedem Falle. Kocks äußerte die These, die Atomwirtschaft selbst habe das Atommoratorium herbeigeführt, weil sie durch ihre Zeitungsanzeigen Frau Merkel so plump als Erfüllungsgehilfin hingestellt habe, dass es der Frau peinlich gewesen sein müsse (sinngemäß zitiert).
Auch dieses Jahr stach die Analogheit der Journalisten ins Auge. Statt Notebookes und Tablets sieht man ganz überwiegend Leute, die mit Bleistift und Block hantieren.
UPDATE: Meedia