Ich weiß nicht, wie lange die Süddeutsche noch zur Qualitätspresse gezählt werden möchte. Auf der heutigen Titelseite befanden sich zwei Artikel in Nachbarschaft, welche das offenbar gezielte Töten von Menschen durch deutsche Uniformträger zum Thema hatten.
In einem Fall betraf es die Soldaten in Afghanistan, die nach neuerem Stand gezielt auf Einheimische geschossen haben sollen, was als „Selbstverteidigung“ dargestellt wurde (wobei ich nicht weiß, was unsere Soldaten da nach dem Kundus-Massaker überhaupt noch zu suchen haben – sie werden dort als Besatzer wahrgenommen).
Der andere Fall betraf eine Buchvorstellung von NVA-Veteranen, welche die These vertraten, dass es ohne die Mauer Krieg gegeben hätte. Spekulative Geschichtsschreibung zu kommentieren überlasse ich schlaueren Geistern als meinem. Was mir aber an dem SZ-Beitrag massiv aufstößt, ist die Überfrachtung mit etlichen Versuchen, die Veranstalter und Teilnehmer lächerlich zu machen, etwa durch nicht veranlasste Schilderungen von Äußerlichkeiten wie Vergreisung. Stattdessen hätte mich interessiert, was denn die NVA-Generäle zu ihrer These vorgetragen haben. Das ist kein politischer Journalismus, sondern Propaganda.
Ich werde mir jetzt im Gegenteil dieses Buch besorgen, das den SZ-Lesern verbrämt wurde. Vielleicht finanziere ich ja das Buch durch Abbestellen der Süddeutschen.
Ich möchte keinesfalls das Töten an der Mauer verteidigen oder relativieren. Allerdings sollte man Geschichte sachlich angehen und nicht ausblenden, dass auch der westdeutsche Bundesgrenzschutz etliche Menschen bei Grenzübertritten erschossen hat und von deutschen Uniformträgern in Afghanistan ein Vielfaches der Menschen getötet wurde, welche an der Mauer ihr Leben ließen. Um jeden einzelnen Mensch ist es schade. Sind die Gründe, aus denen im Namen Deutschlands derzeit Menschenleben mit der Distanzwaffe beendet werden, wirklich besser, als die der NVA-Generäle?