Schon nach 40 Jahren kam jetzt in Russland jemand auf die Idee, den Klassiker „Archipel Gulag“ von Alexander Solschenizyn von der Zensurliste zu streichen. Solschenizyn selbst war 1945 wegen Briefen mit abfälligen Bemerkungen über Josef Stalin für neun Jahre in Straflager geraten, also Zensuropfer gewesen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das Werk bis heute nicht gelesen habe. Ich bin allerdings dankbar, die Freiheit zu haben, dies jederzeit tun zu dürfen.
Ich kenne einen Verlegersohn und Bücherfreund, der in den 80er Jahren in der DDR in den Stasi-Knast gesteckt wurde, weil er „Archipel Gulag“ und eine Handvoll anderer Bücher an Freunde verliehen hatte, die ebenfalls der östlichen Zensur unterlagen. Das Verfahren hat er 1985 dann doch noch gewonnen und wurde als möglicherweise letzter noch 1990 von der DDR selbst entschädigt und rehabilitiert, während seine Richter 2000 verurteilt wurden.
Das ist übrigens der gleiche Typ, der jeden Freitag in der Hamburger Pressekammer sitzt und staunt, was da so alles mit der Meinungs- und Pressefreiheit passiert. Inzwischen gewinnt er auch im Westen seine äußerungsrechtlichen Prozesse überwiegend. Dass allerdings die Richter, mit denen er sich heute gelegentlich fetzt, ebenfalls verurteilt würden, ist eher unwahrscheinlich.